Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.03.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100308017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910030801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910030801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-08
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bez«---Preis MUckl« «. U»- Mali«; Ua««», tüitl««». >t,«ch. Liaa-». F«tnn«e «lr »«««««. > U»a»«»e»I,tz 8, txi aal««» lrtqir», Mllal««. »«»«»««r« und >much»«ß«llea. I«nie Pnktntt«, «d Brirlrrtzera. «ednttio, „d »«lchttt»»«»« 3»daaat»-«jl« 8. «rrnlvr«der: l«SSL 14««, t««». Morgen-Ausgabe. WpMcr Tageblatt Handelszeitung. Ämtsökatt -es Rates und -es Votizeiaintes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis »r Jalerate au« l!«iv«i« un4 Umieiu,--, di, 6^ir>al»rne W »in breit« Veiitieile 25 H, di« 71 »in dreil« SicNamezril« I »Ml «utwlrts M dteNamen l.L> Inserat« b»n Bebbrdrn >» amtlichen Teil di« 74 w» t rette Vr«it,eil, «o G^chLitranieiqen mit V ahvartchrilten und t» der «bentaudqad« im t!re»« er n, lttadall nach ^ar>l. Äeiingezedülir 5 V. rauten» exN. Lallgebühr. Festerteilt« Äultriige kinuen nicht zurück, gezogen werden. Für da« üricheinen an bestimmten Lagen unb Blitzen wird leine Saraati« übernommen Anzeigen, «nnahmei «ngustuSvlatz 8, bei iimtlichen Filialen u. allen illnnon.en- ikipeditionen de« Zn» and Autlandel, -autzl-Filiale verkta: Earl Dnnckcr, Her,ogl. B>hr, Hotbuch« Handlung, LützowsNabe 10. <reicvdon Vd, btr. Pauvt-Filialr LreSten: Lrestrage «, l tTelcdüon 4-iZli. Nr. ss. Vas Wichüglte. * Dem Landtag ging ein Dekret zu, das Der - einfachungen im Bereich des Finanzmini, steriums herbeiführen soll. (S. Letzte Dep.) * Der Kaiser wohnte am Montag in Wilhelmshaven der Vereidigung der Marine rekruten bei. (S. Dtsch». R.) * In der Montagssitzung des Bundesrats wurde dem Entwurf einer Reichsversiche. rungsordnung zuge stimmt. * Der Reichstag erledigte am Montag in erster und zweiter Lesung den Eotthardbahn- vertrag und ging dann zur Weiterderatung des Marineetats über. (S. Reichstagsbcricht.) * Nach Konstantinopeler Meldungen hat ein Kampf zweier Kurden stamme an der russisch-persischen Grenze stattgefunden, wobei zahl reiche Tote blieben. * Der Generalsekretär der Kolonie Guade loupe, H e n r y, ist auf der Veranda seines Hauses durch zwei von einem Unbekannten abgefeuerte Schüsse schwer verletzt worden. Oer neue Bund. Man hatte es lange Zeit nicht glauben wollen, datz es ernst würde mit der Verschmelzung der linksliberalen Gruppen. Nun ist der neue Bund geschlossen, und die drei alten Parteien haben seine Grüdung durch den eigenen Untergang besiegelt. Freisinnige Bollspartei, Freisinnige Vereinigung und Deutsche Lolkspartei sind gewesen. Die Fortschritt liche Bolkspartei hat zu leben angefangen. Ohne eine feierliche, sinnbildliche Handlung ist der Uebergang zum neuen Bunde erfolgt. Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, als die Männer die Vatermörder und die schwarzen Biedermanns röcke trugen, hätte man sicher einer solchen Ver brüderung die Weihe durch irgendeine symbolische Handlung gegeben. Die Führer der drei alten Gruppen hätten feierlichen Handfchlag getauscht und die Menge hätte jubelnd Beifall gerufen; man kennt diese Pose von den freiheitlichen Regungen in der Zeit von den Freiheitskriegen bis in die achtund vierziger Jahre. Aus Hunderten von Kehlen wäre ein Lied erklungen. Auch ein Banner, von deutschen Frauen gestickt, hätte man sich vermutlich zugelegt. Unsere Zeit ist nüchterner. Sie hat, soviel wir sehen, kein einziges politisches Symbol hervor gebracht, keine Farben, keine Melodie, selbst das Wahlrechtslied Albrecht Trägers macht nicht An spruch darauf, ein Symbol zu sein wie das Schleswig- Holsteinlied oder die Arbeiter-Marseillaise. So vollzog sich denn die Bundesgründung in der Form rednerischer Darbietungen. Geistiger Gehalt in möglichst vollendeter Form wurde dargereicht und so der politische Wille beeinflußt. Wir glauben, daß die Fortschrittliche Volkspartei zum Verlaufe der Ver sammlung im Berliner Wintergarten beglückwünscht werden kann. Ein nicht unwürdiges Bild, das sich dort um die sonntägige Mittagsstunde darbot. Zwar mutzte man auch hier wieder das Allegorische und Erinnerungsreiche misten. Ein Raum, der sonst der leichten Unterhaltung dient, aber doch ganz stattlich anzusehen war mit dem Halbkreis der Sessel, mit der rückseitig anf ragenden Estrade und zu Häupten dem Sternen himmel, der von unzähligen Glühkerzen auf dunklem Hintergründe gebildet wurde. Oben auf der Bühne am Halbmondtifche die führenden Männer der Organisationen, die bisher getrennt marschiert waren: Funck, Wiemer, Fischbeck, Träger, Gytzling, Kämpf, Kopsch, Müller-Meiningen, Schrader, Mommsen, Dohrn, Dove, v. Payer, Heimburger. Diese Personen und ihr brüderliches Beisammensein verkörpern dem fortschrittlichen Denken eine ganze Geschichte. Heber- Haupt scheint die fortschrittliche Partei am meisten von allen bürgerlichen an ihren Führern zu hängen. Wenn in freisinnigen Kreisen der Name Eugen Richter» genannt wird, so ist es uns, als ob das eine ganz andere Bedeutung hat, als wenn vor nationalliberalen oder konservativen Männern die Erinnerung an einen verstorbenen Führer geweckt wird; die Freisinnigen fühlen sich in höherem Grade als Lebensgemeinschaft mit eigenen Zwecken als die anderen, deren Gedanken mehr auf den Staat und auf seine Träger gerichtet find; was Bismarck etwa für jene Kreise ist, ist noch heute den Freisinnigen ihr strenger Führer au» der bismarckschen Zeit. Sie haben nun gebaut ein stattliches Haus. Sie haben sich «in Programm und durch Organisations statut eine äußerlich« Hausordnung gegeben. Im Hause soll herrschen der Geist der politischen Arbeit, de» aufrechten Bürgerfinn», der „gottgewollten Un abhängigkeit", wie Müller-Meiningen sich in seiner trefflich« Programmred« ausdrückte, aber auch Ge- meinfinn, staatsbürgerliche» Pflichtgefühl, Treue zur Dienstag, üen s. März lSlo. Monarchie, Disziplin und Feindschaft gegen Demagogie. Dieser Bau soll dienen für künftige Zeiten. Die Stim mung aber, in der man ihn gegenwärtig bezieht, ist gemischt aus Opposition gegen Reaktion und Re gierung und aus dem Gefühl, datz men doch einiges vor sich gebracht und zu verteidigen habe. Payer, un fähig, in unehrlicher Uebertreibung Befriedigung zu finden, gab zu, einiges habe sich in den letzten Jahren zum Besseren gewendet — er dachte dabei wohl auch an das Dereinsgesetz, an dem er mit gearbeitet. Und auch Naumann erwähnte gelegent lich, datz es noch dunklere Zeiten gegeben habe. Wir sind der Ansicht, datz in der Tat eine Uebertreibung sorgfältig vermieden werden muh. Sonst würde ein Rückschlag im gebildeten Bürgertum entstehen. Datz es heute eine Schmach sei, im Deutschen Reiche zu leben, das die Sehnsucht unserer Väter gewesen, soll man nicht behaupten. Auch preußisches Wesen soll man nicht ohne Unterschied verspotten und verlästern. Dem süddeutschen Payer mag es aus seinem Verkehr mit den norddeutschen Parteifreunden fühlbar geworden sein, daß ihnen unbehaglich zu Muts wird, wennpreutzi- scher Staat und preußisches Leben immer nur ver ketzert werden. Auf feine Weise suchte er, indem er den Unterschied der norddeutschen und der süddeutschen Denkweise aufzeigte, zugleich der Verständigung und Versöhnung zu dienen. Wenn der Unterschied darin gesehen würde, daß man in Norddeutschland das Stramme, in Süddeutschland das Gemütliche schätzte, so bleibe das an der Oberfläche. Der tiefereUnterschied läge darin: in Norddeutschland gehe man vom Staat aus, freue sich der Größe dieses Staates und der eigenen Zugehörigkeit zu ihm; in Süddeutschland gehe man von den einzelnen aus und freue sich, datz der Staat aus solchen Kerlen bestehe; beide Auf fassungen können einander ergänzen; wenn es darauf ankomme, die Pflichten gegen den Staat zu betonen, fei die norddeutsche Auffassung angebracht; wenn es auf die staatsbürgerlichen Rechte ankomme, sei die süddeutsche am Platze. Neben dieser freien Würdigung dessen, was ist, und der Freude am Errungenes stand aber, sie über- ragend, die Opposition gegen die Regierung und gegen diejenige politische Richtung, von der man glaubt, datz sie in der nächsten Zeit vorherrschen wird. Die Epoche der Heranziehung des Freisinns zur Regierungs arbeit — einer der charakteristischen Gedanken der Blockpolitik — erscheint abgeschnitten. Wenn das hohe Matz von rechtlicher Gesinnung, Eemeingefühl und Treue zum Staate, das in manchen der Reden des Wintergartens zum Ausdruck kam, ins Auge ge faßt wird, könnten wohl die Regierenden nicht ohne Bedauern daran denken, datz diese Kräfte nun wieder mehr abseits stehen sollen. Andererseits wird man sich darüber klar sein müssen, datz die Einigung des gesamten Freisinns im Blocke kaum möglich gewesen wäre. Das Verhältnis des neuen Bundes zu der libe ralen Partei weiter rechts wird den Nationallibe ralen, wenn es nach einem Ausspruche Müller- Meiningens geht, gut sein. Man sprach nicht viel davon, ebenso wie man die Sozialdemokratie nur selten erwähnte. Wenn der Abgeordnete Naumann beim Mahle in einer politischen Ansprache die Soli darität mit den Sonntagsdemonstranten betonte, so können wir ihm nicht recht geben. Wir möchten die Gründung der fortschrittlichen Volkspartei für weit wichtiger halten, als die Sonntagsspaziergänge selbst von Hunderttausenden, und es erscheint uns nicht recht angebracht, an solchem Tage nach den Kundgebungen einer dem Liberalismus feind lichen Partei zu gucken. Die ganze An sprache Naumanns richtete sich allzusehr an das Gefühl und an die Phantasie, zu wenig an den Verstand. Wenn an die Gewalt appelliert und revo lutionäres Feuer angefacht wird, und Naumanns Rede hatte etwas revolutionäres Pathos, so ist nicht der Liberalismus der Stärkere. Gerade weil hier noch kürzlich Naumann verteidigt worden ist, möchten wir ihn jetzt dringend ermahnen, auf diesem Wege nicht weiterzugehen. Von Demonstrationszüge wird sich schwerlich eine neue Epoche deutscher Politik herschreiben; dazu sind sie zu äußerlich und nicht auf innerliche Wirkung gestellt. Gern dagegen möchten wir künftig einmal konstatieren können, datz von der Gründung der fortschrittlichen Dolkspartei ein neuer Aufschwung des politischen Leben» in Deutschland datiert. LSchfiltze pariamentsmoche. Die hinter uns liegende Parlamentswoche zeigte in ihrem Verlaufe das gerade entgegengesetzte Bild von der vergangenen. Damals lebhaft« Debatten in der Zweiten Kammer, die zu heftigen Kämpfen zwischen der Regierung und der Volksvertretung führten, während in der Ersten Kammer alle» in tiefem Schweigen zuging, diesmal in der Zweiten Kammer eine Harmonie von der Rechten bis zur Linken mit der Regierung, wie sie sich der selige Pythagoras nicht schöner hätte denken können, dafür aus der Ersten Kammer aber zorniger Kriegsruf eines jungen Ritter», der auszog zum Kampf gegen die Ungläubigen und mit seinen Drommetenstötzen «in kräftige» Echo aus den Reihen der Prälaten erweckt«, Widerstand aber beim Bürgertum fand. Die Woche setzte ziemlich milde ein. Die Deutsch- katholiken-Debatte, die sich an das Kap. 98 des Rechenschaftsberichts knüpfte, brachte in der Haupt sache nur eine Wiederholung der Debatte vom 22. Februar: die Sozialdemokraten lehnten, getreu ihrem Prinzip der Trennung von Kirche und Staat, jede Verwendung von staatlichen Geldern zu kirch lichen Zwecken ab, die Freisinnigen erklärten, wenn die Regierung der Meinung sei. die Deutschkatholiken hätten die von ihnen selbst 1848 aufgestellten Glaubenssätze verlassen, so sei sie auch verpflichtet, ihnen die Anerkennung als staatlich aufgenommene christliche Konfession im Sinne des 8 56 Abs. 1 der Verfassung zu entziehen. Die Regierung selbst nimmt in dieser Beziehung einen logisch nicht ganz einwandfreien Standpunkt ein. Sie sagt: die Deutsch-Katholiken halten jetzt nicht mehr an allen Glaubenssätzen fest, die damals ausdrücklich Voraus setzung der Ausnahme waren. Sie sieht aber nicht ein, daß mit der Voraussetzung auch die Folgerung fallen muß. nämlich die staatliche Anerkennung als christliche Konfession. Jetzt zieht die Regierung diese Konsequenz nur auf finanziellem Gebiet, indem sie die bis 1904/05 an die deutschkatholischen Gemeinden gezahlte Summe von 3000 -4t jährlich nicht mehr in den Etat einstellt, nicht aber auch auf rechtlichem. Sehr bezeichnenderweise ging der Kultusminister Dr. Beck um die Kernfrage, die Abg. Günther aufgeworfen hatte, ganz herum, er antwortete nicht auf die Aeutzerung Günthers, datz nach seiner Ansicht die Regierung verpflichtet fei, vom Landtag be willigte Unterstützungen auch tatsächlich auszuzahlen. Unserer Ansicht nach ist sie allerdings dazu ver pflichtet und hat den Deutschkatholiken zu Unrecht die vom Landtag bewilligte Subvention vorenthalten. Wollte die Regierung aus dogmatisch-religiösen Gründen die Summe nicht wieder in den neuen Etat einstellen, so war das ihr gutes Recht, und es wäre dann Sache des Landtags bzw. der Deutschkatholiken selbst gewesen, auf Wiedereinstellung der Summe zu dringen. Eine Anregung des freisinnigen Abg. Bär- Zwickau in diesem Sinne wurde aber am 6. April 1908 in der Kammer abgelehnt. Damit war für 1908/09 eine Unterstützung dieser Gemeinden unmög lich gemacht, aber keineswegs war damit ein Recht der Regierung auf Zurückhaltung der vom Landtage auf 1906/07 bewilligten Subvention aufgestellt oder anerkannt. Diese mutzte vielmehr gezahlt werden, nachdem sich Regierung und Landtag über den Staats bedarf 1906/07 laut Akzeptationsdekrets geeinigt hatten. Wir haben hier die Sache etwas ausführ licher erörtert, aus wichtigen prinziviellen Gründen. Was heute den D'utschkatholikcn passiert, karn morgen jeder andern (religiösen oder sonstigen) Gemeinschaft passieren. Die wichtigste Sitzung der Zweiten Kammer war die vom Mittwoch. Man hatte allgemein eine Sitzung von der Dauer eines Normalarbeitstages erwartet, aber die Sache kam anders. Die Regierung operierte wesentlich geschickter als in der vorhergehenden Woche, indem der Minister Graf Vitzthum v. Eckst ädt gleich nach der Begründung des Antrags Dr. Roth auf neuzeitliche Umgestaltung des gesamten Beamten rechts erklärte, die Regierung halte selbst eine Neu redaktion und Zusammenfassung der jetzt diese Ma- terie regelnden Gesetze von 1835 und 1876 für wün schenswert und sei bereit, in die Vorarbeiten einzu- treten. Diese promote Erklärung wurde auf allen Seiten des Hauses mit Genugtuung begrützt, und ge rade ihre Promptheit trug wesentlich zur Abkürzung der Debatte bei, veranlaßte auch, daß das Haus den Antrag sofort in Schlutzberatung erledigte. Das gleiche zeigte sich bei den Anträgen Opitz-Hett- ner auf Riedersetzuna eines besonderen Ausschusses zur Herbeiführung größerer Vereinfachung in den Ge schäften der inneren Verwaltung. Auch hier führte die prompte, entgegenkommende Erklärung der Re gierung durch die beiden Minister Grafen Vitz thum v. Eckstäl>t und Dr. v. Rüger dazu, datz die Debatte wesentlich rascher verlief als angenommen wurde. Die geschäftliche Behandlung wurde noch dadurch erleichtert, daß die Antragsteller infolge Uebereinkommens untereinander ihre Anträge in einen einzigen gemeinschaftlich gestellten verschmolzen. Offen geblieben ist allerdings die Frage, wer den Ausschuß berufen soll. Wenn dies auch schließlich von der Regierung aus geschehen muß, so wäre es doch sehr wünschenswert gewesen, wenn der Landtag, der dir Anregung zur Niedersetzung dieses Ausschusses gegeben hat. sich auch ausdrücklich ein Mitbesrim- müngsrecht über die Zusammensetzung gesichert hätte. Leider hat man das anscheinend in der freudigen Eile übersehen, und man wird nun abwarten müssen, ob die Regierung aus eigenem Antriebe dem Land tag ein solches Recht einräumen wird. Vielleicht läßt sie sich dazu herbei, nachdem ihr der Abg. Opitz unter Zustimmung des Abg. Hettner die unseres Erachtens wohl überflüssige Erklärung abgegeben hat, der Antrag solle kein Mißtrauensvotum gegen die Regierung bedeuten. Die Freitagsitzung der Kammer verlief, wie üblich, sanft und schmerzlos, in dem man sich in der Hauptsache über Eisenbahnange legenheiten von lokaler Bedeutung unterhielt. In der Ersten Kammer ging es, wie schon ein gangs erwähnt, am Donnerstag recht lebhart zu. und zeitweise sah es aus. als wenn cs zu einer regelrechten .Kulturkampfdebatte en minirnure kommen sollte. Daß gerade der Benjamin des Hauses, Graf zu Castell-Castell, der Schwiegersohn des unlängst ver storbenen Ministers Grafen Hohenthal, diese Debatte „im Namen zahlreicher Ellernpaare" anschnitt, be rührte dadurch etwas seltsam, daß der Redner selbst darauf hinwies, tte sähen der Zeit des Schulbesuchs ihrer Kinder noch entgegen, also von vornherein zu gab, die Sorge um den „wahrhaft evangelischen Re- lioionsunterrichts" sei für sie verfrüht. Er brauchte sich auch sonst keine Sorgen zu machen. Denn die Er klärungen, die der Kultusminister Dr. Beck schon am 19. Januar 1909 in der Zweiten Kammer über die künftige Gestaltung des Religionsunterricht», wie des Volksschulwesens überhaupt abgegeben hat, und auf die er am Donnerstag in der Ersten Kammer ausdrücklich Bezug nahm, lassen klar und unzwei deutig erkennen, datz die Regierung leider an der Konfessionalitat der Volksschulen festhält. Für den Grafen Schönburg, der anscheinend glaubt, seinen Katholikenstandpunkt bei jeder passenden oder nicht passenden Gelegenheit in der Ersten Kammer betonen zu müssen, so war darum wirklich keine Der. anlassung gegeben, sich irgendwie aufzuregen. 104. Jahrgang. Oberbürgermeister Keil (Zwickau) wies denn auch die Einmischung des Ermen Schönburg in Interna der evangelischen Kirche und Er ziehung mit erfreulicher Entschiedenheit zurück. Näher hier nochmals auf die Sache einzugehen, liegt keine Veranlassung vor, da dies bereits im Leitartikel „Religions- oder Konfessionsunterricht?" am Sonn abendmorgen geschehen ist. Interessant war eine Be merkung des sehr ruhig und sachlich sprechenden Bischofs Dr. Schäfer am Schlüsse seiner Ausfüh rungen, nämlich die Frage: Darf man die Eltern zwingen, ihre Kinder religiöse Ansichten lernen zu lassen, die von den eigenen religiösen Ansichten der Eltern abweichen? Der Bischof erklärte diesen Zwang für einen Widerspruch zu der von den Lehrern geforderten Lehrfreiheit, und er hatte damit ganz recht, unterließ aber, die daraus entspringende Kon sequenz hinzuzufügen, nämlich die, daß dieser Wider spruch vermieden wird, wenn man in der Schule keinen Konfessionsunterricht, sondern lediglich einen vom Dogmatischen freien, das Ethische betonenden Religionsunterricht erteilt und es dem Hause über läßt. durch freie Auswahl des Pfarrers für den nach Ansicht der Eltern geeigneten Konfirmandennnterricht zu sorgen. Tatsächlich bedeuten die Worte des Bischofs die schärfste Verurteilung der konfessionellen Schule! (Die „Sächsische Parlamentswoche" mutzte diesmal wegen der Fülle der Ereignisse am Sonntag um einen Tag verschoben werden. — Red.) Hümlral mm Knorr. Der Mann, der heute unter lebhaftester Anteil nahme aller Daterlandsfreunde seinen siebzigsten Ge burtstag feiert, Admiral Eduard von Knorr, hat ein großes Glück gehabt vor seinen Kameraden, ihm ist es als Schiffskommandanten beschicden gewesen, 1870/71 an den Feind zu kommen und dem gegne rischen Kriegsschiff eine Schlappe beizubringcn. Knorr ist am 8. März 1840 zu Saarlouis geboren. Er war Sohn eines Obersten und trat mit 14 Jahren als „Seekadetten-Aspirant" in die preußische Marine, mit 19 Jahren wurde er Fähnrich zur See. Seine Aus bildung genoß er auf der später im Orkan unter gegangenen Segelkorvette „Amazone", der Fre gatte „Theti s" und anderen Schiffen, ging mit der „Danzig" nach Marokko und nahm endlich von 1869 bis 1863 an der ersten preutzisch-ostasiatischen Expedi tion auf der „Arkona" teil, die auf der Reise bei nahe in einem Taiftln untrrgegangen wäre und sich später glänzend bei Jasmund gegen die Dänen schlug. Damals freilich befehligte Knorr schon als Kapitän leutnant das Kanonenboot „Natter". Am 5. Sep tember 1869 erhielt er das Kommando über das Kanonenboot „Meteor" für eine Reise nach West indien und Südamerika. Mittlerweile brach der Krieg aus und so traf er den viel größeren und stärke ren französischen Aviso im Hafen von Havanna als Feind. Dieser verfügte über 130 Pferdekraft und 85 Mann Bemannung, gegen 80 Pferdekraft der Meteor maschine und 65 Mann. Am 8. November 1870 ver ließ der „Bouvet" den Hafen, 24 Stunden später ge stattete die spanische Regierung des Auslaufen des „Meteor", der bald den „Bouvet" sichtete. Der Fran zose wollte das deutsche Schiff rammen, dies zwar wurde durch eine geschickte Wendung verhindert, immerhin fuhr der Vordersteven des „Bouvet" an dessen Schiffsseite entlang, schob die Mündungen der fertig und zum Feuern ausgerannt stehenden Geschütze und machte sie gesechtsunfähig. Außerdem rissen Kranbalken und die stärkere Bemastung des Fran zosen die Fockraa des „Meteor" und seine Boote herab und brachen ihm Groß- und Besanmast. Auch das heftige Eewehrfeuer vom Deck des viel höheren „Bouvet" tat argen Schaden. Zu alledem wurde die Schraube durch bas über Bord gegangene Tauwerk für eine Weile manövrierunfähiq. Aber cs gelang, den Schaden zu kurieren, der „Meteor" konnte seine Backbordseite ins Gefecht bringen, und eine seiner 12-Zentimeter-Eranaten traf den Maschinenraum des Der Franzose, der nun vollkommen am n unter Dampf verhindert war, setzte eilends Segel und steuerte dem bergenden Hafen zu. Der „Meteor" konnte wegen seiner Schraubcuhavarie nicht sofort folgen, und so gelang cs dem „Bouvet", in die schützende, neutrale Zone zu entkommen. Knorr erhielt für diese Waffentat das Eiserne Kreuz, wurde 1871 zum Korvettenkapitän ernannt und bald darauf zum Vorstände des Hydrographischen Amtes. Don 1874 bis 1878 kommandierte er die „Hertha" auf ihrer großen Reise nach Ostasten. 1876 wurde er Kapitän zur See. Er hatte seitdem verschie dene Landkommandos und wurde 1883 Konteradmiral. Als solcher führte er 1884 das Westafrikanische Ge schwader und leitete die Kämpfe gegen die aufständi schen Dualla-Dörfer. Im Hafen von Kapstadt wurde er 1887 abgelöst und, nach Kiel zurückgckehrt, zum Inspekteur der 1. Marine-Inspektion ernannt. 1889 wurde er Chef der Ostseestation und Vizeadmiral, ' 1893 Admiral, 1895 kommandierender General, eine Charge, die nicht wieder verliehen wurde, als er 1899 zur Disposition gestellt wurde. Am 18. Januar 189«: hatte ihn der Kaiser schon geadelt. 1905 wurde die Büste des verdienten Seemannes vor der Marine- Akademie in Kiel aufgestellt. „Bouvet". Manövriere Ole nattanalliderale Heerschau in Sllüesheim. Aus Hildesheim, 6. März, schreibt man uns: Die Blicke des politischen Deutschland sind augenblick lich mit besonderem Interesse auf die Pro« vinz Hannover gerrchtet. Wohl nirgends in unserem Vaterland« ist der Kampf zweier politischer Gruppen um die Herrschaft jo heftig wie hier, wo sich die Konservativen bzw. der Bund der Landwirte mit allen Kräften ins Zeug legen, die traditionell nationalliberale Provinz für sich zu er obern. Es war deshalb nur ein Gebot der politisch n Klugheit, datz als Antwort auf den am 13. Februar in den Mauern von Hildesheim tagenden lonser- vativen Parteitag, auf dem Herr v. Heydebrand und der Lass seine vielbeachtete Rede hielt, die naticnal-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite