Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191002018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-01
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
rbmu»m«nt-Dm«d» - 8. Briestrigrr«. Di» eill^l« Siu»«« kostet Ist 4> «ed-Moa «d «os»Ltt,«est,r Ioh-Mlitg-s!« 8. Fernsprecher: I4SSL 14688, 14SS4. -"^M-leno. monatu, u« : weor», Österreich - Ungarn, Nnstland, Schwede«. Schwei, «. Spanten. Jn nllen übrt^n Staat« nur direkt durch di» awichtstssreo« de« «-«-» «VUUich. Da» Letswaer ragebtatt «schatnt w»ch«d> Bezugt-Prrit L«ip»j,E«» »a«ch» dnrch nntar» MpMerTUMM Han-elszeitung. Ämlsvkatt des Rates ««- des Nottzeiawtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prek» ist» Inserat« an» Leipzig und Umgebung dw Saespalten« Petit,eil« 2S finanziell« «neigen liO ReNamen 1 van auswLrtt UV Reklamen t.Ä) vom Ausland SVH, finanz. Anzeigen 75^ Reklame» 1^0 Inseraten, vebbrden i» amUichealeilM^. Beilagegeblldr d p. Lausend exkl. Post gebühr. SeschäitSamzeigen an devor«gter «stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Laru Fefterteilt« Austrtae kSnnrn nicht «urück- aezogen werden. Für da« iLrschetnm an bestimmten Lag« und Pläb« wird kein« Garantie übernommen. «neigen- Annahme: Nugustu«platz 8, bei simtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionea de« In- und «utlande«. Haupt-Siliale »rrll«: Carl Duncker, cherzogl. voyr. Hösbach» Handlung, Lützowstla-e 10. (Lelephon VI. sitr. 4Üilö). Paupt-Filtale Lre«deu: Secstrahe 4.1 (Telephon 4621t. Dienstag 1. Februar 1910. m. Jahrgang. Das Wichtigste. * Die Zweite Kammer beschäftigte sich am Montag ausschließ lich mit Eisenbahnangelegenhciten. fS. Landtagsbcricht.) * Das offizielle „Dresdn. Journ." betont noch einmal Sachsens ablehnenden Standpunkt gegen die Schiffahrts abgaben. fS. Dischs. R.) * Der Reichstag nahm am Montag in dritter Lesung die Nachtragsetats zum Kolonialetat an und trat dann in die zweite Lesung des Kolonialetats 1910 ein. Zum Schluss der Sitzung kam es zu einer lebhaften GeschäftsvrdnnngSdebatte wegen des an Ledcbonr ergangenen Ordnungsrufs. s2. Reichstags bericht.) * Die preußischeWahlrechtsvorlagc geht dem preußischen Landtag am Freitag zu. Der König von Preußen unterschrieb den Entwurf am Montag. * In Gegenwart des Königs von Württemberg ist am Montag die staatliche Erfindungsausstellung in Stuttgart in dem neuen, aus Ueberschnssen der BauauSstcllung des Jahres 1908 errichteten Aus stell« ugsgcbäude eröffnet worden. * Nach dem vollständig vorliegenden Wahlergebnis der Neichs- tagsersatzwahl Eisenach-Dermbach hat der Sozial- demokrat Leber mit einer Mehrheit von 108 Stim nen gesiegt. sS. d. bes. Art.) Die englischen Wahlen. Unsagbar schleppend gehen die Wahlnachrichten aus England enu Tie Einrichtung, daß die Wahlen der einzelnen Kreise wocher.weit auseinander gezerrt sind, ist so verkehrt wie nur möglich. Die später vorgcnommenen müssen ja vom Resultat der früheren beeinflußt werden: sei eS, daß die Masse sich behaglich vom Strome der siegenden Sache trMen lasten will und an den Eiegesfesten oer Majoruar teilr.ehmen za dürfen, als der Freuden^ höchste betrachtet; seien es die allzeit Opponierenden, die Widerspieler der allzeit Mehreren, die gezüchtet werden. Aber gerade auch in England schleppen sich so manche Verkehrtheiten wie eine ewige Krankheit fort. Es wird noch eine Reihe von Tagen vergehen, bis das allerletzte Wahlresultat von den Shetlands einläuft, jenem Flecken englischer Erde, wo man weder Angelsächsisch noch Keltisch spricht, den einst das .Mädchen von Norwegen" als Morgengabe der Krone Schottlands zubrachte. Indessen läßt sich der AuSgang der Wahlen doch heute übersehen, da die Zahl der Gewählten das sechste Hundert überschreitet. Ein totes Ren nen! Keine neue Erscheinung im parlamentarischen Leben Englands. Nachdem die liberale Hochflut von 1880 allgemach abgeebbt war, probierte der alte Gladstone eS mit der Taktik, sich durch eine Zufalls-Majorität ein Jahr früher stürzen xn '.asten, ehe es Zeit war. So mußte ein Torh- MinifteriUM dir Neuwahlen überstürzen und — verlor. Allein auch die Liberalen waren unter die absolute Mehrheit hinabgesunken und dadurch genötigt, über Hals und Kopf jenes Bündnis mit den Iren abzuschlietzen, das merkwürdigerweise heute noch immer gilt. Dieses selbe Bündnis be wirkte nun die endgültige Spaltung der Whigs und damit ihre abermalige Verdrängung in die Minderheit, so daß die Wähler schon nach einem halben Jahre abermals an die Urne gerufen werden mußten und nunmehr der neuen Partei der vereinigten .Unionisten" eine anscheinend feste Basis schufen. Nach Ablauf des üblichen Sexcnniumö aber setzte freilich in ge wohnter Weise eine liberale Gegenströmung ein, indessen so matt, daß wiederum nur mit Hilfe der Iren das Kabinett Salisbury mit 40 Stim men aus dem Felde geschlagen werden konnte, und dieses Mal schon nach 3 Jahren seine liberalen Nachfolger die Hoffnungslosigkeit ihres „Fort wurstelns" einsahen. Seitdem ist Großbritannien an starke Mehrheiten ge wöhnt worden, 11 Jahre der Unionisten und schließlich 4 Jahre der Libe- ralen. Was wird aber jetzt werden? Es scheint neuerdings, als wenn eine rein englische Mehrheit der Liberalen, ohne irischen Einschlag, erhalten bleibt. Damit wäre die Bedingung erfüllt, unter der das Oberhaus seine Nachgiebigkeit in Aussicht gestellt hat. Die Sitze der Arbeiterpartei rechnen wir natürlich den Liberalen zu. Aber mit welcher Autorität wird eine Regierung die neue Sitzungsperiode eröffnen, deren Anhängerschaft sich um mehr al» 100 Stimmen verändert hat? Wenn das Oberhaus selbst der gewaltigen Hochflut von 1906 gegenüber festgeblieben ist und sogar die Schulbill zu Fall brachte, die niemandem ans Magere ging: wird e» denn sich jetzt zum geduldigen Vollstrecker des liberalen Programms hergeben? Wir glauben nicht, daß cS jenem römischen Könige gleichen wird, der schließlich der Sibylle denselben Preis für 3 Bücher zahlte, den sie ursprünglich für 9 gefordert hatte. Ter Berlust von 100 Sitzen ist unter allen Umständen als eine äußerst schwere Niederlage anzusehen. Man hat zweifellos jetzt mit einem alsbaldigen zweiten Zusammenbruch de» Unterhauses und mit der dann naturgemäßen Ermattung der liberalen Partei zu rechnen, die ihre besten Kräfte in diesem Wahlkampfe aufgebraucht hat. Ein neues Kabinett Balfour erscheint sehr nahe geruckt. E» gab eine Zeit, in der die Rückkehr der Tory-Herrschaft in Deutsch land mit einer gewissen Sehnsucht erwartet zu werden pflegte. Lord Salis bury kündigte den Abschluß de» deutsch-österreichischen Bündnisse» im Ober haus« mit den evangelischen Worten an: „Siehe, ich verkündige euch große Freude!" Der alte Gladstone hingegen hat au« seiner Abneigung gegen die Politik Bismarck» niemals ein Hehl gemacht. Durch unhöfliche Ver schleppung der deutschen Noten versuchte er unsere Kolonialgründungen auf» äußerste zu erschweren. Oesterreich, dessen bosnische Politik gleichzeitig von Bismarck und von DiSraely gestützt war, hatte er im Wahlkampfe mit sei ne« „knock» okk Austria k" auf» schroffste herausgefordert. Heul« besteht eine andere Konstellation. Die Flottenfrage würde viel leicht kaum den allerschwersten Streitgrund entfalten, wenn wirklich Bal four nach Jahresfrist ins Kabinett zurückkehren sollte. Seine Rücksichts losigkeiten in der Wahlbewegung mögen ihm selber eine Anstandsfrist wünschenswert erscheinen lassen. Ein schwerer Stotz ist auf alle Fälle für die deutschen Interessen zu befürchten von der Greater Britain-Politik der Tories, die unter ihrer nächsten Herrschaft fraglos ihrer Vollendung entgegengeführt werden wird. Die handelspolitische Begünstigung der englischen Kolonien birgt in ihrem Schösse zahlreiche Unstimmigkeiten mit den bestehenden Verträgen. Schlim mer noch ist der voraussichtlich: Sieg der Schutzzollideen Chamberlains. Nicht allein für den Theoretiker des Freihandels, dem die letzte Freistatt seiner Ideen von der Erde ausgetilgt werden soll. Auch unser gesunder Egoismus würde es vorzichen, wenn der St. Florian des Schutzzolles Eng lands Passivhandel verschonte. Allein, loas hilfts? Man hat mit der Tatsache zu rechnen, dass die Hochflut des englischen Liberalismus von 1906 so gewaltig zurückgeebbt ist. daß bereits ein dichter Jnselkranz konservativen Vorflutlandes aus den Wassern herausragt. Eine brüchige Majorität, deren irischer Bestandteil das nationalgesinnte England vor den Kopf stößt, schickt sich an, die Geschäfte fortzuführen. Wie, wenn irisches Drängen nach endlicher Verwirklichung des verheissenen Homerule dem Kabinett eine Zwickmühle schafft? Zu freudiger positiver Arbeit erscheint die geschlagene Partei schwer fähig. Nicht einmal das sozialreformatorische Budget hat die Massen zu elektri sieren vermocht. Es ist nicht ersichtlich, welche stärkere Beschwörungsformel Asquith in petto haben sollte. Die Wahlmüdigkeit nach dem aufreibenden Kampfe dürfte den Rest besorgen. Die Partei steht remis oder patt, wie mans nehmen will: wer anzieht, gerät in Schach. Die Regierung wird zu verdoppelter Vorsicht, zum behut samen Tasten gezwungen sein. Erzwungene Leisetreterei bedeutet aber ganz besonders für ein radikale» Regiment das Verwelken durch Säfte stockung. Leben heißt auch für die Politik: Bewegung. Sächsische Karlarnentsrvsch«. Der Geburtstag des Kaisers, der letzten Donnerstag begangen wurde, hat der Arbeitswoche des sächsischen Landtages ein ungewohnt frühes Ende gebracht. Bereits am Mittwoch machte man Schluß; denn manche der Abgeordneten bekleiden auch kommunale Ehrenämter und wollten in dieser Eigenschaft am 27. d. M. daheim nicht fehlen. Die Herren dann aber am Freitag noch zu der üblichen kurzen Schlußsitzung abermals noch Dresden kommen zu lassen, hatte keinen Zweck. Hin sichtlich der Diäten war e»> auch gleichgültig; es wird ja ah ichin jetzt im „Akkord" gearbeitet. Da war es allo schon richtiger, gleich am Mitt- woch Schluß zu machen. Nur die sechste Deputation soll noch am Donnerstag ganz früh Sitzung gehalten haben. Trotz der geringen Zahl der Sitzungen ist übrigens ein bedeutendes Stück Arbeit geleistet worden; die Tagesordnungen waren in allen Sitzungen recht umfangreich und ihre Erledigung nahm viel Zeit in Anspruch. Die Zweite Kammer hat sogar mit der neunstündigen Dauersitzung vom Dienstag alle bisher aufgestellten Rekords geschlagen. Von der Bolksschuldebatte, die die Beratungen der Zweiten Kammer in letzter Woche einleitete, hatte man mehr erwartet. Wohl wurde von allen Seiten eifrig geredet, es kamen von jeder Fraktion zwei Abgeordnete, außerdem noch der freikonservative Abg. Dürr- Leipzig zu Wort; aber der Gesamteindruck war doch der, daß man sich streckenweise zu sehr in Einzelheiten verkbr und die große Linie, aus deren Beachtung gerade bei der Beratung des Volks- ichuletats besonderes Gewicht zu legen ist, außer acht ließ. Selbst verständlich kam auch die Frage des Religionsunterrichts in der Volks- schule wieder aufs Tapet. Einer Lösung ist sie auch durch die neueste Debatte nicht nähergebracht worden. Es ist das auch wohl kaum zu er warten: denn die Meinungen gehen zu weit auseinander, und die Diffe renz der Ansichten bedeutet in diesem Falle eine Differenz der ganzen Weltanschauung. Diese aber will keine der einander in der Kammer gegenüb-rstehenden Gruppen und ebensowenig die Regierung aufgeben. Deshalb'glauben wir auch kaum, daß das neue Volksschulgesetz zu einer wirklich befriedigenden Lösung dieser Frage kommen wird. Das Bei spiel Meiningens, das, wie Abg. Dürr-Leipzig treffend hervorhob, doch schon einmal auf einem wichtigen Kulturgebiete, dem der drama tischen Kunst, vorbildlich gewesen ist, wird man kaum bei uns zu be folgen geneigt sein. Sehr dankenswert war die Anregung des Abg. H e t t n er-Dresden >Natl.), das zu erwartende Volksschulgesetz amt lich zu veröffentlichen, bevor es dem Landtage zugeht, damit die Öesfent- lichkeit Stellung dazu nehmen kann. Der Kultusminister verhielt sich erfreulicherweise selbst nicht ablehnend dazu, war aber formell im Recht, wenn er sich darauf berief, daß die Entscheidung über die Veröffent- lichung einer Regierungsvorlage Sache des Gesamtministeriums sei. Wenn aber der am 6. Juli 1907 erfolgten Veröffentlichung des Wahl gesetzes drei Monate vor Zusammentritt des Landtages keine Bedenken entgegengcstanden haben, so darf man Wohl erwarten, daß iolche auch gegen die Veröffentlichung des Volksschulgesetzcntwurscs nicht werden erhoben werden. Bei der Beratung des Gesetzes über die Gchaltsvcrhältnisse der Nadelarbeitslehrerinnen wurde, wie zu erwarten war, der § 9, der die Uebernahme der Pensionslasten betrifft, zum Angelpunkt der ganzen Diskussion. Die Kammer stellte sich mit Ausnahme der Konservativen einmütig auf den Standpunkt, daß der Staat die Pensionen der Nadel arbeitslehrerinnen genau so zu übernehmen hat, wie die der übrigen Lehrer, die Regierung weigerte sich dagegen hartnäckig, obwohl der Be trag, um den es sich handelt, recht geringfügig ist und sich aus noch nicht 41 000 .<l jährlich beläuft. Die Regierung vermochte aber, obwohl der Kultusminister Dr. Beck wiederholt eingriff und auch noch den Gey. Rat Dr. Schröder vom Finanzministerium als Reserve aufgeboten hatte, ihre ablehnende Haltung mit guten Gründen nicht zu belegen. Man wird deshalb den Gedanken nicht los, daß es sich um eine Kraftprobe zwischen Regierung und Kammer handelt, und daß die Regierung diese Probe nicht ungern sieht, um später die Schuld an einem Scheitern des Gesetzes dann vor dem Lande der Kammermehrheit auf laden zu können. Man darf doch wohl annehmen, daß mit voller Absicht in der Landtagsbeitage Nr. 80 der Regierungsblätter folgende Worte von der einen Rede Dr. Becks durch gesperrten Satz hervor gehoben worden sind: die tation entgeaengekommen ist, und daßs als in einem Punkte die Regie- rung ihren Standpunkt auS guten Gründen s? Red. d. L. T.) aufrecht- erhalten, aber Ihnen eine durchaus gangbare Brücke gebaut hat. Sie wenigstens in diesem einen Punkte der Regierung entgegenzukommen nicht bereit gewesen find." Rechnung des Kultusministers, auf diese Weise der liberalen Mehrheit die Schuld am Scheitern deS Gesetzes zuschiebeu zu können, bat aber ein Loch. Denn die Schuld wird stetS auf der Regierung hasten bleiben, wenn das Gesetz nicht zustande kommt. Hat sie eS doch noch jetzt vollkommen ,n der Hand, daS Scheitern deS Gesetzes zu verhindern. Sie „Nach den heutigen Verhandlungen würde doch daS Land wissen, daß Regierung bis aus 8 9 in allen Punkten den Wünschen der Devu- braucht lediglich während der Deputationsverhandlungen in der Ersten Kammer zu erklären, daß sie den Beschlüssen der Zweiten Kammer zu stimmt, und flugs wird die Erste Kammer das gleiche tun. Das Zu standekommen des Gesetzes wird ganz gewiß dem Staatswohl dienlich sein. Und dann: wird die Regierung auch auf ihrem ablehnenden Stand punkt beharren, wenn die Erste Kammer, was doch nicht ausgeschlossen ist, den Beschlüssen der Zweiten Kammer beitritt? Aus den Verhandlungen des Mittwochs in der Zweiten Kammer ist nur die einigermaßen über Gebühr bewertete Debatte über die Amtskette des Rektors zu Tharandt erwähnenswert. Die einmalige Ausgabe von 1400 .ll ist nun an sich gewiß nicht geeignet, den Staats haushalt aus den Fugen gehen zu lasten, aber man sollte doch meinen, so dringlich wäre die Sache nicht gewesen, daß man den Betrag nicht hätte in den Etat 1908/09 einstellen und erst die verfassungsmäßige Be willigung des Landtags hätte einholen können. Es macht auch in etat rechtlicher Beziehung keinen angenehmen Eindruck, wenn eine solche Aus gabe unter dem Titel „allgemeine Geschäftsbedürfnisse und verschiedene andere sächliche Ausgaben" verschrieben wird. War es so eilig, dem Tharandter Rektor die Kette anzulegen, so wäre cS richtiger gewesen, den Betrag als Summe für sich und außeretatmäßig verausgabt im Rechen schaftsbericht aufzuführen. Die einzige Sitzung der Ersten Kammer in letzter Woche verzeichnete als wichtigsten Gegenstand die Debatte über den Antrag Dr. Niethammer aus Verlegung des Epipbaniassestes. Der Kamps oarum bot nichts Neues. Es war das alte Bild: die Großgrundbesitzer und die Geistlich keit mit Ausnahme des Leipziger Superintendenten v. Pank dagegen, die Vertreter von Handel und Industrie dafür, nicht aus Feindseligkeit gegen die Kirche, sondern aus der Erwägung, daß der Mensch wob! beten, aber auch arbeiten muß. So gelangte der Antrag gegen 15 Stimmen zur Annahme. Die Regierung aber verhält sich nach wie vor ablehnend! sDie Parlamentswoche, die sonst Montags erscheint, hat diesmal wegen der Ereignisse im Reichstag um einen Tag verschoben werden müssen. D. Red.) Gifencrch. Der Wartburgkreis ist also leider doch von dem sozialdemokratischen Kandidaten Leber erobert worden. Seit Sonnabendnacht brachte der Telegraph wechselnde Kunde über den WahlauSfall, und noch am Montagmorgen ließ sich das Ergebnis nicht mit verläßlicher Sicherheit sagen. Erst am späten Vormittag gelang die nunmehr unabänderliche Feststellung, daß der sozialdemokratische Kandidat über seine beiden bürgerlichen Mitbewerber einen Vorsprung von 108 Stimmen hatte. Es wurden gezählt für Dr. Appelius (Natl.) 5786 Stimmen, Hädrich (Deutschsoz.) 4356 und Leber (Soz.) 10 250 Stimmen. Bei der Wahl im Jahre 1907 war der frühere Abgeordnete Schack in der Stichwahl mit 9834 gegen 9L0S sozialdemokratischen Stinunen gewählt worden. Im ersten Wahlgange hatten erhallen: Dr. Ginter <'catl > 6089, Leber (Soz.) 7875 und Schack (Deutschsoz.) 6985 Stimmen. Demnach sind die Stimmen der Liberalen um rund 300 und die Stimmen der Deutschsozialen um 2600 zurückgegangen, während die sozialdemokra tischen Stimmen um rund 2400 aufstiegen. Die Sozialdemokraten haben also ungefähr den Verlust der Antisemiten zu ihren Gunsten buchen können. Dieser höchst bedauerliche Ausgang des Wahl kampfes kommt für die bürgerlichen Parteien einigermaßen unver mutet. In liberalen Kreisen batte man wenigstens auf eine Stich wahl zwischen dem natioualliberalen und dem sozialdemokratischen Kandidaten gehofft, zumal von natioualliberaler wie von freisinniger Seite in treuer Kampfgemeinschaft für die liberale Sache gearbeitet worden ist. Die gegen 1907 geringere Wahlbeteiligung läßt auf eine bei Nachwahlen freilich allgemein zu beobachtende Lässigkeit der bürger lichen Elemente schließen, die sich nun bitter gerächt hat. Die schwere Niederlage der Deutschsozialen war nach der höchst blamablen Affäre Schack vorauszusehen; außerdem hat sich ja der Antisemitismus, wie er zu Ahlwardts Zeiten blühte, längst überlebt. Aber daß die Wähler Schacks sich ins sozialdemokratiiche Lager schlugen, ist in nationalem Interesse tief beklagenswert. Der Grund ist freilich offensichtlich genug. Selbst die „Leipz. Ztg.*, die doch sonst den rechtsstehenden Parteien treu die Stange hält, begleite! den Gewinn der Sozialdemokratie mit den Worten: „Das beweist wieder, daß auch hier an dem Ausfall der Wahl und dem Umschwung in der Stimmung der Wählerschaft noch andere Faktoren gearbeitet haben.* Der wichtigste dieser andern Faktoren ist zweifel los die Reichsfiaanzresorm. Eine an uns gelangte Zuschrift aus dem Wahlkreise bestätigt diese Meinung vollkommen. Sie bezeichnet mit Recht den WahlauSfall als Schulbeispiel dafür, wie er bittert und verärgert weite Volksschichten in Stadt und Land über die Art der Verabschiedung der Reichsfinanzreform und vor allem über die Ablehnung der Erbschaftssteuer sind, die man weithin für die gerechteste aller direkten Steuern hält. Die Sozialdemokratie hat in nahezu sämtlichen Orten des Wahlkreises zugenommeu, und was das Bedenk liche ist, nicht nur in den Jnoustrieorten, sondern vor allem auch auf dem platten Land, in Orten, in denen vorwiegend Land wirtschaft betrieben wird. So geben zum Beispiel Berka v. H. 10>, Creuzburg 265, Kaiseroda 122, Kittelsthal 118, Kaltennordheim 184, Kaltensundheim 94, KlmgS 50, Erbenbausen 40, Lauchröden 90, Mihla 247, Mosbach 138, Oberwriv 125, Ostheim 253, Völkershausen 111, Unterweid 74, Wiesentbal 111 sozialdemokratiiche Stimmen ab. In Eisenach wuchs die jozialdemokratische Stimmenzadl von 3049 auf 3568. Gewiß stammen diese gegeu die Vorwahl mehr abgegebenen sozialdemo kratischen Stimmen nicht nur von überzeugten Genossen, sondern zum größten Teil von Mitläufern der Sozialdemokratie, die unter dem Druck der Zeitverbältnisse eS mit der Politik der Wallensteiner halten: „Wer das Meiste bietet, hat uns!" Aber gerade die Ausstellung einer solchen Quittung von sonst vielleicht gut Bürgerlichen ist der unwiderlegliche Beweis für die tiefe Erbitterung und Verärgerung in den Reihen weiter Volksschichten. WaS die katholischen Orte betrifft, so sind sic sämtlich für den deutschsozialen Kandidaten Hädrich eingetreten; nicht aber mit der glerchen Begeisterung, wie das seiner- zeit bei Schack geschah. Man hat sich offenbar vielfach der Stimmabgabe enthalten und auch dadurch indirekt die Wahl de« Sozialdemokraten mitverschuldet. Der bedauerliche Au-gang de- Wahl kampfes, der ja in der geschickten Ausnutzung der gegenwärtigen wirt schaftlichen Konjunktur zu erkläre», wenn auch nicht zu entschuldigen ist, möge eine ernste Warnung für diejenigen sein, die fortgesetzt auf Kosten der Allgemeinheit krasse Sonderinterefseupolitik treiben; er möge aber auch den Regierungen zeigen, daß schwächliche Nachgiebigkeit gegenüber derartigen Egoisten dem nationalen Gedanken ernsten Abbruch tut. Das deutsche Bürgertum aber möge sich ermannen und seiner an sich be rechtigten Unlust nicht allemal dadurch Ausdruck geben, daß e- in« Extrem fällt und zum roten Stimmzettel greift, denn von der Sozial- demokratie kauu da« Deutsch« Reich, wie wir e- lieben, kein Heil erwarten.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite