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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100118
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-18
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
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BezugS-Prei- st>r Leipzig und «ororte durch unsere Träge» und Spebiieure i»r Hau« gebracht: 88 -> iiionakl., 2.78 »ierteljLdrt. Bei unlern Filialen». Annadmestellenadgeholtr 72 monatl. S.SS vierteljihrl. Durch die Post: innerhalb Dcui,a> unbo und der deutschen Kolonien vicrtcljäliri !>.lii> monatl. I.'-tt .« auLschl. Postvestellgeld. Ferner in Belgien, Tänemark, den Tonaustaaten, Italien, Hureniburg, Niederlande, Nor» iuegen. Oei'terreich Ungarn, Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die ÄeichälrsneUe beb Blatte» erhLitiich. Tai leipziger Tageblatt erscheint wöchent lich 7 ma> und zwar morgen». »ldouneinent-Annalime i Augustuiiplatz 8, bei nnleren Tragern, Filialen, Spediteuren und Ailnaümeslellcn. sowie Postämtern und Briejträgerii. Die einzelne Nummer koktet 18 H. Neduktion und Geschäskösteller Iohaninegasse «. Fernsprecher: 14682, 146M, I4K04. U'cip.rigcrTagtlilatt Handelszeitung. Amtsblatt des Nates and des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis Wr Inserate «M Lechit, »nd Umgebung dt» ßaespaitrna Petitgetl« 22 iinanzielle 38 ««Namen l »»» «nstoLrt« 3V 2z, «rklame» I.Ä) „en «a«a»d S0^, staarrz. Anzeige» 72^, Reklame» iLv ^k. Inserat«». Behörden « amtlichen TeilM^ Beilagrgtbllhr 5 p. Tausend exkl. Posl- -ebllhr. «eschästsauzeigeu an bevorzugter Stelle im Preii« erhöht. Rabatt nach Dari 8«sterteilte Aaftrtg« können nicht zurück- araogen werde», gtr da« iirschetnen an bestimmten Tage» und Plötzen wird kein« Baranti« übernommen. «neigen- P»»ah«: Nngastutzplatz 8, d«t sämtlich«» Filiale» u. allen Annoncen- ltrd«ditio»e» de« In» und Äurlande». -auvt-Filiale Berlin: larl Diincker, Herzog!. Vahr Hosbuch- handluvg, Lützowstiaße iO. (Lrlephan Vd, Nr. «rx^3). Handt-Zilial« Dresden: Serstraß« 4, I (Telephoa 4621). Nr. l7. Dienstag 18. Januar 1910. 104. Jahrgang. Das wichtigste. * Der Reichstag beschäftigte sich am Montag mit den Inter- pellationen über den Stand der Privatbeamtenversicherung und über die Entschädigung arbeitslos gewordener Tabak arbeiter. (S. NcichstagSbcricht.) * Ein Weißbuch über die marokkanische Minen frage ist dem Reichstag zngegangen. (S. d. bes. Art.) « Ter Zentralausschuß der Feisinnigen Volks- Partei sprach sich für Zusammenschluß der freisinnigen Parteien auf Grund des Eini^ungS-programmS aus. (S. d. bes. Art.) * Graf Khuen-Hedervary hat die Bildung des neuen un garischen Kabinetts vollendet. Die Ministerlistc ist vom König Franz Josef bereits genehmigt worden. (S. Ausl.) * Der frühere französische Kriegsminister General Andrö unter lag bei den ScnatScrsatzwahlen in CLte d'Or gegenüber dem radikalen Kandidaten Meßner. (S. Ausl.) Dir Gruppierung -er Marteren in Orenszen. Aus preußischen nationalliberalen Kreisen geht uns über die Grup pierung der preußischen Parteien im Zusammenhänge mit der Wahl rechtsfrage eine Zuschrift zu, der wir diskussionshalber gern Ralnn geben: Nicht leicht läßt sich bei einer Wahlrechtsvorlage Vorhersagen, wie die Parteien sich schließlich zu ihr stellen werden. In Bayern haben die Liberalen einmal durch einen feierlichen Beschluß das Prinzip der rela tiven Mehrheit gefordert, es dann aber, als es in eine Regierungs vorlage hineingenommen wurde, verworfen. Noch wochenlang nach Er scheinen dieser Regierungsvorlage hätte man zweifelhaft sein können, ob das Zentrum sie ablehnen und die Liberalen dafür stimmen würden, oder umgekehrt; es kam dann so, daß das Zentrum dafür und die Liberalen dagegen stimmten, während einige jungliberale Führer dahin dräng- ten, auch die Liberalen sollten den Entwurf getrost annehmen. Wegen des Widerstandes der Liberalen war zunächst nicht die Zweidrittelmehr heit, die in Bayern für Verfassungsänderungen notwendig ist, vor handen; in Neuwahlen wurde sie aber vom Zentrum erzielt und dann kam es nach allgemeiner Ansicht noch viel schlimmer für die Liberalen. Recht bedeutsam für die Entscheidung der einen Gruppe ist auch in Preußen geworden, was die gegnerische Gruppe tut: man tut dann eben selbst das Entgegengesetzte. Dieses Prinzip gibt aber, wie das bayrische Beispiel glaubhaft machen dürfte, keine sicheren Finger zeige. In Preußen hat man mehrfach in den letzten Jahren beobachten können, daß die Liberalen dann leidlich zufrieden waren, wenn und weil die Rechte murrte. Eine untrügliche Urteilsbildung wird dadurch keineswegs verbürgt. Auch könnte ja die Rechte sich jene Neigung zu nutze machen und gleichsam auf „Vorgabe" murren. Es sind Anzeichen dafür vorhanden, daß in der Tat diese Taktik angewandt wird. Es ist anziehend, die ersten leisen Ansätze der Stellungnahme zu der künftigen Wahlrechtsreform zu beobachten. Einstweilen sieht man rastende Versuche. Die „Kr e u z z e i t u n g" findet die Mitteilung der preußischen Thronrede über das baldige Kommen der Wahlrcchtsvorlage erfreulich: „Je eher durch eine Regierungsvorlage der öffentlichen Dis- lussion Ziel und Richtung gegeben wird, desto eher wird die aufreizende Agitation auf der einen, die beunruhigende Sorge auf der andern Seite sich mäßigen. Mag dann der Kampf um die Vorlage selber noch so heftig werden, es wird wenigstens dann nicht mehr allzu lange dauern." Ent- gegengeseht urteilt die agrarische „Deutsche Tageszeitung"; sie schreibt über die zeitliche Ankündigung l,,in einigen Wochen"): „Wir machen keinen Hehl daraus, daß wir eine solche Ankündigung nicht er wartet, sondern vermutet haben, man werde über den Zeitpunkt der Ein bringung nichts sagen." Weiter droht die „Dtsch. Tagesztg.": „Ist der Wahlgesetzentwurf, was wir vorläufig nicht annehmen, geeignet, die Radikalisierrmg des politischen Lebens irgendwie zu fördern, die Autorität des Staates und der Krone zu schwächen, die Ent- ichcidung über die Zukunft des Volkes in die Massen zu legen, den Zu- sammenbang des geschichtlich Gewordenen zu lockern oder zu zerreißen, so müßten wir einem derartigen Gesetze schärfsten Widerstand entgegegenstelle n." Soll diese Ankündigung die Liberalen veranlassen, mit freund- sicheren Augen dem Entwurf entgegenzusehen? Es ist doch wohl geradezu unwürdig, in solcher Weise die Stellung des andern maßgebend für die eigene werden zu lassen. Man muß doch wohl nach sachlichen und nach selbständigen taktischen Gesichtspunkten suchen. Nun hat sach lich und taktisch die Erklärung, gegen eine bestimmt gestaltete Wahl reform zu stimmen, im Munde der Liberalen keine Schrecken für die Regierung und die andern Parteien. Den Deutschkonservativen liegt ja gar nichts an der Reform. Anderseits können die Liberalen und wohl selbst die Sozialdemokraten vor ihren Wählern verantworten, daß sie eine Reform, die ihnen lange nicht genügend erscheint, doch als Ab schlagszahlung hinnehmen. Diese Freiheit würden sich wohl die frei sinnigen Fraktionen auch durch etwaige Resolutionen der Demokratischen Vereinigung, die Wahlrechtsvorlage der Regierung sei von jedem libe ralen Manne abzulehnen, nicht nehmen lassen. Ja, wenn man einen aussichtsreichen Wahlkampf vor sich hätte! Aber davon ist doch bei nüch terner Betrachtung gar nicht zu reden. Im Jahre 1908 sind erst tie Wahlen gewesen. Schon damals ist auf linksliberaler Seite stark für die Wablreform agitiert worden. Ein entscheidend besserer Erfolg ist wobl für die Wahl im Jahre 1913 auf Grund desjetzigen Wahlrechts auch nicht zu erwarten. Bis dahin währt nämlich die Session. Und nun zeigt sich recht, daß die „Kreuzztg." und die Regierung diesmal klüger sind als die „Dtsch. Tagesztg.". Gerade wenn die Wahlrechtsfrage bald erledigt wird, kommt sie für den künftigen Wahlkampf weniger in Betracht. Die „Kreuzzeitung" spricht auch schon aus, „daß nach dem jetzigen Versuche einer Wahlrechtsreform, gleichviel, ob er zu einem Er folge führt oder nicht, die Negierung in absehbarer Zeit nicht wieder mit einer Vorlage an den Landtag treten wird." Daß die Nationalliberalen und Freisinnigen sich bemühen werden, in der Wahlrechtsfragc nicht gegeneinander zu arbeiten, darf man wohl nach der ganzen parteipolitischen Entwicklung der letzten Zeit trotz der stark voneinander abweichenden Wahlrechtsziele beider erwarten. Die liberalen Fraktionen zählen zusammen aber noch keine 105 Mandate von insgesamt 413. Mit den Freikonservativen zusammen wären es immerhin 160. Wenn soviel Stimmen als sicherer Block für die geheime Abstimmung in die Wagschale gelegt werden könnten, so könnte sich immerhin noch einiges ankristallisieren. Zunächst aber sollten die Liberalen gemeinsam mit geschickten Tak tikern von den Freikonservativen die Wahlreformabwehrer ins Unrecht setzen. Jedenfalls wird man die Kunst taktischer Machtpolitik nicht ganz gering achten dürfen. Das weiszbuch über die marokkanische Minenfraae ist dem Reichstage zugegangen. Es besteht aus einer 17 Seiten langen Denkschrift und einer Sammlung von 173 Aktenstücken. Die Denkschrift beginnt mit einer Erinnerung an die Grundsätze der deut schen Marokkopolitik, unserer wirtschaftlichen Interessen und offenen Tür, und an den unter deutscher Mitwirkung zustandegekommenen Ar tikel 112 der Algecirasakte. Ein scherifischer Ferman soll die Be dingungen der Konzession und Ausbeutung von Minen, Gruben und Steinbrüchen fcstsetzen. Bei Ausarbeitung dieses Fermans wird sich die scherifische Regierung nach den den Gegenstand regelnden fremden Gesetzgebungen richten. Der Gesandte der deutschen Negierung bat, den Sultan an der unkontrollierten, dem Prinzip der wirtschaftlichen Gleich heit widersprechenden Verleihung von Konzessionen zu hindern, um da mit die von dem französischen Uebergewicht am Sultanhofe drohende Gefahr für deutsche Bewerber zu parieren. Infolgedessen konnte die deutsche Negierung nicht die Rechte deutscher Unterneh mer, die zwischen der Zeichnung der Akte und dem Erlaß eines Minen gesetzes erworben sein sollten, für erworben anerkennen. Wohl aber mußte sie die vorbereitenden Schritte für eine künftige deutsche Beteiligung am marokkanischen Bergbau nach Kräften unterstützen. Nach diesen Richtlinien war die Tätigkeit des Auswärtigen Amtes zu gunsten der Unternehmungen der Gebrüder Mannesmann von Anfang an folgerichtig bis zur jüngsten Zeit bestimmt. Am 4. Juni 1906 hatten die Gebrüder Mannesmann mit geteilt, daß sie bei Abdul Aziz die Verleihung ausgiebiger Minenrechte im östlichen Riff beantragt hätten. Die amt liche Unterstützung wird alsbald dahin formuliert, daß der Gesandte die Absicht der Brüder Mannesmann, sich nach Erlaß eines Minengesetzes nm Konzessionen zu bewerben, schon setzt zur Kenntnis des Machsen bringen köLne. Vielleicht werde es sich später ermöglichen lassen, falls entsprechende Bestimmungen in das Berggesetz ausgenommen würden, eine gewisse Priorität für die Herren Mannesmann in Anspruch zu nehmen. Im weiteren Verlaufe der Angelegenheit ist diesen von der Gesandtschaft kein Zweifel darüber gelassen worden, daß etwaige Prioritätsansprüche aus der Tatsache der ersten An- Meldung nur dann hergeleitet werden könnten, wenn das auf Grund des Artikels 112 zu erlassende Berggesetz dies ausdrück lich festsetze. Auch der Gesandte Dr. Rosen, der jm Herbst 1906 in Fez war, wurde nur ermächtigt, falls ManneSmann allein nicht weiter kommt, durch Zustellung seiner Absicht an den Machsen die Grundlage für später vielleicht einmal von ihm geltend zu machende Prio ritätsansprüche zu schassen. Bei Empfang der Herren Mannesmann durch den Staatssekretär von Schoen zu Beginn des Jahres 1908 ist dann nochmals festgestellt worden, daß es sehr zweifelhaft sei, ob und in welcher Wei'e vor Erlaß des Berggesetzes Rechte erworben wer den könnten. Auch die amtlichen Akte des Sultans und seiner Negierung in dieser Sache haben sich im wesentlichen auf die amtliche Konstatierung der Tatsache beschränkt, daß die Herren Mannesmann als erste zu einer bestimmten Zeit bestimmte Leistungen über angcstellte Bergwerks mutungen einqcrcicht haben. Die Denkschrift schildert nunmehr die verschiedenen Anläufe, die zur Zeit des Sultans Abdul Aziz nach dem Inkrafttreten der Algecirasakte zur Schaffung eines Berggesetzes gemacht worden sind. Der erste Versuch kam von der deutschen Seite. Zu den Beratungen über diesen Entwurf, der das Prioritätsprinzip de- tonte, wurden auch die Brüder Mannesmann hinzu gezogen. Die politische Entwicklung, die Abdul Aziz immer weiter in französische Hände führte, ließ den deutschen Entwurf nicht über das Ansangsstadium hinauskommen. Der zweite Versuch kam von fran zösischer Seite. Er drohte, die freie Auswahl der Bewerber durch den Sultan in das Gesetz bineinzubringen, und so alle Fremden, jeden falls alle deutschen Bewerber auszu schalten. Diesem Plane trat die deutsche Regierung mit Erfolg entgegen, und in der Sitzung des diplomatischen Korps vom 20. August 1908 wurde auf eine deutsche Anregung einstimmig ein Beschluß gefaßt, der eine gewisse Mitwirkung und Kontrolle des diplomatischen Korps beim Zustandekommen des Gesetzes einsnhrte. Es beißt in diesem Beschlüsse: „. . . . daß die vollendeten Arbeiten der Ingenieure gleichzeitig dem diplomatischen Korps und auch dem Machsen mitgeteilt werden müssen, und daß der Machsen den revidierten Entwurf uns vor der Promovierung vorzulegen habe, damit wir uns davon über zeugen können, ob derselbe den Bedingungen des Satzes 2 des Ar tikels 112 der Algecirasakte entspreche." Es war wichtig, bemerkt hierzu die Denkschrift, daß dieser die Mächte bindende Beschluß ausdrücklich von einer Formulierung des Gesetzes spricht, denn das von den Herren angerufene angebliche Gesetz vom 7. Oktober ist nicht veröffentlicht worden. Durch den Beschluß vom 20. August 1908 sind alle Mächte gebunden, kein anderes als ein nach Maßgabe dieses Beschlusses ergangenes Bergrecht für Marokko an zuerkennen. Ganz besonders aber ist Deutschland an jenen Beschluß gebunden, da es ihn ja selbst herbeigesührt hat. Aus den Anlagen der Denkschrift ist zu ersehen, daß die Aktion der deutschen Regierung in der Richtung der Wünsche der Herren Mannesmann lag. Die Denkschrift untersucht sodann das Berggesetz Muley Hafids und die darauf begründeten Rechtsansprüche. Die Brüder Mannesmann vertreten den Standpunkt, der Sultan sei zum selbständigen Erlaß eines Berggesetzes berechtigt gewesen. Unter dem 1. Oktober IMP habe Muley Hosid ein solches erlassen, mit dem er die nach Artikel 112 der Algecirasakte in dieser Materie obliegenden Ver pflichtungen erfüllt habe, und auf Grund dieses Gesetzes seien den Herren Mannesmann Konzessionen verliehen worden. Diese seien also nach marokkanischen Gesetzen wie nach der Algecirasakte gültig. Die deutsche Negierung wisse, daß die Mannesmanns auch unter Muley Hcsid ihre Bergwcrkspläne fördern wollten, nicht aber, daß der neue Sultan veranlaßt werden sollte, schon jetzt und schon ganz im stillen ein Berggesetz zu erlassen, und auf Grund desselben an demselben Tage umfangreiche Rechte zu verleihen. Tas Muley Hasidsche Berggesetz ist zustande gekommen entgegen dem Be schluss^, ein Berggesetz durch Herrn Porchö ausarbeiten zu lassen, den der Sultan Abdul Aziz gemeinsam mit dem diplomatischen Korps gefaßt hatte. An diese internationalen Fragen berührende Regierungs handlung seines Vorgängers ist Muley Hafid gebunden, entsprechend der ihm bei seiner Anerkennung durch die Mächte gestellten Bedingung. Zweitens ist das Berggesetz entstanden ohne Mitwirkung und Hilfe des diplomatischen Korps in Tanger, also ent gegen dem einstimmigen Beschlüsse der Mächte vom 20. August 1908, der alle Vertragschließenden verpflichtet, nur ein unter gemeinsamer Kontrolle zustande gekommenes Gesetz als der Algecirasakte entsprechend anzuerkennen. Von der deutschen Negierung war daher nicht zu verlangen, daß sie diesen Beschluß, den sie selbst durchgesetzt hatte, plötzlich nicht nur selbst ignorieren oder als ungültig ansehen, sondern auch das gleiche von anderen Nationen fordern sollte. Drittens ist das Gesetz, anstatt ordnnngsgemäß bckanntgegeben zu werden, bis auf den heutigen Tag geheim geblieben, oder nur durch die Herren Mannesmann bestimmten Personen gezeigt worden. Aber selbst wenn das Gesetz in richtiger Form und mit der unzweifelhaften Willensmcinung des Sultans, es als Gesetz deS Artikels 112 anzusehen, zur Kenntnis der deutschen Negierung und Interessenten gelangt wäre, so hätte eine Vertretung seiner Gültigkeit den anderen Negierungen gegenüber nur dann in Frage kommen können, wenn das Gesetz allen Algeciras-Mächten so notifiziert und wenn cS für alle Interessenten gleichzeitig in Kraft getreten wäre. Der Sultan hat am 7. Dezember 1908 und nach seiner An erkennung am 20. März 1909 'das Schriftstück bestätigt. Aber auch durch die>e beiden Akte erhält es keineswegs den behaupteten Wert, ob wohl die deutsche Negierung im zweiten Falle auf Antrag der Herren Mannesmann ihre Schritte unterstützte. Die Regierung hatte dabei lediglich im Auge, den Sultan zu einer Bestätigung der von ihm als nicht anerkannten Herrscher gegebenen Unterschrift zu veranlassen. Es sollte eine Verschlechterung ihrer Lage gegenüber anderen Bewerbern mit zweifelhaften Ansprüchen verhindert werden, nicht aber sollten Ansprüche ohne ausreichende rechtliche Grundlage in recht lich voll begründete umgewandelt werden. Am Schlüsse dieses Teiles ihrer Ausführungen bemerkt die Denkschrift: Die Regierung habe, in dem sic den Herren Mannesmann auf andere Weise zu praktischen Resultaten zu verhelfen versuchte, eine Stellungnahme zur Rechtsfrage, die nur eine ablehnende hätte sein können, nach außen zu umgehen ver sucht. Dies sei auch noch in den Erklärungen des Staatssekretärs im Reichstage der Fall gewesen. Die Angriffe, die gegen die Regierung in den lebten Wochen gerichtet worden sind, nötigten sie jedoch zur Erklä rung ihrer Haltung und zur Wahrung ihres Ansehens, nunmehr auch ihre eigenen Bedenken gegenüber der Nechtsaus- fassung der Herren Mannesmann öffentlich zur Geltung zu bringen. Die Denkschrift stellt nun die langwierigen Bemühungen dar, zwischen der Union des Mines Marocaineö, bei der be kanntlich ebenfalls deutsche Interessenten beteiligt sind, und dem Mannesmann-Syndikat einen Ausgleich herbeizu führen. Die Verhandlungen scheiterten an der Frage der dlbgrenzuug der Interessensphären. Darauf beschlossen die hauptsächlich inter essierten Regierungen, darunter auch Deutschland, über die älteren An sprüche bei Beratung des Berggesetzes zu verhandeln. Bekanntlich haben Vorverhandlungen über dieses Gesetz zwischen Vertretern von Deutsch- and, Frankreich, England und Spanien vor kurzem in Paris stattge- ünden. Dabei ist die deutsche Regierung besonders für eine Äcriick- ichtigung der aus der Vergangenheit stammenden Ansprüche, in erster Linie der der Herren Mannesmann, eingetreten. Es ist abgemacht worben, daß denjenigen Interessenten, die in Marokko au? bergbaulichem Gebiete bergwerkstätig gewesen sind, entsprechend ihrer Betätigung ein Privilegium zur Erledigung von Berggerechtsamen gewährt werden soll, wobei zwischen verschiedenen Bewerbern um dasselbe Gebiet die Priorität entscheidet. Die Negierung bat ferner unter großen Schwie rigkeiten im Interesse der Herren Mannesmann erreicht, dem die anderen Regierungen schließlich doch zugestimmt haben, das für die Billigkeitsansprüche einzusetzende Gericht auch mit der Entscheidung der Frage zu befassen, ob und mit welchem Umfange Rechte etwa schon er worben seien. DaZ bedeutet ein Kompromiß zwischen der Auf fassung der Herren Mannesmann, die anfechtbare Rechte zu wahren ver meinen, und der Auffassung der Negierungen und den übrigen Inte ressenten, die die Nechtsbestänbigkeit der Mannesmannschen Ansprüche nicht anerkennen. Die Auswahl der Schiedsrichter, fünf rechts- und bergkundiger Leute, soll durch das Schweizer Bundesgericht oder durch dessen Präsidenten erfolgen. Die Denkschrift schließt: „Die deutsche Regierung ist sich der Be deutung wohl bewußt, die eine Beteiligung deutscher Unternehmer an der Ausbeutung der Mineralschätzc Marokkos für Deutschland, seine In dustrie und Schiffahrt, haben würde. Demgemäß hat sie sich nach Kräften bemüht, eine Beteiligung in einem erheblichen Umfange zu er möglichen. Daß sie sich dabei innerhalb der Grenzen gehalten hat, die ihr die Achtung der Verträge und eine ehrliche, loyale und konsegucnte Politik vorschreiben, wird man ihr nicht zum Vorwurf machen dürfen." Die freisinnige Einigung. Der ZentralauSschuß der Freisinnigen VolkSpartei hat am Sonn abend und Sonntag im Reichstag über die Frage der Einigung verbandelt und sich für den Zusammenschluß der drei links liberalen Parteien auf der Grundlage der vom Viererausschuß der linksliberalen Frakt'onSgemeinsckaft vorgc>chlagenen Entwürfe des Pro gramms, des Organisationsstatuts und der Uebergangsbestiminungen ausgesprochen. Der Zentralausschuß der Freisinnigen Volkspartei ist nächst dem Parteitag die maßgebende Parteiinstanz. Er be steht aus den parlamentarischen Vertretern, sowie aus je zwei Delegierten der Bezirks- und Provinzialverbände der Partei. An den Sitzungen des ZentralauSichusseS nahmen 44 Reichs tags- und LandtaaSabgeordnete teil, sowie 68 Delegierte von 3l Provinzial- und BezirkSverbänden. An Stelle des verstorbenen Abg. Reinhart Schmidt-Elberfeld leitete der stellvertretende Vorsitzende Abg. Funck die Verhandlungen. Den seit der letzten Sitzung deS Zentral- auSschusseS im Juli veistorb.men Parteifreunden, insbesondere dem lang jährigen Führer der Partei, Schmidt-Elberfeld, widmete er einen tiefempfundenen Nachruf, den er unter einmütiger Zustimmung mit dem Gelöbnis schloß, im Sinne des alten Freundes von Eugeu Richter auch in der neuen Partei zu wirken. Nachdem Abg. B lell den Bericht der Kaffenrevisoren erstattet hatte «nd dem Geschässssübrenden Ausschuß Decharge erteilt worden war, wandten sich die Verhandlungen der Ar««e »er SintgnnG zu, die den einzigen Punkt der Tagesordnung bildete. Als Referenten fungierten die beiden Mitglieder des ViererauöschusseS Abg. Dr. Wiemer und Abg. Dr. Müller-Meiningen.
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