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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100121
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-21
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
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Bezug»-Prei- sür Lripzig und Bororte durch unser« Träger und Spediteure in« -au« gebracht r VV H monatl., L.7Ü ^e vierteljLbrl. Bei unsren Filialen u. Annahmestellen abgrholtt monatl.. viertelst-rl. Lurch die chpft i innerhalb Teunchmnd» und der deutsche« »lolonien »iertcljLhrl. lt.llll monatl. I.ii» aurschl. Postbcstellaeld. Ferner in Belgien, Tinemark, den Donaustaaten, Italien. Luxemburg, Niederlande, llkor» wenen, Oesterreich Ungarn, Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Geichiitrnelle des Blatte« erhtttlich. La« Leipziger Tageblatt erscheint wichent» lich 7 mal und zwar morgen«. Abonnement-Annakme: Auguftu-platz 8, bet unseren Trigcrn, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Poslimtern und Briestrigern. Die einzelne Nummer kostet 10 stkrdaktton und Grschäfttsteller Iohann'.Sgasse 8. Fernsprecher: I46L2. 146!», 14 SSt. KWMrTWMM Handelszeitnng. Ämtsvlatt des Nates und des Nolizeiamles der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis lttr Inserate au« Leipzig und Umgebung di« 6gespaltene Petitzeil« L finanzielle Anzeigen 3t) H, Neklameu I van autwirt« SV Aeklamen 1.20 »»«Aulland Sv^, finanz. Anzeigen 75^, NeNamen 1.50 Inserate». Behörden i« amilichenTeiliv^ veilagegebüdr ü p. Tausend exkl. Post- gebühr, »eschiitoanzeigen au bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Nabatt nach Tarii Fest erteilte Austrtge kinnen nicht zurück- gezogen werden. Für da« iirscheinrn an bestlmmten Tagen und Plthen wird kein« Barautte übernommen. Anzeigen. Annahme: AugustuÜplatz 8z bei sümtlichen Filialen u. allen Lnnoncen- Sxpeditionen de« In» und Au«landc«. Paupt-Ailiale Berlin »art Duncker, Lemogl. Bahr Hosbuch» Handlung, Lützowstiaße IO. (Telephon V1. Nr. 4pu3>. Haupt-Kiltale Dresden: keestrabe 4,1 (Telephon 4621). Nr. 2V. Freitag 21. Januar 1910. 10t. Jahrgang. Das wichtigste. * Die Erste Kammer erledigte am Donnerstag einige Etats-, NechenschaftS und Petitionssachen. (S. LandtagSbericbt.) * Tie 4. Abteilung der Zweiten Kammer hat wegen der angefochtenen Wahl des Abg. Dr. Roth (Freis.) verschiedene Beweis erhebungen beantragt. (S. DtschS. R.) * Der Reichstag nahm am Donnerstag den Handelsvertrag mit Bolivien in dritter Lesung an und bewilligte dann in zweiter Lesung den Iustizetat. (S. Reichstagsbericht.) * Der Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung des Reichs gerichts wird dem Reichstag Mitte Februar zugehen. (S. Reichs- tagsbericht.) * Die Kommission des Reichstages für den portugiesische« Handelsvertrag hat die für Donnerstag anberaumte Ab st immun- ouf Grund vertraulicher ErklLrungen der Regierung auf den 26. d. M. vertagt. (S. DtschS. R.) * Wie die »Neue Freie Presse" meldet, erhielt der Wiener Uni versitätsprofessor Dr. F. Jodl eine Berufung an die Universität Leipzig als Nachfolger des im letzten Jahre verstorbenen Pro fessors Max Heinze. (S. Letzte Dev.) * Die Bank von England hat den Diskont von 4 auf Prozent ermäßigt. — Der Zentralausschutz der Reichs bank ist zu heute vormittag einberufen worden, um gleichfalls über eine DiSkontermätzigung Beschluß zu fassen. (L. Handelsztg.) * Die Vereinigten Staaten beabsichtigen ihren Vorschlag betr. die Neutralisierung der mandschurischen Bahnen nicht weiter zu verfolgen. Die japanische Regierung nahm in einer den Vorschlag betreffenden Note eine sehr scharfe Stellung gegenüber China ein. (S NuSl.) * Wie aus Bochum gemeldet wird, hat sich die Lage auf der Zeche Holland bedeutend verschlechtert. Die Aussicht auf Rettung der sechs eingeschlossenen Knappen ist nahezu trostlos, GcstcinSncichsturze zerstörten die bisher unternommenen Rettungsarbeiten. Von den Verunglückten hört man nicht«» mehr, und mgn befürchtet, datz sic bereits tot sind. Jedenfalls ist die Hoffnung, sie lebend zu bergen, äußerst gering. (S. Verm. u. Letzte Dep.) * Im Mordprozctz Koziol wurde gestern das Urteil gefällt. Der An geklagte wurde viermal zum Tode, zu vier Jahren Gefängnis und zu lebens länglichem Ehrverlust verurteilt. (S. Gerichtssaal u Letzte Dep.) Das Duell. Wir wohnen einem Duell bei, einem Duell zwischen den Brüdern Mannesmann und den Herren von Schoen und Bethmann Hollweg. sTenn es muß immer wieder betont werden, daß wir den Reichskanzler persönlich für den Fortgang dieser wichtigen Angelegenheit haftbar machen müssen.) Das Auswärtige Amt hat ein Weißbuch über den Fall Mannesmann herausgegeben. Die Brüder Mannesmann werden also behandelt, wie eine auswärtige Macht, denn bisher sind solche diploma tischen Dokumente nur in bezug auf auswärtige Mächte verfertigt und veröffentlicht worden. Und hierin liegt ein Charakteristikum des ganzen Verfahrens, das die Regierung beliebt hat. Das Auswärtige Amt hat sich benommen, als stehe es den Gebrüdern Mannesmann so völlig fern, wie etwa der französischen Republik oder irgendeinem anderen Staate. Es hat sich einer Objektivität, einer pedantischen Gerechtigkeit befleißigt, die ihm allerdings in der französischen Presse eine gute Zensur sichert, die aber schwerlich geeignet ist, deutsche Interessen zum Siege zu führen. Die Regierung mußte unserer Ansicht nach unter allen Um ständen darauf verzichten, sich in einem Weißbuch zu verteidigen, denn sie weiß sehr wohl, daß sie mit dieser Veröffentlichung den französischen Politikern die Waffen schmiedet. Als der Staatssekretär v. Schoen die Rede hielt, in der er die Rechte der Brüder Mannesmann kritisierte, als ob er im französischen und nicht im deutschen Parlament spräche, da standen wir vor einem höchst unerfreulichen Novum und glaubten, nun sei der Rekord erreicht. Aber Herr v. Schoen verstand es, sich selbst noch zu übertrumpfen. Er veröffentlichte daS Weißbuch, daS dem eventuell einzuberufenden Schiedsgericht natürlich mit als Grundlage seiner Beschlußfassung dienen wird. So nehmen deutsche Staatsmänner die Interessen deutscher Staatsbürger wahr. In der Denkschrift wird ausgeführt, seit dem englisch-französischrn Abkommen von 1904 sei die deutsche Wirtschaftspolitik in Marokko be strebt gewesen, für die wirtschaftliche Gleichberechtigung aller Nationen einzutreten. Es sei daher notwendig gewesen, auch die Mannes- mannschen Ansprüche unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Das ist, wie gesagt, höchst loyal; nur haben die anderen Regierungen ein anderes Prinzip verfolgt, nämlich daS, für die Rechte der eigenen Nation einzutreten. Damit haben sie mehr erreicht als vir. Und schließlich handelt eS sich doch allein um den Erfolg. Frankreich hat sich um die Bestimmungen der Algecirasakte nicht einen Deut gekümmert und hält die wichtigsten Teile des Sultanats noch heute unter allerhand Vorwänden besetzt. An Vorwänden fehlt es ja in solchen Angelegen heiten natürlich nie. Dasjenige Volk, das den Edelmut so weit treibt, stets erst nach dem Recht deS Fremden zu fragen, ehe eS daS eigene durch setzt, kann in der Welt nicht vorwärtSkommeu. Hier hat das Auswärtige Amt wieder einmal seine schon sprichwörtlich gewordene Uneigennützig keit übertrieben, und Herr v. Schoen hat sich doch allzusehr als „des- interessierten Gentleman" gezeigt. Denn Muley Hafid hatte den Herren Mannesman« Konzessionen erteilt, die nach Ansicht der namhaftesten Autoritäten rechtsgültig waren. Und die Denkschrift sagt selbst: Am 20. März 1909 habe Muley Hafid, nachdem er als Sultan anerkannt worden war, daS .Gesetz" bestätigt, doch könne auch dieser Bestätigung der von den Herren Mannesman« behauptete Wert nicht beigelegt werden. Dann hebt die Denkschrift mit Stolz hervor, die deutsche Re gierung habe .erreicht", daß da» zur Prüfung ernzusetzend« Schieds ¬ gericht sich auch mit der Entscheidung der Frage zu befassen haben werde, ob und in welchem Umfange schon Rechte vorhanden seien. Das ist aller dings erstaunlich viel und des Schweißes der Edlen wert. Die Genüg samkeit unserer Diplomatie verdient wahrhaftig alle Anerkennung. Unter solchen Umständen wirkt es fast wie Hohn, wenn die Denk schrift „die rege Betriebsamkeit, den deutschen Unternehmungsgeist und die energische Tatkraft" der Herren Mannesmann vollauf anerkennt. Geradezu lächerlich wirkt es, wenn erklärt wird, die Regierung habe es amtlich und formell vermieden, sich gegen die Herren Mannesmann aus zusprechen; denn in demselben Atem wird hervorgehoben, daß „eine Stellungnahme zur Rechtsfrage nur eine ablehnende hätte sein können". Was unter diesen Umständen von dem Schiedsgericht zu erwarten ist. liegt auf der Hand; die Schiedsrichter werden sich sagen, daß die deutsche Negierung selbst auf einen Erfolg nicht hofft, ja, ihn gar nicht zu wünschen scheint, und daß sie daher nicht päpstlicher zu sein brauchen als der Papst. Die Flucht in die Öffentlichkeit, die Herr v. Schoen unternommen hat, ist mißlungen. Sein Dokument, dessen Angaben die Gebrüder Mannesmann übrigens in allen wichtigen Punkten bestreiten, wird niemand davon überzeugt haben, daß das Auswärtige Amt im Verlauf dieser Angelegenheit die deutschen Interessen wirklich in wünschenswerter Weise wahrgenommen hat. Bei allen Streitigkeiten ist auf beiden Seiten Recht. Es ist nicht die Pflicht einer Regierung, mit philologischer Peinlichkeit herauszudüfteln, was vielleicht dem Gegner günstig sein könnte. Eine Negierung hat die Pflicht, sich gesunder Einseitigkeit für ihre Schutzbefohlenen zu befleißigen, solange diese Einseitigkeit nicht gegen den Wortlaut der Verträge offen verstößt. Ob dies der Fall ist oder nicht, ist zumeist eine Frage der Auslegung. Ter Gesamteindruck der peinlichen Angelegenheit bleibt der, daß Herr v. Schoen den Ehrgeiz bat, als Pariser Botschafter eine Versöhnung zwischen den beiden Nationen herbeizuführen. Dieser Ehrgeiz ist an sich natürlich keines wegs verwerflich; indessen ist Deutschland doch wohl schwerlich gewillt, intime Beziehungen zu der französischen Republik durch eine un gemessene Freigebigkeit und Nachgiebigkeit zu erkaufen. Nützlicher ist es, Geschäft als Geschäft zu behandeln und wohlerworbene Rechte zäh zu verteidigen. Dev nette französische Zolltarif. (Bon unserem Pariser 7..-Iorkespo»-«aIn>.) Parts, 19. Januar. Der französische Senat wird recht bald in die Beratung deS neuen Zolltarifs einlreien; wenn wir recht unterrichtet sind, zeigt sich die vor beratende Kommission des Oberhauses wenig geneigt, die von der Kammer angenommene Vorlage abzumildern, um keinen Meinungsstreit zwischen den Parlamenten entstehen zu lassen und nicht die Einführung deS neuen Tarifs zu verzögern. Ab 1. April wirv die ausländische Industrie einer schier unüberstergbaren Zollmauer an der republikanischen Grenze be gegnen. Mögen auch einige belgilchc Städte nahezu im Aufruhr sein, weil man ihre Hauptsabrikat on (Holzschnitzerei, Möbel rc.) ruiniert, mögen dre Spielzeugexporteure Nürnbergs, Sonnebergs rc. stöhnen und protestieren, die Herren Protektionisten Frankreichs bleiben dabei, daß der neue Zolltarif in erster Linie sirr die eigene Industrie eine Lebens frage fei. Nach der letzten Zollrevision dieteS Genres, 1892, ging der französische Außenhandel von .10 Milliarden 1891 auf 7 Milliarden 1893 und 6,2 -Oiilliarken 1894 zurück, nm erst eine ganze Reihe von Jahren später wieder die verlorenen 10 Milliarden zu erreichen. MSline, der fchutzzöllneri che Minister, der den grausam-populären Spitznamen „per» lsmino", „Vater Hungersnot", erhielt, brachte es fertig, daß Frankreich im Außenhandel der Welt von der zweiten Stelle auf die fünfte zurückgevrängt wurde. In den letzten 17 Jahren stand das respektive Anwachsen deS Handels von Frankreich, Deutsch land und Amerika im Verhältnis von 1 zu 4 und 5. Seitdem haben Deutschland und Amerika selbst sckutzzöllneli'chen Ideen gehul digt, und in der Rückwirkung erholte sich der französische Handel — heute veröffentlicht das „Journal Osfic'el" die französische Han- delSstatistik für 1909, wonach der Anßeobandel sich gegen 1908 um 800 Millionen Francs veimehit hat. Die Schätzungen sind noch nicht definitiv, da man erst im Frühjahr genau wissen wird, welche Wert erhöhung die französische Ware bei der allgemeinen PieiSstrigerung gehabt hat; im Handelsministerium ist man überzeugt, daß der fran zösische Außenhandel 1909 zum ersten Male 12 Milliarden Francs erreicht. Siebt man die Statistik des „Osficiel" noch näher an, dann bemerkt man, wie auffallend günstig die jetzige internationale Zollkonstellation Frankreichs industrielle und landwirtschaftliche Ent wickelung beeinflußt. Zunächst wuchs die Einfuhr nur um 332, die Ausfuhr aber um 460 Millionen; die Vermehrung der Einfuhr besteht größtenteils aus der Industrie notwendigcn Rohmaterialien; nur für 40 Millionen fertige Fabrikate wurden mehr importiert, dagegen für 8 Millionen Nahrungsmittel weniger — ein Zeichen, daß die französische Landwirtschaft in zunebmendem Maße die eigenen LandeSbedürfnrsse zu decken imstande ist. In der Ausfuhr steigt die Ziffer für landwirt schaftliche Produkte obendrein von 747 Millionen (1908) auf 812 Millionen; die Ziffern für Rohprodukte von 1341 auf 1562 Millionen, für fertige Fabrikate von 2519 auf 2685 Millionen und für Postkolli von 443 auf 453 Millionen. JnSgefamk lauten die offizielle« Ziffern: für die Einfuhr 5973 Millionen (5641), für die Ausfuhr 5512 Millionen (5051), für den ganzen Außenhandel 11 484 Millionen (10 691). — Was wollen also die französischen Protektionisten? Den Import auf halten? Seine Zunahme ist geringe' als die deS Exports. Eine Ver besserung der industriellen Konjunktur, Erleichterung der französischen Konkurrenz auf dem Jnnenmarkte durch Zollbelastung der im Ausland billiger hergestelltra Fabrikate? Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Arbeitsbedingungen in der Rupublik für die Industriellen härter sind al» in viele» Nachbarländern. Aber eS ist eine ebenso bekannte Tatsache, daß die französilche Arbeiterschaft sich jede Zollrevision sofort zunutze wachte, um bessere Löhne herauszuschlagen; kaum haben die Industriellen dank der Schutzzölle größeren Gewinn, al» auch schon ihre Angestellten mit ihren Mehrforderungen heraus- rücken. Damit abermalige Verteuerung der HerstellungSpieise in der Republik und ihre verringerte Konkurrenzfähigkeit aus dem Auslands märkte, Rückgang des Exports wie vorher deS Imports. Man braucht kein Prophet zu sein, um Frankreich für 1911 und 1912 denselben Krebsgang seine» Außen handel» vorauSzusageo, wie e» ihn 1893 und 1894 nach einer ganz ähnlichen Zoll revision wie jetzt erlebt hatte. Ist der neue Zolltarif besonder» gegen Deutschland gerichtet oder nicht? Auf diese Frage wolle» wir hier eine mit Ziffern belegte definitive Antwort neben, wennschon der Handels ¬ minister Dupuy und jetzt auch der „TempS" ausdrücklich ver sicherten, die Zollrevision wäre gegen kein Land im besonderen gerichtet. Der Tarif von 1910 wurde als Antwort aui die seit 1892 von anderen Ländern vorgenommenen Zollerhöhungen bezeichnet. Die Kammer kommission baite herausgerechnet, daß die französiiche,, Waren bei ihrer Einfuhr in Deutschland, der Schweiz, Amerika und Spanien zusammen 27 439 000 Fr. mebr bezahlen als l892. Sie hatte ferner heraus gerechnet, daß die Waren dieser vier Länder bei ihrer Einfuhr in Frank- reich nach 19l0 zusammen nur 9 564 000 Fr. mehr bezahlen müßten als jetzt. Die letztere Ziffer ist jedenfalls zu niedrig gegriffen, weshalb sie auf die Kammermehl heil einen um so vorteilhafteren Eindruck machte. Man stellte die Zollerhöhungen der einzelnen Länder einander gegenüber und fand, daß wenn die Vereinigten Staaten die französischen Waren mit 15,6 Millionen mehr be lasteten, die amcrikani'chen von Frankreich nur mit 3,56 Millionen mehr belastet werden sollen; auch bei der Schweiz ist das Verhältnis zum Nachteil Frankreichs (2,47 gegen 0,66 Millionen), ebenso bei Spanien (5,5 gegen 0,95 Millionen-; nur bei Deutschland gesteht die Kommission zu, daß es von Frankreich mehr belaste: werden soll, als es Frankreich belastet hat. Hier sind die Ziffern 3,83 gegen 4,38 Millionen Francs — und die Piaxis würde noch eine viel bedeutendere Benachteiligung Deutschlands ergeben! Von allen Ländern also, mit denen die Republik Handel treibt, tnffr ihr neuer Taris Dem.chland am härtesten. Das ist kein Zufall. Die „Spezialisierung", die man angeblich von Deutschland in der Zollgesetzgebung gelernt haben will, war eine viel zu große Arbeit, als daß man nicht genau gewußt bätie, wen sie für jeden Punkt treffen wird. Amerika hat die fran- zösiiche Einsuhr genau fünfmal mebr belastet, als Deutichland es tat; und doch sollen seine Waren au der französischen Grenze hinfort nur 3>/», die deutschen 4>/, Millionen Franken mebr be zahlen! So wenig richtet sich die Tarifreform gegen Deutichland! Es ist wahr, daß auch Oesterreich-Ungarn und Belgien „automatisch" mil- beti offen werden. DaS aber sollte die deutsche Diplomatie nicht ver hindern, noch in letzter Stunde gewaltige Anstrengungen zu machen, um Frankreich zu verstehen zu geben, daß der Zolltarif zum mindesten kein freundschaftlicher Akt hinsichtlich Deutschlands ist. Es hat roch schon einigen Eindruck gemacht, daß in deutschen Zeitungen von Re pressalien, von Erhöhung des Schaumweinzolls auf den Maximal satz (statt l30, 180 ^), von Weinlontrolle (Analyse) und von schlechter Behandlung der franösilchen Gemüse- und Älumeneinsuhr zu gunsten der italienischen usw. die Rede war. Soll die französische Land wirtschaft wieder den Schutz der Industrie bezahlen? Die Praxis der Repressalien ist immer ein unangenehmes, ja gefährliches Mittel. WaS wird aber übrigbleiben, wenn der Senat jetzt daS Beispiel der Kammer befolgt und zugleich mit der Spielzeug- die Psorzheimer Bijouterie- Industrie, aller Art Maschinen, elektrische, photographiiche, wissenschaft liche und sonstige Apparate, GlaS-, Porzellan-, Papier-, Leder- und Pelstvaren, Mustlinstrumente, kurz die hauptsächlichsten deutschen Aus fuhrartikel, Bier einbegriffen, mit Zollerhöhungen bis zu 100 Prozent trifft? Doch bevor die Aera der Repressalien beginnt, muß alles ver sucht werden, um sich im guten zu einigen. Erfreulich ist eS, daß in Ermangelung der zu sehr gesellschaftlich in Anspruch genommenen Diplomatie deutsche Bürger, die sich auf die poesieloien Handelsfragen verstehen, die Feder in die Hand nehmen und in so gemessener, würdiger und eindrucksvoller Sprache den französischen Nachbar über seinen Irrtum aufzullären suchen, wie es Kommer zienrat Berthold Bing in Nürnberg in seinem vom „TempS" an hervorragender Stelle veröffentlichten Brief tat. Ja viesem Brief heißt es: „Um zunächst von unserer heimischen Industrie zu sprechen: Legt sich das französische Publikum wirklich Rechnung ab von dem in Deutichland durch die Nachricht helvorgerufenen Eindruck, der Eingangszoll auf Spielzeug, dielen Artikel, der seit langen Jahren Gegenstand eines bedeutenden HanvelSaustaulches mit Frankreich ist, werde von 60 auf 100 Franken erhöht werden? Weiß man wirklich in Frankreich, daß durch eine besondere Klausel, die den Zoll für ver- n ckelte Waren auf 150 Franken erbebt, das Spielzeug, sobald irgend ein Teilchen vernickelt ist, ebenfalls mit 150 Franken belegt wird? Auf 100 kg bereutet das praktisch die Prohrbilion. Man ging aber noch Weiler: unter Art. 635b schrieb man die Kinematographen und Projektionsapparate, die I-ateruL msgicL neben photographischen Appa- reten ein, so raß aus kleine Kinematographen für Kinder pro 100 kg 300 Franken wie aus PräzisionSapparaie für die Industrie gezahlt werden müssen. Bisher waren die kleinen kinemaiographitchen Zauber laternen, die 12 bis 15 das Dutzend kosten, als Spielzeug mit 60 Franken belegt, was schon ein Schutztarif ist. Zukünftig sollen sie 100 Pior. vom Wert zahlen! Für verstlberie Artikel wurde der gegen wärtige Tarif von 100 Fr. auf 300 Fr. erhoben, und wir brauchen nicht erst näher verständlich zu macken, daß dies für diese Fadrilationsart prohibitiv ist. Wir wissen sehr wohl, daß unser Alarmruf nur wenig Aussicht bat, gehört zu werden; denn als Deutsche sind wir verdächtig. Man muß den Mut haben, eS zu sagen. Wissen wir doch, daß während der ZollviSlujsion, vor allem bevor die Vereinigten Staaten gezeigt hatten, wie sie den protektionistischen Kampf zu führen gedachien, Deutschland die Kosten Ihrer parlamentarischen Debatten bezahlte. Nie halte man mehr von der „deutschen Gefahr" gesprochen: industrielle Gefahr, Heber schwemmung mit deutschen Waren, Arbeiter-Gefahr, Invasion der deutschen Handarbeit, Finanz gefahr durch die angebliche Invasion deutscher Banken. Und doch schmeichelten wir uns, besonders wir durch so viele gemeinsame Erinne rungen Ihrem Laude nahestehenden Süddeutschen, vaß ein genaueres Verständnis der Dinge auskäme, dank der Bemühungen der deutich- französischen Handelsvereine. . . ." Der Schreiber dieses interessanten Briefes schildert dann, daß eS den Bemühungen der Handelsfreunde ge lang, die wegen innerer Flnanzschwierigkeiten erhöhte Champagnersteuer um 50 zu ermäßigen, d. h. cs der Regierung zu überlasten, den höchsten Satz erst in besonderem Fall einzuführen. Er sagt voraus, daß ähnliche Bemühungen in Deutschland zukünftig Wohl zwecklos sein werden: „Ich spreche Ihnen nicht von andern Verteidigungs maßregeln, um nicht zu sagen, Repressalien, mit denen natur- lich jene vorrücken, die wie bei Ihnen so bei uns nicht von versöhnlichem Geist beseelt sind. Schon redet mau von der Anwendung in unserm letzten Weingesetz enthaltener Maßregeln, die erlauben würden, selbst den Champagner und alle teuren Werne in Flaschen zu analysieren, um all daS zu entdecken, was ChemrkerweiSbeit bei Zollbesorgniffen mr reinsten Rebensaft zu finden weiß. Ich spreche Ihnen auch nicht von Früchten und Gemüsen, die ganz gesetzmäßig mehrere Tage lang im Zollamt wegen angeblicher VerkehrSüberfüllc zurückbehalten und der Fäulnis überantwortet werden können, während italienische Gemüse und Früchte auf dem schnellsten Weg befördert werden. Bon Ihrer Seite haben wir auch alle» zu befürchten. Die französische EindilvungSgabe ist, wie eines Tage» der ehrenwerte Herr Meline sagte, fruchtbar genug, um sich nie in der Schaffung von Zollhinderniffen von der deutschen Erfindung überholen zu lasse«. Ist da» aber ei» wünschenswerter Zustand?" Der Brief drückt schließlich die Hoffnung au-, daß die
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