Volltext Seite (XML)
a«t««n Lrüiern, stUialrn, Spediteur*» Wuachmegrtlen, s,wte Postämtern u»o BrtettrLger». U, M»t«t»e Siuou»« kistei 10 ,rd«My> «» m*s»ist««*^, Johluinl»iaff« V. g«r»I-r»ch«! 14ÜW. l4«S, 14««. MpMerTlUMM Handelszeituug Ämtsvlatt -es Nates ««- -es Nolizeiamtes -er Llabt Leipzig. L«-ei-e«.Preir Mr s»i«r«t« Lech^« und lln^rdu», dt* S«p«lt*»*-«^«U« 2S linaaziell« k»1^««» «eüa»»u I —» -ntwärtl i» -- »irNamrn I.« »» Aullund^SO^, finnig Anzeige« 75^ Inserate». BehSrden « a«uiichenL«U4v^ Beilag^epsttr 5 p. Lausend «gN. Posi- aebü-r. «eschtsrta«zeigen an bevorzugt,. Steil» t» Preis» erhöht. Rabatt nach Lar gesterteüt» «uftrtge können nicht zurück gezoge» «erbe«. FLr »a» ttrscheineu u : beftiäuntrn Lagen und Plötzen wird tein? »arantie übernommen Angei^n-Annahi»«: L»g»ku«Pl«tz 8. »ei stmtlichen Aiitaie» u. allen Annonce:.' Sgpebitionen det In- und Auglaadei. Haupt-Filiale lverlta: Stzpl Luncker, Lerzogl. Bahr. Ho>buch Handlung, Lützowstrah» lii. (Lelephoa VI, Rr. 4608). Paupt-Stltale Vrcidrn: Seestraße 4, I (Lelephoa 4S2l>. Die Sozialdemokratie ist „staat-klug" geworden. Sie glaubt es auf ihre innere und äußere Stärke hin wagen zu dürfe». Die Beteiligung Pernerstorfers an der parlamentarischen Kaiserdeputation wäre vor wenigen Jahren ein undiskutabler Gedanke gewesen. Es ist ja auch, wenn wir in der Zielrichtung der sozialdemokratischen Zukunftsideen ausblickeu, nicht zu verkennen, daß dieser Akt des politischen Zere moniells in die Agitation eine gewisse Verwirrung trägt. Aber der österreichischen Sozialdemokratie ist da- Hemd näher als der Rock, das Heute wichtiger als das Dereinst, und auch sie verleugnet nicht die Lehre des ihr verhaßten Bismarck, indem sie das Erreichbare vor daS (ihr) Wünschenswerte stellt. In diesem Entschluß äußern sich übrigens nicht nur mehrfache, son dern sogar gegensätzliche Motive. Er kann — und mit Recht — als eine Aeußerung des Kraftgefühls der Sieger gedeutet werden, die sich in ihrer errungenen Position mehr gestatten dürfen, al- die „Genoffen" in anderen Staaten; und die es verschmähen, ein Vogel-Gtrauß-Spiel vor dem derzeit Bestehenden zu treiben und die Kräfte auf unnütze Demon strationen zu vergeuden. Mindestens in gleichem Maße wie die Stärke verkündet sich aber auch eine gewisse Schwäche in dem Faktum. Oder sagen wir: die Rücksicht auf DolkSeigentümlichkeiten, die der starre politische Geist Schwächen zu nennen geneigt ist. DaS Oesterreichertum ist eine weiche Mischung. So wild eS tobt, wenn die Leidenschaften ent- zündet sind, von der Gemütsseite her droht den Bürgern der politischen Kämpfer stets die Bresche. Die achtundsiebzig Jahre des Kaisers strömen ein« Popularität aus, der sich die sozialdemokratischen Wähler nicht entziehen. Eine Demonstration gegen den Kaiser, der daS all gemeine, gleiche Wahlrecht durchgesetzt hat, würde der sozialdemokratischen Partei auch agitatorisch viel mehr Schaden als Nutzen gebracht haben. Trotzalledem bleibt der Tag, an dem der Delegierte der Sozial demokratie in der Wiener Hofburg angetreten ist, ein historisches Da tum. Er wird in seiner Bedeutung erhöht durch die reizvollen Worte, die der alte Kaiser für das merkwürdige Ereignis gefunden hat. „Ich habe heute das Präsidium deS AbgeordentenhauseS empfangen" — sagte er zum Grafen Jaroslaw Thun, der den Wortlaut im Parlament wiedergab — „und auch Herr Pernxrstorfer hat mir die Ehre geschenkt. ES freute mich, daß Pernerstorfer so lieb mit mir war . . ." Auf die sen Worten liegt der Schimmer humorvoller Ironie. Aber der Kenner der Verhältnisse zweifelt gar nicht an der direkten Aufrichtigkeit dessen, der sie gesprochen hat Kaiser N-anz Josef ist ein alter Mann. Er will Ruh« haben. Er freut sich an dem liebenswürdigen Verhältnis, in dem er zu der prinzipiell friedlichen Partei persönlich steht, und betrachtet diese „guten'Beziehungen" als seinen Erfolg. Mit ihrem Scherz und ihrem Ernst verleugnen die Kaiserworte nicht, daß eS sich bei dieser Audienz doch gewissermaßen um einen Verkehr von Macht zu Macht gehandelt hat ... . Pernerstorfer, der sozialdemokratische Vizepräsident des Reichs rates, war für die interessante Stunde der rechte Mann. Er ist ein selbständiger Kopf. Lange hatte er seine denkende Individualität mit einem latenten Mißtrauen, das ihm die Genossen entgegenvrachten, zu büßen. Er war ihnen mit der aus seiner politischen Vergangenheit herübergeretteten deutschen Gesinnung verdächtig. Denn die öster reichische Sozialdemokratie ist international in dem Sinne, daß sie -war den tschechischen und polnischen Genossen ein mitunter bis zum Chauvinismus gesteigertes Bekenntnis zum Nationalismus gestattet, von den Deutschen jedoch die obligatorische Nichtintervention bei den nationalen Kämpfen verlangt . . . Pernerstorfer war als Student Burschenschafter und dann, als Herausgeber der „Deutschen Worte", ein Parteigänger Schönerers gewesen, von dem er sich trennre, als Schö- nerer den Antisemitismus in sein Programm oufnahm. Pernerstorfer gehörte aber später auch als Abgeordneter der deutschen Nationalpartei sder heutigen deutschen Volksparteis an; allerdings betonte er schon da mals seinen demokratischen und sozialen Radikalismus. In jene Ver gangenheit zurück führt uns die Erinnerung an eine Begebenheit, die einst ungeheures Aussehen erregte und nun der Audienz in der Burg ein besonderes Relief verleiht. Pernerstorfer war es, der vor 25 Jah ren in einer sensationellen Parlamentsrede böse Exzesse kaiserlicher Prinzen dem öffentlichen Urteile preisgab. Der eine Erzherzog hatte einen Leichenzug auf freiem Felde angehalten und war mit seinem Gaul über den Sarg gesprungen ... ein nobles Hindernis-Rennen . . der andere Sportsman hatte seine betrunkenen Zechgenossen nach Mit ternacht ans Bett seiner jungen Frau geführt. Wenige Tage nach der Rede wurde der Abgeordnete in seiner Wohnung von vermummten Männern — allgemein glaubte man an gedungene Subjekte — über- fallen und niedergeschlagen. Andere Zeiten sind aufgegangen. Dem wilden Mann hat der Kaiser die Hand gereicht. Leipzig al» Z-ntralsche<kamt. Aus Handelskreiscn wird uns geschrieben: Der Gedanke, den in Oesterreich bereits seit 1883 mit vorzüglichem Erfolge benutzten Postscheck- und Ueverweisungsverkehr auch in Deutsch land einzuführen, ist keineswegs neu. Schon das Etatgesetz zum deut scher Reichsetat auf 1900 ermächtigte die Reichspostverwaltung zu diesem Schritte, und demgemäß war auch bereits 1899 eine Postscheck ordnung entworfen worden, die auch die Grundlage der beute gültigen bildet. Der Reichstag halte damals aber eine Anzahl Aendcrungen beschlossen» die hauptsächlich die Benutzurm de» Postscheckverfahrens zur Anlage von Sparkaffenaeloern und somit «ne Konkurrenz der Post kassen gegen die bestehenden Sparkassen verhüten sollte. Da die Reichs-- -oflverwaltung der Ansicht war, daß ohne den Sparkassenverkehr die Kosten deS Postscheckverkehrs nicht aus den daraus zu erwartenden Ein nahmen gedeckt werden könnten, sah sie einstweilen von der Einführung ub. Auch beute würden wir wahrscheinlich noch keinen Postscheckverkehr in Deutschland haben, wenn nicht die Geldknappheit der beiden letzten Jahre uns drastisch die Notwendigkeit vor Augen geführt hätte, mit upleren Beständen an baren Geldmitteln haushälterisch umzugehen. Nachdem aber von den Banken nachdrücklich auf diese Notwendigkeit aufmerksam gemacht worden war, und zwar mit gutem Erfolge, konnte die Post nicht umhin, sich auch ihrerseits die Vorteile deS Scheckver kehrs zu nutze zu machen. Die Verwirklichung diese- Gedanke«- stieß aber sofort auf eia große- Hindernis, dasselbe, da- auch schon in manchen anderen Fällen die Entwicklung unserer finanziellen und politischen Verhältnisse un günstig beeinflußt hat: d,e deutsch« Kleinstaaterei. Sollte ein Post scheckverkehr wirklich den Zweck eine- raschen und billigen Geldaus, glcichs erfüllen, so war es unbedingt notwendig, daß, wie in Oesterreich, ein einziges Zentralscheckamt geschaffen wurde, dessen Wir kungskreis sich auf das ganze Gebiet des Deutschen Reiches erstreckt. Es hätte daS gar nicht unter allen Umständen in Berlin sein müssen, vielmehr hätte daS zentral gelegene Leipzig, der Sitz des höchsten deutschen Gerichtshofs, mit seinem ausgedehnten Handels- und Bank- verlehr, sich ausgezeichnet zum Mittelpunkt des deutschen Postscheckver- kebrs geeignet. Aber der Partikularismus war zu stark, es hätten die Hoheitsrechte und heiligen Reservatrechte der verschiedenen Vaterländer darunter genau so leiden können, wie es nach Ansicht der Partikula- risttn unter einer einheitlichen Reichsbriefmarke der Fall sein würde. Der Kaufmann, auf dessen Beteiligung an dem neuen Verkehr die Ncichspost stark rechnet, dachte und denkt freilich anders darüber, aber vorläufig wird unsere Reichspost noch keineswegs kaufmännisch ver waltet. So machte man aus der Not eine Tugend und errichtete 13 Post- schcckämter, von denen drei München, Nürnberg und Ludwigshafens auk Bayern und cinS (Stuttgarts auf Württemberg entfallen. Das hat unter Umständen den Vorteil eines raschen Verkehrs, nämlich dann, wenn die Konteninhaber, die miteinander ein Geschäft abzuwickeln haben, ihre Konten beim selben Postscheckamt haben. Werden die Konten aber bei verschiedenen Aemtern geführt, so ist die unausbleib liche Folge dieser Zersplitterung eine Verzögerung des ganzen Betriebs. Nur ein Beispiel dafür, das sich täglich vielfach rn der Praxis wieder- holt. Die Firma A. in Dresden sendet am 1. des Monats eine Ueber- Weisung für die mit ihr in Geschäftsverbindung stehende Firma B. in Hamburg ab. Diese Ueberweisung ist am 2. in Leipzig, am 3. in Ham- bürg, und erst am 4. erhält die Firma B. vom Postscheckamts .Hamburg den Kontoauszug, der ihr von dar Uebe/Weisung der Firma A. Nach- richt gibt. Dabei ist noch Voraussetzung, daß sich der Verkehr bei und zwischen den bctr. Postämtern ganz glatt abwickelt und nicht etwa durch irgendwelche Umstände gestört'wird. Wird schon dieser Umstand der an sich sehr wünschenswerten all gemeinen Einbürgerung des Postscheckvcrkehrs hinderlich fein, so liegt ein weiterer Hinderungsgrund in den zu hohen Kosten, die im deutschen Postscheckverkehr erhoben werden. Die deutsche Post geht nämlich von dem Gedanken aus, daß die Kosten deS Postscheckverkehrs durch diesen gedeckt werden müssen, und zwar durch die Gebühren selbst. Die Post verwaltung vergißt dabei, daß sie selbst die auf den Scheckkonten stehenden Guthaben nicht zu verzinsen braucht, aber ihrerseits die Gelder zinsbar anlcgen kann und aus diesen Zinsbeträgen eine nickst unerhebliche Ein nahme hat. sTie österreichische Postverwaltung verzinst die Guthaben noch mit 2 Prozent!) Berücksichtigt man dies, so muß man die deutschen Kosten entschieden als zu hoch bezeichnen. Es werden nämlich erhoben: 1) für jede Bareinzahlung mittels Zahlkarte für je angefangene 500 .L 5 Pf. (die bloße Gutschrift von 10 OOO kostet also 1 K!), 2) iür jede Barrückzahlung durch die Kasse deS Postscheckamtes oder durch Dcr- mittluug ciuer Pvstanstalt eine feste Gebühr von 5 Pf., 3) für jede Neöerttagüng von einem Konto auf ein anderes Konto 3 Pf. Erreicht aber der Äontenverkehr eines Kontoinhabers jährlich mehr als 600 Buchungen, so wird außer den unter 1—3 genannten Gebühren für jede weitere Gebühr eine Zuschlaggebühr von 7 Pf. erhoben. Mit anderen Worten: Nimmt man das Jahr zu 900 Arbeitstagen an, so darf jeder Konteninhaber täglich nur eine Zahlung im Postscheck verkehr machen und nur eine empfangen. Nebersteigt sein Verkehr diesen gewiß sebr bescheidenen Umfang, so kostet das für jeden Fall 7 Pf. Strafe. Dabei herrscht doch sonst im kaufmännischen Leben der beivährte und berechtigte Grundsatz, daß bei steigendem Umsatz die Spesen geringer werden. Hier ist's gerade umgekehrt. Wie stimmen dazu die Ausführungen eines Beamten aus dem Neichspostamt, der am 8. Dezember in einem Vortrage zu Berlin wörtlich sagte: „Der Post scheckverkehr will sich ohne jeden weiteren Nebenzweck, insbesondere ohne die Absicht, Ucberschüsse zu erzielen, in den Dienst der deutschen Volkswirtschaft stellen. Dies Ziel kann nur erreicht werden einerseits, wenn möglichst weite Kreise von Interessenten sich ein Postscheckkonto eröffnen lassen, und wenn anderseits jeder Kontoinhaber sein Konto auch in möglichst weitem Umfange benutzt"? Der Herr Vortragende Rat aus dem Reichspostamt, der so sprach, hat ganz außer acht gelassen, daß bei einem recht starken Verkehr auf dem Konto auch die Höhe des darauf befindlichen Guthabens in der Regel weit bedeutender sein wird, als auf einem Konto, das nur wenige Buchungen im Jahre erfordert, und daß sich demgemäß auch der Zins gewinn der Post aus einem verkehrsreichen Konto wesentlich höher stellen wird. Werden doch die Konteninhaber, die starke Umsätze auf ihrem Konto erwarten, schon deshalb stets für ein wesentlich höheres Durchschnittsgnthaben sorgen müssen, damit sic nicht die nötige Be wegungsfreiheit auf dem Konto verlieren. Sic führen der Post also höhere Zinserträge zu und sollen dafür noch höhere Gebühren zahlen? Seltsame Logik! Warum wird da nicht eine gleichmäßige feste Gebühr erhoben, wie dies in Oesterreich der Fall ist? Dort erhebt die Post für jede Buchung 4 Heller, also 3ff^ Pf., außerdem von jeder Lastschrift pro Mille Provision dis zum Betrag von 6000 Kronen und s/z pro Mille Provision für den diese Summe übersteigenden Be trag. Dabei sind noch die auf einem Konto durch Ueberweisung auf ein anderes Konto erfolgenden Lastschriften und die mit Postanweisung erfolgenden Versendungen durch das Postamt von jeder Provision befreit. Ferner ist noch zu berücksichtigen, daß in Oesterreich nicht allein die ganze Korrespondenz des Konteninhabers mit dem Zentralscheckamt in Wien portofrei ist. sondern daß die Post auch noch die mit Adresse bedruckten Kuverts dafür liefert, die man als Postsache in jeden Brief kasten stecken kann. Die deutsche Reichspostverwaltung liefert keine Kuverts, verlangt aber statt dessen für jeden an ein Postscheckamt ge- richteten Brief 10 Pf. Porto, was eine unter Umständen recht wesentliche Erhöhung der Gebühren bedeutet, zumal auch das Scheckformular noL 1 Pf. kostet. In vielen Fällen wird sich daher die Postanweisung billiger stellen, als die Ueberweisung im Scheckverkehr. Auch die Einrichtung der Zahlkarte ist bei uns bei weitem nicht so praktisch wie die des österreichischen ,,ErleascheinS". Dieser hat zunächst an der linken Schmalseite einen weißen Rand, so daß die Scheine be quem zu einem Buche zusammengeheftet werden können. Ferner ist die österreichische Zahlkarte (Erlagscheins so eingerichtet, daß der Empfang- schein, den der E i n - ah l e r am Postamt erhält, links sitzt, also im Buche verbleiben kann, während die übrigen Teile der Zählkarte, die das Postscheckamt zur Buchung und Benachrichtigung des Zahlungs empfängers braucht, rechts an der Quittung sitzen, also mit Leichtigkeit abgetrennt werden können. In Deutschland hat man sich wohl geniert, das österreichische Formular direkt nachzuahmen, und bat deshalb die Teile der Zahlkarte gerade umgekehrt angeordnet, waS aber sehr un- praktisch ist. Endlich bat der österreichische Kontoauszug noch den großen Vorzug, daß die verschiedenen Buchungen, die an einem Tage auf einem Konto durch Einzahlungen, Belastungen, Zu- oder Abgang von Postanweisungen vorgenommen worden sind, in dem Kontoauszug genau spezifiziert ausgefübrt werden. Im deutschen Kontoauszug wird dagegen nur daS durch Gutschrift und Belastung an einem Tage sich ergebende Endresultat mitgeteilt, und der Konteninhaber muß erst durch Vergleichung und Zu- sammenstellung der ihm übersandten Zahlkartenabschnttte feststellen. welche Buchungen vorgenommen worden sind, und ob das Resultat stimmt. . . . , „ , . . , Vergeblich fragt man sich schließlich noch, weshalb man bei uns in Deutschland drei verschiedene Formulare (Giropostkartc, roten Scheck und blaue Zählkarte) braucht, wo man doch vollkommen mit der blauen «12. Montag 1. Februar 1909. m. Jahrgang. Da» wichtigste. * Am gestrigen Sonntag unterblieb der Grabenbummel der deutschen Studenten in Prag; trotzdem beging der tschechische Pöbel neue Ausschreitungen. (S. d. bes. Art.) * In dem Eishockey-Wettspiel zwischen der ersten Mann- schast des Leipziger Sportklubs gegen die gleiche Mannschaft des Berliner Schlittschuhklubs, daS am Sonntag auf dem kleinen Teich im König-Albert-Park zur Entscheidung kam, siegte der Leipziger Klub überlegen mit 21:0. (S. Sport.) * Die diesjährige Meisterschaft des Sächsischen SkiverbandeS gewann der Amerikaner Perry-Smith, den Königspreis Fran- Adolph, Schreiberhau. * Wie aus Messina berichtet wird, brachte am Sonnabendabend 10 Uhr eine neue starke Erderschütterung einige Mauern zum Einsturz und rief dadurch eine Panik hervor. Da in der Nacht weitere Erdbeben gemeldet wurden, hat man jetzt mit dem Abbruch der baufälligen Mauern begonnen. Der neue HofgRnger. Mit dem Präsidium des österreichischen Abgeordnetenhauses ist auch der Vizepräsident des Parlaments, der sozialdemokratische Abgeordnete Pernerstorfer, von Kaiser Franz Josef empfangen worden. Man kann sagen: In dem Augenblick, in dem sich die parlamentarische Sozialdemo kratie Oesterreichs entschloß, die ihrer numerischen Stärke (85 Mann) entsprechende repräsentative Gewalt auszuüben und einen Sitz im Prä sidium des Parlaments zu beanspruchen, legte sie sich die Konsequenzen gewisser offizieller Verbindlichkeiten auf. Es ist einmal ausgeschlossen — nicht bloß nach Brauch und Tradition, auch nach dem patriarchalischen Ae cn des österreichischen Parlamentarismus (der trotzdem konstitutio neller ist als der deutsche), — daß sich ein Präsidialmitglied deS Par laments dem persönlichen Verkehr mit der Krone entzieht. Der „Lord" müßte sich denn — entschuldigen lassen; ein kränkliche- AuSkunftSmittel V' N Fall Fall, das sich mit Würde nnd Ehrff Lkeik schlecht verträgt. Die unverbindlichen Meinungsäußerungen des Kaisers bei den Präft- dialemvfängen respektieren übrigens formell das konstitutionelle Prin zip. Sie unterscheiden sich wesentlich — freilich auch durch die indivi duelle Zurückhaltung, deren sich Kaiser Franz Josef bei seinen Aeuße- rungen befleißigt, von den viel ungebundeneren politischen Willcnsakten anderer Staatsoberhäupter. In der Tat sind ja dem österreichischen Kaiser nicht selten im Laufe der parlamentarischen Jahrzehnte Fügungen und Beschwichtigungen auf diesem Wege gelungen: aber seine unzähligen fruchtlosen Bemühungen, den Krisen und Katastrophen des österreichischen Nationalitätenkampfes vorzubeugen, beweisen am deutlichsten die konsti- tutionellc Begrenztheit der Kaiserworte. Vom parlamentarischen Prinzipienstandpunkt aus, der in jedem Lande besondere praktische Wahrnehmungen verlangt, war also gegen den Besuch des Sozialdemokraten in der Hofburg nichts einzuwenden. Anders freilich steht die Frage mit Rücksicht auf ein wesentliches Prinzip der Sozialdemokratie. Tie sozialdemokratische Partei ist, nach ihren Zielen beurteilt, eine republikanische Partei. Und die Antritts visite des reichsrätlichen Präsidiums beim Kaiser, die Beteiligung eines sozialdemokratischen Abgeordneien an diesem offiziellen Akt kann nur als eine Abfindung mit dem »anarchischen Zustand aufgefaßt werden. Man weiß, daß auf den Parteitagen der Sozialdemokratie des Deut schen Reiches viel bedeutungsstsere Zugeständnisse einzelner Gruppen und Personen an die Macht des Bestehenden mit einem ungeheuren Auf- wand von Temperament und doMatischem Eifer bekämpft und geahndet worben sind. Die Visite Pernerstorfers wird daher gerade in Deutsch land einen großen Eindruck nichi verfehlen. Aber selbst die intoleran- testen „Genossen" werden schwerich gesonnen sein, die rührige öster reichische Partei, deren Entwicklur-sweg von schweren Opfern zu impo santen Erfolgen führte, der Charakterlosigkeit und Felonie anzuklagen. ES müsse sich der Bannstrahl gegrst die ganze österreichische Partei richten, als deren Mandatar Pernckstorfer gebandelt hat. Die österreichische Sozialdemo'.ratie hat nun allerdings gründlicher noch als die deutsche sich der revolrtionären Allüren begeben. Für die absehbare Zukunft wenigstens. Un> sie, die ihr „drittes Reich" sicher stets im Auge behält, aber die Evolution für den Umsturz einsetzt, darf auf Erfolge Hinweisen, wie sie der Sozialdemokratie kaum in einem anderen Staat« beschieden waren. Denn sie hat viel mehr erreicht, als (bei den ersten allgemeinen Wahlen) den Aufschwung von 11 Mandaten zu 85; sie ist ein gleichberechtigter khktor der innerpolitischen LebenS- maschine des Staate- geworden und a!S solcher anerkannt; ja, die konser vativen Parteien führen heftig Klage darüber, daß der stille sozialdemo kratische Einfluß auf die „höheren Ndgionen" des Staates mächtiger sei al- der anderen Parteien. Ist e- hoch auch Tatsache, daß die Ein führung deS allgemeinen, gleichen WchlrechtS der persönliche Wunsch deS Kaisers war und in erster Linie seiber Initiative -uzuschreiben ist. Kaiser Franz Josef ist nicht au- eistem konservative» SauluS ein moderner Paulus geworden. Ein Vertreter des monarchischen Prinzip kanu überhaupt nicht einen dauernden Frieden schließe« mit der Partei, die — die Dinge ander» will .. . Abet da- späte Losungswort be greifen Kaiser- ist: „Waffenstillstand." Er hoffte, daß sich die Wut der nationalen Kämpfe dämpfen werde, wenn die soziale« Probleme im Parlament den Vorrang erobern wurden. In der Richtung deS Nationalismus aber erwie- sich die Einführung de- allgemeinen, gleichen Wahlrecht- als ein Fehlschlag. DaS kann heute bereit- alt feststehend angesehen werden. Der Boden wird nach wie vor von nationalen Erd- beben erschüttert. Da- nationale Problem Oesterreich» ist eben keine Doktorfrage. ES ist ein Kampf der Natur gegen Naturwidrige». ES läßt sich nicht verdrängen und versehen. Ja, t» hat sogar unzweifelhaft die nationale Verwirrung des Staates in jüngster Zeit schlimm« Fort- schritte gemacht.