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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.01.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190901304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090130
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090130
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-01
- Tag 1909-01-30
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Monat
1909-01
-
Jahr
1909
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2. Beilage Gormabeud, 8V. Januar 1SVS. Leipziger Tageblatt. Deutsch«» Reichstag. lk. Berlin, 29. Januar. (Priv.-Tel.) ISS. Sitzung. Stimmungsbild. Dem jüngst verstorbenen Grafen Hompesch ist eS in eigenartiger Weise vergönnt, auS seinem Grabe heraus noch einmal direkt in das Leben einzugreifen. Auf der Tagesordnung steht eine Interpellation, die seinen Namen trägt. Ihr Thema ist schon kürzlich bei ähnlicher Gelegenheit besprochen woroen. Eö handelt sich um die schwarzen Listen, oder genauer um die Sicherung deü Arbeit-Vertrags und des Koalitionsrechts gegen die Methode der Arbeits sperre. Staatssekretär von Bethmann-Hollweg erklärt sich zur sofortigen Beantwortung bereit und die Verhandlung beginnt. Der Zentrumsabgcordnete GieSbertS begründet die Inter- pellation. Dazu ist er nickt nur deshalb der geeignete Mann, weil ec selber seit 1899 als Arbeitersekretär fungiert, sondern vor allem, weil er in Düsseldorf-Essen gewäblt ist und das Gebiet der westfälischen Zechenverbände den besonderen Hintergrund der Interpellation bildet. Nun zieht also Herr GieSbertS mit einer Fülle von Material ausgestattet zu Felde gegen die Waffe der Unter nehmer, die ibnen der Kamps gegen die Koalitionöwaffe deS Streiks in die Hand gegeben bat: Boykott wider Boykott! Seit 1889 find di« Klagen über die schwarzen Listen nickt verstummt. Herr GieSbertS gibt ihnen von neuem beredte Worte. Abgesehen vom Zentrum, bei dem doch wenigstens auf jeder Bank durch schnittlich ein Mann sitzt, ist das Haus ziemlich leer. So zieht sich die Rede GieSbertS über eine Stunde hin. Dann ergreift der Staatssekretär von Bethmann-Hollweg das Wort zur Entgegnung. Unter großer Aufmerksamkeit — die Sozialdemokraten treten näher heran — erklärt er, baß er im Gegensatz zum Vorredner nicht der An sicht sei, daß die Arbeitssperre dem tz 113 Abs. 3 der Gewerbe ordnung zuwiderlaufe. Sein Hauptargument besteht darin, daß auf den ihm vom Abg. Sachse (So;.) zur Verfügung gestellten »schwarzen Listen" kein einziger Fall zu sinken ist, bei dem die Zugcbörigkeit zu einer Organisation der Grund der Sperre wäre. Der durchlaufende Grund ist vielmehr Kontraktbruch. Die Kon traktbrüche haben im westlichen Industriegebiet einen auffällig großen Umfang angenommen und eine der Hauptursachen der häufigen Konkrakt- brüche ist wiederum in der großen Frequenz der polniichen Arbeiterschaft zu erblicken, die sich systematisch gegen eaS Seßbastwerden unter den verhaßten Deutschen auslehulcn. Streik und Boykott sind aber doch von der Sozialdemokratie selbst emgeführtc Waffen. Daü Gericht kann sie nicht in der einen Hand dulden und sie der anderen entwinden. Wären die wirtschaftlichen Kampforganisalwncn wirtfcha'tliche Interessen organisationen, dann wäre i>w Verständigung ungleich leichter. Das sind die Leitsätze dieser wiederum mit vielem Fleiß belegten Beispiele des Staatssekretärs. Der sächsische Bevollmächtigte Geheimrat Dr. Fischer, der noch kurz vor seinem Rücktritt ein besonders eifriges Interesse an den Tag legt, hatte sich in ihrem VerlaMe auf die preußische Seite der Bundesratsestrade Hinübergeietzk, um besser hören zu können. In rer folgenden Beiprcchung ergreif! zunächst der Abg. Dr. Stiese ln an n (Natl.) das Wort. Er stimmt dem StaatSleiretär im all gemeinen zu: Keine Geheimhaltung der Listen und keine Uebertreibung in der Dauer der Sperre. Sechs Monate sind ichon zu viel. Das Vorgehen der bayrischen Metall- invustriellen war nicht zu billigen. Im klebrigen: Freie Meinungsäußerung und freies Koalitwuürecht, gerade dann werde die Einigung zur Verständigung wacksen. Nicht ganz so arbcitersrkundlich, aber doch wenigstens im En veisländniS mit dem, waS der Staatssekretär zugesteht, ist rer Konservative Wagner (Sachsen). Lebhafte Proteste dagegen erbebt selbstredend der Genosse Sachse. Nur die Unternehmer werden berilcksichu.it uns daS andere'? Elende »Wohlfahrtseinrichtiingen", nichts für einen Sozialdemokatien! Um den Kern der Sacke geht er natürlich herum. Das alte Lied! — Ter Abg. von Dirksen (Rpt.) liebt es, am Schluß zu reden. Und da er unter ängstlicher Vermei dung anderer, als der allerhöchsten Atempausen sowie mit einem gänz lichen Mangel an unterscheidender Betonung spricht, hört man ihm zu, wie einer gleichmäßig knatternden Sprechmaickine, das heißt eigentlich gar nicht. Was ec gesagt hat, siebt ja glücklicherweise uu Bericht. Es läult gemäß seiner Parteiüellung auf die Mitte zwitchcn Stresemann und Wagner hinaus. Damit wird Vie Weiterberatung auf morgen vertagt. Sitzungsberielit. Am BundesratStische v. Bethmann-Hollweg. Präsident Stolberg eröffnet die Sitzung. Auf der Tagesordnung steht die Interpellation des Zentrums Hompesch u. Gen.: (;st dem Reichskanzler bekannt, daß durch schwarze Listen und Vereinbarungen ähnlicher Art Arbeiter und Privarangestellte in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen gehindert werden? Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, um solche die Freiheit des Ardeitsvertrages oder die gesetzlich garantierte Koali tionsfreiheit hindernde Maßnahmen zu unter drücken? Auf die Frage des Präsidenten erklärt sich Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg bereit, die Interpellation heute zu be antworten. Zur Begründung der Interpellation nimmt das Wort Abg. Gies- berts (Ztr.): Die Frage der schwarzen Liste zieht sich wie ein roter Faden durch alle sozialpolitischen Debatten dieses Hauses. Die schwar ten Listen stehen in Verbindung mit den großen zentralisierten Arbeitsnachweisen der Arbeitgeber bei der wirtschaft lichen Ueberlegenheit derselben der freien Organisation der Arbeiter entgegen. Diese Maßnahmen der Arbeitgeber stellen eine Umgehung des § 113 der Gewerbeordnung dar, der den Arbeitgebern ver bietet, in dem Zeugnis Bemerkungen darüber aufzunehmen, ob und wo der Betreffende organisiert ist. Ein drittes Mittel der Arbeitgeber gegen die freie Organisation, Freizügigkeit und Freiheit des Arbeits marktes ist die Arbeitssperre. Selten sind diese Maßregeln statutarisch festgesetzt, in den allermeisten Fällen handelt es sich nur um ein stillschweigendes Uebereinkommen. Ich habe im ganzen nur zweier gedruckter Statute habhaft werden können. Es ist klar, daß diese Maßnahmen gegen den Sinn deS freien Arbeitsvertragcs verstoßen. Besonders gravie rend liegen die Umstände im deutschen Bergbau. Wenn unsere BcrawerkSbesitzer die neue Zeit besser verständen, hätten sie sich längst zu Tarifverträgen, d. h. nicht zu der aanz speziellen, wohl aber zu der generellen Regelung des Arbeitsverhältnisses, mit den Organi sationen bereit erklärt. Schwarze Listen und Sperrsystem dürfen nicht frei sein; denn wenn sie frei sind, dann ist die Koalition eben nicht frei. Derartige Verträge der Arbeitgeber sind * ei» Verstoß gegen di« guten Sitten. Die Regierung und die Gesetzgebung kann auf diesem Gebiete nicht vor bei, daß die Arbcitsfreiheit voll und ganz garantiert wird, um so mehr als die Beschränkung der Freiheit sich auch gegen Be amte richtet. Am frappantesten ist der Erlaß des Verbandes der bayrischen Metallindustrie, der eine Reihe von Beamtenorganisationen namentlich kaufmän- nis cher Angestellten boykottiert. Die Begründung dieses Erlasses ist eine so jammervolle, daß man an dem gesunden Men schenverstände der Leute zweifelt. Ter Erlaß der bayerschen Industriellen ist nun inzwischen doch aufgehoben worden, weil man ihnen nahe gelegt hatte, daß man auf Grund so vager Beschuldigungen die Verbände nicht maßregeln könne. Wir haben ein Interesse daran, die Un ternehmer draußen zu warnen, die Sache nicht auf die Spitze zu treiben. Von der Gesetzgebung aber müssen wir Schutz gegen die Be schränkung des Arbeitsmarktcs verlangen. Die Unternehmer u m - gehen die gesamte Gesetzgebung durch die schwarzen Listen und maßen sich ein Strafrecht an, daS ihnen nicht zusteht und im höchsten Grade unmoralisch ist. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Die Vorschriften der Ge werbeordnung, welche das Koalitionsrecht regeln, enthalten keine Be stimmungen dahin, daß sich die Koalitionen im Lohnkampfe bestimmter Mittel gegenüber der Gegenpartei nicht bedienen dürfen. Inwieweit Maßregeln, welche von einer Koalition gegen eine andere Koalition angewendet werden, unzulässig sind, bestimmt sich nach den allgemeinen Bestimmungen, sei es des Zivil-, sei es des Strafrechts. Zu diesen Maßregeln, welche von der einen gegen über der anderen Partei angcwendet werden, gehören auch die Aus sperrungen, und sie sind generell nach unserer Zivilgcsetzgebung oder strafrechtlich nicht verboten. Die Ansicht des Vorredners, daß das Sperrsystem, von den Arbeitgebern angewendet, ein Verstoß gegen Z 113 GO. in sich schließt, kann ich als richtig nicht an erkennen. Bei den sogenannten schwarzen Listen handelt cs sich doch unzweifelhaft um Schriftstücke, welche neben dem Zeugnis bestehen, also von der Bestimmung der Gewerbeordnung nicht getroffen werden. Verschieden von der generellen Zulässigkeit des Sperr systems ist die Frage, ob seine Anwendung nach den Besonderheiten des Einzelfallcs den Tatbestand eines Vergehens, etwa der Belei digung, darstellt, oder ob sie als Verstoß gegen die guten Sitten betrachtet werden kann. Beides ist unzweifelhaft vielfach möglich. Aber daS kann an dem Grundsatz, daß das Sperrsystem an sich zulässig ist, nichts ändern. Das System, nach dem die Arbeit geber untereinander sich die Namen solcher Arbeiter mitteilen, die sie nicht einstellen, oder die sie entlassen wollen, ist von den Arbeitgebern nach meinem Dafürhalten nicht frei erfunden, sondern das System ist «ine Folge wirtschaftlicher oder sozialer Zustände. Für das Magdeburger, b r a u n sch w e i g i s ch e und rheinische Kohlenrevier sind mir dullh Herrn SachscListen ..bergeben worden, deren Inhalt ich, soweit^mir es möglich gewesen ist, auch nach der materiellen Seite hin geprüft habe. Es handelt sich um 334 Arbeiter, welche während der Jahre 1898 bis 1902 in den erstgenannten Revieren und um 6 Arbeiter, welche 1908 im Rheinischen Revier auf die schwarzen Listen gekommen sind. Von den 334 Arbeitern werden 211 als ausständig angeführt wegen Lohnkämpfen, 42 wegen Kontraktbruchs, 12 wegen unehrenhafter Handlungen, 38 wegen Arbeitsverweigerung und Widersätzlichkcit oder Beleidigung von Vorgesetzten. Wir haben es also hier mit Listen zu tun, welche in Abweichung von denen des Zechen verbandes in Essen nicht allein gegen Kontraktbruch, son dern sich gegen andere, ich will sagen Mißliebigkeiten rich ten. Durch Listen, die seinerzeit hier auf dem Tisch des Hauses« niedergelegt worden sind, war eine Zahl von 5600 Arbeitern be troffen; wir werden alle darüber einig sein, daß es eine außerordentlich ausfallende Erscheinung ist, wenn in einem Industriegebiet der Kontraktbruch einen solchen Umfang angenommen hat. Man hat zum Teil die Ursache schlechten Löhnen und der schlechten Be handlung der Arbeiter zugcschrieben. Solche Fälle können un zweifelhaft vorkommen, auch der Umstand, daß sehr viel Belegschafts wechsel stattfinden, weil die Arbeiter dem Steuerexekutor ent gehen wollen, reicht zu einer allgemeineren Erklärung nicht aus. Als weitere allgemeine Ursache für den Kontraktbruch wird die Art und Weise angegeben, wie das Gedinge gemacht wird. Es ist mir nicht gelungen, diese Frage objektiv aufzuklären, und es er geben sich im Anschluß daran andere Fragen des Gedingewesens, Prä mienwesens usw., daß es unmöglich ist, heute darauf einzugehen. Ich bin indessen nut der preußischen Bcrgverwaltung darüber ins Be nehmen getreten und behalte mir eventuell bei anderer Gelegenheit vor, darauf zurückzukommen. Einen sehr wesentlichen Grund für Kontrakt brüche gibt das-ganz außergewöhnlich gespannte Verhältnis, das namentlich im westlichen Industriegebiete zwischen Arbeiter schaft und Unternehmertum besteht. Ich kann hier nicht kritisch darauf eingehen und nicht die Schuld aus der einen oder anderen - Seite abwägen. Ich möchte nur eine Seite der Sache hervorheben. In der Arbeiterbewegung wird den Arbeitern die Möglichkeit des jeder- zeitigen Stellenwechsels, die Arbeite rfreizügigkeit immer als ein besonders hehres Gut geschildert, und es gibt in der Arbeiter bewegung eine gewisse Phase, wo dies betont werden muß im Interesse der Arbeiter. Aber manche Führer in der Arbeiterbewegung haben sich nicht damit begnügt, dies auszusprechcn, sondern sie haben zugleich alle Einrichtungen von Unternehm erseite, welche ge troffen worden sind, um einen Stamm fester Arbeiter zu sichern, auf das heftigste bekämpft, und auch dann, wenn diese Unternehmungen durchaus von sozialem Geiste des Unternehmer tums zeugten. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Wenn das geschieht, dann kann man sich nicht wundern, wenn Un stetheit und die Sucht, heute hier, morgen dort zu arbeiten, immer mehr zunimmt und dadurch schließlich mittelbar der Kontraktbruch gefördert wird. Ich habe mich bemüht, mich bei den Arbeitnehmern zu infor mieren, «ch habe auch bei den Arbeitgebern mich zu informieren gesucht, aber immer stoße ich auf W i d e r s p r ü ch c, die nicht ohne weiteres auf zuklären sind. So ist denn tatsächlich im westlichen Industrie Rr. 30 103. Jahrgang. gebiet eine ungeheureFluktuationder Arbeiterschaft eingetreien. Wenn daS aber der Fall ist, dann sage ich: eS ist wirtschaftlich verständlich, wenn sich die Unternehmer gegen diese Fluktuation zu wehren suchen, und es ist erklärlich, daß sie schließlich zu dem System der Aus sperrungen gekommen sind. Nun ruft man nach dem Gesetzgeber. Ich meine, wenn man nach dem Gesetzgeber ruft, muß erparitätisch eingreisen, dann muß er sich gegen jeden Verruf wenden, von welcher Seite er auch auögehen möge. (Zustimmung.) Ich teile in dieser Beziehung genau die Auffassung deö Grafen Posa- dowsky, denn auch ich verurteile jeden Verruf. Aber man soll rück sichtlich der Verteilung ber Rechtsverhältnisse doch nicht zu allgemeinen, generalisierenden Anschauungen hinneigen. Die vielfache A n wc n - düng der schwarzen Listen hat die Jndikatur fortgesetzt dazu genötigt, über die dabei in Betracht kommenden Fragen Entscheidungen zu fällen. Und unter Anerkennung der generellen Erlaubtheit des SperrsystemS hat die Judikatur bestimmte Grundsätze sestgcstellt, welche dem Mißbrauche des Sperrsystems cntgcgcntreten sollen. So haben verschiedene Gcrichtserkenntnisse als unmittelbaren Mißbrauck hingeftellt, wenn die Aussperrung eines Arbeiters bis zu seinem wirt- schaftlichen Ruin durchgeführt wird. Das Reichsgericht hat de» weiteren in einer sehr interessanten Entscheidung ausge- sprachen, daß eine dauernde Aussperrung oder Nicht- beschäftigung eines Arbeiters in einem Geschäftszweige gegen die guten Sitten verstoße, und daß Schadenersatz zur Pflicht gemacht werden müsse. Ick bin der Ansicht, daß den Mißbräuchen in der Anwendung des SperrsystemS am zweckmäßigsten und deshalb schließlich auch am wirksamsten vvrgedeugt werden kann, wenn der Be griff der guten Sitten so gefaßt wird, wie es die wirtschaft- lichen und sozialen Zu stände erfordern. Ein Spezial gesetz würde niemals in der Lage sein, in ähnlicher Weile sich den wechselnden tatsächlichen Verhältnissen anzupassen. Die großen Lohnbewegungen vollziehen sich nicht so genau nach dem Vorbilde von Krieg und Frieden, daß die Gesetzgeber eine ganz bestimmte Cäsur machen könnten. Ich halte also jenen Gedanken, so sympathisch er auch zuerst anmutet, für gesetzgeberisch nicht verwertbar. Ich komme zu dem Fazit, daß der Weg der Spczialgesetzgebung nicht gangbar ist, will man den generellen Inhalt des Koalitions rechtes aufrecht erhalten, dann kann rnan nur nach allgemeinen Formen suchen, nach denen gewisse Handlungen, die einzelnen nicht verwehrt werden, strafbar sein sollen, sobald sie von Mehrheit von Personen ausgeübt werden. Ick will damit keines- Wegs sagen, daß ich bezüglich des Systems der schwarten Listen nun alles schön und gut finde, so wie cs ist. Aber man soll bei diesen Maß regeln immer bedenken, daß es doch nicht gegen einen einzelnen hier geht, sondern daß es sich um größere wirtschaftliche oder soziale Ziele handelt, die erlangt werden sollen. Nickt der einzelne Kontraktbruch, nicht die einzelne Widergesehlichkeit, nicht die einzelne Tätigkeit soll bestraft werden, sondern es handelt sich um das gesamte entgegcnstehende System, gegen das Front gemacht wird durch die Organisation. Wenn aber dem so ist: dann muß bei der Anwendung all dieser Mittel, die zu dem gc meinsamcn Ziele dienen, strengstens Bedacht genommen werben, daß tedes Element persönlichen Hasses, der Verfolgung und Rachsucht ausgeschieden werde. Was die Dauer der Sperren anlangt, so sollten die Arbeit geber bei ihrer Bemessung doch auch immer bedenken, daß der Arbeit geber als einzelner stets gegen den einzelnen Arbeiter wirtschaft lich der Stärkere ist. Ich bin in allen diesen Beziehungen namentlich mit dem Zechenverband in Essen in Verbindung getreten. Die Zechenverwaltung hat mir mitgeteilt, baß für die Zukunft jedem Ar beiter derjenigen Zeche, wo angenommen wird, daß er auf der Liste steht, mitgeteilt wird, wo und weshalb er auf die Liste ge kommen ist. Ich würde es doch für einen wesentlichen Fortschritt halten, wenn dieses Verfahren dort, wo das Sperrsystem zur Anwendung kommt, tatsächlich gehandhabt würde. Die wirtschaftlichen Gegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern werden durch keinen lebenden Menschen, noch viel weniger durch den toten Buchstaben jemals ans der Welt geschafft werden. Was wir fordern niüssen, ist, daß mit anständigen Waffen gekämpft werde. Die schwarzen Listen werden zum guten Teil ver- schwinden, wenn die berufsmäßigen Kampfesorganisationen sich in Berufsorganisationen verwandeln. (Zustimmung.) Nur auf diese Weife können wir zum Ziele kommen, wenn die Notwendigkeit der Verstänbigung anerkannt wird, nicht auf dem Boden des Zukunftsstaates. (Beifall rechts.) Abg. Dr. Spahn (Ztr.) beantragt die Besprechung der Interpellation. Der Antrag wird vom ganzen Hause unterstützt. Abg. Dr. Stresemann (Natl.): Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit und Billigkeit, daß ein Arbeitgeberverband die Aussperrung des Ar- beiters auf lange Zeit höchstens dann vorschreibt, wenn es sich um sehr schwere Verfehlungen des Arbeiters handelt und diese zweifellos festgestellt sind, damit ist alles ausgebrückt gegen die tchwarzen Listen, wie sie jetzt in der Bergbauindustrie gehandhabt wer ben. Würde diesen Bedenken Rechnung getragen, so würde den schwar zen Listen vieles von der verbitternden Wirkung, die sie ausüben müssen, genommen sein. Das Bedenkliche ist eben die außergewöhn lich große Zahl der unter Kontraktbruch Entlasse nen. 5400 Entlassene auf einer Liste sind doch ein Beweis für die Fluktuation, welche einen Betrieb tatsächlich in die allerschlimmste Mit leidenschaft ziehen kann. Woher stammt dieses fortgesetzte Wandern von einer Arbeitsstätte zur anderen? Man spricht von nicht gehaltenen Versprechungen. Da kommt aber nur ein kleiner Prozentsatz in Betracht. Bei der größeren Zahl Kommen doch wobl Gründe in Betracht, welche früher schon Herr Schubert, und welche heute der Herr Staatssekretär angeführt hat. Das Vorgehen der bayrischen Metallindustriellen ist von dem Interpellanten behandelt worden. Es liegen zahlreiche Petitionen der Betroffenen vor. welche von uns den Ausbau des Koalitionsrechtes fordert. Ter Verband der bayrischen Metall industriellen bildet nur einen Teil des Fachverbandes. Sein Vorgehen hat in der deutschen Industrie absolut kein Echo gefunden. Die Jndustriellenverbändc haben sich im Gegenteil dagegen aus gesprochen. Weiter muß berücksichtigt werden, daß der bayrische Verband wenige Tage nach Erlaß dieser Kundgebung bereits selbst den Beschluß aufgehoben hat. Ich glaube nicht, daß cs sich dabei nur um eine formelle Aufhebung handelte. Zahlreiche Mitglieder des Verbandes haben nicht nur den Erlaß, sondern auch die Tendenz, aus der er hervor gegangen war, gemißbilligt. Der Leipziger Handlungsge- hrlfenverein und der Hamburger Verein von 1858 haben vör 86ttuttwÄi'6n-käumunZs8V6i'kauk ilauvnl NT»* nook HTssvmgs Hgv. tisrab^ssstLts spottbillige ^usverkauksprsiss.
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