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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071104019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907110401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907110401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-11
- Tag 1907-11-04
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Monat
1907-11
-
Jahr
1907
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«r. S««. 1V1. moralischen Wertes: Präsident Carnot sprach das am Schlüsse der Manöver zu Vitry in einer vor Vaterländischei Begeisterung bebenden Rede auS. Die fremden Offiziere stellten die überraschende Hebung der französischen Armee fest, die einen mit aufrichtiger Mitsreude. die andern in eifersüchtiger Furcht. Seitdem machte die Armee noch technische und taktische Fortschritte, aber ihr moralischer Stand war niemals höher als 1891 Zu diesem Zeitpunkte begannen die inneren Feinde der Armee ihren mit soviel Hartnäckigkeit, Geschick und Ausdauer geführten Feld zug, die Humanitären Philosophen, die Weltfriedensschwärmer und die Gegner unserer sozialen Ordnung. Alle diele vorsätzlichen Zerstörer wurden und werden nach unterstützt von den jungen Intellektuellen unserer Bourgeoisie, die den Heeresdienst fürchten, dann von einigen gewissenlosen Gesetzgebern, die sich ihrem Wchlintercsse zuliebe nicht icheuen, dem niedrigsten EgoiSmuS zu schmeicheln." Und nun werden die gesetzgeberischen Maßnahmen ansgesührt, durch die die Regierung nach General LangloiS seit 1900 die Armee zugrunde gerichtet hat, die Re gierung als Feind der militärischen Befehlshaber sdie sie für Monarchisten haltl. Zuletzt richtet der Verfasser des Aufsatzes folgenden Ausruf an seine Volksgenossen swobei er auch einige Schmeicheleien ein- 'ließen lasten ninsij: .Kommen wir zum Schluß. Deutschland wirv immer vor uns voraus haben den Vorteil der Zahl und den der höheren Stärke seiner Gefechtseinheiten, der sich aus seinem Rekrutierungsgefetz ergibt. Aber wir können diese Ueberlcgenheit auSgleichen, indem wir die höheren Nasteneigenschaften, die uns eigen sind s!>, zur Geltung bringen und indem wir den moralischen Wert der HecreSaerneinsarnkeit mit allen Mitteln entwickeln. Diese ganze moralische Aktion sei bezeichnet mit dem einen Wort: Rieder mit den Zerstörern! Und morgen wird Frank reich stärker als jemals sein." Deutscher Reich. Leipzig, 4. November. * Das Programm der Kaiserreise nach England ist jetzt folgender- matzen feltgestellt: Ter Kaiser und seine Gemahlin werden bei ihrer Ankunft in Portsmouth, die an Bord der von deutschen Kriegsschiffen begleiteten „Hobenzollern" erfolgt, durch Geschützsalut begrützt werden. Zn Portsmouth werden mehrere Mitglieder der englischen Königs- tamilie, unter ihnen voraussichtlch auch der Prinz von Wales, anwesend sein, um das Kaiserpaar im Namen des Königs an Bord der „Hohen- zollern" zu begrüßen. Dann begibt sich daZ Kaiserpaar an Land, wo :s mit militärischen Ebreu empfangen wird. Ein königlicher Sonderzug rührt das Kaiserpaar nach Windsor. Die Begrünung durch König Eduard und Königin Alexandra erfolgt auf dem Bahnhöfe, wo eine berittene Ehrenwache zum Empfang ausgestellt ist. Dann folgt die Fahrt unter Kavalleriegeleit, nach Schloß Windsor, wo die übrigen Mitglieder der königlichen Familie, die ersten Staatswürdenrräger und die Herren des Hofstaats versammelt sind. Zwei Staatsbanketts am Dienstag, den 12., und am Freitag, den 15. d. M., sind während der An- Wesenheit deS deutschen KaiserpoareS vorgesehen: sie finden unter Teil- nähme der Mitglieder deS Kabinetts und des diplomatischen Korps, der Vertreter des Kricgsamts und der Admiralität in der St. George Hall >'tatt. An einem der beiden Tage werden Trinksprüche des Königs von England nnd des Kaiser? erwartet. In Schloß Windsor wird Kaiser Wilhelm auch eine Abordnung der Universität Orforo empfangen, deren Senat die Verleihung eines akademischen Grade? an den Kaiser beschlossen bat. Außerdem sind Jagden und Abend- Unterhaltungen zu Ebren der kaiserlichen Gäste in Aussicht genommen. Ter Stadt London sind zwei Besuche zuaedacht, und zwar soll der offizielle Bestich, mit der Begrüßung des KaiscrpaareS im Rathause und anschließendem Festmahl, am 13. d. M. erfolgen. Bei dieser Ge legenheit wird der Kaiser auch die Adressen entgcgennehmen, in denen zahlreiche städtische Verwaltungen ihre Ergebenheit bekunden wollen. Ein zweiter Besuch, der aber privaten Charakter trogen dürfte, soll der Stadt London am 16. zngedacht sein. Die Abreise des Kaiserpaares von Schloß Windsor, wo möglicherweise eine Begegnung mit dem spanischen und dem norwegischen Königspaare stattfindet, soll am Montag, den 18. November vormittags erfolgen. . .* Dom ReichSvereinSaesetz. Man kann anksehmep. daß in dem neuen Vereinsgcsck die Verpflichtung der Vereine, den Behörden ein Verzeichnis der Mitglieder vorzulegen, Wegfällen wird. Auch auf diesem Gebiete tritt die von uns vor kurzem geketrnzeickmtte Bunt- scheckigkcit des bestehenden deutschen Vereinsrechts grell rn Erscheinung. Zurzeit hesteht die Verpflichtung, unaufgefordert das Verzeichnis der Mitglieder einzureichcn, für Vereine, die eine Einwirkung auf öffent liche Angelegenheiten bezwecken, in Preußen .Braunschweig, Anhalt, Reuß j. L., Lippe, kür Vereine zu politischen Zwecken in Mecklenburg- Schwerin. Mccklenburg-Strelitz, smit abgekürzter Frist) in Lippe, und für politische oder sozialistische Vereine in Bremen. Eingetretene Aen- derunacn in dem Bestände der Mitglieder sind dabei ohne weiteres in Preußen, Anhalt, Reuß j. L., Lippe, Bremen, auf Erfordern der, Be hörde in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz anzuzeigen. Aus Verlangen der zuständigen Behörde ist das Mitgliederverzeichnis non jedem Verein in Oldenburg, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg. Sondershausen und Elsaß-Lotbringen vorzulegen. Von allen Vereinen kann Auskunft über ihre Mitglieder verlangt werden in Baden, Sachsen-Meiningen und Schwarzburg-Nudolstadt. Mittelbar können die Behörden sich über die Mitglieder unterrichten im Königreich Sachsen, wo alle Vereine, deren Zweck sich auf öffentliche Angelegen- Leipziger Tafteblatt. heilen bezieht, auf Verlangen jede auf den Verein bezügliche Auskunft erteilen müssen, in Schaumburg-Lippe, wo alle Vereine über Einrich tung und Zweck, und in Lübeck, wo politische und sozialistische Vereine über Einrichtung und Tätigkeit Auskunft zu erteilen verpflichtet sind. Hiernach bedeutet der reichsgesetzliche Verzicht auf das Mitgliederver zeichnis eine weitgehende Erleichterung des Vereinswesens. * Die Staatsanwaltschaft im Hardcn-Prozrß. Wie die Staats- anwaltschast die Situation ansieht, die durch ihr Eingreifen in den Harden-Prozeß geschaffen ist, darüber hat Oberstaatsanwalt Dr. Isen- biehl einem Vertreter der „Berl. Morgenpost" gegenüber sich ge- äußert. Er griff auf die auch von unS erwähnen Bedenken des Prof. Kehl zurück, deren Gewicht er theoretisch anerkenne, und fuhr dann fort: „Tie Staatsanwaltschaft kann sich nur auf die bisher ergangenen ein schlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen stützen und diese sich zur Richtschnur nehmen. DaS vom Schöffengericht gefällte, mit der Majestät des Gesetzes umkleidete Urteil besteht natürlich zu Recht, so lange es nicht von einer höheren Instanz aufaehoben wird. Nur die zuständige übergeordnete Jnstayz, in diesem Falle die Trci-Männer-Straskammer, vermag das zu tun. Die Königliche Staatsanwaltschaft strebt nun an, daß sich die kompetente Drei-Männer-Kammer, d. i. die BerufungS- strafkammer für Beleidigungsklagen, mit der Sache zunächst nur formell beschäftigt und unter Aufhebung des schösscnaerichtlichen Urteils das Privatbeleidigungsverfabren einstcllt. Hieraus wäre von der Staats anwaltschaft dann ein vollständig neues Strafverfahren einzuleiten. Tritt die zuständige Drei-Männcr-Kammer dieser rechtlichen Auffassung nicht bei, dann dürfte die Berufungsinstanz in die sachliche Behandlung der Materie rintreten und,den Prozeß in der üblichen Form durchführen. Wie sich also das Verfahren '»/'alten wird, vermag ich zurzeit noch nicht abzusehen." * Erzberger und der Briesdiebstahl im Flottenverei«. Der deS Briesdiebstahls im Deutschen Flottenverein angeschuldigte Registrator Oskar Janke ist auf Antrag des Staatsanwalts durch die Strafkammer deS Landgerichts I lBerlinf außer Verfolgung gefetzt worden. In diesem Anträge an die Strafkammer hat der Staatsanwalt dargeleat, daß ein Teil der Briese durch Diebstahl im Sinne des Strafgesetzbuchs dem Flottenverein entwendet worden sei. Es stehe aber nicht 'est, daß der Anaeschuldigte Janke der Täter sei und zu den Personen gehöre, die zu der kritischen Zeit nachweislich nach Schluß der Bureaustunden nach Mitternacht rn den Geschäftsräumen des Flottenvereins und auf den Zugängen zu diesen beobachtet worden sind. Dem Abgeordneten Erz berger, so fuhrt der Staatsanwalt weiter auS, sei der Dieb offenbar be kannt. Herr Erzberger habe aber seine Aussage verweigert, und da er sich bereit erklärt habe, zu beschwören, daß er nach bestem Wissen und Gewissen annebme, er würde sich durch eine Auskunft darüber, ob der Angeschuldiate das Material zu den Artikeln des „Bayerischen Kuriers" geliefert habe, die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zuziehrn, so könne er zu einer Aussage nicht gezwungen werden. Auch der ehemalige Chef redakteur Siebcrtz des „Bayerischen Kuriers" hat unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis sein Zeugnis verweigert, während der Ab geordnete Dasbach infolge seiner Krankheit, an der er kürzlich verstorben ist, unvernommen bleiben mnßte. — Mehr kann man wirklich nicht verlangen zur Charakteristik der moralischen Qualitäten der Herren Erzberger und Siebertz! ,* Graf Moltke Hot Berlin verlassen, um sich mit seiner Schwester, Gräfin Dunkelmann, auf deren Schloß Groß-Peterwik in Schlesien zu begeben. Der Graf bleibt dort einige Zeit in völliger Zurückgezogenheit, um sich von der Anstrengung und den Aufregungen des eben beendeten Prozesses zu erholen. * Ein verweigertes Duell und seine Folgen. Der Chef der Marinestation der Nordsee, Vizeadmiral von Ahleseldt, trat vorgestern einen längeren Urlaub an, von dem er nicht zurückkehren wird. Die Ursache zu dieser plötzlichen Verabschiedung ist eine Duellforderun" welche Admiral von Ahlefeldt nach einem heftigen Streite mit dem Marincbaumeister C. von diesem erhielt. Admiral v. Ahleseldt lehnte jedoch die Forderung ab. Die Angelegenheit kam zur Kenntnis der höheren Instanzen, und daraufhin wurde der Admiral verabschiedet, während der Marinebaumeister C. einfach nach Kiel versetzt wurde. Als zukünftiger Chef der Marinestatian der Nordsee wird Vizeadmiral Graf von Baudissin genannt. Bis Anfang Januar 1908 führt der Festungs kommandant Ehrlich die Geschäfte des Stationskommandos. * Blinder Eifer. . . . Die Hamburg-Amerika-Linie hat nicht lange mit dem Widerruf der Nachricht gewartet, daß ihr Direktor Kapitän von Grumme auS dem Vorstand der Gesellschaft ausscheide. Immerhin kam dieser Widerruf für die „Deutsche Tageszeitung" einen Augenblick zu spät: denn dieselbe Nummer der ^D. T.", deren Depeschenteil die-Be richtigung der falschen Nachricht enthält, knüpft an die Falschmeldung einen Ausfall gegen den Generaldirektor Ball in durch die Behanp- tung: Kapitän von Grumme sei aus seiner Stellung bei der Amerika- Linie deshalb ausgeschieden, weil Ballin ihm eine Tätigkeit zuge- mutet habe, die Herr von Grumme mit seinen Anschau ungen als Offizier nicht in Einklang bringen konnte! — Nachdem die „D. T." sich erst jüngst gegenüber ihrem alten Gegner Freiherrn von Marschall einigermaßen lächerlich gemacht batte, sollte sie bei der Pflege persönlicher Feindseligkeiten größere Vorsicht walten lassen. Blinder Eifer schadet nur! Ausland. Oesterreich Ungarn. * Die Ministcrkrise. Aus Wien wird dem „B. T." gemeldet: Die tschechische Ministerkrise soll in einer für die Tschechen günstigen Montag, 4. November 19V7. Weise gelöst werden. Die Tschechen behalten zwei Ministerien: aber statt des Handels erhalten sie das Ackerbauministerium, daS für sie wichtiger ist. Der Obmann der tschechischen Agrarier, zu denen auch der feudale Großgrundbesitz gehört, Gutsbesitzer Praschek, wird, wie bereits gemeldet, Ackerbaunnnister. Pacak bleibt Landsmann- Minister. Das Handelsministerium übernimmt provisorisch Minister präsident Baron Beck. Der polnische Landsmannmirnster Graf Dzieduszycki demissioniert, da der Polenklub unzufrieden ist über die Verhandlungen des Ministerpräsidenten mit den Nuthenen. Dem nächst soll auch über den Eintritt der Christlichsozialen in das Ministerium entschieden werden. Frankreich. * Ministerrat. Aus Paris wird gemeldet: Im übermorgigen Ministerrale wird Pichon die Grundzüge seiner in der Marokko-Tcoattc am nächsten Freitag abzugedenden Erklärungen mitteilen. Die Regie- rung erwartet von allen Parteien die möglichste Zurückhaltung bei Be sprechung der inneren marokkanischen Angelegenheiten, damit das An- sehen des Sultans Abdul Aziz nicht geschädigt werde. Eine scharfe Kritik an ihrem Verhalten gegenüber den in Marokko interessierten europäischen Regierungen hat das Kabinett nicht zu befürchten, da die Arbeiten der Diplomatie seit Monaten ohne empfindliche Störung sich vollziehen und zwei Hauptsachen, die Differenz des Generals Drude mit dem spanischen Befehlshaber Santa Olalla, sowie die Frage der Casa- blanca-Entschädigung befriedigend erledigt scheinen. Von der äußersten Linken sind Angriffe gegen die Drudesche Kriegsführung, sowie wegen der dem Sultan bewilligten Vorschüsse zu erwarten. Etwaige Anfragen wegen der wirtschaftlichen Zukunft Marokkos und der dabei in erster Linie interessierten französischen Unternehmergruppen wird die Regierung als derzeit zur Besprechung ungeeignet nicht beantworten. England. * „Dreadnought." Aus London wird gemeldet: Da die Haager Konferenz in Sachen der Abrüstung zu keiner Debatte gelangte, fährt England in der Vermehrung seiner Kriegsflotte fort. Das neue Linien- schiss des „Dreadnought"-Tvps wird nunmehr in Angriff genommen. Tie Lieferungen sind öfsentlich für den Mindcstfordernden ausgeschrieben. DaS Schiss soll nach den allgemeinen Angaben des Planes 20000 Tons Deplacement und 21 Knoten Geschwindigkeit haben. Es wird für Turbinenbctrieb, für Kohlen in freier See eingerichtet. Obwohl nun die Einzelheiten des Planes noch nicht amtlich bckanntgcgeben worden sind, ließen sich doch folgende Angaben ermitteln. Das neue Linien- schiss, das in drei Jahren fertiggestellt sein soll, wird länger sein, als der „Dreadnought"; die übrigen Dimensionen sollen hingegen ungefähr die gleichen bleiben. Der Panzer schwankt an den einzelnen Stellen zwischen 12 und 3 Zoll. Ein 13^-Zöller wird das Hauptgeschütz bilden, dazu kommen zwölf zwölfzöllige und vierzehn vierzöllige Ge schütze. Tie Schnellfeuergeschütze sollen um 33 Prozent wirksamer sein als die des „Dreadnought". Bis zum Jahre 1910 wird England nach dem Programm insgesamt 7 Treadnought-Schlachtschisfe und 5 Dread nought-Kreuzer besitzen. Jeder Kreuzer wird mit acht Zwölfzöllern ausgerüstet sein und 25 Knoten an Geschwindigkeit erreichen. Tie ganze Vincent-Klasse wird dann 116 zwölfzöllige Geschütze zählen. Nach der Meinung der britischen Marinekreise hat die englische Seemacht, indem sie diesen neuen Riesentypus schuf, eine solche Gewalt erreicht, daß ihr rn der nächsten Zeit keine andere Seemacht gleichkommen könne. Es komme hinzu, daß der finanzielle Aufwand jeden Staat, der gleiches an- strebe, wirtschaftlich schädigen muß. Zu diesem beschleunigten Tempo der Rüstungen schritt die Admiralität angeblich unter dem Druck der öffentlichen Meinung; Campbell-Bannermon, der die Rüstungen stets einschränkcn wollte, mußte sich der Stimmung der Nation fügen, als er sah, daß auch die Haager Friedenskonferenz den Gedanken an ver minderte Rüstungen als verfrüht behandelte. Türkei. * Said Pascha s. AuS Konstantinopel wird dem „B. T." geschrie ben: Der Präsident des Staatsrates Said Pascha, dessen Tod bereits gemeldet worden ist, war insofern eine Deutschland besonder? inter essierende Persönlichkeit, als er seinerzeit in Berlin Botschafter war. Anfang der achtziger Jahre kam er, auS dem Ministerium des Aeußern nach Berlin berufen, dort zum erstenmale aus seinen neuen Posten in gründliche Berührung mit der abendländischen Kultur. Vor her war er fast ausnahmslos im Verwaltungsdienste in verschiedenen Provinzen des türkischen Reiches tätig gewesen und erst kurz vor seiner Übersiedelung nach Berlin im Jahre 1881 als Ches des Ministeriums des Aeußern in engere Verbindung mit den Wcstmächten getreten. In Berlin war seines Bleibens nur ein Jahr, da er von dort von neuem an die Spitze des Ministeriums deS Aeußern berufen wurde. Zehn Jahre lang verstand er es. diesen Posten zur Zufriedenheit des Sultans auszusüllen, und erst 1894 schied er aus seiner Machtstellung, um schon ein Jahr später abermals, wenn auch nur auf wenige Monate, das alte Amt zu übernehmen. Er verließ diesen Posten dann -um drittenmale, um die Geschäfte des Präsidenten des StaatsrateS zu übernehmen die er bis zu seinem Tode, also ein volles Duzend Jabre, führte. Sein Nachfolger, der gestern ernannt wurde, ist Hassan Fehmi snicht Fchimlj Pascha, der bis jetzt Generaldirektor der „Oontrlbutions inckirvatos" war. Feuilleton. Theater und Aonzert. * Leipzig. 4. November. Gedenkfeier für Alfred Reisenauer. — Rezitation von Ernst v. Possart. Herr Hofmusikvcrleger Ernst Eulenburg hatte für gestern vormittag Einladungen zu einer Gedenkfeier für Alfred Reisenauer ergehen lassen, und eine Reihe hiesiger künstlersicher Kräfte von Ansehen wirkte dabei mit. Zu Beginn der würdigen Veranstaltung ertönte die Traucrelegie des Schlußsatzes aus Tschaikowskys Klavier- irio in ^.inoll sOp. 50). Man hätte keine passendere Wahl treffen können, trägt doch dieser Satz die Ueberschrift la rrrömorrv ck'un jrrsnci »rtäst«". und das Andenken eineS Großen im Reiche der Kunst galt es ja zu eyren. An weiteren Jnstrumentalvorträgen kamen zu Ge- hör zwei Nummern von Reisenauers vierhändigen Klavierstücken „ReiEbilder aus der Schweiz" und die Variationen über „Der Tod und das Mädchen" aus Schuberts DraoU-Streichauartett. An der Wieder gabe dieser Werke beteiligten sich die Herren Artur Reinhold und Anatol von Roessel, die beide NeisenauerS Schüler gewesen find, sowie die Mitglieder unseres GewandhauSquartettS, die Herren Kon zertmeister Edgar Wollaandt. Josef Älümle, Carl Herrmann und Professor Julius Klengel. Nicht eine inS einzelne gehende Kritik ist bei solchem Anlaß zu schreiben, aber es soll bemerkt werden, daß jeder der Mitwirkenden von pietätvollem Eifer be seelt war und mit künstlerischem Ernste weihevoll-edle Eindrücke Hervor rufen half. Los gilt nicht minder von den Vertretern des vokalen Teils, von Fräulein Anna Hartung und Herrn Kammersänger Emil Pinks, die Reisenauersche Lieder sangen. Beide dürfen sagen, daß ne sich schon zu NeisenauerS Lebzeiten seiner sympathischen, aller Ge schraubtheit sernbleibenden Lyrik mit redlichstem Streben und schönem Erfolge gewidmet haben. Dieselben Gesänge, die Fräulein Hartung gestern darbot s„Der wund« Ritter", „In der Mondnacht" und „Hütet euch!") hat die treffliche Künstlerin vor kaum einem Jahre noch unter de-i Komponisten persönlicher Begleitung gesungen, und Herr PinkS, der zunächst das dritte Stück von NeisenauerS LiederzykluS „An meine Toten" vermittelte, rief sodann mit dem „Ständchen eines Mauren" die Erinnerung an einen Liederabend wach, wobei Reisenauer ebenfall- am Klavier gesessen hat. Taktvoll unterließen di« sehr zahlreich er schienenen, den Kammermusiksaal deS Zentraltheaters dicht füllenden Zuhörer alles Applaudieren, was die Stimmung der dankenswerten Veranstaltung wesentlich förderte. Schade nur, daß nicht alle Damen die solcher Trauerseier entsprechenden Farben angelegt hatten. Wieder einmal iss Ernst v. Possart dagewesen — vielen, wie der ssarkbesetzte KaufhauSsaal bewies, ein willkommener Gast Possart» RczitationSkunst ist bekannt, auch wer dabei das rhetorische Element als zu stark empfindet, muß die untadelige Cprechtechnik bewundern, die dem Künstler eigen iss, die Sicherheit, mit der er über alle Register seines Organ», wenngleich diese» nicht mehr ganz den Wohllaut früherer Zeiten hat, gebietet. Gestern abend übrigens war der berühmte Mime besonders gut aufgelegt; so natürlich hat er gerade in Leipzig lange nicht rezitiert. Kam das, weil er jetzt nicht mehr auf der Bühne steht, der Welt des Scheins ferner gerückt ist, oder war ungewöhnlich günstige Disposition der Grund, jedenfalls regten sich Theatralik und ungerecht fertigtes PathoS nur selten, in Tennysons „Enoch Arden" beinahe gar nicht. Etwas mehr bei dem Vortrag der Moscnthalschen Dichtung ^Mozart", die ja an sich schon eine gewisse Süße aufweist, hier ist der Dichter der „Deborah" selbst die Veranlassung, wenn der Rezitator zum Schönredner wird. Auch die dazu von Franz Kugler gegebene Aneinanderreihung von Melodien aus Mozartschen Werken ist, vom streng künstlerischen Standpunkt aus betrachtet, nicht einwandfrei. So ziemlich alle Bedenken aber, die man gegen die Kunstgattung des Melo drams haben kann, schweigen, wenn man den „Enoch Arden" mit der Musik von Richard Strauß hört, schweigen um so mehr, wenn man ihn so hort, wie dieses Mal von Possart, und ich wüßte zurzeit keinen, nicht Schauspieler, noch Rezitator, der dem Künstler das nachzumachen ver möchte, auch ein derartig feines Anpassen an die Musik fertig brächte. AndernteilS ist das Verständnis von Fräulein Cornelia Rider anzuerkennen, die sich am Blüthner-Jlügel geschmackvoll betätigte. k'slix Wilckksrockb. * " Vor 150 Jahren. Vor 150 Fahren, also im Jabre 1757, sind Gleim» erste Krleatlirder erschienen, veröffentlichte Gellert leine gelsilichen Lieder und gab Bodmer mit „Kriembildens Rache" zum ersten Male Teile de» Nibelungenliede- berauS. „Vater Gle»m" war nicht der erste, der die Talen der preußlichen Heere belang. Bor idm batten namentlich Ewald von Kleist, Ramler und di« „Sappbo' Anna Louiia Korschin in kunstvollen Oden und indaltlosen Reimereien den Ruhm der preußi chen Truvven verkündet, ja Kästner dichte'« sogar auch lateinische Epigramme auf dir Schlawt bei Roßbach und Johann Gottlieb Willomoy wollte der preußisch« Pindar werden, indem er in Dithyramben Friedrich ..den Helden den Fürsten, ten Weiten" ver herrlichte. Auch waren die „Pr,ußis4en Krirgslirder von einem Grenadier" nicht GleimS erste dichterische Versuche. Er halte vorder schon im Stile Hagedorns nach dem Vorbild de» Fran-olen Monrrit und d»S Spanier» Gonaora komiiche Romanzen verfaßt, die für Bänlel'änger bestimmt waren Und cr hat » gelernt, auch von Klopstock. Dessen Lied auf Friedrich den Großen nahm er sich zum Muster für seine Krieg-lieber. Krieg ist mein Lied! Weil alle Welt Kr eg will, so sei es Kriegl Berlin sei Svartal Preußen» Held Gekrönt mit Ruhm und Sieg! So singt er „bev Eröffnung de- Feldzüge» 1756" und dieser Ton geht durch alle di» 11 Lstd»r. Gleim bat mit feinen KriegSliedern sich unstreitig »in literarische» Verdienst erworben. Er bat die geschrubt« Künstlichkeit der kiamtchea Odenvo-str beseitigt und alle» ornamentale Beiwerk abgestreift. Ja vriprüng. liister Natürlichkeit und biederer tzerzlictüett gibt sich der Grenadier und wirkt damit. Welt« Bedentuui die damalig. Zett ten KriegSliedern beimaß, erkennen wir am besten daraus daß kein geringe'er al» Lefftng eine Vorrede dazu ge- schit-ben bot. tn der er sie allerdings d>m. Bolk"zurei uet, da- in den Feinheiten der wobtlltiisi rten Rede immer um »in balde« Jalrbuudert zurück lei. Aber indem Lessing «nt'chirten »ine Beurteilung der Kri,gslird,r nach französischem Geschmack avlebnt, erkennt er ihre naiionale Bedeutung und idren urdeutschen Kern on. Di« Erinnerung au „unsere Borden", an di» alten nordischen Skalden, die Mahnung zu einer naiven Sprach« und »rsprünglicheu deutschen DenkungSort hat allerdings dann da- sogenannte „Bardrngehrut" in nnserrr Literatur hervor gerufen. da- nicht gerade eine erfreuliche Erscheinung genannt werden kann — Ein ganz and rer Stoss als die en KriegSltedern liegt den „geiiilichen Oden und Liedern" Geller iS zugrunde, und e» ist von eigentümlichem Reiz daran zu erinnern, daß beide Dichter zur gleichen Zeit gelebt und unirr dem Eindruck derselden ge schichtlichen Ereignisse und Begebenheiten gedichtet da'.rn. Gellert war eben ander» wie der lustige Gleim, eine ernste, iromm» Natur. Er reflektiert und sucht durch die Reflexion aus da» G.rnlll zu wirken. Darum verehrte er beionders die Dichter de» Kirch,ntied» und bat sich selbst auf Vielem Gebiet vertucht. Aber e» srdlt ibm vielfach die Leichtigkeit der Sprache, und trotzdem er sogar mit seinen Freunden zusammen fleißig an jeinen Berten seilte, gelang ,» ihm dennoch nicht, Schwülstiokeiten zu vermeiden — oder fehlte ibm da- Getüdl daür, daß jene vielzitirrten Verse: „Lebe, wie du, wenn dn stirb't, wünschen wirst gelebt zu baben" rigenttich besser nicht in einem Kirchenlied stünde»? Aber doch sind unter seinen geistlichen Oden und Liedern Schöpfungen von unnachahmlicher Tiefe enthalten, bat doch Beethoven sechs davon in Lbustk gefetzt. — Und wieder aus einem anvcren Gebiete liegt da» drille der nenannien Fuwläums- bücher. da-von Bodmer brrau gegebene Nibelungenlied. Diese literarische Tai ent springt aber demselben Boden, wie die Kriegelicder Gleims, dem Erwachen deS deulschvöiiilchen Geiste- dem Wiederaufleben de» nailonalrn Empfinden». ES war ja vorerst nur „KrUmhildenS Racke"', wo» Bodmer l757 veröfssntlichte, aber schon 17-8 und 1759 folg e eine vollständige Sammlung der Minneiänger und letn Schüler L ristoyh Heinrich Mvlter in Berlin da« dann 17^4 und 1785 da- ganze Nibelungenlied und die wichtigsten höfischen Epen herouSgegeben. -» Mnstk-lihronlt. In der Großen Over in Pari« wird dir Oper , 8ixpo- l?to vt ärieiv's von Rameau, die seit d.m Jabre 1767 nicht mehr anigeiührt wurde, zur Darstellung lommen. — Musikdirektor I. B. Zeilrtl-tzanuover hat soeben eine dreiakt'ae Oper .Olas" nach der Heineichen Dichtung .Ritter Olas" vollendet. — Massenets neueste Oper „Bacchus" wir» ihre Uraufführung in der Großen Over in Pari» erleben. — Alberio Fiancheiit arleilet gemein'am mit Umberto Giorbano an einer komischen Oper in drei Akten, hie „Jupiter in Pompest" heißen und am Tbraier Dal Vrrme in Mailand ihre erste Aui'üdrung erleben soll. — Zu Maet-rlinck- , Manna Vanna" schrieb Henri Flor'er eine neue Musik — Edarlre Hur vollendet rin» neue Over, die den Titel .M'rocle" führt. — Arnold Mendel»'odn« neue Tondichtung , Paria', Text von Go»tbe. für Solostimmen, Ehor, Orchester Mrd Orgel wurde im ersten Winterkonzrrte de» Musikverein» in Darmstadt »u Gehör gebracht. — Im Jahre 1St-8 soll in Rostock rin mecklenburgilche« Musikfest siatifiiiden. * Kleine khroutk. Dem Vorstand de« Vereins Billa Romana in Leipzig ist von den GOchwitiern Meyer in Beilin zum Anden'en an ihren ver- stopbenen Broder Dr. Ludwig Meyer ein« Stiftung von ItiOOO mit der Bedingung geschenkt worden, die jährlichen Zinsen zum Besten der in der Villa Romana in Florenz wohnenden Künstler zu verwenden. Ja der Villa wohnen zurzeit Fräutein Tora Hitz, Marlin Brand,nburg-Brilin. während Georg Bnrmester-Mölienort und Fritz Mackrnsen-Worp-wedr demnächst einzieden werben. — Im Kleinen Theater in Berlin gab e» am Sonnabend abend »ine gestört, Noravorstellung. Frau Sorma mutzie gegen zwei Stenoarapben geschützt werden, die vorn im Parkett saßen und sed- Wendung der gebetzten Künstlerin notierten. E» war ihr eine Falle gestellt. Man rechnete damit, daß sie in die ihr verbotenen Worte de» Herrn Wilhelm Lange ,uiück- geraten würde, der persönlich im Hinterarrrnd sichtbar war, während sie den Text der G. Fischerlcken Uebersetzung batte neu lernen muffen. Tumult. E>n« Stimme fordert, dir DIr,ktion auf: „Machen Sie doch von Ihrem Housrrcht Gebranchl Die Stenogravbrn wichen, al- zwei Schubleu'r sich im Eingang zeigten. Schluchzend zwang Frau Sorma sich wir rr in ihre Rolle und führte „Nora" zu Ende. — Das Königlich« Kunstgrwrrbr-Musrum zu Dresden soll Anfang Dezember im eigenen Neubau eröffnet werden.
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