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871S stattsinde», «ehr al« je zuvor. Diesmal läßt sich m,t Sicher heit vorauf rechnen, daß öder LOO Stichwahlen vorgenommen werde« müssen. L»f unklare Geschäfte bei de« Stichwahlen hat aber der NadicaliSmu« i« erster Linie seine Hoffnungen gefetzt; heute solle« dir Wähler hier, morgen dort, über- mor-e« wieder wo ander« zu unnatürlichen Wahlbündnissen wider alle politische Vernunft und eigene Ueberzeugung geschoben werden. Da« ist nach Möglichkeit ausgeschlossen, wenn die Stichwahlen an einem Tage stattfindru; dann bleibt es de« Wählern Überlassen, sich nach unverkümmerter Ueber zeugung a«s den Verhältnisse» de« Wahlkreises heraus zu entschließen. Da« eigen« Urtheil, da« eigene Pflichtgefühl hat daun in der Hauptsache zu entscheiden, und der Geist, der stet« venwint und seine Hoffnung lediglich auf da« Zusammen wirken aller Unzufriedenheit setzt, muß diese- Gefühl wenigsten- halbwrg« gewähren lasse». Wie in vielen Wahlkreise» die Eonservativen von den Antisemiten nnd in einigen von dem Bunde der Land wirt he de« Lohn für erwiesen» Liebesdienste durch Bekäm pfung empfangen, so erntet das Lentrnm, da« bereit« in Oberschleste« von den Polen sich zurückqedrängt siebt, auch im RrichStagSwahlkrrise Allenstein-Rössel den Dank der Pole» dafür, daß e« allerwegen die nothgedrungene Abwehr der »ationalpolnischen Propaganda bekämpft. Die Polen haben «udgiltig gegen den Centrum-candidaten Herrmann wieder den polnische» Propst vr. von WolSzlegier (sprich Woll- jchligrr) ausgestellt. Bi« zum Jahre 1890 batten die Polen seit dem Bestehen des deutschen Reichstages hier niewal« ein« eigene Candidatur aufgestellt, 1890 aber traten sie dem Centrum entgegen, brachten zwar 5171 Stimmen auf, unterlagen jedoch dem CentrumScandidaten, der noch 9010 Stimmen aus sich vereinigte. 189.9 enthielt sich in der Haupt- Wahl «in großer Theil der Wähler der Abstimmung, so daß di« Zahl der EentrumSstimmen von 9010 auf 6887 fiel, während drr Pol« 4781 Stimmen erhielt. Einmal in dir Stichwahl gelangt, schlug der Pole mit 9045 Stimmen den EentrumScaudidatea, der blo« 7418 erhielt. Da der Wahl kreis nur za 12 Proeent evangelisch, zu 88 Procent katholisch ist, dürft« der polnische Wahlsieg auch jetzt gesichert sein. Don den circa 24 000 im Jahre 1893 Wahlberechtigten sind damal« rund 7500 zu Hause geblieben. Die Möglichkeit, den CentrumScandidaten durch- zubringen, lag demnach umsomebr vor, al« noch 1890 der TentrumScandidat im ersten Wahlgange 9010 Stimmen bekommen hatte. WeShalv ist nun der CentrumScandidat durchgefallen? Offenbar deswegen, weil die polenfreundliche Haltung de« Centrum« einen großen Theil der katholischen Wähler zu dem logisch durchaus richtigen Schluß führte, die Dahl eines polniichen Reichstagsabgeordneten sei nicht nur keine beklagenSwerthe, sondern im Gcgentbeil eine sehr wün- schenSwerthe Sache. Tritt kaS Centrum, io werden sich viele katholische Wähler im Kreise Allenstein - Rössel gesagt haben, mit solchem unbeirrbaren Feuereifer für die „Rechte" der Polen «in, nun, bann wählen wir doch gleich einen Polen, dessen Eifer in der Vertretung polnischer Ansprüche gewiß noch feuriger sein wird; und mögen wir ihm nicht direct unsere Stimme geben, so bringen wir ihn wenigstens durch Stimmenthaltung in den deutschen Reichstag. Die polen freundliche Haltung des CentrumS ist seit 1893 ganz unver ändert geblieben, ja, man darf behaupten, daß die vom Centrum gegen die „Hakatisten", den Verein zur Förderung des DeutschibumS in den Ostmarken, betriebene Hetze die katholischen Wähler in den LaudeStheilen gemischt-sprachiger Bevölkerung in noch größereBerwirrung gebracht habe, als bisher. Mag daher immerhin rin Theil der katholischen Wähler in Allenstein-Rössel e« al« Friedensstörung bezeichnen, wenn dort rio polnischer Candidat dem klerikalen Deutschen gegenüber tritt, ein großer Theil wird, die polenfreundliche Politik des CentrumS sich vor Augen haltend, der „Gazeta O-ztynska" zustimmen, die in ihrer Nummer 48 schreibt: „Da wir unsere nationale Sonderstellung vertheidigen, können wir uns von den Deutsch-Katholiken nicht aufessen lassen und wäre es auch in einer CeotrumS-Sauce." Auf den Gamoainfcln soll, neuerlichen Nachrichten zufolge, abermals ein sogenannter Aufstand auSgebrochen sein. Was c« damit auf sich hat, läßt sich vorläufig noch nicht übersehen, aber so viel dürfte für uns feststehen, daß es endlich an der Zeit ist, mit der Inselgruppe kurzen Proceß zu machen und dieselben dem deutschen Colonialdesitz einzu verleiben. Die sogenannten Ausstände auf Samoa sind nicht« weiter als Schlägereien in größerem Umfange zwischen den drei Hauptstämmen au« Ätna, Aana und Tuamasanga. Jeder drr drei Stämme sucht lediglich sich selbst in den Vorder grund zu drängen und womöglich einen seiner Häuptlinge zum sogenannten Könige von Samoa zu machen. Sind Ge wehre vorhanden, so wird bei diesen sogenannten Ausständen auch geschossen, meisten« allerdings nur Löcher in die Luft. Wa« aber jedeSmal geschieht, ist die Zerstörung oder wenig sten« Beraubung der Pflanzungen. Da diese Pflanzungen trotz aller Bemühungen unserer Freunde auf Samoa immer noch ausschließlich in deutschem Besitz sind, so trifft jeder Aufstaad dir deutschen Interessen. Daß diese Interessen in den letzten Jahren besonder« seit 1888 durch die für jede« Eingeweihten geradezu lächerliche Art der dreifachen Oberhoheit auf Samoa, au-geübt von Amerika, England und Deutschland gleichzeitig, fortdauernd geschädigt und herunter gebracht worden sind, haben wir oft genug betont. Es haudelt sich jetzt darum, ob wir diese Interessen dauernd aufgeben oder ob wir endlich mit der Mißwirtschaft auf den Inseln aufräumen und durch die Uebernahme derselben in deutschen Besitz geordnete Zustande daselbst schaffen wollen. Zeit dazu wäre e«, und da« Vorgehen Amerika« »« Ostasien und in Hawaii laßt un« keinen Zweifel darüber, daß wir mit einer weiteren Enthaltsamkeit drr Bereinigten Staaten nicht zu rechnen haben werden. Sollten tatsächlich erhebliche Unruhen auf Samoa au-gebrochen sei», fo ist e« von Wichtig keit, daß der «ine unserer beiden Stationskreuzer, drr unter dem Befehl de« Eorvetteu-Capitain« Wallmann stehende „Falke", bereit« seit dem 25. April aus der Rhede von Apia ankert und auch erst am 20. d. MlS. seine Rundreise im Schutzgebiet fortsetzen soll. Außerdem wird demnächst auch der zweite StationSkreuzer, der unter dem Commando des Corvetten-CapitainS Mandt stehende „Bussard", in den samoanischen Gewässern erwartet, da da« Schiff sich bereit« seit dem 6. Mai auf der Reis« von Sidney nach Apia befindet. Noch nie sind die englischen Staatsmänner so nervös gewesen, wie eben jetzt. Die Amerikaner haben sie angesteckt. Jsolirt wie sie sind, sehen sie überall Gespenster, und bald klettert dieser, bald jener Minister auf den Mastbaum, um nach einem Bundesgenossen auSzusckauea. Sehr pessim istisch äußerte sich Lord Salisbury, wie wir miltbrilten, am Mittwoch auf dem Banket der Londoner Bankiers über die Lage Englands in den verschiedenen Welttheiten. Nun erfährt zwar das „Reuter'scke Bureau" auS „authen tischer" Quelle, die Rede Salisbury'«, welche nicht für die Ocsfentlichkeit bestimmt gewesen sei, sei nur in allgemeinen Ausdrücken abgefaßt gewesen, Salisbury habe, als er betonte, die augenblickliche Lage sei kritisch, keine bestimmte schwebende Frage oder Mackt un Auge gehabt, sondern nur feststellen wollen, daß fast überall Unruhe empfunden werde nnd man gegenüber allen Eventualitäten, dir dir augrnblickliche Welt- lagr mit sich bringen könne, auf drr Hut srin müsse — allein das ist nur rin vsficiöser AbleugnunzSversuch. Daß schwere Besorgnisse im Schoße der englischen Regierung bestehen, vrrräth ja auch der Colonialminister Chambrrlain. Man meldet unS: * Birmingham, 14. Mai. (Telegramm.) Der StaatS- secretalr für die Colonien, Chamberlain, hielt hier gestern Abend eine Rede, in dec er sagte: Die auswärtige Lage sei ernst und kritisch, dieZeit könnte bald kommen, wo e» nöthig sein würde, an den Patriotismus deS Volkes zu appel- liren. Er hoffe, daß die Zeit die Nation geeinigt für die Vec- theidigung ihrer Interessen finden werd». Der StaalSsecretair fährt fort: Es werde sich zeigen, daß die entgegenkommenden Zugeständnisse Lord Salisbury'- nicht mit der Ehre de« Lande« unvereinbar gewesen seien. Wenn auswärtige Regierungen an der Festigkeit Sali-bury'« zweiselten» würden sie sdie Schwierigkeit, den Frieden aufrecht zu erhalten, sehr erhöhe». Großbri tannien stehe allein, daher sei eS Pflicht de« ganzen Reiche-, sich enger zusammenzuschließen, und di« nächste Pflicht sei, sich enger an dir amerikanischen Vettern anzuschließen. Jeder Krieg würde billig erkauft (?) sein, wenn er schließlich zum Bündnisse der Angelsachsen führe. Wa» PortArthur und Talienwan angehe, so thue er vielleicht besser, nicht- von den Versprechungen zu sagen, die Rußland gegeben und vier zehn Tage später gebrochen habe. Die allgemeine Lage in China sei durchaus nicht befriedigend. „Wir hoben", fuhr Chamberlain fort, „künftig mit Rußland in China sowohl al- in Afghanistan zu rechnen, abgesehen davon, daß wir keine Armee oder Drfensiu-Grenze in China haben. Es ist un möglich, mit Rußland zu einer Verständigung zu ge langen, da wir nichts zu bieten haben, um e« von seinen Plänen abzubringen; aber, selbst wenn eine Verständigung erreicht worden wäre, wer würde verbürgen, daß sie eingehalten wordeu wäre? Großbritannien hätte Rußland den Krieg erklären können, doch können wir ohne einen Verbündeten Rußland nicht ernstlich Schaden thun. E« handelt sich nicht um einen einzelnen chinesischen Hafen, sondern um da» Schicksal ganz Chinas, wo unsere Interessen so unendlich große sind, daß nie «ine größere Lebensfrage zurEntscheldungder britischen Regierung und der Nation gestanden hat. Wenn da» Schicksal de« chinesischen Reiche« nicht ohne England entschieden werden soll, dann müssen wir aus den Gedanken eines Bündnisse- mit jenen Mächten zurückwetsen, deren Interessen den unsrigen gleichwerthig sind. DaS ist sehr deutlich gesprochen. Wie tief und weit muß der Riß sein, der sich zwischen England und Rußland auf- getban bat, wenn ein britischer Staatsmann sich einer so eminent herausfordernden, beleidigenden Sprache einer Macht wie Rußland gegenüber bedient! Alle Brücken scheinen abge brochen und England darauf gefaßt, in den Entscheidungs kampf mit Rußland um die Herrschaft im fernen Osten einzutreten. Der Becher war schon lange voll, nun hat ihn der russisch.japanische Koreavertrag, der England wieder einmal vor' die Thür seyt, zum Ueberlaufen gebracht. Aber Chamberlain sagt eS selbst: ohne Bundesgenossen ist keine Abrechnung mit Ruß land denkbar. Nun sollte man aus der provocanten Sprache de« Ministers schließen, England habe bereit« einen solchen gefunden, und zwar in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir glauben aber noch nicht daran. Die Stimmung in der Neuen Welt ist den Engländern durchaus nicht günstig und neulich schon ist ihnen von Washington zu verstehen gegeben worden, daß man mit seinen Gegnern allein fertig zu werden gedenke. So bleibt vorläufig al« Erfolg der englische« Mioisterrede nur die Reizung Rußlands übrig, da« nicht ver fehle» wird, au- derselben seuu Schlüsse zu ziehen. Trutsch«» Rei«. H Lübeln, 14. Mai. Eine au» 12. d. M. hier zu- sammengetretene Versammlung oationalliberaler Ver- trauenSmänner de« 10. ReichStagSwahlkreise« beschloß nach nochmaliger gründlicher Prüfung der Sachlage einstimmig, Herrn vr. Lehr-Berlin als Candidaten auszustellen. Die Aufstellung erfolgte nach wiederholter Aussprache mit den führenden Herren der konservativen Partei und des Bunde« der Laudwirtbe im Wahlkreise unter dem Ge sichtspunkte, daß, wie die Dinge im Wahlkreise sich nun ein mal entwickelt haben, der Sieg des Socialdrmokraten schon im ersten Wahlgange nur durch Sammlung aller gemäßigt liberalen Stimmen auf «ine eigene Candidatur zu verhüten und der Socialdemokrat dann in der Stichwahl mit vereinten Kräften zn schlagen ist. Herr vr. Lehr hat die ihm an geboten« Candidatur angenommen. . 4 Berit«, 13. Mai. Die Meldung eine« englischen Blatte«, England habe den Ort Salaga im Hinterlande von Togo Deutschland überlassen, erscheint als ein Schach zug, drr darauf berechnet ist, berechtigten weitergehenden Ansprüchen Deutschlands in jenem Tbeile Westafrikas vorzu beugen. Wer indeß die vom Hauptmann von Francois schon 1888 begründeten und von vr. Gruner auf seinen wieder holten Reisen von der Togoküste zum Niger vor einigen Jahren vervollständigten wohlerworbenen Rechte Deutschlands kennt, kann darüber nickt im Unklaren sein, daß Vie An gliederung SalagaS an da» deutsche Togogebiet nur eine Frage drr Zeit ist und nur dann ihren vollen Werth erhält, wenn die ganze Landschaft Dagomda bi« nach Jenbi herauf dem deutschen Schutzgebiet zugrschlagen wird. Erst damit würde eine einigermaßen au-rrichendr Compensatio» für einen Verzicht Deutschland- aus seine auf vollgiltige Verträge ge stützten Ansprüche auf die nördlicher gelegenen Gebiete ge schaffen sein, eine Compensatio«, deren Ausgestaltung über dies durch die Erwerbung de« linken Volta-UserS im Unter laufe de« Flusses nach wie vor anzustreden wäre. Die Uber kurz oder lang zum AuStrag zu bringende Frage der Fest legung der Westgrenze von Togo wird diese Frage hoffentlich iu einer für Deutschland günstigen Gestalt zur Entscheidung bringen. * Berlin, 13. Mai. Im preußischen Abgeordnetenhause bat der Abg. Gras Kanitz, unterstützt von der eonservativen Fraktion, folgende Interpellation eingebracht: Der gegenwärtige höhere Preisstand de« Getreide findel in dem thatsächllchrn Derhältniß von Vorrath und Bedarf keine Erklärung, sondern eS ist derselbe auf spekulative Unter nehmungen an ausländischen Börsen zurückzusühren. Tapitaikrästigr Sprculanten haben sich durch umsangreiche Terminkäufe die Ver fügung über einen beträchtlichen Theil der Getreidebeständr ge sichert, und die Beunruhigung deS Weltmarktes durch den spanisch, nordamerikanischen Krieg wird von ihnen auSgenutzt, um den Prei- der zurückgehaiienen Waare in die Höhe zu treiben. ES sieht zu erwarten, daß bei künftigen kriegerischen Verwickelungen derariige Preistreibereien sich — und zwar in vermuihiich viel größerem Umsange wiederholen ivrrden. Im Fallt eine- europäischen Kriege« wird die Regierung jede- kriegführenden oder von Krieg bedrohten Londe- eS als eine ibrer vornehmsten Aufgaben betrachten müssen, nicht bios die Verpflegung der Armee, sondern auch die Volk», ernährung sicher zu stellen und möglichst viel Gcireide — sei es zu noch so hohen Pressen — vom Au-Iande herbeizuschaffen Dann werden die Specuianten wiederum die Gcireidevorräihe vorweg in Beichlag nehmen und nur zu Preisen abgeben, welche den blutigen PttiSsiand noch delrächilich, vielleicht um ein Mehrfache« übersteigen. Diese Preis treiberei muß dann aber um so bedenklichere Folgen haben, als die Lohn- und Erwerb-Verhältnisse in Äriegszeiten naturgemäß eine rückläufig« Bewegung aunehmen. Wenn e« in einem künftigen Kriege schon an und für sich eine schwierige Aufgabe der deutschen Regierung fein wird, die Zusuhrweae für da« vom AuSiande zu beziehende Getreide offen zu halten, so muß in der vorau-sichtlichen Steigerung der Getreidepreif« eine fast noch ernstere Gefahr erblickt werden. Nur eine vorherige Ansammlung von Geireidevorräihen in FriedenSzeiien erjcheint geeignet, Gefahr abzuwenden. Die Unter zeichneten erlauben sich de-halb, an die königliche SiaaiSregierung die Frag« zu richten: „Beabsichtigt die königliche StaalSregierung, im Bunde-rath den Erlaß von gesetzlichen Maßregeln zu beantragen, weiche geeignet sind, im Falle eine- künftige- Krieges 1) di» Ge irrt deversorgung Deutschland» sicher zu stellen, 2) einer übermäßigen Beriheuerung des Getreide« vorzubrugen? Die Jmerpellenten scheinen allen Ernste« zu meinen, die Antwort ^u erhalten, daß dir preußische StaatSregierung ent schlossen sei, im BundeSrathe die Durchsührung des Antrag« Kanitz zu beantragen. Neben dieser Interpellation wird noch eine zweite Über denselben Gegenstand vorbereitet. Beide Interpellationen sollen am Montag auf die Tagesordnung gesetzt werden. — Der s. Z. gemeldete, von dem „Verl. Tagebl." natür lich zur Sensation aufgebauschte Unfall des kaiserlichen Sonderzuge« auf der Fahrt nach dem Reichslande erfährt jetzt durch die königliche Eiseudahavirectioa in Halle folgende amtliche Darstellung: „Der Sonderzug des Kaiser» hat am 7. d. M. etwa 1,5 km vom Bahnhof Hettstedt entsernt kurze Zeit hallen müssen, weil wegen dec infolge RegenwrtterS entstandenen Schlüpfrigkeit der Schienen eine Bor- spannmaschinr von Hettstedt abgewartet werden mußte. Von einem Teseclwerden der Zugiocomotive (wovon in eiutgea Blättern ge sprochen wurde. Red.) kann hiernach nicht di« Rede sein. Ebenso wenig hat der Kaiser den Zug verlassen oder sich in der Nachtruhe stören lassen. Di« angeblich« Aeußerung de« Monarch«, (her Kaiser sollt« sein Befremden darüber geäußert haben, daß de« Zu» nur mit einer Locomotive versehe» sei. Red.) ist demnach nicht a^cheh«,. Dem Zuge von vornherein ein« Vorspaanmaschiae zu -eben, war sachlich keiaeSweg« gebot«».* — Da« „Militair-Wochenblatt* bespricht heute die Reform der Militair-Strafstericht-orvuuug und kommt dabei zu folgendem Erarbuißr „Alle« in Allem halten wir Leu Eatwnrf für et« alückltche Vereinigung der in dem bürgerlichen Strafverfahren atlgr- mein anerkannten zeitgemäßen RechiSgrundsätz» und der bewährt«, Einrichtungen de« altpreußt scheu MiitairstrafnerfnbrrU«. Wir halten ihn aber auch für durchs»« geeignet, den im Interesse der militairifchen Di«cipltn an di« «Ilitatrischen Strafrecht«, pflegen unabweisbar zu stellenden Anforderungen zu genüg»». Gr bildet etnen Ausgleich mit dem bürgerlichen Etrafvrrsahren. Er sichert die RechtSeinheit innerhalb de« deutsch«» Herr««. Gr bietet volle Gewähr gegen Gefährdung der mtlitalrischen Di«ciplin nnd gestattet, daß bei dem raschen mündlichen Verfahren die Strafe der That alsbald auf dem Fuße folgt. Dir Arme« wird sich mit dem neuen Militatr-Strafverfahren rasch befreunde» nnd di« vortheil«, welcke r« für die Wahrung uud Förderung der DtScipttn btetet, dankbar anerkennen." — Bei der Conserenz, di« am 11. Mai i« Reich«- GesundbeitSamt« stattfand, hat «S sich um eine zwanglose Besprechung über die Steuerfreiheit b«zw. Besteuerung de« zu Heilzwecken bestimmten Branntwein« gehandelt. Zur Zeit ist die Materie so geregelt, vaß «iu Bereeichniß derjenigen Zubereitungen aufgestellt ist, zu deren Herstellung undenaturirter Branntwein st«u»rfr«i nicht verwnidet «erde» darf. ES wird den „B. P. N." zufolge im Interesse der betbeiiigten VrrkehrSkreis« beabsichtigt, statt dessen «i» neues Verzeickniß zu entwerfen, in welchem diejenigen Zubereitungen vermerkt sind, zu deren Herstellung undenaturirter Brannt wein verwendet werden darf. Auch di« Fragt der voll ständigen Aushebung der Steuerfreiheit des zu Heilzwecken verbrauchten Branntwein« wurde in der Coufereaz gestreift. — Der „Verkehr«ztg." zufolge ist anzunehmen, daß dem im Herbst zusaminentrrtenden neuen Reichstag «in Gesetz entwurf mit ähnlichem Inhalt wie dir nicht erledigt« Post- Novelle zur Beschlußfassung vorgelegt werde» wird. In dem neuen Entwurf werde auch eine Entschädig«»« der Privatposten vorgesehen sein. Um in dieser Veziehuag geeignete Unterlagen zu gewinnt», hätten Besprechungen mit verschiedenen Privatgesellschaften staltgrfundea. — Vom Präsidium de« Bunde« der Industriellen ist der Handelsminister Brefelb und der Staatssecretair de« ReichS- amleS des Innern Graf PosadowSky gebeten worden, eia Deutsche« Handels museum in Berlin zu gründen, um dadurch den deutschen Ausfuhrhandel nack jeder Richtung hin zu fördern und zu unterstützen. Nach dem gefaßten Plane soll das Museum Erzeugnisse der auSlandischen Staaten und Erzeugnisse deutscher Kunst und deutschen Fleiße«, die bereit- in alle Welt au-geführt worden, «rhalteu. — Die diesjährige Hauptversammlung de« Provinzial verein« der Gustav-Adolf-Stiftung wird am 28. und 29. Juni in ArnSwalde stattfindea; für die General versammlung in Ulin sind di« Tage vom 12. bi- Itz. Sep tember festgesetzt. * Weimar, 13. Mai. E« steht, wie drr „Schwäbische Merkur" erfährt, nun fest, daß sich der Großherzog Ende August nach Holland zur KrönungSfeier begeben wird. — Zum Besuche de« Großherzog« im Batican wird der „Post" geschrieben: Der Papst sprach in warmen Worten den Dank dafür aus, daß die Katholiken deS Großherzog- thumS sich stei» der größten Fürsorge uud vor Allem auch der vollsten Gleichberechtigung mit den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften zu erfreuen hätten, so daß der con- fessionelle Friede niemals die geringste Trübung erfahren habe. Diese Thatsache sei in den Berichten aller vier letzten Fuldaer Bischöfe au den hl. Stuhl besonders hcrvvrgehoben worden. Sodann gedachte der Papst der Heimgegangenen Frau Großherzogin, di« alle« ihren Unter- thanen, und nicht zum Mindesten den ärmere» katholische» Bewohnern der weimarischen Rhöndistricte, ihre werklhätige Liebe zugewendet und so vorbildlich praktisches Christenthilm geübt habe. Der Großherzog dankte für diese anerkennenden Worte uud hob hervor, daß es zu seiner uud feine« Hause ersten Aufgaben gehöre und stet« gehören werde, de» co»- fejsionellen Frieden zu pflegen und auf das Wohl aller Staats bürger gleichmäßig bedacht zu fein. Seine Regierung werde auch fernerhin allen Bedürfnissen der katholischen Kirche innerhalb deS Staate« Rechnung tragen, womit sie sich ein wisse mit der Volksvertretung. * Mrintngen, 13. Mai. Ueber die Grfährduug de« Herzog« von Sachsen-Meiuiage» und seiner Ge mahlin während der Unruhen in Oberitalien berichtet der „Bern. Bund" au« Lugano, 10. Mai, Folgende«: Soeben kommen hier mehrere Wagen mit Flüchtigen au« Lui»o an, darunter der Herzog von Sachsen-Meiningen vebst Gemahiin. Da» Paar, da» unter dem Namen Gros und Gräfin Von Rauen stein incogntio reist, machte auf dem Lago Maggiore «ine tzpazier- sahri, sieg hierauf in Lutno au«, wo r» auf dem Sartbaldiolotz mitten in da« Feuer der Au-ständigen und der Zollbeamten geriech, die auf dl« Menge Schüsse obgabeo. Da« fürstliche Paar nahm hieraus im Hotel „Terminus" einen wagen und jagt« im volle» Galopp nach Lugano, wo es im Hotel „du Parc" Quartier nahm. Die Begleitung de« herzoglichen PaareS berichtet, davon Zeug« ge wesen zu feto, wie etwa zehn der Aufständischen mtter den Gewehr salven gefallen sind. * Offenbach a. M, 13. Mai. Die landwirthschaft- lichea Geuosseuschaften habe» für ihre 3000 Beamte» sich die kleine, süß« Margot unter seinen Augen zur herrlichen Jungfrau entfaltet. So naturgemäß diese Wandlung war, gab doch da- plötzliche Erwachen ihre« Urtheil« in Herzensangelegenheiten zu denken. Sollt« Margot doch gegen Herbert'« Aufmerksamkeiten nicht unempfindlich geblieben, vielleicht heimlich sogar schon mit ihm einverstanden sein? Er konnte diesem unschuld-vollen Wesen «ine derartige Ver stellung nicht zutrauen und war überzeugt, daß die plötzliche Abberufung deS Grafen die Gefahr, in welcher da8 unerfahrene Mädchen allerdings täglich schwebte, durch eine geschickte Wer« lmng desselben gefangen zu werden, für diesmal noch glücklich beseitigt war. Aber wer sollte sonst die ersten zarten Regungen ihre« jungfräulichen Herzen« erweckt haben? SS ümrlief ihn siedend heiß bei dem Gedanken, daß vielleicht da- Vertrauens-Derhältniß zu ihm Margot's Herz erwärmt und gewonnen habe. Noch wagte er nicht, daran zu glauben, aber er faßte in diesem Augenblick den festen Entschluß, ihr Herz zu prüfen und um ihre Liebe zu werben. War seine treue, fast brüderliche Zuneigung zu Margot durch den unendlichen Liebreiz ihrer Erscheinung und ihres Wesens schon in zärtliche Liebe umgewandelt worden, so hatte die Eifer sucht auf den gefürchteten und diese- Mädchen« nach seiner Ueber zeugung nicht würdigen Nebenbuhler seine Liebe bi» zur Leiden schaft gesteigert. — Und nun verlangte da» Herz srin Recht, mochte die Welt darüber denken, wa» sie wollte. Freilich durste er nicht stürmisch zu Werke gehen, durfte da geliebte Mädchen nicht erschrecken. Er mußte geduldig abwarten, bi« sich dir Knospe ihrer Lirb« zur vollrn Bliiihe entfallet haben würde. Der Monat Rcoeinber war rauh und fnirmiiq. Aus grauen, tiefhängenden Wolkenfetzrn strömte unendlicher Regen und machte Wege und Stege grundlos. Der Hrrbfiwind sang sein tosende- Lied, rast« um die Schloßmaurrn und rüttelte die letzten dürren Blätter don den Bäumen. Für die Comieß verflossen die Aage eintönig und ruhig. Meist beschäftigte sie sich mit ihren Büchern und der Musik, oder sie weilte in den Zimmern der lieben Mutter, die ihr immer wieder neue Anregung boten. Tuch hatte sie jetzt viel mit kleinen -—krßeid» «r k e» itze LewqÄHM »«. ßi« linder mit selbstgestrickten Strümpfen und Jacken zu Weihnachten zu beschenken. Täglich wartete sie auf eine Antwort au» Paris von Herrn von Vermont. Wochen waren bereit« vergangen, seit sie an ihn geschrieben. Endlich brachte ihr die Post den ersehnten Brief, als sie eines Morgens mit Joachim am Kaffeetisch saß. Herr von Vermont entschuldigte sein lange- Schweigen mit einer längeren Abwesen heit von Paris. In Bezug auf Marie Louise könne er zu seinem größten Bedauern keine Auskunft geben. Er selbst habe seinen Vetter, den damaligen GcsandtschaftS-Attachü, nicht pec- sönlich gekannt und nur von seinem verstorbenen Vater gehört, daß er verschollen sei. Er habe nun, um der Comteffe zu dienen, Nachforschungen nack jenem alten Herrn, der di« klein« Marie Louise adoptirte, angestellt, aber da man doch seinen Namen nicht kannte und er auch gewiß nicht mehr am Leben sei, habe er in dem großen Pari» nicht» ermitteln können. Margot faltete den Brief zusammen und sah traurig vor sich hin: „Es ist wieder nichts, Achim, er weiß nichts von Marie Louise, und damit ist die letzte Hoffnung, sie aufzufinden, ge schwunden!" „Das ist recht traurig", entgegnete Joachim mitleidig, „ich wüßte wirklich nicht, welche Schritte man noch zu ihrer Ermitte lung thun könnte. Darf ich den Brief lesen? " „Gewiß, Achim!" und sie reichte ihn hinüber. Als der Baron nach aufmerksamem Durchlesea des Briefes aufsah, begegnete er den thränengefüllten Augen de» geliebten Mädchens. Es war ihm unerträglich, Margot so traurig zu sehen, er mußte Alle» aufbieten, sie wieder heiter und fröhlich zu stimmen. „Weine nicht, liebe» Kindl" sagte er und legte sankt seine Hand auf ihren Arm, „wenn uns auch jetzt jeder Weg, die Cousine zu finden, abgeschnitten scheint, so laß un« hoffen, daß der liebe Gott Mittel und Wege finden wird, sie doch noch einmal in Deine Arme zu führen! Sei nicht mehr traurig, Margot, Du besitzest ja so viel Gottvertrauen, wirf auch diesmal Deine Gorgen aus ihn, er wird'» wohl machen." Margot sah mit thränenschimmernden Augen zu ihm aus. Die gut er war, und wie liebreich und fromm er trösten konnte! Sie wollte ih» nicht durch ihre Niedergeschlagenheit betrüben. Schnell trocknete sie die Ur«e» md bemühte ßch, zu lächeln. „So ist'« recht", lobte er gerührt, „ich wußte ja, daß Du meine kleine, muihiae Margot bist! Und nun leb wohl, mein Kind, ich muß hinaus!" „O, Achim, bei dem schrecklichen Wetter!" rief sie besorgt, „es wäre mir viel lieber, wenn Du drinnen bliebst, Du wirst Dich erkälten bei dem Sturm!" „Aengstiast Du Dich um mich, Margot?" Er bückte sich tief hinab, um iyr in die Augen zu sehen. „Ja — ja, das heißt, ich meine, es wäre mir doch nicht lieb, wenn Dir etwa» zustöße!" entgegnet« sie verwirrt mit heißem Erröthen. „Keine Sorge!" lachte der Baron, ihr über ihre Befangenheit hinweg helfend, „ich bin eS ja gewöhnt, in Sturm und Wetter draußen zu sein." Er grüßte herzlich und verließ das Zimmer. Der Winter hatte sein strenges Regiment begonnen und war mit EiS und Schnee eingezogen. Die Wellen des kleinen Flusses im Thal sträubten sich vergebens gegen di« starren Fesseln, die ihnen der unerbittliche Herr auferlegte. Die Natur schlummerte unter dem weißen Leichentuch dem Frühling entgegen. Es war am Nachmittag de» heiligen Christtagrs. Margot war auf dem Weg« zum Forsthausr, um ihrer Freundin Gertrud eine Weibnachtsgabe zu bringen. Entzückt ruhte ihr Auge auf der herrlichen Umgebung. Der Wald glich einem Feenreich! Jeder Daum, jeder Zweig war mit dichten, glitzernden Elt« krystallen bedeckt. Kein Lüftchen zerstörte die weiße Winterpracht. Margot hatte di« breite Fahrstraße verlassen und befand sich, den Weg zu kürzen, auf einem schmalen Fußpfad. Plötzlich ge- wahrte sie an einer Biegung desselben ein herrenloses Pferd, in welchem sie sogleich de» Barons Asra erkannte, mit dem Trensen zügel an den einen Forstgarten schützenden Wildzaun feftgebun- drn, in dem sich nur eine Pforte für Fußgänger befand. Margot trat näher, streichelt« dem prächtigen Rappen den Hal» und fragte erstaunt: „wo hast Du denn Deinen Henn gelassen? Er ist weit und breit nicht zu sehen!" Da« stolze Thier hob den Kopf, sah sie mit seine» dunklen Augen verstandnißvoll an und stellte die Ohren auf. „Ich will ihn Dir wieder suchen!" vertröstete die Comteß und verfolate den Fußpfad, welcher die dichte Schonung durchquerte. Plötzlich tönte ein Schuß. Sin dumpfer Schrei «achte ihr Blut räirrm». beflügelte aber ihre Schritte. Mit weniM - Sprüngen erreichte Margot das Freie und sah sich dem Baron Joachim gegenüber, der an dem den Forstgarten abschließenden Wildzaun lehnte und in den nahen Hochwald hineinspähte. Seine linke Wange und seine Halswäsche waren von Blut überströmt. Dieser Anblick beraubte Margot aller Fassung, mit dem verzweiflungsvollen Ruf: „O, mein Gott, Du bist verwundet!" warf sie sich an seine Brust, umschlang mit dem linken Arm seinen Hals und begann unter strömenden Thränen mit ihrem Taschen tuch« da» Blut von seinem Gesicht zu entfernen. Joachim sah seiner Cousine mit einem leuchtenden Blick in die Augen. Die Angst um ihn hatte ihr unwillkürlich ein Ge- ständniß entlockt, das ihn unendlich beseligte. Glückstrahlend zog er sie an sich und drückte de» ersten Liebeskuß auf ihre Lippen. „Du liebst mich, meine Margot! Welch süße» Älückswort! Es macht mich zum seligsten Mann auf der Erve!" Immer wieder drückte er die gewonnene Braut an sich, die, von seinem LiebeSungestüm verwirrt und von dem neuen Glücks- gefühl überwältigt, momentan die Angst um den Geliebten ver gessen hatte. Erst al» sie die gesenkten Augen wieder hob, glitt neuer Schreck durch ihre Glieder. „O Gott, das Blut, das Blut!" rief sie entsetzt, „es quillt immer wieder von Neuem!" „Es ist nicht schlimm, mein Lieb, ängstige Dich nicht, nm ein unbedeutender Streifschuß an der Wange. Es thut auch gar nicht weh, ganz gewiß nicht!" beruhigte er, „und Deinen kleine«, ge schickten Händen wird es bald gelingen, da» Blut zu stillen." Sr nahm auf einem Baumstumpf Platz, und Margot be mühte sich, die Wunde vermittelst zweier Aaschentücher zu ver binden. Bald war der blutstillend« verband fertig, und Joachim erhob sich, um von Neuem die Braut iu die Arme zu schließen. „Sei mein für alle Zeit, wie ich Dir gehör« mit jedem Äthern- zua, mit jedem H chlag«. In dieser Stund« erfahre, daß ich Dich liebe, daß mein Herz mit verzehrender Sehnsucht Dir seit Jahren entgegenschlägt.' «orffetzun.