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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980514026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898051402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898051402
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-05
- Tag 1898-05-14
-
Monat
1898-05
-
Jahr
1898
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Ein Theil desselben scheint den Curs westlich über Martinique auf Cuba zu genommen zu haben. Damit fallen alle jene sensationellen, von uns sofort stark angezweifelten Nachrichten von der Rückkehr der Flotte Cervera's nach Cadiz oder den canarischen Inseln inS Reich der Fabel, mag nun die Quelle, auS der sie stammen, sein, welche sie wolle. Offenbar liegt eine Mystification vor. Wir hatten ja von Anfang an ein: sehr geringe Meinung von der KriegSfähigkeit der Spanier und haben auch nach dem Schlag von Cavite, der jene so gut wie unvorbereitet traf, mit unserer Kritik nicht zurückgehalten, LaS aber erschien uns doch unmöglich, daß ein Geschwaderchef, ter mit der Ordre, den Amerikanern in Westindien eine Seeschlacht zu liefern, bereits zwei Drittel des Weges über den Ocean znrückgelegt hat, plötzlich zu der Ueberzeugung kommt, er sei zu schwach, um dem Gegner sich stellen zu können, Cuba und Puerto Rico im Stich läßt und einfach Kehrt macht, um in den Schutz tes heimathlichcn Hafens zurückzukehren. Nur der Ver lust seines ganzen Kohlenvorratbs oder schwere Havarie der ganzen Flotte hätte Cervera zur Rück kehr bewogen haben könne», doch war dies unwahrscheinlich; jedenfalls wäre cS kein Anlaß gewesen, das Füllhorn aller Verachtung über die Spanier auszugießen, wie es in einem Theil der Presse geschehen ist. Admiral Cervera wird sich dem Feind in Westindien stellen, ihn zu einer offenen Seeschlacht herausfordern und die Waffenehre Spaniens zu retten, wenn möglich eine Ent scheidung hcrbeizusühren suchen. Im Hafen von Cadiz liegt allerdings, wie wir schon er wähnten, auch ein spanisches Geschwader, aber es lst nicht das Cervera'S, sondern das Reservegeschwaoer, bestehend aus dem Schlachtschiff „Pelayo", den armirten Kreuzern „Empe- rador Carlos V." und „Alfonso Xlll", den Hilfskreuzern „Rapido" und „Patria" und drei Torpedobooten. Wie verlautet, ist in Cadiz eine starke militairische Expedition in der Bildung begriffen, welche unter EScorte des in Cadiz liegenden Geschwaders in Kurzem nach den Philippinen ab gehen soll. In Amerika hat die Nachricht von der Ankunft der spanischen Schiffe wie eine Bombe gewirkt. Amerikanische Quellen selbst sprechen von „großer Aufregung" die sie ver ursacht hat. Aus Washington wird uns heute telegraphirt, der Be fehl, daß die Freiwilligen zu Schiff die Reise nachTampa antrcten sollen, sei aus Besorgniß vor dem spanischen Geschwader widerrufen worden. Auch scheint sich die Nachricht zu be stätigen, daß auf der Höhe von 'Neu-England spanische Schiffe bemerkt worden sind, denn mau setzt eiligst New Aork in BcrtheidigungSzustand. Demnach ist die spanische Flotte an scheinend so stark, daß sie cs wagen konnte, sich zu theilen. Man darf nun auf die Operationen der Amerikaner gespannt sein. DaS fliegende Geschwader unter Commodore Schley ist sofort nach Ankunft der Spanier in See gegangen, um die Flotte Sampson'S zu verstärken. Ob Vieser aber, wie der Correspondent des „Journal" in St. Thomas nach New )))ork meldet, die Bucht von San Inan mit der Absicht verlassen hat, die spanische Flotte sofort aufzusuchen, muß noch dahingestellt bleiben. In Washington zeigt man sich ebenfalls sehr erregt über die Ankunft Cervera's. Man meldet uns: * Washington, 14. Mai. (Telegramm.) Wie hierher berichtet wird, wurde das spanische Geschwader zuerst am Morgen des 10. d. M. an der Nordküste von Martinique bemerkt. Noch gestern früh habe man es an der Westküste dieser Insel gesehen. Man glaubt, das Geschwader nehme dort Kohlen ein, die Regierung ist jedoch überzeugt, daß es dem spanischen Admiral nicht gestattet werden dürfte, sich mit Kohlen zu versehen, auch selbst nur mit soviel, als er brauche, um den nächsten spanischen Hasen zu erreichen. Denn dieser Vorzug dürfte unter den gegenwärtigen Umständen nicht zugestanden werden, da das Geschwader zur Zeit in feindselige Operationen verwickelt sei. Wenn die französische Regierung dem spanischen Geschwader gestattet haben sollte, sich auf Martinique mit Kohlen zu versehen, so würde die Regierung der Bereinigten Staaten dies als einen wenig freundschaftlichen Act ansehen, für den Frankreich verantwortlich gehalten werden würde. Noch ist es ja garnicht gewiß, daß die Spanier auf Martinique Kohlen eingenommen haben. Wenn man sich trotzdem in Washington so sehr ereifert und in eine blinde Wuth gegen Frankreich, gegen das man schon ausholt, hinein redet, so verrath man nur, wie sehr man über die spanischen Torpedobootzerstörer in Schreck gerathen ist. Wir vermuthen übrigens, daß hinter der Hetze gegen Frankreich nicht mehr die Torpedofurcht der Amerikaner, sondern England steht; denn von einem englischen Blatt, von dem der Londoner Regierung nahestehenden „Standard", war die Beschuldigung in die Welt gesetzt worden, der fran zösische Dampfer „Lafayette" habe in Havannah fran zösische Artillerie-Officiere und Artilleristen gelanget. Der „Standard" scheint aber mit diesem Liebesdienst sich den Dank der Washingtoner Regierung nicht verdient zu haben, denn man meldet unö: * Washington, 13. Mai. Das Staatsdepartement dementirt formell die Nachricht, Laß der französische Dampfer „Lafayette" in Havannah Artilleristen und Kriegsmunition gelandet habe. Was nun die Beschießung von San Juan, der Hauptstadt der spanischen Insel Puerto Rico betrifft, so ist der Erfolg derselben nicht ein derart vernichtender gewesen, als man Anfangs, da nur Nachrichten aus amerikanischer Quelle vorlagen, annehmen mußte. Spanisch-officiös wird folgendes gemeldet: " Madrid, 13. Mai. Eine amtliche Drahtmeldung des General gouverneurs von Pnerto-Rico meldet über die Beschießung San Juans: „Nach 4 Uhr morgens zog das feindliche Geschwader sich zurück. Drei Stunden hindurch hatte dasselbe ein lebhaftes Gefchützfeuer unterhalten, das von den hiesigen Batterien kräftig erwidert wurde. Den feindlichen Schiffen wurden ziemlich schwere Havarien zugefügt, namentlich einem großen Schiffe, das sich in Schlepptau nehmen ließ. Unsere Batterien und militairischen Gebäude erlitten sehr leichte Beschädigungen. Einige Civilpersonen wurden verwundet; zwei Soldaten sind todt, drei sind verwundet. In der Stadt herrscht große Begeisterung. Ich bin sehr zufrieden mit der Haltung Aller." * Madrid, 13. Mai. Wie die „Agenzia Fabra" meldet, bc- stätige es sich, daß trotz de-Z Bombardements von 11 Schiffen auf San Juan derAngrisf, namentlich von den spanischen Batterien, glänzend zurnckgewiesen sei. Die Nachricht habe hier große Begeisterung hervorgerufen. Das ist, wie gesagt, die spanische Darstellung, aber auch in der im Morgenblatl mitgetheilten Depesche Admiral Sampson'S ist keine Rede davon, daß San Juan in Trümmer geschossen und die Einwohnerschaft geflohen sei. Er meldet bloS von „vielem Schaden", den das Bombardement an gerichtet habe. Hierzu nehme man noch folgende ameri kanische Nachricht: * Key West, 13. Mai. Den hier eingegangenen Nachrichten zufolge sind die in den Forts von San Juan verursachten Schäden weniger bedeutend, als man annahm, da die spanischen Batterien noch feuerten, als das amerikanische Ge- schwader abging. Die „Iowa" und die „NewPark" wurden mehrere Mal getroffen, erlitten jedoch keine ernste Beschädigung. Das klingt doch ganz anders als der erste Allarmbericht. Jedenfalls ist das amerikanische Geschwader unver richteter Sache abgezogen und San Juan istsammt Puerto Rico noch im Besitz der Spanier; kann also ihrer Flotte nach wie vor als Stützpuncl dienen. Mit Recht ist man in Spanien über die barbarische Art der amerikanischen Kriegführung, die sich über alle Gebote des Völkerrechts hinwegsetzl, empört. Man meldet uns: * Madrid, 14. Mai. Im Senate wandte sich gestern Marquis Romero gegen die Amerikaner, die er als Wilde bezeichnete, da sie Puerto Rico ohne vorherige Anzeige beschossen hätten, was eine Verletzung des Völkerrechts darstelle. Dec Präsident des Senats zollte hierauf in einer längeren Ansprache den Bewohnern Puerto Ricos, die sich dem spanischen Vaterlandc treu gezeigt hätten, lebhafte An- erkennung. — In derDep utirte nkammer prote flirte Molinas gegen die ohne vorhergegangene Anzeige erfolgte Beschießung San Juans. Der Kriegsminister führte aus, das Vorgehen der Amerikaner sei nur dem von Vandalen vergleichbar, die Regierung werde den Machten davon Kenntniß geben. Der Armee auf Puerto Rico, die entschlossen sei, den vaterländischen Boden bis zum Aeußersten zu vertheidigen, werde der Dank der Regierung ausgedrückt werden. Die Spanier haben sich bis jetzt, wenn auch wenig geschickt, so doch stets vollkommen correct gezeigt, ein Umstand, der geeignet ist, die in der letzten Zeit etwas erkalteten Sympathien der europäischen Mächte (mit Ausnahme natürlich Englands) ihnen wieder ganz zuzuwenden, wenn es auch scheint, daß der Erfolg nicht auf ihrer Seite sein werde. lieber die Landungsversuche der Amerikaner auf Cuba widersprechen sich die Nachrichten je nach der Quelle, auS der sie fließen. Bei Cardenas scheint es den amerika nischen Schiffen gelungen zu sein, eine Anzahl Marinetruppen zu landen, aber dieser versprengte Posten dürfte verloren sein, wenn es nicht gelingt, ihm Verstärkung zuzuführen. So haben sich denn auch, wie uns aus Madrid gemeldet wird, von Neuem amerikanische Schiffe vor Cardenas gezeigt. Die Garnison ist verstärkt worden. Bei CabanaS, westlich von Havannah, wollten die Amerikaner sich gleichfalls mit einem ExpeditionScorps festgesetzt haben, das das Trans portschiff „Gussie" (nicht „Gerfic", wie gemeldet) an Bord hatte, allein heute versenden sie selber folgende Nachricht: * Key West, 13. Mai. Als die „Gussie" in Havannah (Cabauas?) eintraf, fand sie nicht die erwarteten Insur genten, sondern Spanier vor, die auf die Amerikaner schossen. Letztere landeten, mußten sich aber wieder zurückziehen. Der Zweck der Operation, die Verbindung mit den Insurgenten herzustellen, ist nicht erreicht. Tie „Gussie" kreuzt in Sicht der Küste, sie sucht Gelegenheit, Len Landungsverjuch zu wieder- holen. Die Amerikaner hatten zwei Todle und sieben Verwundete. Wie weiter aus Havannah berichtet wird, beschossen die Amerikaner am Donnerstag Bahia Honda, westlich von CabanaS, die spanischen Truppen trieben jedoch die An greifer zurück. Drei amerikanische Schiffe machten am gleichen Tage bei Jicotea einen Landungsversuch, wurden jedoch vollständig zurückgeworsen. Aus Hongkong wird telegraphirt: Manila denkt nickt an die Uebergabe. Die Garnison beträgt 25 000 Mann. Cs herrscht eine große Erbitterung gegen die Engländer da der Verdacht vorliegt, der englische Dampfer „Esmeralda" habe das amerikanische Geschwader gelotst. Vor Manila liegen zwei deutsche, zwei englische, ein französisches und ein japanisches Kriegsschiff. Die Aufständischen marodiren in den Dörfern. In Ergänzung unserer Mittbeilung über die Entsendung weiterer Kriegsschiffe unseres Kreuzergeschwaders nach Manila ist nach den „Berl. N. N." noch zu berichten, daß ter Panzerkreuzer „Kaiser" und der Kreuzer zweiter Clcffsc „Prinzeß Wilhelm" infolge von InstandsetzungSarbeilcn noch zwei bis drei Wochen im Dock von Nagasaki zunächst aufgehalten werden. Von der politischen Situation während der nächsten Wochen auf den Philippinen wird eS alsdann abhängen, ob es dem Chef des Kreuzergeschwaders Viceadmiral von Diederichs an gezeigt erscheinen wird, mit diesen beiden Kreuzern nach den Philippinen zu gehen. Für die nächste Zeit ist niithin eine Verstärkung der deutschen vor Cavite zusammengezozen n Seestreitkräfte nicht zu erwarten, zumal die beiden Schiff: „Irene" und „Kormoran", die nun schon mehrere Tage im Hafenbecken von Cavite ankern, als ausreichend für den directen Schutz der Reichsangehörigen in Manila bezeichnet werden müssen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. Mai. Der Termin für die RcichstagSwahlen ist bekanntlich der 16. Juni, für die Stichwahlen der 24. Juni. Nach dem Wahlreglement ist die äußerste Grenze für den Stichwahl termin der vierzehnte Tag nach Feststellung des Ergebnisses der Hauptwahl; rem Ermessen des WahlcommissarS ist die Anberaumung veS StichwahltermineS überlassen. So fanden die Stichwahlen bisher an mehreren Tagen statt, vor fünf Jahren, wo die Reichstagswahlen auf den 15. Juin fielen, an vier Tagen, vom 22. bis 25. Juni. Diesmal sollen alle an ei nein Tage erledigt werden und zwar hat man von den früheren Stichwahlfristen den Durchschnitt genommen. Und darüber er eifert sich die „FreisinnigeZeitung"; hierdurch sei nur ein überaus knapper Zeitraum gelassen „für die Beschlußfassung über die Stellungnahme der bei der Stichwahl ausfallenden Parteien". Wir erinnern uns auS der letzten Zeit nur eines zweiten Falles, wo dasselbe Organ über eine sehr verständige Maßnahme der Regierung in gleich nichtiger Weise ergrimmte. DaS war im Herbst des verflossenen Jahres, als am Sonnabend spät Abends der „Reichs-Anzeiger" in einer Sonder ausgabe den Wortlaut der Marinevorlage mittheilte und dadurch die gesammte freisinnige, demokratische und von ihr abhängige klerikale Presse im Lande mit einem Mal in die Zwangslage versetzte, unabhängig von ihrem Berliner Souffleur eine eigene Meinung über eine Lebensfrage des Reiches und nationale Aufgabe ersten Ranges zu entwickeln. Obwohl das von Herrn Eugen Richter so oft gefordert: Vertrauen zu der Nrtheilsfähigkeit des deutschen Volkes einen prägnanteren Ausdruck gar nicht finden konnte, als dadurch, daß jene Vorlage unmittelbar, ohne vermittelnde Commentare der Nation vor Augen gerückt wurde, so konnte doch die „Freisinnige Ztg." der Regierung diesen Vertrauensbeweis monatelang nicht verzeihen. Aehnlich liegen die Verhältnisse im vorliegenden Falle. Die Parteizersplitterung hat seit den letzten Wahlen erheblich zugenommen und mit ihr ist die Hoffnung gewachsen, welche einerseits die unbedeutendsten, mit eigener Kraft nichts ausrichtenden und andererseits die zu jedem Kuhhandel bereiten Parteien auf die Stichwahlen setzen. Im Jahre 1893 waren nur in 217 Wahlkreisen endgiltige Entscheidungen gefallen; 180 Stichwahlen mußten FeniHetsn» Die Herrin von Echtersloh. ISs Roman von Toni Krüger. Nachdruck vttbote». Margot's Zartgefühl ließ zwar sicher hoffen, daß sie seiner erklärten Braut die Leidenschaft verbergen werde, die sein Herz früher bewegt hatte. Aber freilich durfte Margot nie erfahren, daß er Louison schon seit einem Jahre liebte, sie mußte in dem Glauben bleiben, daß er sich erst nach seiner Rückkehr von Echtersloh der Französin genähert habe. Deshalb auch mußte er Wochen vergehen lassen, ehe er Mittheilung nach Echtersloh von seiner Liebe machen durfte. Und dann wollte er nicht direct an die Mutter schreiben, sondern Margot reuevoll seine Herzenssache anvertrauen, an ihre Freundschaft um Vergebung und Fürsprache appelliren. Sie würde sicherlich seine Sache mit Eifer fördern. Dann konnte er auch wohl Margot um strenge Discretion des Geschehenen bitten. — Bon nun an sollte auch kein Schatten von Unwahrheit oder Untreue mehr zwischen ihn und Louison treten. Das gelobte er sich heilig: Er wollte gut sein und solide, wollte eisern fleißig arbeiten für sie, für sein Lieb! Diesen Abend ging er nicht, wie früher regelmäßig, ins Casino. Er verbrachte ihn einsam in seiner Wohnung, mit dienstlichen Arbeiten im Auftrage des Obersten eifrig beschäftigt, aber die Gedanken ließen sich nicht bannen und flogen immer wieder zu seiner eigenen mißlichen Lage zurück. Endlich warf er die Feder weit von sich und begab sich zu Bett. Das war eine unendlich qualvolle Nacht! Wie eine auf geregte Schaar von kleinen Teufeln, die ihm das Gehirn mit glühenden Zangen zwickten, tanzten die Gedanken in endloser Folge hinter seiner Stirn. Ruhelos warf er sich auf seinem Lager hin und her, und erst als der graue Tag ins Fenster blickte, schloß ihm ein kurzer, bleischwerer Schlaf die Augen. Als Herbert erwachte, stand Joseph vor ihm und musterte seinen Herrn mit breitem Lächeln. „Thut sich leid, Herr Graf zu wecken, is sich aber Brief abgegeben von Herrn Hirschfeld. Hat sich Bote sciniges gemacht serr eilig!" Sofort hatte Herbert alle Schlaftrunkenheit abgeschüttelt und nahm mit fliegender Hast den Brief an sich. Was er darin las, war wohl dazu geeignet, seine Züge auf zuhellen und seine Brust erleichtert aufathmen zu lassen. Joseph ließ seine Augen verwundert über das glückliche Ge sicht des Grafen gleiten, und als er die Thür geschloffen hatte, murmelte er: „Is sich gerade, als wenn Braut seinige ge schrieben hätte." Herbert's Lippen aber entfloh ein jauchzender Laut, und mit aufrichtiger Dankbarkeit gedachte er Hirschfeld's, der ihm seine Bereitwilligkeit zum Abschluß des gewünschten Geschäfts mittheilte. In größter Eile machte er Toilette, um noch vor dem Dienst die Ausführung des für seine Zukunft so wichtigen Vertrages zu verabreden. — IS. Capitel. Der Rittmeister von Halden hatte Echtersloh soeben verlassen. Margot saß an ihrem Schreibtische. Sie hatte sich schon Vor würfe gemacht, daß sie über ihre eigenen Angelegenheiten die arme Cousine Marie Louise einige Tage vergessen hatte. Mit Eifer hatte sie sich nun an den französischen Brief gemacht und bemühte sich, Herrn von Vermont in möglichst eindringlicher Weise für ihren Wunsch zu interessiren. Es wurde ein langes Schriftstück, in dem sie ihm alle Verhältnisse klar legte, an gefertigt, und die Dämmerung brach schon herein, als sie endlich mit einem Aufathmen die Feder aus der Hand legte. Sie stieg die Treppe hinab und gab Friedrich den Brief zur sofortigen Besorgung. Die Tante war seit Herbert's Abreise in sehr ungnädiger Stimmung, und die Comteß verspürte begreiflicherweise kein Verlangen, sich in ihre Gesellschaft zu begeben. Sie nahm den Schlüssel zu den Gemächern der Mutter, um dort eine Stunde der Erinnerung an die lieben Verstorbenen zu weihen. Im Boudoir der Mutter schmiegte sie sich behaglich in die Kiffen der Chaiselongue und überließ sich ihren Träumereien. Lange saß sie dort. Mechanisch glitt ihre Hand hin und wieder wie liebkosend über das seidene Polster. Durch eine zufällige heftigere Bewegung gericthen die Finger etwas tiefer zwischen Sitz und Lehne und stießen dabei an einen harten Gegenstand, welchen Margot erstaunt hervorzog. Es war eine kleine ovale Elfenbeinplatte, auf die ein Frauenportrait gemalt war. Margot eilte damit zum Fenster, um bei der schon angebrochenen Dämmerung die Züge desselben zu erkennen. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen: Das mußte das Bild der Tante Eugenie sein, von dem Onkel Philipp gesprochen und das sie schon so oft vergebens gesucht hatte. Aus dem lieblichen, von braunen, kurzen Locken umgebenen Antlitz sahen ihr ein paar kecke, lebenslustige Augen schelmisch entgegen. Die Wangen wiesen in ihrer reizenden Rundung ein paar allerliebste Grübchen auf, und um den etwas aufgeworfenen kleinen Mund spielte ein Zug von Jugendübermuth und Lebens frisch«. Das war die wilde, knabenhafte Eugenie, wie sie Onkel Philipp geschildert hatte! Hinter dieser weißen Stirn lebte der unbeugsame Trotz ihres Vaters, der sie aus der Heimath getrieben hatte! Arme Eugenie! Wie hoffnungsfreudig und siegesgewiß blitzten Deine Augen damals noch! Wenn Du geahnt hättest, daß Du einst in Armuth, fern von der Heimath und um Dein Kind besorgt, sterben würdest! Und doch hattest Du nicht anders gehandelt! Deine entschlossenen, trotzigen Augen sagen es mir, daß Du bereit warst, Alles für den Mann zu opfern, der Deine Liebe besaß! Wieder und wieder mußte Margot die theuren Züge be trachten. Endlich raffte sie sich auf und stürmte die Treppe hinab. Sie mußte irgend Jemandem ihr Glück über das ge fundene Bild mittheilen, sie konnte eS nicht in ihrem Herzen verschließen. Sie suchte und fand Joachim im Wohnzimmer lesend, der freudig überrascht zu ihr aufsah, als sie mit gerötheten Wangen und wirren Locken schnell an ihn herantrat. „Störe ich Dich nicht und hast Du Zeit, so laß uns plaudern", bat sie freundlich. Der Baron führte sie zu einem andern Armsessel vor dem Kamin, in dem, des kühlen Herbstwetters wegen, ein lustiges Feuer brannte, und nahm neben ihr Platz. s Margot erzählte ihm in ihrer lebhaften Art, mit glänzenden Auge» von ihrem Briefwechsel mit Mr. Ribot, von ihrem neuen Versuch, durch Herrn v. Vermont etwas zu erfahren, und endlich von ihrem soeben gemachten Funde. Joachim folgte mit Entzücken der holden Sprecherin. Ein schöner Wahn hielt seinen Sinn umfangen. Er träumte sich mit der Geliebten auf ewig vereint und sie als sein holdes Weib neben sich am behaglichen Kaminfeuer in traulichem Geplauder. O, daß es Wahrheit wäre! „Ist sie nicht reizend, die kleine, lebensfrohe Eugenie?" rief sie lebhaft und hielt ihm das Bild entgegen. Joachim nahm es in die Hand und betrachtete es aufmerksam: „Armes Mädchen! Wie schnell wurde Dein Lebensmuih gebrochen, wie bald trat Kummer und Leid an die Stelle Deiner Lebens freude!" „Verurtheilst Du sie, Achim, weil sie das Vaterhaus verließ, um dem Manne ihrer Liebe zu folgen?" Sie wartete seine Antwort nicht ab und fuhr fort: „Aus ihren Augen sprüht Entschlossenheit, sie hätte die Trennung von ihm nicht ertragen. Ich vermag sie nicqt zu verdammen: Wahre Liebe läßt sich, glaube ich, nicht gebieten!" Margot hatte mit Begeisterung gesprochen und ihre klaren Augen blitzten entschlossen. Joachim hatte bei ihren ersten Worten betroffen das Haupt erhoben und betrachtete sic mit prüfenden Blicken. War das die kleine Margot, die lo kindlich und unbefangen bisher in die Welt sah? Konnte so ein Mädchen sprechen, das die Liebe nicht kannte, dessen Herz noch unerweckt im Busen schlummerte?" „Du antwortest ja gar nicht, Achim!" erinnerte sie. „Ich gebe Dir vollständig Recht, liebe Margot", sprach er, sich bezwingend, „Du hast mit Deiner Ansicht eine verwandte Saite in meinem Herzen berührt." Er hatte ihre kleine Hand ergriffen und sein Blick ruhte mit innigem Ausdruck auf ihrem lieblichen Gesicht. Sie senkte befangen das Köpfchen, und ein rosiger Schimmer flog bis unter die goldigen Haarwellen ; dann erhob sie sich schnell, entzog ihm ihre Hand und eilte mit den Worten: „Aus Wieder sehen, Achim, ich muß zur Tante", davon. Einen Augenblick später war die schlank: Gestalt ver schwunden, aber der Zauber ihrer Persönlichkeit dielt den Zurück bleibenden völlig gefangen. _ Wie aus der zarten Knospe die köstliche Rose erblüht, lo hatte
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