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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980502022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898050202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898050202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-05
- Tag 1898-05-02
-
Monat
1898-05
-
Jahr
1898
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Di» Morgen»A«»gabe erscheint em V»? Uhk di» Abend-AuSgabe Wochentag» u« b Uhr. Le-artion vnd Erpeditto»:' Johanne»,asie 8. Die LrpeLition ist Wochentag» «»unterbrach»» »»öffnet von ftüh 8 bi» Wend» 7 Uh». Filiale»; Dtto Klemm'» tzorti«. tAlfeeh HaH»^ UntversitStöstrab« 3 (Panlinnm). Laut» Lösche. Katharinenkr. 14, pari, und KönigsplL^ 7^ BezugS-Prei- O Hanptexpeditio« oder den Ich Oiadt» buirk und den Vororten errichteten Au»» oavestrllen ab geholt: vierteljährlich ^>4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellnng in» Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich »i S.—. Direcie tägliche Kreuzbandjendun» tn» Luölaud: monatlich 7.50. AS. Abend-Ausgabe. WipMerTagMM Anzeiger. Aüttsvtall des Mizriche« Land- «nd Äcktsgetichtts Leipzig, des Mathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Nuzeigen.Preir Ue Sgespaltme Petitzrile 20 Pfg. checlamen unter dem RedactionSstrich (4g— spalten) 50-C. vor den sdamiliennachrichten (6 gespalten) 4V ch. Größere Schriften laut unserem Preis» »erzrichaiß. Labellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mV d» vroraen»Ausgabe, ohne Postbefördenmt' «X—, mit PostbefSrderung 70.—^ Javühmeschluß fir Anzeigen: Lbend'AnSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Biorg»n»An»gabr: Nachmittag» 4 Uhr. Bit den Filialen nnd Annabmestell«» j» ein» halb« Stand« früher. Lnzeigen sind stets an die -rpetzitto» -n richten. SrnS and Verlag von E. Pol» tn Leipzig, Montag den 2. Mai 1898. 92. Jahrgang. Der Deiegirtentag -er nationalliberalen Partei. -2- Berlin, 1. Mai. Der Deiegirtentag der nationalliberalen Partei, über den wir bereits kurz berichtet haben, ist in der würdigsten, die volle Einmüthigleit der zahlreichen Teilnehmer in allen wichtigen Fragen bekundenden Weise verlaufen. Nahezu 45V Delegirte au» allen Gauen deS Reiches hatten sich im großen Saale deS Architektenhauses eingefunden, wo um 12 Uhr der an diesem Tage seinen 75. Geburtstag feiernde Aba. vr. Hammacher die Berathungen mit einer Ansprache eröffnete. Freudig begrüßte er es, daß die Partei der Ein ladung des Centralvorstandes so zahlreich Folge gegeben habe. Niemals sei ein Deiegirtentag so zahlreich von angesehenen Männern aus allen Kreisen der Partei besucht gewesen, wie der gegenwärtige. (Bravo). Das sei ein Beweis, daß die Parteithätigkeit eine lebendige und die Partei entschlossen sei, ihre Grundsätze bei der bevorstehenden Reichstagswahl kräftig zum Ausdruck zu bringen. Deshalb werde auch der Erfolg nicht fehlen. Bon allen Seiten ertönten Unkenrufe, daß die Partei todt sei. Das könne dieselbe wenig berühren, denn es hänge lediglich von ihr selbst ab, ob die gegnerischen Prophe zeiungen in Erfüllung gehen würden. Eine Partei, die wie die unsere stets unter dem blanken Schilde der Treue zu Kaiser und Reich gekämpft; eine Partei, die die Interessen des Vater landes stets über die eigenen Interessen gestellt habe; eine Partei, die die hervorragendsten Verdienste bei Gründung und Ausgestaltung des Reiches für sich in Anspruch nehmen könne; eine Partei, die allezeit zur Aufrechterhaltung der Macht stellung des Reiches die nöthigen Machtmittel zur Verfügung gestellt hat; eine Partei, die stets ein offene» Auge für die Bedürfnisse des Volkes hatte, die nationale Fahne hochhielt und jenen Idealismus pflegte, ohne den ein Volk, eine Partei nicht bestehen könne (Bravo): eine solche Partei habe ihre Existenzberechtigung erwiesen und werde nicht zu Grunde gehen. Daß Meinungsverschiedenheiten vorhanden seien, schade nichts; die würden sich überwinden lassen und müßten überwunden werden. Wenn eS den Anschein gehabt habe, als ob in den Kreisen auf die sie sich stütze, eine gewisse Müdigkeit eingetreten sei, so sei nicht zuletzt infolge der kraftvollen nationalen auswärtigen Politik ein Umschwung eingetreten, der nicht nur freudig zu begrüßen, sondern auch ein Beweis dafür sei, daß die vorhandenen ge sunden Kräfte nur geweckt und geführt sein wollen. Die Entschlossenheit in der Führung unserer auswärtigen Politik, wie sie ihren hervorragenden Ausdruck in der Flottenvorlage gesunden habe, habe jenes Gefühl der Sicherheit und jenes Vertrauen in die Leitung der Geschäfte wieder erweckt, daS unter der Führung deS Fürsten Bismarck die Gemüther erfüllt habe. (Bravo.) Um so freudiger werde man, altem Brauche folgend, den Dank und die Verehrung dem Manne zollen, der an der Spitze des Reiches stehe in nimmermüder Sorge für dessen Wohlfahrt und Größe, und er bitte, einzu stimmen in den Ruf: Se. Majestät der Kaiser lebe hoch! (Begeistert stimmte die Versammlung in den Ruf ein. Herr vr. Hammacher schlug hierauf die Absendung folgender Telegramme vor: Sr. Majestät dem Kaiser, Berlin, Schloß. Ew. Majestät nahen sich die zum Deiegirtentag aus ganz Deutschland versammelten Vertreter der nationalliberalen Partei mit ehrfurchtsvoller Huldigung, mit dem erneuten Gelöbniß der unverbrüchlichen Treue zu Kaiser und Reich und mit freudigem Danke für die kraftvolle Förderung deutscher Macht «nd Wohlfahrt durch Deutschlands erhabenen Kaiser. Im Auftrage: vr. Hammacher. (Lebhafter Beifall). Sr. Majestät dem König von Sachsen, Dresden. Ew. Majestät, dem bewährten Feldherr», der auf den Schlachtfeldern in Frankreich das deutsche Reich begründen half, dem treue« und weisen BundeSfürsten, der mit Rath und That die Werke LeS Friedens wie die Wehrkraft des Volkes unablässig förderte, zu dem eben begangenen Jubel» feste noch dir innigsten Glückwünsche darzubringen, ist den zum Delegirtentage au» ganz Deutschland versammelten Vertretern der nationalliberalen Partei Herzensbedürsnitz. Im Auftrage: vr. Hammacher. (Lebhafter Beifall.) Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck, Friedrichsruh. Die zum Delegirtentage auS ganz Deutschland ver sammelten Vertreter der nationalliberalen Partei beginoen ihre politische Arbeit mit dem Ausdruck der herzlichsten Wünsche für den unvergleichlichen Staatsmann, der ihnen das Reich gezimmert und Gelegenheit zur Mitarbeit in großen Tagen bereitet hat. Wir wollen unser Bestes thun, zu erhalten und zu kräftigen, was Euer Durchlaucht in hervorragendster Weise mit geschaffen haben. Gott segne und beschütze Ew. Durchlaucht und erhalte Sie noch lange dem Batrrlande. Im Auftrage: vr. Hammacher. - . .. (Langdauernder Beifall.) Auf Vorschlag des Herrn Geh. Rathes Simon genehmigte die Versammlung die Bildung deS BureauS wie folgt: Zum Vorsitzenden: Herrn vr. Hammacher, zu Beisitzern die Herren Abgg. vr. Bür klirr (Karlsruhe) und vr. Aub (München), zu Schriftführern die Herren Abgg. vr. Sattler (Berlin), Professor vr. Metzger (Stuttgart) und General- secretair Patzig (Berlin). Sodann r.c.hm, stürmisch begrüßt, da» Wort Herr vr. Rudolf von Bennigsen: Auf besonderen Wunsch des Centralvorstandes der Partei habe er an der Versammlung theilgenommen und sich bereit erklärt, an die Freunde eine Ansprache zu richten, obwohl er durch sein hohes Alter ge hindert sei, wiederum in den nächsten Reichstag einzutreten, und damit auch nicht legitimirt sei, an den Wahlvor bereitungen theilzunehmen. Er habe sich aber die Freude nicht versagen wollen, vor seinem Ausscheiden aus dem poli tischen Leben nochmals an einer so zahlreichen, von angesehenen Männern auS allen Kreisen besuchten Versammlung theilzu- nehmen und zu ihr zu sprechen. Wenn man in einem an Freude und Anerkennung reichen Leben alt geworden sei, so sei das erfreulich, täusche aber nicht über die Beschwerden des Alters hinweg. Aber einen Vorzug habe ein solches Alter: man blicke mit reicher Erfahrung auf die Dinge und Menschen zurück während einer großen Zeit. Er sei recht jung — ob das «in Glück oder ein Unglück gewesen sei, stelle er dahin — in die öffentliche Thätigkeit ringetreten und gleich an ver antwortungsvoller Stelle berufen gewesen, drei Menschenalter hindurch praktisch mitzuarbeiten. Er habe schon 1848 in Frankfurt a. M. Männer wie Simson, von Unruh, Graf Schwerin u. A. an der Arbeit gesehen, mit denen er später im Reichstag wieder zusammen gekommen sei. Dann kam die Zeit, in der er mit Männern seiner eigenen Generation wirken konnte, jene große Zeit, wo es galt, das Reich zu gründen, auszubauen und zu festigen. Damals sei die Partei berufen gewesen, eine hervorragende historische Rolle zu spielen. Jetzt habe er mit der dritten, der jungen Generation gearbeitet, mit der sich zu verständigen schon schwieriger gewesen sei. Er könne aber sagen, daß auch dieses Zusammenwirken ein befriedigendes gewesen sei, und eS würde ein Unrecht sein, das nicht anzuerkennen, obwohl er glaube, daß diese jüngeren, auf unmittelbaren Erfolg gerichteten praktischen Männer sich sehr erhaben über die alten dünken. (Heiterkeit.) Die Anfänge der Partei reichten erheblich weiter zurück als 1867, als sich die Partei im Norddeutschen Reichstage constituirte. Die Partei reiche zurück in die fünfziger Jahre, als eine große Ernüchterung um sich griff, eine starke Reaction von Berlin aus einsetzte und die Hoffnung aufBesserung der Verhältnisse sehrwenigverbreitetwar. Damals waren es jüngereLeute — die älteren hatten sich zurück gezogen — die, hoffnungsreich, und mit Idealismus aus gestattet, von Neuem die Arbeit für die politische und wirth- schaftliche Ausgestaltung Deutschlands auf sich nahmen. Ihren sichtbaren Ausdruck sanden diese Bestrebungen im Wirth- schaftlichen Congreß und im Nationalverein, von denen ersterer im Wesentlichen an die Beseitigung der wirthschaft- lichen Schwierigkeiten herantrat, während letzterer die poli tischen Angelegenheiten Deutschlands im Sinne desZusammen- schlusseS des Staatenbundes zu einem Bundesstaate zu fördern suchte. Hier lagen die Anfänge der nationalliberalen Partei, hier verständigte man sich über daS, was für Deutschland nöthig war, und legte den Grund zu der Partei, die sich 1867 con stituirte und sich im weiteren Verlauf der Dinge im ganzen Reiche auSbreitete. Man sei keinen Augenblick im Zweifel gewesen, daß selbst die energischste Agitation Deutschland nicht umgestalten konnte. Dazu war nöthig entweder eine siegreiche revolutionäre Bewegung in Deutschland und Oesterreich oder eine, ja später eingetretene, kriegerische Auseinandersetzung zwischen Preußen und Oesterreich über die Vorherrschaft Preußens in Deutschland. Daß dieser zweite Weg eingeschlagen wurde, sei gewiß ein Glück gewesen, so beklagenSwerth auch die Opfer seien, die dieser Weg gekostet habe. Ein kurzer Krieg brachte die Entscheidung gegen Oesterreich und zwar, wie heute nach 30 Jahren fcststeht, eine Entscheidung für alle Zeiten. Daß diese Gestaltung eine noth- wendige uuo für die zukünftige Entwickelung der Dinge heil same war, hat Niemand besser erkannt, als Fürst Bismarck. Als die Dinge reif waren, hat Preußen seine ganze Macht eingesetzt, und eS ist ein unauslöschliches Verdienst des Fürsten Bismarck, daß er die Dynastie Hochenzollern zu dieser Politik bewogen und seine volle Kraft für dieses Ziel seines Lebens ein gesetzt hat. (Bravo.) Das Scheitern der nationalen Be wegung von 1848 sei nicht auf das Widerstreben der Dynastien zurückzuführen, sondern in höherem Maße auf die Uneinigkeit und politische Unreife deS deutschen Volkes. Hier war vor bereitende Arbeit nöthig, die denn auch 1866 nicht ohne Früchte war. Es war ein weiterer Vorzug nach 1866, daß in kürzester Frist eine Verständigung über die noth- wendigen neuen Grundlagen zwischen den leitenden Männern der Regierungen und den gewählten Vertretern des Norddeutschen Reichstages erfolgte. Wenn einesoche Verständigung in kürzester Frist erfolgte, so war dies ein hervorragendes Verdienst der national liberalen Partei (Bravo), die in selbstloser Hingabe praktische, positive Arbeit leistete (Bravo). Das unterscheidet unS von den radikalen Parteien, die absichtlich oder unabsichtlich niemals zur That kommen. (Sehr richtig!) Dieses historische Verdienst um Schaffung eines herrorragenden Werkes wird uns Niemand nehmen können. Als Preußen damals obsiegte, traten Meinungsverschiedenheiten auf über das Maß der Einheit, welche» dem deutschen Volke zu ge währen sei. Und eS sei wiederum ein historisches Verdienst Bismarck'S, daß er sich damals eine allerdings beispiellose Mäßigung auferlegte. Rücksichtslos ist die Politik König Wilhäm's und des Fürsten Bismarck nur gewesen gegen die Länder, die nach Westen zwischen Theilen des preußischen Staates lagen. Rücksichtslos sind diese Länder incorporirt worden. Aber auch in unglaublicher Verblendung und Kurz sichtigkeit haben diese Staaten damals Stellung genommen gegen jede historische Entwickelung, gegen die Stimmung der Bevölkerung im eigenen Lande. So in Hannover, wo über dies der Landtag versammelt war. Preußen verlangte nur Neutralität, die abgelehnt wurde. Nicht einmal die Erwägung konnte durchschlagen, daß durch Anschluß an Preußen in gar keinem Falle Gefahr vrohte, während durch das Bündniß mit Oesterreich die Krone aufs Spiel gesetzt und verloren wurden, als Oesterreich unterlag. Die einzige Entschuldigung für diese thörichte Politik war die, daß man über die Kraft aufwendung Preußens und Oesterreichs in Hannover und Hessen ebensowenig unterrichtet war, wie in London und Paris. Man glaubte, daß Preußen sofort niedergeschlagen würde, und hoffte in Hannover, daß damit jedes Gelüste Preußens auf Hegemonie ein für alle Mal beseitigt sein würde. Im Nebligen wurde bei der Neuordnung der Dinge die größte Schonung angewandt. Fürst Bismarck habe ihm im Winter 1866/67 gesagt, er hätte nur mit äußerster An strengung gegen große Schwierigkeiten von Seiten deS HofeS und des Militairs es durchgesetzt, daß auf den Einzug in Wien und auf Abtretung österreichischer Landeßtheile ver zichtet wurde. Er habe das gethan, weil nur so ein ver söhnliches Verhältniß zwischen Oesterreich und Preußen herbeizu führen gewesen sei. Er werde es wohl nicht erleben, aber er halte es für möglich, daß in Erkenntniß der centralen Lage beider Länder doch noch ein Bündniß erfolge. Bismarck schloß selbst noch dieses Bündniß ab und 1870 hat diese voraus schauende Politik wesentlich mitgewirkt, Laß die feindlichen Tendenzen in Oesterreich nicht zum Durchbruch kamen. Fürst Bismarck hat weiter eine weise Schonung gegen die süddeutschen Bundesgenossen Oesterreichs geübt. Auch damals gab cs einzelne Stimmen in unserer Partei, wie z. B. Treitschke, die sagten, jetzt müsse man mit allen diesen kleinen und Mittelstaaten aufräumen und einen fest gefügten Einheitsstaat gründen. Ein Gewaltmensch wie Napoleon I. oder Peter der Große würde das gethan und die Länder zu einem Staate zusammengeprcßt haben. Aber ein solcher mit Gewalt begründeter Einheitsstaat wäre nur mit Gewalt aufrecht zu erhalten und jedes Menschenalter in Ge fahr gewesen, auseinderzufallen. (Sehr richtig.) Was 1866 und 1870 geschaffen und an politischen Freiheiten gewährt sei, reiche aus und man könne sich darunter wohl fühlen. Was für einen großen Staat Bebürfniß ist, ist in der Verfassung niedergelegt; was den Einzelstaaten Vorbehalten und ver blieben, thut der Macht des Reiches keinen Abbruch. Ja, wir haben noch einen Vorzug. Wir haben das vor anderen Staaten voraus, daß sich in den Einzelstaaten ein reiches politisches, wirthschaftliches und wissenschaftliches Leben ent falten kann. (Sehr richtig.) Diese Gestaltung der Dinge muß anerkannt werden, wenn man sich erinnert, mit welcher Kraft Feuilleton. Die Herrin von Echtersloh. bj Roman von Toni Krüger. Nachdruck verboNn. „Du hast Recht", gab Margot zu, „nur gut, daß wir das Heu so schön trocken eingebracht haben, und in der nächsten Woche wird uns der liebe Gott hoffentlich wieder schön Wetter zur Ernte schicken!" „Wenn Du ihn bittest, Du unschuldiges Kind, so wird er es gewiß thun!" sagte Joachim, sich mit herzlichem Händedruck von seiner Cousine verabschiedend. Wirklich klärte sich das Wetter am Nachmittag auf, so daß Margot endlich einmal wieder einen Spaziergang machen konnte. Von Ben begleitet, ein Körbchen am Arm, schritt sie, den Park verlassend, dem Forsthause zu. Sie wollte dem alten Vollmer in seiner Krankheit ein wenig Gesellschaft leisten. Vor der Thür deS Forsthauses lag ein Teckel behaglich auf der Schwelle. Margot nahm Ben am Halsband fest, um Krieg zwischen beiden Hunden zu vermeiden. Es wäre aber nicht nöthig gewesen, denn der faule Dachshund blinzelte, kaum den Kopf hebend, die beiden Ankömmlinge schläfrig an, und Ben ging stolz an ihm vorüber, als sei er ihm nicht gut genug zum Spielkameraden. Alles war wie ausgestorben. Durch die offene Hausthür tretend, blickte Margot erst in die rechts vom Flur gelegene Küche, aber die taube Hanne, des Försters alt« Magd, war nicht da. Dann pochte sie an die der Küche gegenüberliegende Tbür und trat nach einem kurzen „Herein!" ein. In einem großen Lehnstuhl am Fenster saß ein alter Mann mit langem, grauem Bart. Sein rechter Fuß lag auSgestreckt auf einem niederen Schemel und war mit wollenen Tüchern dick bewickelt. Als Margot eintrat, sah er von dem Buche auf, in welchem er geblättert hatte, und machte eine Bewegung, al» wolle er aufspringen. Margot verhinderte ihn jedoch daran, indem sie schnell auf ihn zutrat und ihm sanft die Hand auf den Arm legte. „Ihr werdet doch nicht aufstehen, Vollmer? Ich würde gewiß nicht wiederkommen, wenn Ihr Euch durch meinen Besuch Unbequem lichkeiten auferlegtet. Wie geht'S denn?" setzte sie hinzu, indem sie sich »inen Stuhl dicht an den Sessel de» Greise» heranzog. „Nicht viel besser, Comteßchen, die verdammte Gicht zerrt auf eine schlimme Weise in den alten Knochen herum, und namentlich in dem verfluchten rechten Bein macht sie mir Schmerzen, daß ich des Teufels werden möchte. Und wenn ich nun bedenke, daß gerade jetzt so viel zu thun ist und ich hier unthätig sitzen muß, da soll doch gleich das Donner wetter !" „Nicht so viel fluchen, Vollmer!" unterbrach ihn das blonde Mädchen bittend, „dadurch wird's nicht besser; man erträgt im Gegentheil alle Leiden leichter, wenn man sich ruhig ergiebt, und der liebe Gott wird auch sicher geneigter sein, Euch zu helfen, wenn Ihr ihn darum bittet, als wenn Ihr so lästerliche Reden führt. Glaubt Ihr das nicht auch, Vollmer?" „Hm, hm , das mag schon sein", war die brummende Antwort. „Wenn Ihr recht brav seid und mir versprechen wollt, Euch ruhig zu verhalten und nicht so viel zu fluchen, komm ich auch öfter wieder." „Sie sind ein Engel, Comteßchen. Als Sie eintraten, war's mir, als schlüpfte ein Sonnenstrahl durchs Fenster, und wenn Sie manchmal nach dem alten verfl Kerl sehen wollen, so wird es mir immer eine unbeschreibliche Freude sein", er widerte der Alte mit strahlendem Gesicht. „Aber laßt Euer Pfeifchen doch nicht auSgehen", ermahnte sie, ihm diese, welche er bei ihrem Eintritt in die Ecke gelehnt hatte, reichend. „Aber wenn Comteß hier sind !" „Nur keine Rücksicht auf mich, ich liebe den behaglichen Dampf und will Euch in keiner Weise stören", erwiderte Margot, indem sie die Decke, welche der alte Forstmann von seinem Fuß geworfen hatte, wieder sorglich darüber breitete. „Comteß sind zu gut zu mir altem Mann! Ich kann ja die große Freundlichkeit gar nicht wieder gut machen und verdiene sie auch nicht!" „Schon gut, Vollmer, Ihr sollt sehn, daß der Tag schon ein mal kommen wird, wo Ihr Euch auch gegen mich freundlich zeigen könnt", beruhigte sie. „Doch bald hätte ich'» ganz ver gessen", fügte sie schnell hinzu, „ich habe Euch ja etwa» mitge bracht." Sie griff nach ihrem Körbchen und entnahm ihm eine Flasch«, — dann holte sie au» dem Wandschrank ein Gla», al» wenn sie hier zu Hause wäre, und, dasselbe füllend, reichte eS mit freundlichem Lächeln dem Greise hin. In demselben Augenblick öffnete sich ohne Anklopfrn die Thür und Joachim erschien im Rahmen derselben. Ueberrascht blieb er stehen und sah unverwandt auf das lieb liche Bild, das sich ihm darbot. Ein Sonnenstrahl fiel durch das Fenster und vergoldete das blonde Lockenköpfchen, das sich liebevoll zu dem grauen Haupte des Alten neigte. Es waren keine größeren Gegensätze denkbar, als das schlanke, lebensfrische Mädchen und die hinfällige Gestalt des alten Försters. „Du hier, Margot?" rief Joachim erstaunt aus. Margot schreckte zusammen und hätte fast den Inhalt des Glases ver schüttet. Sie hatte, wie auch Vollmer, das Kommen des Barons nicht bemerkt. „Wie Du mich erschreckt hast, Achim! Ich hatte Dich gar- nicht eintreten sehen. Du wunderst Dich, mich hier zu treffen? Du sagtest mir doch heute früh, daß unser guter, alter Vollmer krank sei." „Du bist ein braves Mädel", erwiderte Joachim, „und die Leute sagen nicht zu viel, wenn sie Dich einen kleinen Engel nennen. Gelt, Vollmer, sie ist ein gutes Kind, mein kleines Cousinchen?" setzte er, sich an den Förster wendend, hinzu. Erröthend wehrte Margot ab. „Es giebt gewiß keinen größeren Verehrer unserer gnädigen Comteß, als mich alten Kerl", versicherte der Förster in über strömendem Dankgefühl, „und wenn ich sie sonst auf meinem Pürschgang traf, so hatte ich immer Glück an dem Tage!" „Siehst Du, Cousinchen, nun mußt Du es bald selbst glauben", neckte Joachim. Noch ein Weilchen plauderten die Drei zusammen, dann verabschiedeten sich Joachim und Margot herzlich von dem Alten, und Letztere versprach sehr bald wiederzukommen, wenn Vollmer nicht mehr fluchen wolle. „Ich will es gewiß nicht mehr thun, Comteß", rief er ihnen gerührt nach. Die Sonne näherte sich schon dem Horizont, als die Beiden durch die lauschigen Waldungen schritten. Ben ging gleichmäßig neben seiner Herrin her, von Zeit zu Zeit den Kopf hebend, um ihr ins Gesicht zu sehen. „Ich wollte Dir einen Vorschlag machen", wandte sich Joachim an seine Cousine, „ich muß morgen früh nach Domnitz reiten, hast Du nicht Lust,, mich zu begleiten? Deine Hertha sehnt sich gewiß schon nach Dir, Du hast sie lange nicht mehr geritten!" „Du hast Recht, es war ächt Tage vor Papa» Tode, als ich das letzte Mal ritt; ich will sehr gern morgen früh mit Dir reiten. Ein fröhlicher Ritt wird mir gewiß wohkthun." „DaS meine ich auch, Kind, Du solltest überhaupt jeden Tag ein Stündchen reiten, und da die Ernte morgen beginnt und ich dadurch öfter ins Feld muß, könnten wir manchmal zusammen reiten, wenn es Dir Recht ist", meinte Joachim. „Gewiß, Achim, es ist so viel interessanter, in Deiner Gesell schaft zu reiten, als mit Fred allein. Ich höre so gern zu, wenn Du von Deinem Berufe sprichst, und ich wünsche dann immer, auch ein Mann zu sein, um mich so nützlich machen zu können!" Bald erreichten sie das Schloß, vor welchem ihnen die Tante Excellenz mit Lady Jane auf dem Arme entgegen kam. Ein riesiger Gummimantel umschloß ihre Figur und ihre Füße steckten in großen Gummischuhen. „Du hast Dich ja verwahrt, Tante Adele, als wolltest Du eine Gebirgspartie im Gewitter machen", scherzte Margot, „und dabei scheint doch die Sonne und der Himmel strahlt in schönster Bläue." „Es könnte aber doch wieder anfangen, zu regnen", versetzte die Gräfin in besorgtem Ton. „Uebrigens paßt es sich gar nicht, sich über ältere Leute lustig zu machen, merke Dir das", setzte sie streng hinzu. „Verzeih!" murmelte Margot. Um des Barons Lippen zuckte ein ironisches Lächeln, er mußte sich zu Ben herabbeugen, um es zu verbergen. Lady Jane war kaum zu halten, sie suchte mit Anstrengung, sich aus den liebenden Armen der Gräfin loszumachen, um zu Ben zu gelangen. „Was für Wetter werden wir in den nächsten Tagen haben, Baron?" fragte die Gräfin diesen in befehlendem Ton. „Voraussichtlich gutes. Dos Barometer ist gestiegen und wir wollen hoffen, daß es zur Ernte gut bleibt, Frau Gräfin!" „Ich wundere mich, daß Sie als Landwirth nicht eine be stimmtere Wetterprognose stellen können." „Ich werde versuchen, mir einen Laubfrosch zu fangen, um der Frau Gräfin besser dienen zu können", war die sarkastische Antwort. In diesem Augenblick erschien Friedrich in der Balconthür und meldete, daß der Thee servirt sei. „Thue mir die Liebe und laß den großen Ben draußen", be fahl die Gräfin. Margot erwiderte nichts, sondern faßte nur das Halsband ihres Hundes fester. Als man sich kaum zu Tisch gesetzt hatte, näherte sich der alte Friedrich etwas blaß der Comtesse und flüsterte ihr einige Worte inS Ohr. „Erlaube, liebe Tante, daß ich aufstehe", sagte Margot, sich erhebend, „Minna hat sich in den Finger geschnitten." „Und da muh die gnädige Comteß höchst eigenhändig der«
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