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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.03.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189803275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980327
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-03
- Tag 1898-03-27
-
Monat
1898-03
-
Jahr
1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.03.1898
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KiMer TagMaü 10. Anzeiger Druck und Verlag voa E. Pol» in Leipj-g. 92. Jahrgang Sonntag dm 27. März 1898. «e». «ei» Feuilleton SSM- ^8. Di» vtorgeu-AuSgab« erscheint um '/,? Uhr, hi« Uttah-Au«gab< Wochentag« um b Uhr, Nertr lUvoov ^rv 87- loi.SOO. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Tinnahmeschlnß fiir Jinzeigea: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Nrdaction und Expedition: JohauncSgasfe 8. Di» Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Vbend« 7 Uhiz ,0. 1.0 I P t. o o-0p^ t 0 i ? 1 l>. Filialen: vtto Klemm'« Eorlim. (Alfred Hahn), Universitcttsslraß« 3 (Paulimun), Loui« Lösche, Kathariueustr. 14, Part, und König-Platz 7. ;>).9-,Fü l>.t/7«S ISS,-». «0. I o. > v i. o. ». o ' 6 t o ». v. l. v. »v. » >. »b. A»-Ei-O»ePrOi- - die 6 gespaltene Prtitzeile LH Bsg. Reelamen unter demRedaction-strich (4a»> spalten) L0->z, vor den gannltennachrichien (6 gespalten) 40-^. Srößere Schriften laut unserem Preis- »erzeichnitz. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Die deutschen Studenten in Italien. Wie erinnerlich, hat vor Kurzem eine größere Gesellschaft deutscher Professoren und Studenten, denen sich auch Eltern von Studenten angeschlofsen hatten, eine Tour nach Italien unternommen, ist dort überall von der italienischen Studenten schaft festlich empfangen und verschiedentlich von den Be hörden begrüßt, dann aber als eine Vergnügungsgesellschaft ohne jeden ausgesprochen studentischen Charakter verdächtigt worden, die ihren Besuch Italiens als Erwiderung des vor jährigen Besuchs italienischer Studenten in Deutschland auf gefaßt wissen wolle, um gratis fvtirt zu werden. Zur Aus klärung über die Italiensahrt unserer Musensöhne erhält beeinflußt werde, als ihr, der Schule, bekömmlich sei. Nnd diese bayerischen Bauern werden auch nicht wegen der Jesuiten „wild" werden, denn sie machen sich schon über die Rück- berusung der Redemptoristen eigene, mehr nationale als ultra montane Gedanken. Auch in Baden wird man ganz ruhig bleiben, obwohl der Weihbischof Knecht, der Candidat des auf Verwilderung ausgehenden Herrn Wacker, nicht Erzbischof von Freiburg geworden ist, sondern ein mehr priesterlich als politisch gerichteter Herr und obendrein ein Preuße. Ein Versuch, die Bauern durch die ausgedehnte Ver breitung der Fabel von der unterdrückten Kirche politisch radical zu machen, wäre des Mißlingens sicher. Umgekehrt wird das Centrum zu sorgen haben, daß seine Anhänger ihm nicht durch Ausbildung deswirthschaftlichen Radicalismus abwendig gemacht werden. Freilich ist nach dieser Richtung auS bekannten Ursachen das Centrum verhältnißmäßig gut gestellt. Aber eS hat keinen Grund zur Schaden freude über die Schwierigkeiten, denen sich andere Parteien gegenübersehcn. Das Centrum hat wiederholt seine Einig keit nur dadurch aufrecht erhalten können, daß eS vor sehr weitabgerückten Dissidenten capitulirte, z. B. vor Herrn Fusangel. Von den Nationalliberalen könnte man nur dann das Gleiche behaupten, wenn sie Herrn vr. Hahn in ihrer Mitte behalten hätten. Man hatte ihm aber den Austritt nahe gelegt und wird diesen Schritt auch nicht zu bereuen haben, wenn er, im klebrigen ohne Vergleich mit Corio an, an der Spitze seiner Volsker einige vorübergehende Erfolge davonträgt. Der ungeschriebene Pact mit den Welfen scheint ja schon perfect geworden zu sein. Diese Bundeögenossenschaft, zu der ja wohl auch die Polen und Dänen treten werden, kann die Gesundung der Partriverhältaisfe, die nach den nächsten Wahlen einsetzen wird, nur beschleunigen. nun die „Berk. Wisst Corr." von dem Vorsitzenden deS Aus schußes, der sich auS den akademischen Mitgliedern der Reisegesellschaft gebildet hatte, Herrn Prof. vr. Albert Sti »im ing in Göttingen, nachstehende Darstellung über die thatsächlichen Vorgänge während der Reise. Herr Professor Di. StiMining schreibt: Die Anregung zu der akademischen Gotthard-Fahrt nach Italien ist von einem deutschen Universitätsprofessor ausgegangen; vorbereitet und ausgeführt ist dieselbe jedoch als Privat-Unternehmen von einem Baseler Neisebureau, und zwar zeugte die Art der Vorbereitung von wenig Bekanntschaft mit akademischen Verhältnissen, woraus sich auch die geringe Brtheiligung erklärt. Jeder Theilnehmer balle das Recht, Angehörige als Gäste einrn- führeu, und so bestand die Gesellschaft aus etwa 70 Aka demikern (Docenten, ehemaligen und jetzigen Studenten) und 24 Verwandten oder Freunden von solchen. Von beabsich tigten Begrüßungen italienischer Universitäten waren vorher nur Privat-Nachrichten an uns gelangt. In Genua wurden wir am Bahnhof von der dortigen Studentenschaft mit einer deutschen Begrüßungsrede empfangen und zu einer Theatervorstellung nebst darauf folgendem Ehrentrunk ldeocliierala) eingeladen. Ebenso vereinigten sich am folgenden Tage sämmtliche Mitglieder der Reisegesellschaft mit den Genuaer Studenten zu einem gemeinsamen Mittags mahl, doch wurde der auf uns fallende Anthril an den Kosten von dem Reisebureau bezahlt. Um nun aber die aus der Vereinigung von Akademikern und Nicht- Akademikern sich ergebenden Schwierigkeiten zu beseitigen, beschlossen die Ersteren, sich jetzt eine Organisation zu geben. Sie wählten einen Ausschuß, bestehend aus zwei ordentlichen Professoren, einem früheren Akademiker und drei Studenten, und verpflichteten sich durch Namen? Unterschrift, den Anordnungen des Ausschusses Folge zu leisten. Der Ausschuß, zu dessen Vorsitzenden ich erwäblt wurde, hat von da an alle Programme entworfen, da« in Betreff der Empfänge nöthig Erscheinende angeordnet, die zu haltenden Reden venbcilt u. dergl., und eS wurde bestimmt, baß an den von den Universitäten veranstalteten Festlichkeiten nur die akademischen Mitglieder der Gesellschaft Tbeil nehmen dürften, wobei stets der private Charakter der Reise hervorgehoben werden sollte. Beide« ist denn auch überall geschehen. In der Antwort auf die Ansprache des RectorS in der Universitäts-Aula zu Rom habe ich wörtlich gesagt: „Ich muß dabei aber auf daS Ausdrücklichste be tonen, daß wir un« nicht als Vertreter der deut schen Universitäten bezeichnen können, sondern Laß wir einfach deutsche Professoren und Studenten sind, Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabr, ohne Postbesörderuag «).—, mit Postbeförderung 70.—. Chinesische Rechtspflege. . Nachdruck verboten. » Unsere Nachbarn, die Chinesen — so können wir sie ja nennen, seitdem wir in Shantung an der Kiaotschau-Bucbt „Grundstücksbesitzer" geworden sind, gelten im Allgemeinen als brave und tüchtige Leute und vor Allem als fleißige Arbeiter. Aber auch unter ihnen giebt eS Nichtsnutze und Faulenzer, Diebe, Räuber und Mörder und die Hafenstädte bergen voa solchem Gesindel mehr als genug. DaS haben unsere Jungen leider auch schon am eigenen Leibe erfahren müssen, und ihre Bekanntschaft mit den Söhnen de« himmlischen Reiche« ist noch allerjüngsten Datum«. Erst haben sie den blutjungen pflichttreuen Matrosen Johann Schulze von S. M. S. „Kaiser" vor den Thoren von Tsimo bei dunkler Nacht rück lings überfallen und mit Hirbmessern getvdtet und dann in räuberischer Absicht bei dem Dorfe Konshuntino den Unter- vfficier Lehmann heimtückisch angegriffen und zu ermorden gesucht, was ihnen freilich blutige Köpfe und einem der sauberen Brüder daS Leben kostete, da Lehmann sich recht zeitig zur Wehr setzen und sie lehren konnte, waS deutsche Hiebe sinv. Es heißt also auf der Hut sein und vor allen Dingen den Herren Chinesen zum Bewußtsein bringen, daß die Deutschen nicht mit sich spaßen lasten und strenge Justiz zu üben gewohnt sind. Der Mörder Schulze'« ist denn auch sehr rasch vom Leben zum Tode befördert worden, obwohl die chinesischen Gerichte erst Ausflüchte machen und den Schuldigen der Strafe entziehen wollten, und die Hallunken von Konshuntino werden sicherlich auch ihren empfindlichen Denkzettel bekommen, der sie vor weiteren Versuchen, Unheil zu stiften, wohl abschrecken wird. Zweifellos würde daS Gesindel von Shantung sich nicht an unsere Leute herangewagt haben, wenn eS dessen ganz sicher gewesen wäre, daß «S sich vor der deutschen, statt vor der chinesischen Justiz zu verantworten hatte. Die Letztere liegt ent setzlich im Argen. Der Fremdrnhaß der Chinesen, der fast dem der Japaner gleichkommt, beeinflußt im höchsten Maße auch die Behörden und Vie Richter, und rin Verbrecher an Leben und Eigentbum eine« Europäer« kann de« Schutze« der Richter und auch der Straflosigkeit sicher sein, wenn nicht die Regie rung de« Geschädigten mit eiserner Energie und handgreif licher Drohung dazwischen fährt. Der zweite Factor, der die Gerechtigkeitspflege der Chinesen selbst in ihren eigenen Augen tief hat sinken lassen, ist die Bestechlichkeit, der di« Richter zugänglich sind. Ein Reicher, wenn er «ur gehörig zahlen kann und will, ist vor schwerer Strafe so ziemlich flcher. In einem Sprichwort beißt «S: „Geld für die Gerichtsdiener, Geld für die Schreiber" und in einem andere«: *Wenn du eine Kade gewinnst, verlierst du eine Kuh", in ein«« dritten: „Im Leben hüte dich vor den Gerichtshöfen, im T-ß« vor der Hölle!" und in einem vierten: „Tiger und Schlangen sind bester al- Richter und Gericht-diener . Im Uebriaen aber ist die chin,fisch« Gericht-procedur voa grausamer, blutiger Strenge, nicht in erster Linie um von Vergehen und Verbrechen abzuschrrckrn, soudrrn um zu ver- enthielt, den Leib auf. Der Gläubiger wurde verhaftet, ob gleich er an der ganzen Sache unschuldig war, und starb im Gefängniß. Derartige Beispiele ließen sich leicht vermehren. Der Grund, warum die Untersuchungshaft — und eine andere kennt daS chinesische Strafrecht kaum — so tief ein schneidende Wirkungen ausübt, liegt darin, daß die Gefangenen hilf- und wehrlos der Willkür der Gefängnißwärter über antwortet sind. Es bestehen nur gemeinsame Gefängnisse, in denen auch der Zeuge mit dem gemeinsten Verbrecher zu sammen «ingesperrt, vielleicht mit demselben znsammengekettet wird. Außerdem müssen die Gefangenen sich selbst beköstigen. Jede Erleichterung, die Trennung von anderen Gefangenen, ein besonderes Zimmer, bester« Nahrung, müssen mit Gold ausgewogen werden, und je reicher der Gefangene, umsomebr muß er zahlen. Als der frühere chinesische Gesandte in Ruß land, Cbunghan, so erzählt v. Brandt, wegen des Abschlusses des Vertrags von Livadia, in Untersuchung gezogen und in« Gefängniß geworfen wurde, sollen die ersten acht Tage in demselben ihn 50 000 TaelS, d. h. 200 000 gekostet haben, und Niemand fand die Angabe unglaublich oder auch nur unwahrscheinlich. Die m den chinesischen Gesetzen vorgrschriebenen Strafen sind die Prügelstrafe in einer Menge von Abstufungen, Ver bannung auf weitere oder nähere Entfernung, mit oder ohne Strafarbeit, d. h. Verurtheilung zur Sclaverei, und die Todesstrafe, die durch Erdrosseln, Enthaupten oder den langsamen Tod, daS sogenannte Zerschneiden in zehntausend Stucke, bei Hochverrats», Eltern- oder Herrenmord stattfindet. Der Tod durch Erdroffeln wird für weniger schimpflich an gesehen, al- der Tod durch Enthaupten, weil keine Verletzung de« Körper« dabei vorkommt. Gefängnißstrafe al- solche be steht kaum in China. Da nach chinesischem Recht eine Verurtheilung nur nach dem Grständniß de» Angeklagten erfolgen kann, so ist dir Anwendung der Tortur eigentlich selbstverständlich. Ge setzlich darf der Richter nur die Prügelstrafe anwenden, um rin Geständntß hrrbeizusührrn, aber nach dem, wa« man hört und wa« durch kaiserliche Edikte und Strasurtheile gegen ihre Vollmachten überschreitende Beamte häufig bestätigt wird, dürfte r« kaum eine Art der Marter geben, die nicht in einem oder dem andern Falle zur Anwendung käme. Der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand, welcher aus seiner Reise um die Welt (Anfang >890) auch China besuchte, schildert anschaulich eine Gerichtsverhandlung mit Tortur. Der Richter saß, umgeben von den Mitgliedern de« Tribunal-, an einem Tische, vor welchem der Angeklagte kniete, um einem Verhör unterzogen zu werden. In dieser Stellung bat jeder Angeklagte zu verharren, um dem Gericht seine Ehrfurcht zu bezeugen. Rauchend und Ther schlürfend leitete der Richter die Verhandlung und begann da- Verhör. Der Angeklagte stand eine« Kuhdiebstahl« halber vor Gericht und bethruerte auf die eindringlichen Fragen de« Richter stet« seine Unschuld, obschon er ein bereit- oster abgestraftr- Indivivuum war, wa- auch sein mit Striemen bedeckter Rücken bewies. Als der Richter sah, daß er durch Zureden kein Grständniß erzielen konnte, winkt» er einem der Schergen, einem dicken Soldaten mit rohem Gestcht-au-druck, und ließ dem Angeklagten mit einem gespaltenen Rohrstock einen wuchtigen Hieb auf den entblößten Rücken versetzen. Der bindern, daß streitende Parteien vor dem Richter Recht suchen, statt sich zu vertragen. So meidet denn auch ein Jeder, wenn e» nur irgend geht, daS Gericht, ja, er flieht möglichst weit, wenn er m Gefahr ist, auch nur indirekt mit ihm in Berührung zu kommen. Drastische Beispiele in dieser Beziehung führt der frühere langjährige deutsche Gesandte in Peking M. v. Brandt in seinem eben in zweiter Auflage bei Georg Wiegand in Leipzig erschienenen instruktiven Buch „AuS dem Lande des Zopfes, Plaudereien eine- alten Chinesen" an. So macht er daraus aufmerksam, daß namentlich in den chinesischen Städten die ganze Bevölkerung, soweit sie nicht direkt in Mitleidenschaft gezogen ist, mit größter Gleichgiltigkeit Angriffen gegen daS Eigentbum gegenüber steht, nicht aber, weil sie keinen Sinn für Mein und Dein hätte, sondern, weil sie bei der Häufig keit des Diebstahls befürchtet, au« der Berührung mit den Gerichten nicht hrrauSzukommen. Während bei uns der Ruf „Haltet den Dieb!" immer eine Menge Leute bereit findet, den Bestohlenen ihre Unterstützung zu Theil werden zu lassen und bei der Ergreifung de« Diebe« mit behilflich zu sein, läßt ein solcher Ruf den Chinesen nicht allein gleichgiltig, sondern veranlaßt ihn sogar, sich schleunigst zu entfernen. Einerseits ist e« immer mißlich, sich den Mifsrthäter zum Feinde zu machen und seine Rache heraus zu fordern, anderer- seit« ist ver Zeuge in einem Proceffe fast ebenso schlimm daran, wie der Verklagte; er wird hinter Schloß und Riegel genommen, bi« auf« Blut von Gefängnißwärrern und Polizei dienern ausgesogea und bekommt schließlich ebenfalls Prügel. Dadurch soll er daran erinnert werden, daß er Vie Wahrheit zu sagen hat. Je ernster ein Fall, desto mehr beeilt sich daher Alle«, fortzukommen, um nicht in die fatale Angelegen heit verwickelt zu werden. Die Thatsache. daß, wer den Gerichten in die Hande fällt, im günstigsten Falle, wenn man auch Unsummen auf wendet, da- nackte Leben rettet, hat zu der eigentbüm- lichen Sitte Veranlassung gegeben, daß reute, die sich an Anderen rächen wollen, sich in der Art selbst tödten, daß ihr Feind in die Untersuchung verwickelt werden muß, auS der er, wenn überhaupt, nur al- vollständig zu Grunde gerichteter Mann hervorgehen kann. Ein Bettler, dem ein Almosen versagt worden, erhängt sich an der Tbür de« Kaufladens, wo btt« geschehe«; «in Schuldner, den sein Gläubiger mahnt, tödtet sich, indem er einen Brief hinterläßt, der besagt, daß der Gläubiger ihn in den Tod getrieben, und der Ruin der so direkt oder indirekt Beschuldigten ist flcher. Bor ewigen Jahren gerietheu in Peking zwei junge Leut« wegen einer geringfügigen Forderung — »- handelt« flch um wenig über zwei Mark! — in Streit. Der Schuldner sprang in einem Wuthanfall von einer Brücke in einen trockenen Canal und beschädigte steh schwer am Rückgrat. Vorüber gehende Europäer schafften ihn in «in von Missionaren unter haltene- Hospital, au« dem ihn di« Familie wieder hervor holte, da, wenn er dort gestorben wäre, da« Gericht di« Klage gegen den Glaubiaer möglicherweise nicht angenommen hätte. Der am ganzen Unterkörper Gelähmte wurde aus die Brücke, den Schauplatz de« ursprünglichen Streite« gebracht und dort unter einer über em Paar Stöcke gehängten Matte nieder gelegt. Nach zwei Tagen schnitt er sich mit einer Scherbe de« Topfe«, der da- »hm von der Familie gebrachte Essen Äus -er Woche. Unter den erbebenden deutschen Erinnerungen, an denen die verflossener» Woche reich war, ist die freundlichste, weil einem großen Lebenden gewidmet, die an dm Eintritt de« Fürsten Bismarck in daS Heer gewesen. Aber deS Zu sammenhang- mit der Gegenwart entbehrten auch die anderen Feierlichkeiten nicht. Die Errichtung eines Steine« an der Stelle, wo Wilhelm I. 1870 zuerst den Fuß auf lothringischen Boden gesetzt, und da- in Metz enthüllte Denkmal der Wiedererobrrung der Beste legen ein erfreuliche- Zeugniß davon ab, daß ver krankhaften und politisch höchst unzweckmäßigen Sentimentalität, die für einen unersöhnlichen Gegner Schonung seinerGefühle auf Kosten des berechtigten deutschen Stolzes for derte, nunmehr wieder Stillschweigen auferlegt ist. Es ist sehr nützlich, wenn die Franzosen sehen, daß Deutschland den Besitz von Elsaß-Lothringen als etwas Selbstverständliches erachtet, ohne darum zu vergessen, wie es in den Besitz gelangt ist: durch einen Krieg, den die Franzosen nach Deutschland zu tragen gedacht hatten, der aber auf französischem Boden auS- gekämpft wurde. Den bald heimlich, bald offen genähr ten Hoffnungen versetzen die Erinnerungen an die Art der Erwerbung des Grenzlandes erfahrungsgemäß Stöße, die für den Weltfrieden recht wohltbätig sind. Jenseits der Vogesen wird man auch die Feier des 22. März in Regensburg ru würdigen wissen, welche die bedeutsamste der Woche gewesen ist. Bei der Aufstellung seine« Bildnisses in der Walhalla, das die Inschrift „Der Siegreiche" trägt, ist Kaiser Wilhelm I. von dem Herrscher Bayerns als der Be gründer des neuen Reiche- gefeiert worden, zur Bekräftigung, daß er nicht nur wegen seiner Großtbaten, sondern auch wegen deren Frucht, der Einigung Deutschlands, Aufnahme in der RuhmeShalle auf bayerischem Boven gesunden hat. DaS ist ein Ereigniß, vor dem auch in französischen Augen die so gern berumgetragenen und, obwohl meist erfundenen, oft politisch gedeuteten kleinen und kleinlichen Erzählungen ver blassen werden. Für uns in Deutschland existirt solcher Klatsch nicht, darum bleibt eS aber doch bedauerlich, daß der Sinn der Feier an der Donau infolge einer durch eine mehr particularistische Veranstaltung bedingten Abhaltung de« Kaisers nicht auch äußerlich klar zu Tage treten durfte. Nicht particularistisch, wenn auch auf eine Provinz beschränkt, ist hiergegen daS Fest zur Erinnerung an die Er hebung Schleswig-Holsteins gegen dänische Ver gewaltigung gewesen. Sie galt einem Ereignisse, daS zur Geschichte der Wiedergeburt deS ganzen Deutschlands gehört, und der Erinnerung an den ersten Versuch der AuSlöschung einer Schmach, die als solche überall in Deutschland so stark gefühlt wurde, wie dort, wo sich ihr noch die unmittelbar empfundene Bedrückung gesellte. Von dem deutschen Einigungsgedanken war der der Befreiung der Elb-Herzogthümer unzertrennlich, der erste Fehlschlag im Norden fiel zusammen mit der Enttäuschung der nationalen Gesammthoffnung und das spätere Gelingen schien das beste Unterpfand der Wiederherstellung eines lebenskräftigen gemein deutschen Staatsgebildes. Die Befreiung Schleswig-Holsteins hat denn auch die Lösung der deutschen Frage nach sich ge zogen. ES war eine der ErbebungSseier eines meerumschlungenen deutschen Landes würdige That, daß der Reichstag an diesem Gedächtnißtage Deutschland eine bessere Wehr zur See sicherte. Das Flottengesetz ist am 24. d. M. so gut wie perfect geworden, und zwar ohne Polen, Französlinge und ohne den einen Dänen, den der Reichstag mit diesen in seiner Mitte dulden muß. Daß daS Cent rum, indem eS diesen Erfolg herbeifübrte, sich seines Charakters nicht begeben hat, hebt selbst ein dem Klerikalismus so wenig abgeneigtes Blatt wir die „Kreuzztg." hervor. Die Mittelparteien sind gegen eine derartige verbängnißvolle Täuschung schon durch ihre Art und ihre Ueberlieferung geschützt. Daß im Centrum leichter als früher Individuen sich Gehör verschaffen können, die da- deutsche Reich nicht mit Welfenaugen ansehen, ist ohne Weiteres zuzugeben. Aber sie wären ohnmächtig auch in der Flottenangelegenheit geblieben, wenn sich der ÜltramontanismuS in Deutschland zur Zeit nicht in einem Zustande der Wohligkeit befände, den wegen einiger Schiffe und Millionen zu gefährden, ihm eine Thor- heil erscheinen müßte. Wenn die „Kölnische Volks zeitung" dieser Tage von einer gegen die Anstellung von Katholiken gerichteten „Darlegung" erzählte, so war dies entweder eine sehr plumpe Erfindung, oder man hatte e« mit einem Manöver zu thun, welches bezweckte, daS, was ohnehin Praxi« ist, nochmal« ausdrücklich zugesichert zu sehen. Ohne jede Uebertreibung kann man in Preußen bereits von einer Zurücksetzung der Protestanten bei der Besetzung von Aemtern reden; Herr Lieber ist ein sehr, sehr einflußreicher Malm in den Berliner NcssortS. Jedenfalls abw war cS eine Plumpheit der klerikalen Presse, in Aussicht zu stellen, daS katholische Volk werde „wild" werden, wenn die Centrumsleistungen auf politischem Gebiete nicht reich licher auf kirchlichem bezahlt würden. „Wild" sind in der klerikal erzogenen Bevölkerung Deutschlands heute nur die bayerischen Bauernbündler und deren „Wildheit" trägt einen ausgesprochen antiklerikalen Zug, nicht zum wenigsten auch gerade in Bezug auf die Schule, von der die südbayerischen Bauern gefunden haben, daß sie von der Geistlichkeit stärker Vesm-s-VreiD D» tt» Haaptrxpeditto» od«c den km Statt- tttztrk mH tt» Vororte» errichteten AnS- aattstellm «bgeholt: vierteljährlich 4. SO, tei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau- ^l ü^O. Durch die Post bezogen für Deutschland uud Oesterreich: viertel,ährlich >l 6.—. Direkte tägliche Areuzbandsenduug di- Au-laud: monatlich 7.bO. -1, o« Unglückliche brach in Heulen und Jammern auS, woraus die erneuerte Frage des Richters erfolgte, ob er den Diebstahl begangen habe. Da der Inculpat abermals leugnete, wieder holte sich die Procedur, WaS noch eine ganze Weile währte. Unterdessen wurde einem anderen Richter ein Polizist vor geführt, der beschuldigt erschien, einen Diebstahl nicht ver hindert zu haben. Der Angeklagte war eia alter gebrech licher Mann, dessen Körper von früher durchgemachten Unter suchungen und erlittenen Strafen her mit Wunden bedeckt war. Der Richter stellte einige barsche Fragen an den Angeklagten, welche dieser» mit ver Stirn den Boden be rührend, durch Betheuerung seiner Unschuld und den Vorwurf der Ungerechtigkeit gegen den Richter beantwortete. Die« erregte den besonderen Zorn de« ThemiS-Iünger«, der dem Angeklagten, ohne ihn einer Erwiderung zu würdigen, hundert Stockhiebe dictirte, die sofort verabfolgt wurden. Der Un glückliche jammerte und brüllte entsetzlich, während ibn zwei Mann hielten und zwei Andere in der Ertheilung der Hiebe abwechselten. Stöhnend wandte sich der Angeklagte nach Vollzug der Tortur wieder an den Richter, abermals an der Behauptung seiner Unschuld festhalttnd, worauf ihm der Richter unter cynischem Lachen neuerding« hundert Hiebe zu ertheilen befahl. Nach dieser fürchterlichen Behandlung sank der BeklagenSwerthe blutüberströmt zusammen, um dann, durch Polizrisoldaten gestützt, von dannen zu wanken. Die Widerstandsfähigkeit des alten Mannes, dessen Organismus diese furchtbare Marter zu ertragen vermochte, mußte da größte Staunen erwecken. An der Wand de« Gerichtssaale« hängen außer Stöcken noch andere Folterinstrumente, vor allen der Kia-dsy, jenes viereckige Bret zum Einspannen de« Halse«, und ein löffel- artiges Stück Sohlleder, mit welchem die Frauen auf den Mund geschlagen werden. Zwei bi« drei Hiebe genügen, um den Mund so ansckwellrn zu machen, daß die Gemarterte oft Tage lang weder essen noch reden kann. Eine eigenthümliche Beobachtung läßt sich am Thor des GerichtsgebäudrS in Kanton machen. Da- Gesetz verbietet in China streng jede« Hazardspirl, eine Anordnuna, die bei dem leidenschaftlichen Hange der Chinesen für Gluck-spielr aller Art in Verbindung mit der Corruption, welch« unter der Beamtenschaft herrscht, ein friedliche« Leben auf dem Papier führt. Aber daß gerade am Eingang in da« GerichtSgebaude al« paffende Stelle für die Errichtung der Spielbuden erkoren werden konnte, in welchen da« Hazardspiel unter ven Augen der täglich ein- und »»«gehenden Richter und obrigkeitlichen Personen florirt, ist wieder rin Beleg dafür, daß m Edina die Bestechlichkeit der behördlichen Organe mit Schamlosigkeit gepaart ist. So ist da« Bild, welche« die chinesische Rechtspflege bietet, ein sehr dunkle« und betrübende-. Allerding« war in Europa noch im vorigen Jahrhundert die Tortur nicht« Seltene«, aber die Bestechlichkeit europäischer Richter war doch von jeher ein unbekannte« Ding und ist besonder« beute ganz undenkbar. Dazu kommt, daß China auf eine uralte Eultur zurückblickt, in deren Verlauf e« sich längst zur Höhe unantastbarer richterlicher Makellosigkeit hätte empor- tchwingen können. China befindet sich aber nicht, wie Europa, in aufsteigender Richtung, sondern auf der ab schüssigen Bahn der Degeneration, und die Zeit, daß die Art an den Wurzelsaulen Baum gelegt wird, scheiut gekommen. 0.8.
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