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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980930025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898093002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898093002
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-09
- Tag 1898-09-30
-
Monat
1898-09
-
Jahr
1898
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Die Morgen-Autgabe «rfchetnt u» Uhr, die Abend»Au»gabe Wochintag» «»b Uhr. LeH«rtion «n> Lrpeditir«: Johanne-,ass» 8. Dk»Gv>«hitkon ist Wochentag» nnnnterbrvch« öffnet von ftüh S bi» «b«nd» 7 Uhr. Filialen: Vit« Nlemm'» Lorti». <Alsretz HahnX Universiiättsttah» S (Pavlinn»), Laut» Lösche, Rathariaenstr. 14, Part, und Konig-Platz 7. Vezug-Prel- k der Hanpterpedition ah« de« t» Gtadt» bejirk und den Vororten errichteten Au»- «»bestellen abgeholt: Rertrljahrllch^l-cho, ort zweimaliger täglicher Zustellung in« Han» K.ÜO. Lurch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vterteliährlich S—. Direkte tägliche Kreuzbandlendnng in» Ausland: monatlich Abend-Ausgabe. MpWr TllgMlck Anzeiger. Amtsötatt -es Königlichen Land- «nd Äyüsgerichtes Leipzig, -es Ralhes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. A«zeigenPreiS die 6 gespaltene PMzeile -0 Pfg) Reklamen unter demRedactionSstrich (-ge spalten) bO/H, vor den Familieunachrichteu (6 gespalten) 40^. 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Es kann leider nicht in Abrede gestellt werden, daß die frei- conservative Partei in diesem Punkte gegen 1893 einen gewissen Rückzug angetreten hat. In dem am 2. Oktober 1893 erlassenen Wahlaufrufe der freicouservativen Partei hieß eS: „Vorschläge, die der preußischen Volksschule den Charakter einer Veranstaltung de- Staats zu nehmen und sie von ihrer jetzigen Höhe herabzudrücken drohten, sind erfolgreich abgewehrt; dabei traten aber so schwere Gegensätze hervor, daß die Wiederaufnahme deS Plane» eine» vollständigen Volksschulgesetzes für lange Zeit aus» geschlossen erscheint und die Ordnung der inneren Angelegenheiten der in der Regel konfessionell geordneten Volksschule »nd die Förderung der religiös-sittlichen Erziehung unsers Volks Sache der Verwaltung bleiben muß. Dringend ist dagegen der baldige Erlaß eine- SchulLotationSgesetze» geboten, durch da- die äußeren Verhältnisse der Schule nach den Grundsätzen unserer Verfassung geordnet werde»." Der jetzt veröffentlichte gemeinsame Wahlaufruf spricht von der Nothwendigkeit, daß den christlichen Kirchen „ins besondere der berechtigte Einfluß auf die Erziehung de» Volkes gewahrt werde", und fahrt dann fort: „Wenn also die in vielen Landestheileu mangelhaften und ein» unbillige Lastenvertheilung bewirkenden Bestimmungen über die Unter haltung der öffentlichen Volksschulen dringend eine organische Reform erheischen, so wird dabei neben der Wahrung der natürlichen Rechte der Eltern und der Gemeinden unbedingt der konfessionelle Charakter der Volksschule aufrecht zu erhalten fein. Versuche, diese Reform auf anderem Wege als im Rahmen eines Volks schul- grsetzes zu erreichen, sind bis», r mißlungen." Diejenigen, welche die hu^ erwähnten Reformversuche zum Scheitern brachten, waren die Conservativen. Noch am 10. Mai d. I. machte der freiconservative Abgeordnete Baensch den Versuch, die Schulunterhaltungspflicht auch für das platte Land gesetzlich zu regeln, indem er die StaatSregierunz durch einen Antrag aufforderte, spätestens in der nächsten Session eine Neuregelrzng der Verpflichtung zur Unterhaltung der Volksschulen dahin berbeizuführen, daß gemäß Artikel 25 der Verfassung diese Verpflichtung allgemein den bürgerlichen Gemeinden und Gutsbezirken auferlegt wird. Der konservative Abg. v. Heydebrand beantragte hierzu, hinter dem Worte „Session" einzuschalten: „im Nahmen eines allgemeinen Volksschulgesetzes." Darauf bin wurde der frei konservative Antrag zurückgezogen. Die Fassung des gegen wärtig vorliegenden Wahlaufrufs zeigt, daß die Conservativen von ihrem Standpunkte nicht abgehen. Hat sonach im Vergleich mit dem Jahre 1893 eine Annäherung sehr beachtenSwerther Art zwischen den beiden conservativen Fraktionen stattgesunden, so giebt der Wahlaufruf über ihre Beziehungen zu den anderen Parteien fast nur indirekt Auskunft. Der Wahlaufruf stellt fest, daß die Conservativen mit allen bürgerlichen Parteien Berührungspunkte haben, mit Aus nahme der freisinnigen; deren direkte und indirekte Be günstigung der Socialdemokratie sei ein Berrath am Vaterlande. Die Energie, mit der hier der Freisinn angegriffen wird, >>at, wie au» einem Artikel der „Conservativen Corr." hervor geht, den Zweck, die Nationalliberalen von einem Zu- ammengehen mit den Freisinnigen abzuschrecken. Zu diesem Zwecke wird auch von der „Conservat. Corr." die Gefahr einer klerikal-demokratischen Mehrheit im preußischen Ab geordnetenhause an die Wand gemalt. Der Wahlaufruf aber vermeidet jede Aeußerung über den UltramontanismuS und erleichtert eS den Nationalliberalen dadurch nicht, auf die Gefahr hin, daß die conservativen Fraktionen mit dem Centrum Iber ein reactionaires Volksschulgesetz sich einigen, den Frei sinnigen Abbruch zu thun. Aufsehen und Beunruhigung bat in den Evangelischen Arbeitervereinen eine von Herrn I)r. Maurenbrecher in Zwickau im „Sächsischen Evangelischen Arbeiterblatt" ver öffentlichte Darlegung hervorgerufen, die über die wahre« Aufgaben der Evangclischcu Arbeitervereine sich verbreitet. Die Quintessenz der Forderungen l)r. Maurenbrecher'S ist in folgender These enthalten: „Evangelische Arbeiter vereine haben neben anderen kirchlichen Vereinigungen eine Existenzberechtigung nur dann, wenn sie aufhören, Mitglieder aller Stände in sich zusammcnfaffen zu wollen, wenn sie sich vielmehr entschließen, auf die Gefahr der Ein seitigkeit hin evangelische Vereine mit Lohnarbeiter gedanken zu werden." — Würde die „Gefahr der Einseitig keit" die einzige Folge sein, wenn die evangelischen Arbeiter vereine nur Lohnarbeiter aufnehmen dürften, Angehörige anderer Stände aber ausschließen müßten? Wir fürchten, nein. In dem Maße, in dem die Evangelischen Arbeiter vereine gegen Alle, die nicht Lohnarbeiter sind, sich abschlöfsen, würden sie dem Gedanken de» Classen- kampfeS zugänglicher werden; eS würde ferner der Gegensatz der Evangelischen Arbeitervereine zur Social demokratie verdunkelt, die ja den Classenkampf auf ihre Fahne geschrieben hat; es würde endlich das Verhältniß der Evangelischen Arbeitervereine zu den Arbeitgebern getrübt werden, vaS friedlich zu erhalten seit der Formu- lirung des Gelsenkirchener Vere-.nsstatuteS im Jahre 1882 grundsätzlich daS V»streben der Evangelischen Arbeitervereine gewesen ist. Unter solchen Umständen begrüßen wir eS, daß daS Organ des Gesammtverbandes der Evangelischen Arbeiter vereine Deutschlands, der „Evangelische Arbeiter bote", gegen vr. Maurenbrecher Stellung nimmt. Es ge schieht das durch die Zustimmung zu einem vr. Maurenbrecher bekämpfenden Referate, das im Dresdner Arbeiterverein Diakonus Winter erstattet hat. Der im „Evangelischen Arbeiterboten" vorliegende erste Tbeil des Referats berührt die oben von uns erhobenen Bedenken nicht, betont aber, daß die Arbeitervereine geistige Führer brauchen und daß es sich nicht absehen ließe, woher die Führer genommen werden sollten, wenn die Arbeitervereine zu Vertretungen einseitiger StandeSinterefsen würden. Diakonus Winter weist sodann auf einen Arbeiterverein hin, der ganz nach dem Herzen Maurenbrecher'S beschaffen ist: auf den in Berlin be stehenden, von dem Nationalsocialen Tischendörfer begründeten evangelisch-socialen Arbeiterverein. Wenn DiakonuS Winter diesen Verein als den Keim zu einer nationalen Arbeiterpartei willkommen beißt, so er innern wir dem gegenüber an eine Thatsacke, die zeigt, wie sehr die Vorkämpfer einseitiger StandeSinterefsen der Ar beiter den Gegensatz zur Socialdemokratie verdunkeln. Der eben genannte Herr Tischendörfer hat nach der diesjährigen Reichstags-Stichwahl in einer nationalsocialen Versammlung nach einem Berichte der „Freis. Ztg." gesagt: Man habe es den Natwnalsocialen verargt, daß sie keine Stichwahl parole ausgegeben hätten; eine solche hätte gewiß nicht gelautet: „Wählt (den freisinnigen) vr. Langerhans (gegen den Socialdemokraten)". — An solchen Früchten würden die reinen Lohnarbeitervereine wohl nicht arm sein. Zu den Grazer GemeindcrathSwahlcu schreibt man uns aus Graz vom 28. September: Größer und glänzender, als man erwartet hatte, ist der Sieg, den, wie bereit» tele graphisch gemeldet wurde, gestern der deutschnationale Wahlaus schuß und mit ihm die Sache der Staatseinbeit, des Deutsch- thums und der Freiheit davongetragen bat. Gestern schritt die Intelligenz (Gelehrte, Künstler, Professoren, Beamte, Pensio- naire) zur Urne, und wenn man bedenkt, daß in Graz gegen 700 pensionirte Osficiere leben, auf die mit den Staatsbeamten die klerikale „patriotische" (wie sie sich nennt) Regierungspartei rech nete, so muß die Niederlage, welche durch die Wahl indirekt die Regierung erlitt, eine furchtbare genannt werden. Von 2224 erschienenen Wähler» stimmten nur 424 „patriotisch". Sämmt- liche 16 deutscknationalen Wahlwerber wurde» mit je über 1800 Stimmen gewählt, während die „Patentpatrioten", wie erwähnt, trotz haarsträubender, unsauberer Agitation je 400 Stimmen mit Mühe und Noth erreichten. Fünfzehn von den sechzehn Gewählten gehörten dem aufgelösten Gemeinderathe an. Der sechzehnte wurde aus dem einfachen Grunde nicht wiedergewählt, weil er in zwischen verstorben ist; an seine Stelle trat der stramm deutsche Abgeordnete I)r. Hofmann-Wellenhof. Mit dieser Wahl haben die Wähler des zweiten WahlkörperS erklärt, daß auch sie die Auflösung deS Grazer Gemeiude- ralheS, der sich gegen den Badeni'schen TerroriSmuS aus gelehnt hatte, mißbilligen, daß sie den antideutschen Ten» denzen, die zur Auflösung geführt haben, den entschiedensten Widerstand entgegensetzen und daß sie von den Partei richtungen, welche die RegierungSmaßregel zur Etablirung ihrer Herrschaft zu benutzen gedachten, nichts, aber auch gar nichts Wissen wollen. Das ist die zweite Antwort, welche die Regie- w»,ng erhalten hat; sie ist so klar, so scharf, so entschieden, ^ -ß man in Wien nunmehr doch zu der Erkenntniß gelangt ein dürfte, man habe die Stimmung in Graz völlig ver kannt und die Widerstandskraft der Bevölkerung weit unter schätzt. Mit dem gestrigen Wahlgange hat die deutsche und fortschrittliche Parteirichtunz die Mehrheit gewonnen, und der Plan, die ganze Gemeindevertretung der klerikalen und christlich-socialen Herrschaft zu überantworten, ist gescheitert. Die christlich-sociale Partei ist in Graz gründlich fertig. Die am 27. September in Washington eingetroffenen philippinischen Aufständischen-Führer Agoucillo und Lopez, welche als Abgesandte Aguinaldo's und der „philip pinischen Nationalversammlung" Mac Kinley bitten wollen, die Unabhängigkeit der gcsammtcn Inselgruppe anzuerkennen und dieselbe unter den Schutz der Vereinigten Staaten zu stellen, werden möglicherweise mit ihrer Mission Erfolg haben. Nach den neuesten in Madrid eingetroffenen Meldungen soll sich nämlich Mac Kinley jetzt doch entschlossen zeigen, der Forderung einer sofortigen Annexion der Philippinen entgegenzutreten und eine solche vorläufige Lösung der Frage vorzuziehen, welche einerseits dem Dazwischentreten anderer Mächte ausweicht, und andererseits den Vereinigten Staaten die Möglichkeit bietet, in einem späteren Augenblick daS jetzt Beiseitegelassene nachzuholen. Von Personen, die dem Präsidenten uahesteheu, wird erklärt, Mac Kinley schrecke vor den finanziellen Opfern zurück, welche die Organi- sirung eine» festen Colonialsitzes in Ostasien erfordern. Es sei gleichbedeutend, ob in diesem Augenblick nur di« Insel Luzon oder gleich die ganze Gruppe der Philippinen und Karolinen in Besitz genommen werde. Schon Luzon erfordere eine starke militairische Be satzung, für welche sehr kostspielige Magazine, Casernen, Festungen, KriegShäfen anzulegen seien, außerdem müsse sofort eine Kette von Flottenstützpunkten im Stillen Ocean ge schaffen werden, wodurch leicht ein Gesammtaufwand von einer Milliarde Dollar- nothwendig werden könne. Wenn dagegen jetzt die Inselgruppe eine nominelle Unabhängigkeit unter amerikanischem Prolectorat erhalte, so werde die Union doch nach Verlauf einiger Jahre der thatsächliche Besitzer der Inseln sein, auf welches Ereigniß man sich inzwischen langsam vorbereiten könne. Durch eine Reihe von Artikeln verschiedenen Ursprungs in der „Weser-Ztg." wird ein scandalöses Erpresser system in der Zollverwaltung der französischen Colonie Saigon (Cochinchina) enthüllt, daS freilich schon vorher nicht ganz unbekannt war. Es leiden darunter vor Allem deutsche Schisse, auch englische und holländische, während man an französischen sich nickt zu vergreifen wagt. Seit März 1886 sind die folgenden Schiff« in Saigon ge schröpft worden: der englische Dampfer „Lennox" um 14 000 Doll., der holländische Dampfer „Borneo" um 18 000 Doll., der englische Dampfer „Siam" um 10 000 Doll., die deutschen Dampfer „Holstein" um 15 200 Doll., „Wuotan" um 15 300 Doll., und ganz kürzlich ist der Dampfer „Donar" nur gegen eine Caution von 25 000 Doll, zur Sicherung der Zollstrafe freigelassen. Vielleicht giebt eS noch mehr Fälle. DerGang derDinge ist in allen Fällen derselbe. Die französische Colouialregierung hat Opium einem hohen Zoll unterworfen, um die Einfuhr möglichst zu erschweren, wogegen nichts einzuwenden ist. Um die Beamten zur Wachsamkeit anzuspornen, hat sie diesen einen ansehnlichen Antheil an drr wegen Schmuggels zu ver hängenden sehr hohen Zollstrafe ausgesetzt. Natürlich haben diese Beamten nun ein sehr große» Interesse, daß wirtlich Opium geschmuggelt wird und daß dabei zahlungsfähige Sckmuggler abgefaßt werden; für die Zollstrafe haftet das die Maaren bringende Schiff. Die Capltaine wissen da» Wohl und ver fahren daher, wenn sie nach Saigon gehen wollen, schon in den fremden Häfen, namentlich indischen und chinesischen, wo sie Kulis an Bord bekommen, mit aller erdenklichen Vorsicht, um das Anbordbringen von Opium zu verhindern. Ist nun kein Opium heimlich an Bord gebracht, so kommen die fran zösischen Zollbeamten gar nicht. Wenn sie aber kommen, so weiß der Capitain schon Bescheid, daß er daS Opfer eines Be truges geworden ist. Die Zollbeamten wissen regelmäßig genau, wo daS Opium steckt, und finden eS an Plätzen, die die Officiere noch bei der Abfahrt revidirt haben. Es ist nämlich irgend einer Person der farbigen Schiffsmannschaft gelungen, Opium heimlich an Bord zu bringen und während der Fahrt geeignet zu placiren. Kaum in Saigon angekommen, läuft der Mann von Bord und verschwindet, während die Zollverwaltung sonst niemals eine Person ohne Paß anS Land läßt. Der Mann bringt sich in Sicherheit und macht der Zollverwaltung Mittheilung, wo da» Opium versteckt ist. Diese findet es natürlich und verdonnert daS Schiff zu einer kolossalen Geld strafe. AuS den Antheilen der Beamten wird vermuthlich der Kuli entschädigt und belohnt. Es bat sich bis jetzt nichts dagegen machen lassen. Auch die Vermittlung der deutschen Feirrlletsn. Dem Glücke wie-ergegeben. 8s Novelle von C. Gerhard. Nachdruck verboten. Und Egon? In seinem Herzen tobte ein Sturm. Was er vergessen geglaubt, das tauchte mit mächtiger Erinnerung wieder vnr ihm aus. Wieder sah er es vor sich stehen, das Weib, ge schmückt mit allen Reizen der Schönheit, welches er mit heißer Jugcndlvidenschaft geliebt, und welches ihn so schmählich ver-- rachen und fast in den Tod getrieben! Und nun war sic, die Treulose, schon lange gestorben, der schöne Körper in die dunkle Erde gelegt! Ein Schauder überflog ihn. Was Jahre eifrigster Arbeit an sich selbst, was ruheloses Um- Lrrstreifen endlich erreicht, — ein einziger Augenblick riß es nieder. Tausend Schmerzen wühlten in ihm und er muhte sich bezwingen, um nicht vor Qual laut auszuschreien. Und Elsa — ihre Tochter? Jenes schöne, blondlockige Mäd chen — das Kind, welches er einst so oft auf seinen Armen ge wiegt, dem er gehofft hatte, Vater zu werden? Er kam sich plötz lich alt, uralt vor. Und sein Blick fiel wieder auf Elsa. Der Tanz hatte soeben begonnen; mit einem flotten Husarenofficier flog sie im Kreise umher. Wie ihre Augen feuchteten, wie die zarten Wangen sich rötheten, wie die Füße kaum den Boden be rührten! Dann hielten sie an; der Lieutenant stand vor dem holden Geschöpf, dasselbe mit bewunderndem Blick betrachtend, eifrig mit ihm plaudernd, während eS lachend zu ihm aufschaute. Ein bitteres Lächeln stahl sich um des Beobachters Mund, und er murmelte: „O, sie ist leichtsinnig, wie ihre Mutter. Nun treibt sie dasselbe Spiel mit Dem da, wie Lucia einst mit mir." Ein tiefer Seufzer entrang sich der belasteten Brust; Egon wollte das Fest verfassen, um daheim ungestört seinen Gedanken nachhängen zu können. Jedoch an drr Thüre des Vorzimmers trat ihm der Wirth deS Hauses mit einem anderen Greise ent gegen. „Halt, Sie wollen unS doch nicht entschlüpfen, liebster Freund", rief er ihm zu, „ich lasse Sie noch nicht fort." „Ich fühle mich nicht ganz wohl", entschuldigte sich Egon, „die Hitze im Saale, die ungewohnte Menschenmenge —" Sein bleiches Aussehen widersprach seinen Worten nicht, doch der General meinte, ihm könne in diesem Zustande die kalte Nachtluft mehr schaden, und schlug ihm ein gemächliches Plauder stündchen mit ihm und dem anderen alten Herrn, der dem Grafen als Freiherr von Blllthler vorgestellt wurde, vor. Als der Letztere Egon's Namen hörte, rief er lebhaft aus: „Wie, Graf Egon von Steinfels? Ihre Mutter war eine ge borene Gräfin Schulendorf?" Als der Graf bejahte, zog er ihn mit sanfter Gewalt in seine Arme und rief: „Kommen Sie an meine Brust, Sohn meiner Freundin! Wie sehr freue ich mich, Sie kennen zu lernen! Erzählen Sie mix von der trefflichen Frau." Damit führte er ihn zu einem gemüthlichen Platz. Egon, wohlthätig berührt von dieser unverhüllten Theilnahme, erzählte ihm nun viel von seinen Eltern und seinem eigenen Leben. Am Schlüsse des Gespräches forderte der Freiherr ihn auf, ihn recht häufig zu besuchen. „Ich bin zwar Junggeselle", fügte er hinzu, „lebe aber dennoch sehr behaglich, denn ich habe das Stieftöchterchen meines Freundes, des verstorbenen Barons von Buttler, bei mir, jenes herzige Dornröschen, welches Sie gesehen, meines Alters Trost und Freude." Egon erblaßte. „Sie werden verzeihen, aber ich komme selten nach der Stadt; meine Güter, besonders Steinheim, erfordern meine ganze Thätigkeit." „Nein, nein, mein Lieber, derartige Entschuldigungen lasse ich nicht gelten: übrigens werden Sie mich doch nicht los, da wir im Sommer Nachbarn werden. Mein kleines Sternfeld ist nur durch den Wald von Ihrem Steinheim entfernt. Aber auch noch im Winter erwarte ich Sie bald und oft." Damit trennten sie sich, und es gelang nun Egon, sich zu ent fernen und nach Hause zu fahren. — Fünftes Capitel. Woche auf Woche verging, ehe Egon sich entschließen konnte, der Aufforderung des Freiherrn nachzukommen. Zuweilen traf er ihn und Elsa in einer Gesellschaft, aber nur «ine tiefe Ver beugung bekundete der Letzteren, daß er sie überhaupt kannte. Aber oftmals, selbst beim Tanze fühlte sie sein dunkle» Auge auf sich ruhen, als wollte er ihre geheimsten Gedanken ergründen, und es durchschauerte sie seltsam. Sein Schweigen, seine kühle Zurückhaltung waren ihr räthsel- haft, und gerade dieses machte ihn zu einem Gegenstand ihres häufigen Nachsinnens. Endlich mußte Egon doch dem Zwange der Höflichkeit folgen und dem Freiherrn seinen Besuch abstatten. Doch wie eriöst athmete er auf, als ihm der grauhaarige Portier mittheilte, der Freiherr sei mit der Baronesse zur Bahn gefahren, um die neu engagirt« Gesellschafterin zu empfangen. Bald darauf mußte er abreisen, da eines seiner entfernt liegenden Güter seine An wesenheit dringend beanspruchte. Als er nach Verlauf mehrerer Wochen zurückkehrte, fand er auf seinem Schreibtische eine Ein ladung zu einer Soiree bei dem Freiherrn, freilich zu einem längst verflossenen Datum. Seiner Pflicht genügend, schrieb er ein kurzes entschuldigendes Billet. — So war allmählich wieder der Frühling ins Land gekommen. Milder wehten die Winde, wärmer wurde die Luft, goldener schien die Sonne, und wie durch Zauberhände erhielt Wald und Flur ein frisches, jungfräuliches Aussehen. Ueberall knospete, grünte und blühte es, und auch in Egon's Herz zog langsam Frühlingsstimmung «in. Er schaffte und wirkte eifrig auf seinem geliebten Steinheim. Diese Thätigkeit war seiner kraftvollen Natur Bedürfniß, und es erfüllte ihn mit Stolz, das unter seinem früheren Besitzer stark verschuldete Gut aufblühen zu sehen. Oft unternahm er auch weite Ritte, nur begleitet von seinem Cäsar. Dann jagte er dahin durch Felder und Auen cder gönnte seinem Pferde eine gemäßigtere Gangart im grünenden Walde. Da verfiel er nicht selten in Träumereien, bei denen ein lichtes, goldhaariges Mädchen mit sonnenklaren Augen keine geringe Rolle spielte. Ertappte er sich aber auf solchen Gedanken, so schalt er sich selbst thöricht und spornte sein Roß an, als könnte er durch eiliges Reiten denselben entgehen. Mit dem einziehenden Frühlinge waren auch die Nachbarn nach Sternfeld Mrückgekehrt. Egon hörte es bald von seinen Leuten, und es dauerte nicht lange, bis ein leichtes Jagdwägelchen vor seinem Hause hielt, dem der alte Freiherr entstieg, um den Grafen in herzgewinnender Weise einzuladen, gute Nachbar schaft zu halten. Egon durfte der freundlichen Einladung nicht widerstehen und fuhr bald darauf durch den duftigen Wald nach Sternfeld. Als er hörte, daß die Herrschaften auf der Veranda säßen, schritt er durch den Garten nach der bezeichneten Stelle. Fröhliche» Lachen scholl ihm schon aus der Ferne entgegen und ein an heimelnde» Bild bot sich seinen Augen. Auf der großen Veranda am Hause stand der gedeckte Kaffeetisch, dem Elsa präsidirte. Ihr zur Rechten saß der Freiherr, zur Linken ein schmucker Husarenofficier und ihr gegenüber eine junge Dame, welch« Egon unbekannt war. DeS Grafen Ankunft wurde von dem Freiherrn mit lebhafter Freude begrüßt; über Elsa's Antlitz lief eine feine Röthe »nd die Kaffeetasse, die sie in der Hand hielt, klirrte leise. Der Officier wurde Egon als Elsa's Vetter, Kurt von Blankenburg, vorgestellt und Egon erkannte 'N ihm sogleich jenen eifrigen Tänzer der Baronesse auf der verhängnißvollen Soirße. Die Dame war die Gesellschafterin Elsa's, ein junges Mädchen von etwa fünfundzwanzig Jahren. Fräulein von Burgsdorf machte einen höchst angenehmen Eindruck. Zwar konnte man sie nicht schön nennen, aber die großen, grauen Augen waren durchleuchtet von Herzensgüte und Klugheit und die kastanienbraunen Haare umrahmten sehr lieblich das feine Oval ihres Gesichtes. Egon nahm neben ihr Platz, so daß er gerade Elsa zum Gegenüber hatte. Das ieichte, weiße Sommerkleid paßte vor züglich zu ihrem zarten Teint und dem wundervollen Goldhaar. Sie war in sehr lebhafter Unterhaltung mit dem Vetter be griffen, welcher der schönen Cousine augenscheinlich den Hof machte. Die Witzworte flogen ncckrnd hin und her und melodisch erklang Elsa's heiteres Lachen. Egon indessen war bald mit dem Freiherrn und Fräulein von Burgsdorf in ein anziehendes Gespräch vertieft. Die Letztere hatte ihm mitgethcilt, daß sie lange Jahre in England gelebt, und da auch er dort gewesen, ergingen sie sich lebhaft in gemeinsamen Erinnerungen. Egon gefiel das ernste, aber liebenswürdige Mädchen, und nur zuweilen flog sein Blick zu Elsa, die ihr Amt am Kaffeetische mit reizender Grazie verwaltete. Allmählich war ihr Geplauder mit dem Vetter verstummt und sie lauschte den Schilderungen des Grafen, während der Husarenlieutenant, ärgerlich darüber, sein zierliche» Schnurr bärtchen drehte und es nicht begreifen konnte, daß man ihn so wenig beachtete. Er war es auch, der bald darauf einen Spazier gang durch den Garten veranlaßte, von dem er freilich keinen Vortheil hatte, da der Graf sich gleich an Elsa's Seite begab, so daß er, um nicht ungezogen zu erscheinen, mit Fräulein Burgsdorf folgen mußte. Langsam durchschritten die beiden Paare den Laubgang, der zum See hinunterführte. „Baronesse", bat Egon leise, „haben Sie mir meine unzarte Erinnerung damals auf dem Balle vergeben?" Sie hob die klaren Augen zu ihm auf und sagte einfach: „ES bedurfte keiner Vergebung, Herr Graf, im Gegenthril, Ihr tiefer Schreck über meiner lieben Eltern Tod konnte mich nur angenehm berühren, war er mir doch ein Zeichen, daß Sie den Verstorbenen nahe gestanden." Ein Schatten überflog seine Züge und er umging die Ant wort auf die halb fragende Bemerkung. „Sie können sich kaum denken, Baronesse", begann er nach kurzer Pause, „wie sehr ich erfreut war, in dem lieblichen Dornröschen meine kleine Wald fee wieder zu erkennen, und diese Freude wollte ich Ihnen auch aussprechen." Ein heißes Roth überfluthet« ihre Zug«. „Und warum",
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