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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhk dir Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Ne-aclion und Ervedition: IohanncSgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abrnd» 7 UhL Filialen: Dtt» Klemm'» Lertini. (Alfred Hahn), Universität-straße 3 (Paulinus), Loui» Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. BdzugS'Prei^ tzn der Hauptexpeditton oder drn im Stadt« bezirk und drn Vororten rrrichtrten Aos- vavrstrllen abgrholt: vierteljährlich ^l4.ü0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliäbrlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandirndung in» Nu»land: monatlich >4 7.50. Morgen-Ausgabe. MpMer TagMaü Anzeiger. Hmtsvlatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. 418. Freitag den 49. August 1898. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Neclamen unter dem Redaction-strich (4ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtei (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unjrrrm Preis« vtTzeichuitz. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbrförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen« Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Sxpeditiov zu richten. Druck und Verlag von E. P olz tu Leipzig. 92. Jahrgang. Lergpolheiliche Anregungen in Preußen. 12 Wenige Tage nach dem großen Grubenunglück, da» sich im Februar d. I. auf der Zeche Carolinenglück ereignete, bat der preußische HandelSminister im Abgeordnetenbause die Absicht kundgegeben, die bergpolizeilichen Vorschriften einer Revision zu unterziehen. Seitdem ist bereit» eine einschnei dende Verfügung (betr. die Berieselung der Schlagwetter gruben) ergangen, die Frage der Ueberschichten ist in Be ratung genommen und die nach der Zulässigkeit einer weiteren tief einschneidenden Neuerung zur Erörterung gestellt worden. Der Minister hat bei den Oberbergämtern angefraat, ob die Ermöglichung häufigerer Revisionen des BergwerkS- betriebeS durch die „Schaffung eine» unteren AussichtS- apparateS" zweckmäßig erscheine. Der Minister bezeichnet seinerseits zwei gangbare Wege für die Einführung der Einrichtung: entweder Anstellung staatlicher Unterbeamten oder Verwindung von Personen aus dem Steiger- oder Arbeiterstand al» Arbeiterdelegirte. Herr Brefeld scheint dem letzteren Wege den Vorzug zu geben, denn er hob her vor, daß die Aufstellung von Arbeiterdelegirten die StaatS- casse weniger belasten und zugleich die Erfüllung der aus Arbeiterkreisen laut gewordenen Wünsche bedeuten würde. Gegen diese Absicht macht nun der Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamt Dort mund in einer dem Minister überreichten Denkschrift leb hafte Bedenken geltend. Wir heben aus der bemerkens- werthen Darlegung, die sich hauptsächlich gegen den zweiten Weg richtet, „ohne damit den ersten als praktisch gangbar bezeichnen zu wollen", daS Folgende hervor: „Euer Excellenz haben bet der zweiten Lesung de» Bergetats mit den Worten eine» elastischen CitaiS vor der Täuschung gewarnt, al- ob der Bergbau auch bet Anwendung der vollendetsten Hilfs mittel je völlig gefahrlos zu machen sei. Die Gründe für diese Thatsache sind unseres Erachten- vornehmlich die von jedem anderen Großbetriebe abweichende Form der isolirten Beschäftigung de» Einzelnen und sodann dir größere Ab hängigkeit von den elementaren Ereignissen. Die wirksamste Maßnahme der Unsallverminderung liegt deshalb unseres Erachten- darin, daß das Bewußtsein der Verantwortlichkeit in jedem einzelnen Arbeiter und Grubenbeamten geweckt und ge kräftigt werde, indem man u. A., wie in unserem Bezirk üblich, verlangt, daß Arbeiter erst nach längerer Borbrreitungszett zu Hauer arbeiten zugklassen werden. Bet der geplanten Schaffung eine unteren Aussicht-apparate» aber muß nothgedrungen die» Gefühl der Verantwortung bet Beamten wie Arbeitern Einbuße erfahren. Zu dem kommt, daß hierdurch ein Theil der Verantwortlichkeit auf Personen übertragen wird, welche ihr nicht gewachsen sind. Die Verhältnisse nicht nur de» einzelnen Revier», sondern bereits der einzelnen größeren Grube sind häufig an verschiedenen Punkten so verschieden (Flützverhalten, Abbau-Methode, Beschaffen, heit des Nebengesteins, da- Maß der GrubrngoSentwickelung rc.), daß eine zutreffende Beurtheilung der Grube in all ihren Theilen selbst auf Grund mehrjähriger, ausschließlich praktischer Erfahrung unmöglich ist. So läßt sich, um nur rin Beispiel zu nennen, die Hauptaufgabe unserer Gruben, die Wetterführung, ohne Kenntniß mannigfacher physikalischer und chemischer Gesetze gar nicht sachgemäß prüfen. Wenn aber schon bei der Beschränkung auf die eigene Grude selbst die au-schließlich controlirende, von eigenen Anordnungen frei bleibende Tbätigkrit der Delegieren auf dem wichtigsten Gebiete de» Sicherheitsdienste» versagen wird, so ist nicht abzusehen, welchen Nutzen solche Delegirte auf anderen Gruben zu bringen vermögen, auf denen sie nicht jahrelang gearbeitet haben. Ferner steht dahin, ob der untere Aussichtsrath bei der geplanten Recrutirung die er« forderliche moralische Qualification und insbesondere ausreichende Charakterstärke besitzen wird. Die Erfahrungen mit einem Theil der KnappschastSältesten lassen die Berechtigung dieser Bedenken zur Genüge erkennen: den sehr bedenklichen Zuständen, welche hier sich herausgebtldet hatten, konnte wirksam nur durch Schaffung von selbstständiger dastehenden Oberältesten begegnet werden, deren Amtsführung nicht durch eine unzulässig« Rücksichtnahme auf ihre Wähler beeinflußt war. Ganz ähnliche Erschrinungen wird die geplante Bestellung de- unteren Aussichtsapparatrs zur Folge haben. Es kann nicht ausbleiben, daß die Arbeiter — falls di« Dele- girten ein strafbares Verschulden der Arbeiter feststrllen — sie durch Zuspruch, durch Drohungen oder auf andere Weife zur Unter- lassung einer Anzeige zu bestimmen versuchen. Die in einem Falle bewiesene Nachgiebigkeit ober macht den Delegirten u. f. w. für alle Folge von all den Arbeitern abhängig, die von dieser einen Pflichtverletzung de» Delegirten erfahren. Auch bei der gewollten Beschränkung der Arbeiter-Delegirten aus eine au-schließ lich controlirende Thätigkeit nach Anweisung des Revierbeamten wird eS geschehen, Laß sie — z. B. in vermeintlich dringenden Fällen — dennoch den Arbeitern 'ohne vorheriges Einvernehmen mit den Grubenbeamten direkt« Weisungen ertheilen und somit theils thatfächlich, theil» nur in der Meinung de» Arbeiter» in Gegensatz hu den Anordnungen der Verwaltung wie der Grubenbeamten i rrten. AuS dieser Zwiespältigkeit aber werden eine ganze Anzahl Versäumnisse thatfächlich entstehen, noch mehr aus sie zurüägeführt werden, so daß am letzten Ende die Vorkehrungen gegen Unfälle damit nicht verbessert, sondern verschlechtert werden. E- werdcn ogar Fälle nicht selten fein, in denen direct unzweckmäßige Anordnungen Gefahren herbeiführen. Zudem ist damit eine Schwächung der Autorität der Grubrudeamten unausbleiblich. Die Kräftigung der Autorität der Betriebsbeamten aber und insbesondere die der verantwortlichen Betriebssichrer auch seitens der Revierbeamten würde voraussichtlich ein weit geeignetere» Mittel zur Verhütung von Unfällen sein. Das All- ,»meine Berggesetz sieht den Befähigungsnachweis nicht allein für >en mranttvvrtlichen Betriebssichrer, sondern auch für die ihm unterstellten Grubenbeamten vor und bedroht diefelbeu im Falle von Pflichtwidrigkeiten mit dem Verlust dieser Qualification. Diese gesetzliche Vorschrift mit ihrem Zwange, ausschließlich qualificirte nufsicht-beamte auch auf ganz untergeordneten Posten (Förderaus- feher rc.) zu verwenden, beruht vornehmlich wohl in der lieber- zeugung, daß Niemandem ein dringlicheres Interesse an der Ver- Hütung voa Unfällen innewohnt, als diesen Beamten, denen mit jedem schuldhaften Versehen — ganz abgesehen von strafrechtlicher Verfolgung — der Verlust der Qualification und damit der Existenz überhaupt droht. Aus diesen technischen Gründen glauben wir die auch von uns anaestrebte Verbesserung des SichrrheitszustandeS der Gruben außer auf dem von uns vorbezeichneten Wege weit eher von der Brr- mehrung der zu wirksamer Aufsicht thatsächlich quali- ftcirten Hilfsarbeiter bei den Revierbeamten und von der inzwischen mit allen Kräften «ingeleiteten Verstärkung des Grubenbeamtrnpersonal» erwarten zu dürfen, als von der Schaffung von Aufsicht-organen mit einer diesen Aufgaben nicht gewachsenen Vorbildung. Zu den Bedenken auf technischem Gebiete treten aber solche politischen Charakter», die, wie wir glauben, ganz besondere Be deutung besitzen. Mit der königlichen StaatSregierung glauben wir uns eins in der Ueberzeugung, daß die socialdemokratische Partei ihren revolutionairen Charakter nach wie vor bewahrt und ihre extremen Ziele keineswegs verändert hat, sie vielmehr aus Oppor- tunitätSgründen verschleiert hält. Es kann dann keinem Zweifel unterliegen, daß alle Maßnahmen, welche die socialdemokratische Partei befehdet, ihrer Ausbreitung hinderlich, alle die aber, welche sie gutheißt, ihrer Entwickelung förderlich zu sein versprechen. Schoa jetzt legt sich di« Partei stets da- Verdienst bei, diese vom Minister angrregte Maßregel zuerst vorgeschlagen zu haben, und knüpft daran auch dir gewohnte Behauptung, daß sie allein die legitimirte Vertreterin der Arbeiterinteressen sei und daß greifbare Ergebnisse in der Durchsetzung von Arbeiterfordcrungen nur in ihrer Gefolgschaft zu erwarten ständen. Der neue, in der Frage der Arbeiter-Bertretrr sich bietende Agitationsstoff muß der Partei um so willkommener sein, je weniger sie auf Leistungen in positiver Mitarbeit sonst hinzuweisen in der Lage ist. Auch erscheint es für agitatorische Verwerthung der Maßnahme von geringem Belang, ob man Arbeiter-Vertreter von Staats wegen beruft oder frei durch die Arbeiter wählen läßt. Die Agitation würde die Einsetzung staatlicher, seit» als eine vorerst theilwetse Erfüllung der Arbeitrrforderungen bezeichnen, in dem ständig wiederholten Verlangen der freien ge- Heimen Wahl der Vertreter aber wäre stets bereiter, wirk- samer Agitation» st off gegeben, der Ruhe unter den Beleg- schäften nicht rinkehrrn ließe. Auch ist nicht anzunehmen, daß die Wähler, wenn auch nur allmählich, in gemäßigte Bahnen einlenken. Die Erfahrungen z. B. mit den Wahlen zu den Gewerbe- geeichten lehren, daß die Vertreter der Arbeiter fast ausschlieh- lich der socialdemokratischen Partei angehören. Aus Len Wahlen werden als Delegirte womöglich die Agitatoren selbst hrrvorgehen, welche der Wahlbewegung vorgestanden haben. Aber auch wenn daS nicht geschieht und eigentliche Bergleute ohne agitatorische» Vorleben bestellt werden, so können auch diese trotz eventuellen Widerstrebens sich auf die Dauer dem ParteiterroriSmus nicht entziehen, dessen vor nicht- zurkckschreckrnde Wirkung — wir «rinnern an di« ständig wiedrrkehrenden Vergehungen gegen Streik brecher u. a. in Torgelow — genugsam bekannt ist. In jedem Falle aber werden Anhänger der Partei, mit einer gewisseu staatlichen Autorität ausgerüstet, ihre Stellung zur Förderung der Parteizwecke au-nutzen und damit in letzter Linie den Bestand des Staates selbst gefährden. Mit Ein- füdrung eine» wie immer gearteten Wahlsystems aber, wie dies z. B. in der Petition des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter und auf dem Dortmunder Bergarbeiter-Kongreß, Ostern 1898, ge- fordert wirb, ist die socialdemokratische Wahlagitation und Wahl- Organisation in Permanenz erklärt. Damit wird eine Schulung geschaffen, deren Wirkung auch auf den Ausfall der politischen Wahlen selbst nicht ohne Rückwirkung bleiben kann und infolge dessen alle zur Eindämmung der socialdemokratischen Agitation ge- troffen«» oder zu treffenden Maßnahmen der königlichen Staats- regirrung bei den Bergarbeitern hinfällig zu machen droht. Jede- wie immer geartete Eingehen aus diese Forderung ist unseres Erachtens eine Unterstützung der socialdemokratischen Agi tation und Organisation, dem gegenüber es von zurücktretender Be deutung ist, in welcher Form dies Eingehen geschieht. Auch kann wohl nicht bezweifelt werden, daß eS sich hier um eine sür di« ge- ammte Industrie bedeutungsvolle Entscheidung handelt. Dem ersten Borstoße auf dem Gebiete deS Bergbaues werden alsbald ähnliche für die übtigen Zweige der Industrie folgen, alle mit demselben Ziel, daS Netz der Organisation fester zu knüpfen, wie die Agitation lebendig zu erhalten, um in dem gesammten gewerblichen Leben Deutschlands Zustände herbeizuführen, auf welche der im Vorjahr begonnene Ausstand der britischen Maschinenbauer einen lehrreichen Ausblick eröffnet hat." Es versteht sich von selbst, daß Laien im Bergwesen an den vorgetragenen Bedenken unzweifelhaft technischer Natur eine ernsthafte Kritik nicht zu üben vermögen, und was anderer seits in der Denkschrift zur Psychologie der Socialdemokratie beigebracht wird, muß als durchaus zutreffend bezeichnet werden. Aber daS menschliche wie das volkswirthschaftliche Interesse an den thunlickst weitgehenden Vorkehrungen gegen die menschenmordenden Grubenunfälle ist zu groß, als daß man wünschen könnte, mit der Denkschrift sei das letzte Wort in dieser Sache gesprochen worden. Die Bestellung von Arbeiterdelegirten durch Wahl halten wir für ausgeschlossen, sie würden von der Verwaltung berufen werden. Auch scheint eS nicht im Plane zu liegen, Arbeiter zu Mit gliedern der Grubenaufsicht in dem Sinne zu machen, daß sie selbstständig die Aufsicht ergreifen dürsten oder Stimme bei Berathungen haben sollten. Daß aber Arbeiter, die Jahrzehnte in Gruben beobachtet und — gefühlt haben, die Theorie ergänzen und manche werthvolle Wahrnehmung machen und mittheilen können, ist doch sehr einleuchtend. Dazu aber dürfte eS allerdings, wenn nicht absolut nöthig doch zweckmäßig sein, wenn sie als bestellte Organe gehört werden muffen, anstatt auf die Stelle un berufener Berichterstatter angewiesen zu sein. Mit glieder eines geordneten Arbeiter-BeiralhS werden durch Mitglieder der eigentlichen Aussicht wobl auch leichter von falschen Ansichten über daS technisch Mögliche und technisch Zweckentsprechende abgebracht werden können, als nur dem eigenen Raisonnement, sowie der socialdemokratischen Agitation überlassene Arbeiter. Daß die Delegirten aus Fanatismus oder aus Scheu vor dem socialdemokratischen Terrorismus mit ihrem erworbenen besseren Wissen den Mitarbeitern gegenüber ausnahmslos hinter dem Berge halten würden, ist doch nicht anzunebmen. Sie werden deshalb vielfach oder doch manchmal zur Beruhigung beitragen können. Die Denkschrift bemerkt gewiß mit Reckt, daß daS volle Bewußtsein der Verantwortlichkeit bei jedem einzelnen Gruben beamten und Arbeiter die wichtigste Voraussetzung der Un- fallvermindernng sei. Aber es ist doch nicht ausgeschlossen, daß das Verantwortlichkeitsgefühl der Arbeiter gestärkt wird, wenn sie von Mitarbeitern hören: „Wir haben uns überzeugt, die und die Vorkehrung, die ihr wollt, kann nicht getroffen werden; der einzige Sckutz gegen die und die Gefahr besteht darin, daß ihr euch in Acht nehmt." Eine Schwächung der Socialdemokratie wäre von der an geregten Maßregel allerdings noch für lange so wenig zu erwarten, wie sie von der Ärbeiterversicherung erhofft wurde, die man dennoch geschaffen hat. Umgekehrt wäre eine Verstärkung der revolutionairen Partei durch einen unteren Aufsichtsapparat mit Arbeitern dock wohl nur dann zu befürchten, wenn die Einrichtung im Geist der social politischen Romantik von 1890 und den folgenden Jahren gehandhabt würde. WaS nun die in der Denkschrift hervor gehobene Bedeutung einer Neuerung wie der in Rede stehenden für die ganze Industrie angeht, so haben die Verfasser diesem Bedenken selbst die Spitze abgebrochen, indem sie zu Eingang ihrer Darlegung die Thatsache betonen, daß der Bergbau von jeder anderen Großbetriebsform abweicht, und in größerer Abhängigkeit von den Elementen steht als jede andere Arbeit. Das letztere Moment muß unseres Er achtens ausschlaggebend sein für die Ergreifung jeder Maß regel, die die ungeheuren Gefahren für die Bergleute zu mindern vermag, ohne den Bergbau selbst und damit den Erwerb der Arbeiter in Frage zu stellen. Deutsches Reich. * Berlin, 18. August. Die schon erwähnte Eingabe der Deutschen Südbrasiliens an den Kaiser hat olgendcn Wortlaut: Allerdurchlauchtiaster, großmächtigster Kaiser? Allergnädigfier Kaiser, König und Herr! Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät nahen sich die Unterzeichneten im Staate Santa Catharina, Brasilien, wohnhaften Deutschen mit der allerunterthänigsien Bitte um Hilfe und Schutz in ihrer unverschuldeten Noth- lage. Mehr als 70000 Deutsche und Deutschredende, rin Drittel der Gesammtbcvölkerung unsere» Staates, gehen sür alle Zeiten dem Deutschthum verloren, wenn die Einwanderung n unsere gegenwärtig noch blühenden deutschen Colonien noch ernerhin unterbunden wird. Cure Majestät haben allergnädigsl das v. d. Hrydt'jck« Rescript, welches die Agitation sür die Aus wanderung nach Brasilien in Preußen verbot, sür die Südstaoten Brasiliens aufgehoben. Die Berichte Sr. Excellenz des kaiserl. Ge- andten Herrn vr. Krauel, Sr. Excellenz des kaiserl. Vice- AdmiralS Herrn Valois, Les Directors des Norddeutschen Lloyd Herrn vr. Wiegand und aller Reisenden, die je unser schönes Land lennen lernten, lauten übereinstimmend durchaus günstig über unsere deutschen Ansiedelungen. Zufolge der Aushebung des v. d. Heydt'schen Nescriptes hat sich eine Anzahl patriotischer Männer als „Hanseatiscde Colonisations-Gesellschaft" in Hamburg constituirt und in unserem Staate einen Landcomplex von der Größe des Groß- herzogthums Oldenburg erworben, beziehungsweise sich gesichert, der, wenn besiedelt, die beiden größten deutschen Colonien in Santa Catharina, Blumenau und Dona Francisca verbinden würde und auf dem außerdem noch für zahlreiche deutsche An- iedelungen Raum und günstige Entwickelungsvorbedingungen vor handen sind. Da erhalten wir jetzt die Nachricht, „daß den beiden an dem ColonisationSunternehmen beiheiligten Rhedereien, dem Norddeutschen Llovd und der Hamburg-Südamerikanischen DampsjchiffsahrtS-Gesell- chast, untersagt worden ist, Auswanderer sürnicht concessionirleBesiede- ungSgejellschasteu anzunchmen und zu befördern, daß der hanseati- chen Colonijattonsgejellschast vom Auswärtigen Amt die Con- cejsion hartnäckig verweigert wird, während seit dem 1. April d. I. eine Reih« ausiändischer DampsjchifffahrtS-Gesellschasten zum Ge schäftsbetrieb zugelassen ist, daß die beiden genannten deutschen Dampfschifffahrts-Gesellschaften gehindert werden, die Kenntniß unseres Lande» und unserer Verhältnisse in guswanderungSlustigen Kreisen Deutschlands in geeigneter Weis« zu verbreiten". Somit sind wir heute schlechter daran al« vor der Aushebung drSRescripte». Die Coloni- sationsgesellschaft kann nicht agitiren, der Einwandererslrom ergießt sich nach wie vor in di« Bireinigten Staaten von Nordamerika, wo er auf immer dem Vaterland» verloren geht, ja, zum Concurrrnten desselben heranwächst. Ohne Agitation keine Einwanderung, ohne diese ist daS Ende der Colonisations-Gesellschaft vorauszusehen. Dann aber geht die Landconcession wahrscheinlich aus Italiener oder aus Polen über, unwiderruflich ist dann dem Deutschthum wieder ein Coloni« sationSgebirt verloren, wie eS aus der schönen Erde kein zweites giebt; aber nicht nur dem Deutschthum, sondern auch dem deutschen Handel, der deutschen Industrie, der deutschen Schifffahrt. Kein einzige» Land, selbst das ödeste und ungesundeste, hat unter ähnlichen Erjchwe- rungen zu leiden. Ausschließlich gegen uns, die wir treulich unser Deutschthum bewahrt haben wie wenige versprengte Volkstheilr, die wir geschloffene deutsche Colonien bilden, in denen Armuth und Bettelet unbekannt sind, gerade wir werden seit 1859 beständig gemaßregelt, als ob wir die ungerathenslen Söhne der Mutter Germania wären, als ob wir im ungesundesten Klima der Welt, in den erbärmlichsten Verhältnissen lebten. Ein Wort Eurer Majestät kann unserer Nothlage ein Ende machen. Darum flehen Eure Majestät wir an, dieses erlösende Wort allergnädigst auSsprechen zu wollen. In tiesstcr Ehrfurcht verharren wir Ew. kaiserl. und königl. Majestät allernnterthänigst (folgen die Unterschriften). Wie schon bemerkt, liegt die Sache zur Zeit beim BundeS- rath, und die Entscheidung wird ohne Zweifel in dem ge wünschten Sinne fallen. Die Verzögerung, die den Verlust eines vollen ArbeitSjabreS bedeutet, ist und bleibt allerdings bedauerlich, wenn sie sich auch aus den Vorschriften deS Aus wanderungsgesetzes leicht erklärt. * Berlin, 18. August. Der BundeSrath hat durch Beschluß vom 16. v. Mts. eine Neuregelung des Nach richtendienstes in Diebseuchenangelegenbeiten eiutreten lassen, die am 1. October d. Zs. in Kraft tritt und von den bisher giltigen Bestimmungen in folgenden Punkten abweicht: ») Unter die Krankheiten, deren Ausbrüche den Polizeibehörden der Nachbargemeinden anzuzeigen uud dem Kaiserlichen Gesundheits amte durch Postkarte mitzulheilen sind, ist die Schweinesenche neu ausgenommen. E» handelt sich dabei nicht nur unrdie Schweineseuche im engeren Sinne, sondern um alle unter dem Sammelnamen Schweineseuche im weiteren Sinne begriffene» Krankheiten, insbesondere auch um die Schweinepest. Um auf diese Bedeutung der Bezeichnung Schweineseuche hinzuweijen, ist in Klammern hinzugesügt: (einschließlich Schweinepest), d) Die Anzeigen über die SeuchenauSbrüch« an die Abukir. Sine Letschlacht vor 160 Zähren, voa Robert Verndt. Nachdruck vackvten. Unter günstigem Winde segelte da» von Sicilien kommend« englische Geschwader gen Osten, der Küste des alten Räthsellandes Egypten zu, und alle Segel waren geschwellt, gleich al» ob sie vor Ungeduld brannten, die stolzen Linienschiffe und behenden Fregatten dem Ziele zuzuführen. Aber höher noch schwellte die Ungeduld die Brust des Commandanten, de» Contreadmiral» Horatio Nelson, der auf der Eommandobrücke seine» Flagg schiffe», deS 74erS „Danguard", stand und unablässig in die Ferne spähte. Er mußt« endlich den Feind, die französische Flotte, finden! Entwischt war sie ihm auS Toulon; dieselbe schlimme Böe, die seinen „Danguard" zeitweilig dienstuntauglich gemacht hatte, hatte sie in guter Fahrt ihrem Ziel« zugeweht. Seitdem hatte Nelson länger al» einen Monat den verschwun denen Feind in allen Theilen de» Mittelmeere» gesucht; an den Säulen deS Herculr» und an der ligurischen Küste, vor Malta und am Strande der Provence hatte er ihm nachgespürt, — immer vergeblich. Und mit jedem Mißerfolge wuchs der feurige Ehrgeiz in diesem Manne der kühlen Leidenschaft. Endlich hatte ihn reifliche Uebrrlegung zu dem Resultat geführt, die Franzosen müßten vor der «gyptischen Küste liegen, und rin Vorgefühl sagte ihm, daß er die-mal nicht umsonst suchen werde. Er mußte sie finden! Der Hafen der alten Welthandelsstadt Alexandria war er reicht — kein Feind! Also weiter ostwärts das Steuer gerichtet, und hurtig, daß keine Stunde verloren gehe und der Gegner nicht wieder entschlüpfe. Er hatte nur noch ein Auge und einen Arm, dieser Nelson; aber das Auge bohrte sich in den Horizont, al» wolle e» durch seinen Blick das Geschwader der Republik bannen, und der Arm war entschlossen, zu schlagen, wenn und wo er es fände. Da steigt am Maste des führenden Schiffs „Zealous" ein Signal auf. „Feind in Sicht!" meldet der Lapitain Samuel Hood. Endlich gefunden, die Entscheidung ist da — athmet Nelson auf. „17 Schiffe" telegraphirt Hood weiter. Auf 15 hatte Nelson nach den Erkundigungen seiner Späher nur gerechnet, doch ein Schiff mehr oder weniger macht seinen tapferen Blaujacken nicht» aus. Auf der Fahrt hatte Nelson mit drn Tapitainen seine Pläne für alle Fälle bereit« eingehend durchgesprochen; so brauchte es in diesem Augenblicke keiner weiteren Derathung mehr, und als die stumme Sprache der Schiffe da» Tommando „Klar zum Gefechte!" gab, kannte jeder Mann seinen Platz. Schnell näherten sich die Engländer dem Feinde. Es war ein gluthheißer Sommertag, dieser 1. August, und bleich blickte in der erbarmungslosen Mittagssonne das weiße Schloß von Abukir auf die Rheede hinab. Da lag das fran zösische Geschwader, der Stolz seiner Nation. Keine schöneren Schiffe hatte da» blaue Mittelmeer je gesehen. Neun dieser mächtigen Dreidecker führten vierundsiebzig Kanonen, der „Franklin", der „Tonnant" und der „Guillaume Teil" waren mit 80 Geschützen gewaffnet, Alle aber übertraf der gewaltig« „Orient", einst „Dauphin Royal" und später „Sans Culotte" genannt, ein Riesenschiff, das in der furchtbaren Rüstung von 120 Feuerschlünden starrte und den Admiral Brueys trug. Da lag das Geschwader und schaukelte sorglos auf der azurnen Fluth. Es erwartete jetzt keinen Feind. Admiral Brueys hielt an Bord des „Orients" ein lustiges Diner, die Boote mit einem Theile der Mannschaft waren zur Ergänzung des Waffer- vorrathes an Land geschickt, und Jedermann suchte sich, so gut er konnte, vor der grausamen Gluth zu retten und sich's bequem zu machen. Wie ein Donnerschlag fällt in dies Stillleben das Signal vom „Guerrier": „Feind in Sicht!" Eine ungeheure Verwirrung entsteht. Was thun? Unter Segel gehen und die hohe See gewinnen? Blanquet-Duchaila und Dupetit-Thouars rathen es. Doch der Admiral glaubt sich auf der Rheede, im Bereiche der Landbatterien sicherer, auch erwartet er den Angriff des Feindes nicht vor dem nächsten Morgen. Der Fundamental satz, daß eine Flotte den Gegner nie im Hafen vor Anker erwarten dürfe, war damals noch keineswegs allerkannt, und erst dieser 1. August sollte den entscheidenden monumentalen Beweis für ihn liefern. So entschließt sich Brueys, den Feind vor Abukir zu erwarten und trifft in fieberhafter Eile, so gut er eben kann, seine Vorbereitungen. Schnell ühren die flinken Gigs die Capitaine an Bord ihrer Schiffe; die Fregatten werden com- mandirt, einen Theil ihrer Besatzung zur Ausfüllung der Lücken an die Linienschiffe abzugeben, was aber in der Eile und Ver wirrung nur sehr unvollkommen geschieht, und in einer langen Linie, den „Guerrier", „Conqurrant", „Spartiate" und „Aquilon" an der Westseite al- Vordertreffen und im Centrum die Riesen „Franklin", „Tonnant" und „Orient", erwartet der Franzose die feindlichen Schiffe, die bei günstiger Brise schnell heranlommen. Nelson's Plan war ebenso einfach als genial. Er wolltr sich mit seiner ganzen Macht auf das französische Vordertreffcn werfen und zunächst dies bewältigen, um dann die gegnerischen Schiffe, denen seine Flotte als Ganzes an Zahl, Tonnengehalt und Bewaffnung nachstand, sozusagen nacheinander aufzufreffen. Dabei war freilich noch ein böses Item, indem seine Schiffe, um die Franzosen von der Landseite her angreifen zu können, die ziemlich enge und seichte Fahrstraße zwischen der Spitze des feindlichen Geschwaders und drn gefährlichen Riffen pafsiren mußten, die der Galgenhumor der Seeleute die „schlimmen Heiligen" getauft hatte. Doch vorwärts mußte er, und die Engländer segelten an. Und die „schlimmen Heiligen" forderten ihr Opfer: der „Culloden", ein schöner 74«r, fuhr auf und kam aller Anstrengungen seines Capitains Troubridge unerachtct während der ganzen Schlacht nicht los. Doch „— wir machen ihn zu unserer Bake! Zeig' Er uns drn Weg, den wir nicht gehen sollen", und „Goliath" segelte den gefährlichen Weg voran, „Zealous" und „Orion, „Theseus" und „Audacious" folgten ihm. Die Stellung war gewonnen. Gegen 7 Uhr war'» geworden. Der Sonnenball Halle in gluthrother Pracht den Sterbenden einen letzten Gruß gesandt und war dann ins Meer gesunken. Fast unvermittelt brach di« Nacht herein, in der die Lichter und Signale der manövrirenden Schiffe funkelten. Da durchfuhren grelle Blitze die Finsterniß: die Schiffe wechselten die ersten Todesgrüße. Die Engländer auf der Londseite geben den Schiffen de» französischen Vorder treffens die Breitseiten. Durch die Nacht rollt unausgesetzt der Donner der Geschütze, flammen die Salven, wälzen sich die schwern Rauchwolken, Mann und Schiff umhüllend. Die See färbt sich mit Blut und bedeckt sich mit Trümmern. Der