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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.08.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980825012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898082501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898082501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-08
- Tag 1898-08-25
-
Monat
1898-08
-
Jahr
1898
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Reclamen unter dem RedactionSstrlch («ge spalten) bO-H, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- ve7zeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz uach höherem Tarif. §rtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung vO.—, mit Postbesördrrung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen »nd Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Vxpedtttav zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Bestellungen auf MMMlnents nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus Die -Mdilion des Mizn Tageblattes, Johannisgasse 8. Die Polenpolitik. LZ Die Wichtigthuerei, mit der die Presse der preußischen Regierung deren neueste Pläne zur „Förderung des DeutschtbumS in den Ostmarken" behandelt, hat mehr Kopsschütteln erregt, als aus den unabhängigen Zeitungen zu erkennen war. Sehr erklärlich. Unter den in Aussicht genommenen Gründungen befindet sich vor Allem eine Bibliothek in Posen, für die man auf Zuwendungen Privater, insbesondere der VerlagS-Buchbändler, rechnet und rechnen muß, ein Umstand, der zunächst jede Beurlheilung verbot, die die Gebefreudigkeit beeinträchtigen konnte. Diese Rücksicht, die au« nahe liegenden Gründen ganz besonders in unserer Stadt zu nehmen war, fällt jetzt weg. Man handelt nach dem ErfabrungSsatze, daß eine gute Landesbibliothek unter allen Umständen eine nützliche Einrichtung ist, und die Posener Anstalt wird nicht vergeblich reichlicher Unterstützung aus allen Theilen Deutschlands karren. Aber die natio nalen Erwartungen, die die Ofsiciösen zu erwecken suchen, werden durch die Gründung einer Bibliothek und verwandter Anstalten natürlich nicht gerechtfertigt. Es sollen außer der Bibliothek noch ein Museum, ein Vereinsbans und vielleicht — man denke! — eine bygieinische Anstalt in Posen errichtet werden. Angesichts der nationalen und wirthschaftlichen Be- drängniß des DeutschtbumS im Nordosten darf man das Er greifen dieser Maßregeln Wohl mit dem Verfahren eines Mannes vergleichen, der einem Nothleidcnden eine schone Spieluhr auf den Tisch setzt. Daß die beabsichtigten Maßnahmen von geringem Wertbe sind, ist auch die Meinung — und dies bietet für uns den Anlaß, das Schweigen zu brechen — deS Mitbegründers des Verein« zur Förderung des Deutscb- IhumS vr. F. v. Hansemann. Dieser ausgezeichnete Kenner der Verhältnisse in der Provinz Posen hofft von den schönen Geschenken der preußischen Regierung sehr wenig für das, worauf es ankommt, nämlich für die Erstarkung des Deutschthums. Wenn er sagt, „Schwarzseher wollten sogar behaupten, die geplanten Maßnahmen der Staatsregierung verfolgten nur den Zweck: ut »liquid kecissv videatur", so können wir diese Leute nicht für allzu boshaft erachten. Herr v. Hansemann für seine Person setzt in der „Posener Zeitung" auseinander, daß die für die Stadt Posen in Aussicht genommene Einrichtung, sowie ähnliche in anderen Städten nur dankenSwerth seien, wenn sie den Anfang einer im großen Stile betriebenen Politik bilden würden. Es komme vor Allem darauf an, einen Strom deutscher Einwanderer in die Ostprovinzen zu ziehen — nach dem älteren Vorbilde Rußlands. In Russisch-Polen habe man z. B. zu ähnlichen Zwecken unentgeltlich Häuserbaumaterial zur Verfügung gestellt und zinsfreie Capitalien dargelieben für industrielle Zwecke. „Sollte eS der preußischen Staatskunst nicht möglich sei», in einer wenn auch den modernen An schauungen mehr entsprechenden, aber darum doch ebenso planmäßigen Weise das deutsche Gewerbe in den Ostmarken zu beben und eine deutsche Industrie in diesen Landestheilen zu schaffen?" Herr v. Hansemann bejaht diese von ihm aufgeworfene Frage. Zur Hebung deS Handwerkes macht er folgende Vorschläge: 1) Bewilligung staatlicher Stipendien für den Besuch der königlichen Baugewerk«- und Handwerker-Fachschulen, sowie der zu errichtenden Technischen Hochschule in Danzig an Deutsche aus den Osimarken und anderen Provinzen gegen die Verpflichtung mehr- jähriger Niederlassung in den Ostprovinzen, 2) staatliche Unter stützung und Beaufsichtigung von Gesellenheiinen für deutsche Hand werker am Sitze der königlichen Baugewerks- und Handwerkerschulen in Posen und Westpreußen, 3) Bewilligung von Niederlassungs beihilfen und geringverzinslichen Darlehen an deutsche auf den königlichen Schulen ausgebildete Handwerker. Dergleichen zu machen, ist allerdings nickt so leicht wie die Gründung eines hygieiniscken Instituts zu erwägen, aber nützlicher. Auch die Voraussetzungen deS Gedeihens einer Industrie lasten sich, wie einleuchtend auseinandergesetzt wird, allmählich schaffen. Grundbedingung ist allerdings, und da« hebt Herr v. Hansemann sehr nachdrücklich hervor, daß das, was der preußische und deutsche Staat aufbaut, nicht in den Dienst desjenigen Elementes gestellt wird, das den preußischen und deutschen Staat negirt, an besten Zerstückelung arbeitet. „Mit Rosenöl und Moschus", will sagen mit kulturellen Paradestücken, die zudem für die Polen so gut da sind, wie für die Deutschen, bringt man das Deutschthum nicht wieder auf die Höhe, von der eS herab versöhnt worden ist. Die Aufgabe muß entsprechend der Größe der Gefahr mit starker Hand wirthschaftlich angesaßt werden. „Unter den heutigen Verhältnissen", so bestätigt v. Hansemann eine schon oft geäußerte Ansicht, „ist an einen ehrlichen Anschluß der polnischen Geschäftswelt an die preußische Staatsidee nicht zu denken, weil es in den meisten Städten der Ost marken wirthschaftlich vortheilhafter ist, Pole zu sein. Erst eine grundsätzliche Aenderung dieser Verhältnisse vermag in der polnischen Bevölkerung diejenige versöhnliche Stimmung zu erzeugen, deren es zu einer dauernden Aus gleichung der nationalen Gegensätze bedarf." Diese Ausgleichung ist das anzustrebende Ziel. Ob eS erreicht wird oder nicht, wird als ein Prüfstein für die innere Kraft des heutigen Preußens gelten. Vorläufig hat man mehr „erlassen", als gebandelt. Und mit Erlässen ist es unter dem herrschenden System ein ei^en Ding. Die Anweisungen» die die Beamten im Osten über ihr außer dienstliches Auftreten erhalten haben, sind z. B. so gut wie spurlos vorübergegangen. Was kein Wunder ist. Herr v. Wilaniowitz-Möllendorf, der Herr, der Caprivi s Polen politik eifrig auSgeführt und der s. Z. seinen Untergebenen die Theilnahme an einer Bismarck-HuldigungSfabrt untersagt hat, ist noch immer Oberpräsident von Posen — ein lebendes Warnungszeichen für die Beamten, sich ernstlich für das Deutschthum zu interessiren. Deutsches Reich. * Berlin, 24. August. Einen köstlichen Hundstagsschcrz leistet sich betreffs der agrarischen Reich tags-Wahl erfolge die „Corresp. des Bundes der Landwirthe", sie plaudert nämlich wie folgt: „Der Bund der Landwirthe Hai vorsichtigerweise so lange mit derartigen Aufrechnungen zurückgchalten, bis ein vollständig vor liegendes, einwandfreies statistisches Material die Möglichkeit ge- währte, wirkliche Klarheit über die von ihm bei der dies maligen Neichstagswahl ausgebrachte Stimmenzahl, sowie auch über daS Verhältniß der bei der vorigen und bei der letzten Wohl erzielten Stiinmenzohl zu schaffen. Wie bereits be kannt gegeben, gelang es dem Bund der Landwirthe als Träger und Führer der deutschen Mittelstandsbewegung, bei der Reichstagswahl von 1898 rund 2000 000 Stimmen auf zubringen, während derselbe bei der Reichstagswahl von 1893 nur 800 000 Stimmen zu zählen in der Lage war. Es sei gleich hier bemerkt, daß bei der Vornahme ver statistischen Ausstellung aus das Allersorgsältigste verfahren wurde. Der Bund hat somit nach dem endgiltigen Ergebniß der angestellten Wahlberechnungen über alle Erwartungen gut abgeschnitten: er erhielt einen Zuwachs an Stimmen von 1200 000, d. h. er vermochte gegen die vorige Reichs- tagSwahl seine Anhängerschaft nirhr alS zu verdoppeln. Fürwahr ein großartiger Erfolg, dem keine Partei auch nur annähernd etwas Aehnliches auS den Annalen der Reichstagswahlen an die Seite zu stellen vermöchte! Zugleich erblickt der Bund der Landwirthe in dem so überaus günstigen Wahlerfolge eine glänzende Rechtfertigung für sein bisher beobachtetes politisches Vorgehen, sowie für die Richtigkeit der von ihm vertretenen volkswirthschaft- lichen Ideen." Dies« zwei Millionen Pflänzchen haben aber zusammen nur drei rein agrarische Früchte gezeitigt. Manche Pflanzen schießen üppig ins Kraut, wenn sie aber keine guten Früchte tragen, dann nennt man sie Unkraut. (-) Berlin, 24. August. Der neue Kreuzer „Di et oria Luise" ist gestern nach einer Probefahrt in Dienst gestellt. „Victoria Luise" ist auf der Werft der A.-G. Weser in Bremen erbaut worden. Der Bau wurde im Oktober 1895 begonnen. Auf Stapel gesetzt wurde er am 8. April 1890 und vom Stapel- gelassen am 29. März 1897. „Victoria Luise", so genannt nach der einzigen Tochter des Kaiserpaares, gehört nach der neuen Schiffscinthcilung zu den „großen Kreuzern"; sie ist ein Schwesterschiff der „Hertha", welche ihre Probefahrten mit gutem Ergebniß dieser Tage beendet hat. Wie bei dieser beträgt die Wasserverdrängung 5630 Tonnen. Zur Fortbewegung dienen drei Schrauben, die von drei unabhängig von einander arbeitenden Maschinen von über 10 000 indicirten Pferdestärken getrieben werden. Die Maschinen und Kessel sowie die sonstigen für die Manövrirläbigkeit und den Gefechtswerth des Schiffes bedeutungsvollen Apparate, wie Steuervorrichtung, Beleuch tungsmaschinen, Munitionsräume rc., sind durch ein Panzerdeck geschützt. Di: maschinelle Ausstattung des Kreuzers besteht aus 56 selbstständigen Dampfmaschinen mit 95 Dampfcylindern; außerdem sind 19 Elektromotore vorhanden. Die Besatzung des Kreuzers wird aus 24 Officieren, 29 Deckofficieren und 386 Mann, zusammen 439 Personen bestehen, von denen ca. 140 zur Bedienung von Maschinen und Kessel nothwendig sind. Die Armirung des Schiffes ist sehr stark; sic seht sich aus 20 Schnellfeuerkanonen und 14 Maschinen-Kanoncn und -Ge wehren zusammen. 6. H. Berlin, 24. August. Die deutschen „Genossen" sind beglückt; 2994,75 Francs, welche der Landcsausschuß der deutschen Socialisten in der Schweiz für die Reichstagswahlen gesammelt, und nach hier übermittelt hat, haben dieses Gefühl hervorgerufen, und ob der internationalen Solida rität wissen die Agitatoren nicht Worte genug zu finden. Bekanntlich haben seiner Zeit auch für die französischen De- putirtenwahlen die „deutschen Genossen" tief in die Tasche ge griffen, aber aus Frankreich ist für die deutschen Wahlen nichts gekommen; desgleichen nichts aus Dänemark und England, Oesterreich und Italien, wohin ja vieles deutsche Geld für Streiks hingewandert ist. Die „Genossen" in der Schweiz, welche die 2994 Francs zusammenbrachten, waren zweifellos aus Deutschland dorthin gekommen; also für die internationale Solidarität spricht diese Spende nicht. Gerade die ausländische Hilfe versagte in Deutschland sehr häufig dort, wo sie die „Genossen" erwarteten, in Geldsachen waren die ausländischen Socialisten den deutschen gegenüber sehr zugeknöpft — und diese internationale Solidarität blieb eine schöne Phrase trotz aller internationalen Socialistencongresse; und daran wird sich auch in Paris nichts ändern; denn die materielle Ader wird den englischen, französischen Socialisten immer bleiben; nur die deutschen Agitatoren bekommen es bekannt lich fertig, ihre Nationalität abzustreifen und in jenem vaterlandslosen Internationalismus zu machen, der ein Gemisch von Gemeinheit und Dummheit ist. 8. Berlin, 24. August. (Privattelegramm.) Unter der Uekerschrift „Der Vnltus der Schulweisheit" schreibt der „Nat.-Ztg." „ein hervorragendes, dem Landtage angehörendeS Mitglied des Handelsstandes": „In Deutschland gipfelt die Cultur der Schulweisheit zur Zeit in der Förderung derHandelshochschulen-Pläne zum Erstaunen der großen Mehrzahl kaufmännischer Kreise, denn von jeher sind diese der Meinung gewesen und sie sind es noch, daß junge Kauf leute, deren Verhältnisse es irgend gestatten, nichts Besseres für ihre Ausbildung thun können, als auf Reisen zu gehen und längere Zeit im Auslande in ihrem Beruf thäiig sein. Wir kranken daran, daß eine viel zu geringe Zahl junger Deutscher diesen Weg rinschlägt; darüber besteht unter allen im Auslande lebenden Deutschen nur eine Meinung und ebenso darüber, daß unsere Industrie davon den größten Schaden hat, denn der Kaufmann ists, der sie in vielen Beziehungen anregen und leiten muß. Wann in aller Welt soll der Deutsche anfangen, in seinem Beruf festen Fuß zu fassen und Etwas zu leisten, wenn er bis zu seinem 17. oder 18. Lebensjahre die Schule und die Fort bildungsschule besuchen, daun seiner Militairpflicht genügen soll und ihm dazu auch noch der Besuch einer Handelshochschule angesonncn wird? Es ist rundweg in Abrede zu stellen, daß die Errichtung einer größeren Anzahl solcher Institute für den deutschen Handelsstand irgend einen praktischen Zweck Hütte, wenn auch zuzugebcn ist, daß sie zur Heranbildung von Fachlehrern, Handels- kammersecretairen, Fach-Schriftstellern rc. von einigem Nutzen seiu können. Auch nicht für unser Colonie- und Consulats- wesen wäre solchen Hochschulen eine Bedeutung beizumessen, denn die Klagen über Mißgriffe auf diesen Gebieten erklären sich ebenfalls durch den außerordentlichen Mangel a» Männern, die im Ausland gelebt und dort Erfahrungen gesammelt haben, die ihren Gesichtskreis erweitern, während unsere Behörden in einem Ueber- fluß von theoretisch, insbesondere juristisch, für die heimische Staats verwaltung vielleicht vorzüglich geschulten Beamten ersticken. Der Handelsstand ist ein äußerst friedfertiger; allem Streit, unnützem Geschwätz und Schreibwerk abgeneigt, verliert er über manche Zeit strömung nicht viele Worte, und wenn eine kleine Anzahl angesehener Berufsgenossen für dieses oder jenes neue Bildungsinstitut sich be geistert, jo läßt er sie gewähren. Aber von diesem passiven Ver halten aus eine allgemeine Zustimmung des Handclsstandcs zu dem geschäftigen Treiben der Schulweisheitsjchwärmcr zu schließen, würde gänzlich verfehlt sein, uud davor sei gewarnt!" (Wir geben diese Meinungsäußerung wieder, weil sie von einem hervorragenden Mit glied- des preußischen Abgeordnetenhauses stammen soll, betrachten sie aber lediglich als eine Meinungsäußerung, und zwar als eine sehr anfechtbare. Die Red.) — Die preußischen LandtagSwahlen finden der „Magdeb. Zeitung" zufolge Ende October und Anfang November statt. — Die Stettiner Schiffswerft „Vulcan" hat kürzlich, wie der „Berl. Ztg." mitgetheilt wird, ein großes Schwimmdock in England erbauen lassen, das drei Dampfer nach Stettin geschleppt haben. Das Schwimmdock mußte der Zollbehörde in Lettin zur Abfertigung vorgeführt werden, und diese hat es für zollp flichtig erklärt. Das Gewicht des Docks wurde zu etwa 4H Millionen Kilogramm ermittelt, und der Zoll wurde demnach, da das Schwimmdock als überwiegend aus Schmiedeeisen bestehend betrachtet wurde, mit einem Zoll von 6 für 100 Kilogramm, also mitmehrals 261000 belegt. Gegen diese Zolltarifirung soll der „Vulcan" E i n- spruch erhoben haben, indem er behauptet, daß das Schwimm dock als ein Schiffskörper anzusehen sei, weil es aus fünf Pontons bestehe, die nur miteinander verbunden seien. Da aber Schiffe nach dem Zolltarif allgemein zollfrei seien, so würde auch das Schwimmdock beim Eingang aus dem Auslande zoll frei zu lassen sein. Das Stettiner Hauptsteueramt tonnte dieser Geschichte und Aberglauben über den Heerwnrm. Bon E. Glaser. Nachdruck »erboten. Anfang Juli wurde aus Altenburg berichtet, daß dort in der Leinawaldung wieder einmal der Heerwurm gesehen worden sei. Der größte Heerwurm, der bis jetzt beobachtet wurde, erschien am 24. Juli 1864 ebenfalls in der Leinawaldung und wurde von M. Schlenzig aus Altenburg beschrieben. Dieser Heerwurm zog in gerader Richtung von Süden nach Norden und hatte eine Länge von 26 Ellen und die Breite einer mittleren Hand. 17 Ellen waren gleichbreit und 9 Ellen gingen allmählich nach dem Schwänze spitzig zu. Die letzten Heerwürmer wurden in den Jahren 1886 und 1889 gesehen. Dir Literatur und Geschichte des Heerwurmes ist Jahr hunderte alt und man findet über ihn in älteren und neueren Schriften kurze Nachrichten oder umständliche Schilderungen, die oft sehr viel Unrichtige» enthalten. Besonders war er den Wald arbeitern bekannt und wurde für diese der Träger manches Aber glauben«. Gewöhnlich wird der Heerwurm gesehen und be obachtet, wenn er im Walde über einen Waldweg kriecht. Hier erscheint er al» rin blaugrauer, schlangenähnlicher Körper, der sich langsam, aber unheimlich fortbewegt, und in dieser Form hat er seine Berühmtheit erlangt. Der Anblick eines solchen Heerwurm» in einem dichten, dusteren Buchenwalde hat etwa» Gespensterhafte», Unheimliche» und Schauerliche«, be sonder» dadurch, daß er plötzlich erscheint und am anderen Tage schon verschwunden ist. Für den Waldarbeiter, für den Gebirgsbewohner, der zum Aber glauben mehr geneigt ist, mußte der Anblick des Heerwurmes einen unangenehmen, staunen- und furchterregenden Eindruck machen, besonder» in der Zeit, wo man über sein Erscheinen, über die Naturgeschichte dieser sonderbaren Schlange noch gar keine Auskunft geben konnte. Auch heute noch wird er al« Krieg»vorbote angesehen, und daher stammen die Namen Kriegs wurm, Kriegsschlange, Heerschlange, Hasclwurm, Wurmschlange, Wurmdrache, Drachrnwurm, Schlangemourm und Hunger wurm. Einen Heerwurm zu sehen, bleibt dem Zufall überlassen. Schreiber dieser Zeilen sah im Jahre 1886 auf einem Waldwege, der von Stollberg am Harz nach dem Tannengarten führt, drei Herrwürmrr. Wir wandelten auf einer breiten Straße im tiefsten Buchenwalde, plötzlich standen wir vor einem dunkele», stahl blauen, schlangenähnlichen Körper von zwei Metern Länge still, es war ein Heerwurm, der sich ruhig und langsam fortbewegte. Wir erblickten den Heerwurm Nachmittags drei Uhr, am Vor mittage hatte es etwas geregnet und der Himmel war ziemlich bewölkt. Solche Tage und nasse Jahre wie unser gegenwärtiges Jahr sind für die Bildung eines Heerwurmes günstig, denn der Weitermarsch des Heerwurmes wird nur durch eine gewisse Feuchtigkeit ermöglicht. Als meine Begleiter ununterbrochen auf den Heerwurm sahen, nahm ich meinen Stock und machte einen Einschnitt durch die Körpermasse dieser Schlange. Jetzt war das Erstaunen noch größer, der Inhalt wurde lebendig, und wir erblickten in dem Einschnitte eine Menge weißer Larven, welche unruhig ihre Köpfchen hin und her drehten. Tausende von Larven hingen aneinander und bewegten sich fort, und in kurzer Zeit, vielleicht in zehn Minuten, war der Einschnitt, den ich mit dem Stocke gemacht, wieder von den immer nachziehenden Larven ausgefüllt und wir sahen nun wieder die ruhige Bewegung des HeerwurmS. Die hohen schattigen Buchen, der bewölkt/,Himmel machten die Straße schon etwas dunkel, und die Erscheinung des Heerwurm- wurde bei solcher Beleuchtung immer unheimlicher. Der Heerwurm bewegte sich, aber die Bewegung war so gering, daß r» schien, al» könne er gar nicht recht von der Stelle. Als wir denselben verließen, bezeichneten wir das Kopfende durch einen dürren Ast und fanden, als wir nach drei Stunden wieder an die Stelle zurückkehrten, daß der Heerwurm auf dem sehr breiten Waldwege drei Meter weiter gekrochen war. Wie entsteht nun ein solcher Heerwurm, oder in welcher Weise vereinigen diese Tausende von Larven sich zu einem schlangen artigen Körper? Es ist eine merkwürdige Eigentümlichkeit der Hcerwurmlarven, sich massenhaft zu vereinigen, dabei sich an ihre vorderen Gefährtinnen so anzuschlicßen und anzudrücken, daß sic über und neben diese mit einem Theile ihres Körper« übergreifrn und so gemeinsam ihre Züge auSfühven. Di« Neigung, sich in gemeinschaftlichen Zügen weiter zu bewegen, wird den Larven angeboren, denn man kann bemerken, wie die winzig kleinen Lärvchen, kaum dem Ei entsprossen, auf einem an gefeuchteten Buchenstreulaubblatt sich zu der üblichen Marsch kolonne ordnen. Ihr Verhalten beim Beginn des Ziehens und während des selben ist folgendes. Man stelle sich einen Klumpen dieser fuß losen, klebrigen und ausgewachsenen sieben Millimeter langen Maden in ihrem unterirdischen Verstecke und in dem Augenblicke vor, wenn sie, von einander getrennt, daraus herauskricchen. Die zuerst Erscheinenden ordnen sich neben- und übereinander dicht zusammen, setzen sich unverweilt in Marsch und bilden so den Anfang des Heerwurms, der durch die ebenso nachrllckenden Schaaren an Länge und Umfang zunimmt, bis er sich ganz formirt hat. Einer grauen Schlange gleich zieht er nun in dicht geschlossenen Gliedern im Walddunkel gleichmäßig umher, uird das Unheimliche, ja Widrige seiner Erscheinung vermag aller dings unkundige und befangene Anschauer mit Schrecken zu er füllen. Die klebrige Feuchtigkeit an der Oberfläche der Leiber der Maden vereinigt dieselben fest miteinander, und sie hängen dadurch so eng zusammen, daß sie gleichsam nur einen Körper ausmachrn und das Ende des Heerwurms momentan sich wie ein Stäbchen etwas «mporheben läßt. Die Fortbewegung des HeerwurmS ist die Folge des Vorwärtsschreitens aller ihn zu- sammensetzenden Larven, was in der Weise erfolgt, daß sie an den nächsten Gefährtinnen glitschend den Vorderkörper vorwärts strecken und den Hinterkörper nachziehen, wobei sie jedesmal einen Vorsprung von einem Millimeter Länge gewinnen, und indem so einer der anderen nach einer und derselben Richtung voraustritt, gleitet der ganze Heerwurm vorwärts. Die Gesammtbewegung aller an der Oberfläche des Heerwurmes ziehenden Larven sieht sich wie langsam und ruhig fließendes Wasser zu. Während des ZugeS herrscht im Heerwurm eine eigenthümliche Regsamkeit der einzelnen Larven, die oberen drängen sich nämlich gegen die innerhalb des Zuges eingeschlossenen, diese wieder nach oben oder auswärts, desgleichen die untersten, die eine Zeit lang alle über ihnen befindlichen Larven tragen müssen, ein Grund, wes halb ein Heerwurm keine bedeutende Dicke haben kann und bei größerer Larvenzahl in breiteren Streifen zieht. In dieser Weise und gleichsam unter allgemeiner Verständigung der Larven zieht der Heerwurm rastlos umher. Die Ueberschreitung «ine- Wald weges scheint für die einzelnen Maden mit einer besonderen Kraftanstrengung verbunden zu sein. Die Nahrung der Larven besteht im Laubholzwaldr aus dem auf der Erde liegenden Laube, im Nadelholzwalde aus den ab gefallenen Nadeln, unter Umständen auch aus dem unter der Laub- und Nadeldecke des Bodens befindlichen Humus, der so genannten Dammerde. Dem Laube oder den Nadeln darf aber eine gewisse Feuchtigkeit nicht fehlen. Ganz trockenes oder dürres Laub widerstrebt den Larven als Nahrungsmittel. Die so viel bewunderten Heerwurmszüge haben keinen anderen Zweck als den des Aufsuchens passender Nahrungsplätze. Finden die Larven einen ihnen ganz zusagenden Freßplatz, so stellen sie ihre Wanderung so lange ein, bis sie die Nahrung consumirt haben. Dann treten sie zur Zeit, wo der Boden von Regen oder Thau angefeuchtet ist, neue Entdeckungswanderungen an, bis solche mit Erfolg gekrönt werden. Im Freien, beziehungsweise im Walde, begegnet man den Heerwurmszügen erst, wenn die Larven den ausgewachsenen Zustand erreichen, und größerer Nahrung bedürfen, als die Geburtsstätte ihnen liefert. Durch Regen und Thau wird der Weitermarsch begünstigt oder über haupt ermöglicht, und deshalb sieht man die Larvenzüge bei trockener und insbesondere bei sonniger Witterung seltener. Bei bewölktem Himmel und auf durch Regen angefeüchteter Boden decke'sind die Larvenzüge oft ganze Tage lang wahrnehmbar. Sonnenschein vertragen sie nicht und schon helleres Tageslicht ist ihnen zuwider. Die Heerwurmszüge werden vom Beginn des Monats Juli bis etwa zur Mitte des Monats August angetroffen. Da die Heerwurmszüge überhaupt nur zur Erscheinung, beziehungsweise zur Kunde des Publicums zu kommen pflegen, wenn sie sich auf frequenten Wegen oder in der Nähe von solchen hinbewegen, oder wenn sie von dem Blicke eines aufmerksameren Waldbesuchers getroffen werden, so ist es begreiflich, daß der Heerwurm bis jetzt immer noch als etwas Außerordentliches betrachtet wurde. Die Verpuppungszeit der Larven fällt im Allgemeinen in die letzte Woche des Juli oder in die ersten Tage des August. Wird eine Larve zur Verpuppung reif, so hört sie auf zu ziehen, verliert ihre Beweglichkeit, wird steif, bleibt eine Zeit lang zwischen oder auf den ziehenden Larven liegen, bis sie endlich zu unterst gleitet und am Boden haften bleibt. Nach sechs bis zwölf Tagen geht aus der Puppe dos fertige
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