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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980420021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042002
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-04
- Tag 1898-04-20
-
Monat
1898-04
-
Jahr
1898
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Die Morgen-An-gabe erscheint nm '/,7 Uhr, di« Lbend-AuSgabe Wochentag« um b Uhr^ Filiale«: Ott« Klemm'» kartim. <Alfre» Hah»^ UniversitätSstratze 3 (Paulinum), Laut« Lösche, Katharium-r. 14, »art. «d K-»i»«vl^ 7« Le-action VN- Erveditio«: 2,hanue»«affe 8. Die Expedition ist Wochentag« unnnterbroch«! Gköffpet vva früh 8 bi« Abc ad« 7 Uhr. rvezugS-PreiS m der Hauptexpedition oder den tm Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus» oavestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, vet jweimaliger täglicher Zustellung in« Han« ^l b.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel>ährlich 6.—. Ltrecre tägliche Kreuzbandieodung tt« Au-land: monatlich 7^0. Abend-Ausgabe. KMgcr.TagMM Anzeiger. Amtsblatt -es Löniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nokizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. AuzetgenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 2V Pf-, Weelamrn «ater dem-iedaction«strich (4 g» spalten) 50^, vor den Familiennackrtcbt« (6 gespalten) 40^. 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Aber man muß dabei in Betracht.ziehen, daß die cubanische Frage eine innere Frage, eine Frage der Parteipolitik in den Vereinigten Staaten selbst geworden ist. Der Präsident und die Regierung sind republikanisch, ebenso die Mehrheit des Repräsentantenhauses, während im Senat die Populisten und Silberleut« den Ausschlag geben. Diese aber sind augenblicklich mit Mac Kinley sehr un zufrieden. Bryan, der geschlagene Präsidentschaftskandidat der silberfreundlichen Demokraten, war eigens zu dem Zwecke in Washington eingetroffen, um die Manöver seiner Anhänger zu leiten. Die Demokraten hielten die Gelegenheit für günstig, die Regierung Mac Kinley'S und damit die republikanische Partei so zu diScreditiren, daß die Mehrheit des Volkes sich bei den nächsten Wahlen von ihnen abwendet. Da Mac Kinley sich in seiner Botschaft gegen die Anerkennung der Insurgentenregierung auf Cuba ausgesprochen hatte, so sahen seine Gegner hierin ein geeignetes Mittel, ihn wirksam zu bekämpfen. Die Republikaner im Repräsentantenhaus waren schon aus Gründen der Selbsterhaltung genölhigt, sür den zu ihrer Partei gehörigen Präsidenten einzutreten, und so erklärten sie sich gegen die Anerkennungsklausel des Senats. Darüber, was schließlich die Einigung zu Wege brachte, ist noch nichts Sicheres bekannt geworden. UebrigenS stellte sich der Congreß mit seinem endgiltigen Be schluß auf den verfassungsmäßigen Standpunkt, wonach die Anerkennung neuer Staaten und Negierungen ausschließlich Aufgabe der ausführenden Macht ist. So weigerte sich auch Präsident Grant 1877 ausdrücklich, Congreßbeschlüsse auf -.Anerkennungo-g;ntinifchen Regierung und der süd afrikanischen Freistaaten zu vollziehen. Nach außen hin sind also die feindlichen Brüder deS nord amerikanischen CongresseS einig und man darf gespannt sein, was nun zunächst geschehen wird. Wie eS heißt, hätten dir Vereinigten Staaten die Absicht, den ersten Schlag direct gegen Havannah zu führen, waS freilich leichter gesagt als gethan ist. Zur augenblicklichen Lage erhalten wir folgende Meldungen: * Washington, 19. April. Die Resolutionen des CongresseS sind heute Nachmittag um 1 Uhr 30 Min. im Weißen Hause eingetroffen. * London, 19. April. Wie das „Reuter'sche Bureau" aus Washington 6 Uhr 30 Min. Abends meldet, wird der Präsident Mac Kinley morgen Vormittag die Resolutionen und das Ultimatum unterzeichnen. * Washington, 19. Npril.UTie Berathung deS Cabinets- raths dauerte 1'/, Stunden. Es wurde beschlossen, den Wort laut des Ultimatums festzustellem Hinsichtlich der Länge der Spanien zu gewährenden Frist zeigten sich jedoch Meinungs verschiedenheiten: einige Minister waren für 24 Stunden Frist andere für eine solche von 48 Stunden, der Präsident Mac Kinley sür drei Tage. Die Frage bleibt in Abwartung einer Nach mittag-Sitzung unentschieden. * London, 19. April. Wie dem „Reuter'schen Bureau" aus Washington gemeldet wird, soll der Präsident Mac Kinley beabsichtigen, die Resolutionen des Congresses nicht srüher zu unterzeichnen, als bis das Ultimatum, das an Spanien gerichtet werden soll, redigirt sei. Beide Schriftstücke sollen einen einzigen Act bilden und gleichzeitig unterzeichnet werden. Mac Kinley soll geneigt sein, Spanien zw i bis drei Tage Frist zu gewähren, um die Forderungen des Ultimatums zu erfüllen. Der spanische Gesandte Bernabe werde aber, wie weiter gemeldet wird, abreifen, sobald ihm notificirt werde, daß die Resolutionen unterzeichnet seien. * Washington, 19. April. Wie eS heißt, soll der Vorschlag einer Frist von zwei oder drei Tagen, welche Spanien zur Erfüllung des Ultimatums gewährt werden soll, mit der Thatsache erklärt werden, daß diese Frist nothwendig sei, bis die Streitkräfte der Vereinigten Staaten bereit seien zum Vorrücken gegen eine» cubanische» Hafen. Die Regierung wünscht näm lich, Laß ein solches Vorgehen sofort nach der Weigerung Spaniens, das Ultimatum zu erfüllen, erfolge. Das allgemeine Vorrücken der Truppen nach den Mobilisirungscentren des Südens, gemäg den Befehlen vom 15. April, hat heute überall begonnen. Die Directoren der nationalen Organisation der freiwilligen Rerserven haben an den Präsidenten Mac Kinley geschrieben und ihm an geboten, vierhunderttausend Mann im gegebenen Augenblick ausstellen zu wollen. * Washington, 19. April. Ter Kriegsminister beschloß, durch einen ersten Ausruf 80 000 Mann Milizen zu den Fahnen einzuberufen. Im Senate wurde rin Plan des Kriegsministers vorgelegt, nach dem die nationalen Streitkräfte in zweiTheile gelhcilt werden, nämlich in reguläre Truppen und in Frei willige. Letztere sollen nur für die Dauer eines Krieges oder wegen eines drohenden Krieges ausgeboten werden. Die Dienstzeit soll drei Jahre dauern, es sei denn, der Krieg würde schon srüher beendet. Alle wasfensähigen Leute im Alter von 18—45 Jahren bilden die natio nalen Streitkräfte. So ist daS „Unheil nun im Zuge", welchen Weg eS nimmt, wer vermag cs zu sagen! I» Spanien bewahrte man bisher eine mehr würdig-denfcnsive als energisch-aggressive Haltung, wie sie uns jetzt geboten scheint, um den Vereinigten Staaten zuvorzukommen. Vielleicht sind die folgenden Nach richten die Vorboten entschiedeneren Auftretens: * Madrid, 19. April. In einer heute Nachmittag im Senate abgehaltencn Versammlung der Mitglieder der Mehrheiten beider Kammern hielt Ministerpräsident Sagasta eine Rede, in der er sagte, der Augenblick sei so ernst, die Umstände seien so schwer wiegend, daß Thaten und nicht Worte, daß Handlungen, nicht aber Reden nöthig seien, um dem gegenwärtigen Conflicte die Stirn zu bieten. Mit Verleumdung suche man die glorreiche Geschichte Spaniens zu beschmutzen. Die svanische Regierung habe Alles gethan, was möglich war, um den Krieg zu vermeiden, zu dem man Spanien reize. Alles, was die Ehre uud die Integrität deS Vaterlandes erlaubten. Noch zuletzt habe Spanien dem Drängen des Papstes und der Großmächte nachgegeben, jetzt aber gedenke man die Ehre Spaniens zu verletzen und sein Gebiet zu bedrohen: das würden die Spanier niemals zulassen. (Lebhafter Beifall.) Es sei jetzt nicht der Augenblick, parlamentarische Programme auf zustellen; alle Spanier müßten jetzt, wie es die Vorfahren gegen über jedem Angriff auf spanische? Gebiet gethan, sich vereinigen. Die Kammern müßten sich schleunig constituiren, um der Regierung die Mittel zu geben, die heiligen Interessen des Landes zu ver- theidigen. „Spanien", fügte Sagasta hinzu, „wird sich kein Stück seines Gebietes ungestraft nehmen lassen, noch zugeben, daß ein Stück seines Gebietes als Handels gegenstand diene." (Begeisterter Beifall.) * Madrid, 19. April. Silvela erklärte in einer Versammlung der Conservativen, daß er die Negierung unterstützen werde, deren Projekte er zu billigen anräth. Die Republikaner haben in einem Schreiben einen Appell an den Patriotismus Castelar'S gerichtet, sich an den parlamentarischen Arbeiten zu betheiligen. Die Republikaner, heißt cs in dem Schreiben, werden ihre Ueberzeugung zum Opfer bringen, um die Souverainität der Spanier auf den Antillen zu retten. Am besten wäre es, wenn Spanien daS Ultimatum Nord amerikas gar nicht abwariete, sondern gleich loSschlüge; denn im gegenwärtigen Augenblicke kommt eS nicht mehr darauf an, auf welcher Seite der erste Schuß fällt. Die Feindseligkeiten sind tatsächlich von den Bereinigten Staaten begonnen worden; denn was sic von Spanien verlangen: sofortige Zurückziehung aller Streitkräfte und Behörden aus Cuba, d. h. die völlige Aufgabe der Insel, ist eine Forderung, die Spanien nicht erfüllen kann, ist eine Kriegserklärung in einer alles Maß überschreitenden herausfordernden, dreisten Form. Die Frage ist nur die, ob Spanien bereiter ist als die Union; und daS fragt sich eben. Die Londoner „Times" wägen in einem Aussatze eingehend die Flottenstärke der Bereinigten Staaten und Spaniens ab. Das Blatt summirt die Lage wie folgt: „An der atlantischen Küste der Bereinigten Staaten ver sammeln sich zwei Geschwader, eines auf der Rbede von Hampton und eines vor Keywest. DaS erstere trägt den Namen „DaS fliegende Geschwader". Es besteht aus den Schiffen „Brooklyn" (Flaggenschiff), „Massa chusetts", „Texas", „Columbia" und „Minnesota". DaS Keywest-Geschwader besteht aus den Schiffen „New Jork" (Flaggenschiff), „Iowa", „Indiana", „Cincinnati", „Detroit", „Marblehead", „Montgomery", „Nashville" und „Wil mington". Außerdem besitzt eS drei Monitors und mehrere kleine Fahrzeuge. Zu diesem Geschwader soll noch die „Oregon" vom Stillen Ocean stoßen. Diese kann aber vor dem 1. Mai nicht in Keywest ein treffen. Die „San Francisco" und „New Orleans" segeln von Halifax, wo sie am letzten Montag von England eintrasen, nach Keywest und die „Helene" von Bermuda. Keywest liegt etwa 100 englische Meilen nördlich von Havannah. In kubanischen Gewässern hat Spanien nur einige Kreuzer zweiter Classe und einige Kanonenboote. Der stärkste dieser Kreuzer ist der „Alfonso XII." Die Haupt macht der spanischen Marine liegt noch in dem fast 3500 englischeMeilen von Havannah entfernten Cadix, vielleicht weil einige Schiffe noch nicht völlig fertig sind, in See zu stechen. Dieses Geschwader bestehl aus den Schiffen „Pelayo", „Carlos V.", „Princessa de AsturiaS", „Alfonso XIII.", „Lcpanto" und einer großen Torpedo-Flottille. DaS zweite spanische Geschwader versammelt sich wahrscheinlich bei den Capverdischen Inseln, fast 3000 englische Meilen von Portorico entfernt. Ein drittes amerikanisches Geschwader versammelt sich in den chinesischen Ge wässern. ES soll aus der „Olympia", der „Baltimore", dem „Raleigh", der „Boston" und der „Coucord" bestehen. Die Bereinigten Staaten haben auch in Hongkong zwei Kauffahrteischiffe als Tender für das Geschwader gekauft, welches wahrscheinlich gegen die Philippinen operiren soll. Spanien bat bei den Philippinen einen gedeckten und mehrere andere Kreuzer und etwa 20 Kanonenboote." Aus Hamburg wird der „New Iorler Handels-Ztg." gemeldet: „DieNachricht, nach welcher die Hamburg-Amerika-Linie ihre Dampser „Columbia", „Normannia" und „Fürst Bismarck" dec amerikanischen Regierung zum Verkauf angeboten habe, wird von dem hiesigen Vertreter der Hamburger Gesellschaft, Herrn Emil L. Boas, als richtig bestätigt, mit dem Hinzusügen jedoch, das; die Offerte für die „Columbia" und „Normannia" abgelaufen sei, während die sür den „Fürst Bismarck" noch giltig sei." Der „Hamb. Corresp." schreibt hierzu: „Von unterrichteter Seite wird uns diese Mittheilung als genau den Thatsachen entsprechend bezeichnet. Die Offerte zum Verkauf des Schnelldampfers „Fürst Bismarck" ist zur Zeit gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten noch in Kraft." Wir haben, bemerken dazu die BiSmarck'schen „B. N. N.", und wir stimmen ihnen durchaus zu, uns bereits darüber aus gesprochen, daß es bedenklich erscheint, wenn dem Belieben einer Dampfergesellschast die Entschließung völlig überlassen bleibt, ob sie Schiffe, welche von vornherein zur eventuellen Verwendung als Hilfskreuzer der deutschen Marine bestimmt sind, an diese oder jene Macht verkaufen will oder nicht. Durch die diesen Dampfern schon bei ihrem Bau zuertheilte Zweckbestimmung müßte mindestens die Möglichkeit gewährt sein, gegen den Verkauf im Einzelfalle durch bas Marineverwaltung Ein spruch zu erbeben. Die Veräußerung der Schiffe bedeutet thatsächlich eine zeitweilige Schwächung unserer maritimen Hilfskräfte. Am Vorabende von kriege rischen Verwickelungen, deren Rückwirkung auf die zunächst unbetheiligten Seemächte sich nicht ermessen läßt, ist die LoSlösung eines nicht unwichtigen Stückes unserer Rüstung doppelt bedenklich, und eS liegt die Frage nahe, ob hier nicht Abhilfe, im Nothfalle auf dem Wege gesetzlicher Bestimmungen, zu schaffen wäre. lieber die Aussichten einer Pacification CubaS durch die Vereinigten Staaten bemerkt ein hervorragender englischer Kaufmann, der kürzlich auS Havannah zurückgekehrt ist: Sollten Feindseligkeiten ausbrechen, so wird cs für die Ameri kaner gewiß nicht eine bloße Spazierfahrt nach Cuba werden. Wenn die spanischen Truppen wie die Fliegen dem Klima erlegen sind, wie wird es den Truppen der Vereinigten Staaten ergehen, zumal während der Regenzeit, die bald beginnt und bis zum September dauert'? Wenn Amerika die Ordnung auf der Insel mit Waffengewalt wieder Herstellen will, so wird eS, ohne die spanischen Truppen in Rechnung zu ziehen, eine ebenso schwierige Aufgabe zu lösen haben, wie General i Blanco. Die Aufständischen tragen kein Verlangen Idauach, unter die Herrschaft der Bereinigten IStaaten zu kommen. Die Mehrzahl der jetzt im Felde Der Lampf mit dem Schicksal. lös Roman von Hermann Heinrich. ' Nachdruck verbot!«. Der Bischof war mit seinem ganzen Stabe erschienen, auch Herr Spitz und die Dame mit altadligem Namen waren anwesend. Mit imponirender Sicherheit trat Markgraf auf die Bühne. Die großen Erfolge der letzten Jahre hatten ihn nicht bescheidener gemacht, sein Körper war noch umfangreicher, seine großen Augen waren noch lebhafter und stechender geworden. Schon der Blick, mit welchem er die Versammlung betrachtete, schien zu sagen: „Ihr Alle seid mein!" Langsam und gedämpft begann er zu sprechen. Wie ein guter Schauspieler hatte er es gelernt, seine oratorischcn Mittel wirksam zu verwcrthen. Während des Dortrages wurde er lebhafter, seine Stimme nahm abwechselnd den Ton der Glocken, der lind säuselnden Lüfte und des grollenden Donners an. Die Freuden der Aus erwählten und die Qualen der Verdammten schilderte er in leb haften Farben, der Weltuntergang mit seinen Schrecknissen trat den Zuhörern in greifbare Nähe, und wie Erlösung berührte sie die Einladung, sich aus dem Verderben Sodoms und Go morrhas in das rettende Zion der apokalyptischen Gemeinde zu flüchten. Zum Schluß wies er auf die Schaar hin, die sich bereits zur Gemeinde bekannte, nannte die klangvollsten Namen der Gläubigen und die Summen, welche sie für das Reich Gottes dahingegeben hatten, und forderte sie auf, Zeugniß abzulegen von dem Glück, das sie empfangen. Diese ließen sich nicht nöthigen. Einer nach dem andern trat auf, um in schwärmerischem Tone und in freudiger Begeisterung sein Glück zu verkünden. Das war keine Heuchelei. Der Glanz auf ihren Gesichtern war der Widerschein des inneren Lichtes, und der erhabene Ton ihrer Reden war der Ausdruck einer beseligenden Ueberzeugung. So gewiß der Bischof selbst seine irdischen Ziele verfolgte, so gewiß hatten sie nur das himmlische Ziel im Auge, jeden Augenblick bereit, Gut und Blut ihrer Ueberzeugung zu opfern. Das Alles machte auf die Versammlung einen tiefen Ein druck; selbst diejenigen fühlten sich ergriffen, deren Urtheilskraft durch keine Schwärmerei getrübt war, und die nicht im Ent ferntesten daran dachten, sich der Gemeinde beizugesellen. Sie konnten wenigstens verstehen, daß Viele nicht stark genug waren, der Verlockung zu widerstehen. Jetzt erging der Ruf des Bischofs an die Versammlung, sich zu entscheiden für Baal oder Jehova, zu wählen zwischen Fluch und Segen, zwischen Verdammnitz und Seligkeit. „Wer sich auserwählt fühlt, der trete herzu und lasse seinen Namen ein zeichnen in's Buch des Lebens!" Eine secundenlange Stille entstand. Da regte es sich im Hintergründe; Knöterich stand auf, sprach mit seinen Genossen einige leise Worte, verständigte sich mit Anderen durch Zeichen, und dann bewegte sich ein langer Zug durch den Saal. Die armseligen, verhungerten Gestalten stiegen zur Bühne empor und drängten sich um den Bischof. Vergebens war der ernste Einspruch des Geistlichen, vergebens die Entrüstung des Amtsraths und seiner Freunde. Die ab gehungerten Arbeiter schlugen sich auf die Seite Derjenigen, die sie zu speisen und zu kleiden versprachen, die in brüderlicher Liebe nicht nur ihr halbes, sondern sogar ihr ganzes Vermögen zum Opfer darbrachten. Der Bischof hatte einen großen Erfolg errungen. Er verkündete der Versammlung: „Es wurden heute hinzugethan an hundert Seelen." Nachdem die Versammlung den Saal geräumt hatte, wurde derselbe in einen Speisesaal verwandelt. Die langen Tische, die sonst bei Tanzfestlichkeiten in den Kaffecpausen eine Rolle spielten, wurden aufgestellt, belegte Brödchen in Masse wurden aufgetragen, und nach einer halben Stunde dampfte der dünne Thee in den Kannen und Tassen. Der Bischof hielt eine schwung volles Gebet, die alten Brüder und Schwestern, darunter die Dame mit dem altadligen Namen, bedienten in liebevoller Ge schäftigkeit die neuen, und einen geradezu überwältigenden Ein druck machte es, als die Schwester mit dem altadligen Namen den Bruder Knöterich, in liebevoller Gemeinsamkeit neben ihm sitzend, über sein Leid tröstete und ihm die belegten Butter- brödchen darreichte. Indessen verlebten Richard und Franziska zu Hause unruhige Stunden. Es war ihnen zu Muth, als ob in der Ferne ein schweres Gewitter heraufziehe. Noch wußten sie nicht, ob es sich über Krahnepuhl entladen oder vorllberziehen werde, aber sie mußten auf Alles gefaßt sein. Markgraf war allerdings ein Mann, der den irdischen Vortbeil, welcher mit der Aus söhnung des Amtsraths zusammenhing, respectirte, aber wenn der Vorthril auf Seiten seiner Gemeinde größer war, und dieser Vorthril den Verrath nöthig machte, so war er zu fürchten. Um Mitternacht kam der AmtSrath zurück. Er erzählte den Verlauf der Versammlung und wetterte auf die Verführer des Volkes. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so hätte man den Bischof mit seiner ganzen Sippe ins Arbeitshaus gebracht, da mit ihnen die verrückten Ideen vergingen, und sie wieder an eine nützliche Thätigkeit gewöhnt würden. Zu seiner Beruhigung erkannte Richard aus diesen Mittheilungen, daß von seinem Geheimniß in Brunow nicht die Rede gewesen war. Trotz des großen ersten Erfolges war der Bischof doch keines wegs zufrieden. Der erste Fischzug hatte das Netz zwar gefüllt, aber nur Gründlinge, Weißfische und sonstiges werthloses Klein zeug gebracht. Ihn verlangte nach Hechten und Karpfen, und deshalb wurde für den nächsten Tag ein zweiter Zug verabredet. Die Hausmission sollte in Thätigkeit treten. Mindestens mußten die neuen Brüder ihre Arbeit wieder erhalten, denn sie aus der Casse der apokalyptischen Gemeinde längere Zeit zu ernähren, das fiel dem Bischof gar nicht ein. Die Mitglieder seiner Gemeinde mußten entweder reich oder fleißig, in jedem Falle steuerkräftig sein. Er verstand es, den „Brüdern" seine Absicht angenehm zu machen, und versprach ihnen einen großen Triumph über ihre hartherzigen Gegner. Der einflußreichste derselben war der Amtsrath, ihn mußte er selbst auf's Korn nehmen. Daß er damit die Stellung seiner Tochter und seines Schwiegersohnes gefährde, kam ihm gar nicht in den Sinn. Die Beiden hatten ja mit der Sache gar nichts zu thun, sie konnten sich ruhig im Hintergründe halten. Gelang es ihm, den Amtsrath zu beein flussen, vielleicht gar ihn zur apokalyptischen Gemeinde zu be kehren, so kam diese Sinnesänderung ja Allen zugute. Den alten Wärwolf kennen zu lernen und mit ihm ein ernstes Wort zu reden, das hatte außerdem noch seinen besonderen Reiz. Während also die neuen Brüder Brunow und Umgegend mit Traktätchen überschwemmten, und die alten Brüder und Schwestern den wohlhabenden Bürgern Missionsbesuchc machten, fuhr der Bischof nach Krahnepuhl hinaus. Mt Entsetzen be merkte Richard aus der Ferne seinen Schwiegervater, der im Hause verschwand, und sofort verständigte er Franziska. Ohn mächtig standen sie der Situation gegenüber, ihr Schicksal lag in den Händen eines im Grunde gefühlsrohen Menschen, sie mußten auf Alles gefaßt sein. Wie Lähmung kam es über Richard's Geist. Krahnrpuhl verschwand vor seinen Augen, und mit Resignation sah er dem Kommenden entgegen. Als dem Amtsrath der Bischof gemeldet wurde, empfand er zunächst einen heftigen Zorn über die Frechheit des unver schämten Menschen. Schnell aber beruhigte er sich. Das war ja eine günstige Gelegenheit, dem Heuchler einmal unter vier Augen derb die Wahrheit zu sagen. Der sollte an den Besuch auf Krahnepuhl denken! Der Bischof trat ein. Sein rundes Gesicht glänzte vor Freundlichkeit, und aalglatt näherte er sich dem Amtsrath, der wie ein Felsen düster und drohend vor ihm stand. „Ich begrüße Sie, mein hochverehrter Herr Amtsrath, mit dem Segen des Herrn." „Dieser Segen steht mir zu hoch, als daß ich ihn aus so un reinen Händen empfangen möchte. Was wollen Sie?" „Mein Herz treibt mich zu Ihnen, Herr Amtsrath, mein Mitleid mit den gegenwärtigen Leiden der Arbeitslosen und Enterbten und mit den zukünftigen Leiden der Hartherzigen und Reichen. Ich kenne Sie, ohne daß Sie mich kennen, und mensch lich und irdisch gesprochen, bringe ich Ihnen die herzlichste Sym pathie und die vollste Hochachtung entgegen. Ich kenne Ihre Hochherzigkeit und Ihren Edelmuth, ich weiß, daß Sir vermöge Ihres überwiegenden Verstandes, den Ihnen Gott in so reicker Fülle gegeben hat, auf alle Ihre Standesgenoffen einen be stimmenden Einfluß ausüben, und ich baue auf die Vortrefflich keit Ihres Herzens und Geistes, wenn ich mich Ihnen vertrauens voll nahe." Die Augen des Amtsraths funkelten, und mit Verachtung streifte sein Blick den kleinen Herrn. „Ist das Ihre wahre Meinung über mich?" „Mein Herz liegt wie ein aufgeschlagcnes Buch vor Ihnen", entgegnete der Bischof, indem er feine Rechte betheuernd auf die Brust legte. „Nun, so will ich ebenso wahr sein. Ich kenne Sie min destens ebenso gut, als Sie mich kennen. Sie sind ein faules, arbeitsscheues Subject, das sich von der Dummheit anderer Leute mästet, ein hochmüthiges, aufgeblasenes Individuum. Bischof nennen Sie sich? Sie sind zum Lehmklauber zu schlecht. In den Himmel wollen Sie kommen? In's Arbeitshaus gehören Sie, Sie und Ihre ganze Sippschaft, damit Sie erst wieder lernen, wie sich ein ehrlicher Mann fein Brod verdient." Der Heftigkeit des Amtsraths gegenüber bewahrte der Bischof seine überlegene Ruhe. Mit dieser Ruhe hatte er schon manchen Saulus zum Paulus gemacht, sie sollte ihn auch hier zum Siege führen. Er lächelte; es war ein salbungsvolles, demüthiges Lächeln. „Größere Gottesmänner als ich haben Schlimmeres ertragen, Herr Amtsrath. Ick nehme Ihnen Ihre Heftigkeit nicht übel, ja, ich erkenne durch die Wolke Ihres Zornes das verborgene Licht Ihrer Herzensgute." „Sie elender Heuchler, ich verachte Sic!" „Und ich liebe Sie und vertraue Ihnen. Sprechen Sie, was Sie wollen, Herr Amtsrath, Sie werden Ihre edlere Natur niemals verleugnen." „Kein Wort mehr! Dort ist die Thür!" Der Bischof hob seine Hände auf. „Segnet, die Euch fluchen, bittet für die, so Euch beleidigen und verfolgen."
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