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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980625029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898062502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898062502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-06
- Tag 1898-06-25
-
Monat
1898-06
-
Jahr
1898
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„Ein seelensguter Mensch, dieser Adolf!" raunt Frau Lampert dem Peter zu, „halte ihn Dir warm. Einen solchen Freund findest Du nicht wieder. Und nun nochmals meinen Glückwunsch zum Meisterbriefe! Dir zu Ehren geben wir das Fest. Und wenn William kommt, so sei lieb, Peter, und fange nicht etwa Händel mit ihm an." „Aengstige Dich nicht; einen Staatsanwalt sehe ich gar nicht an." Er nickt der Pflegemutter übermüthig zu und eilt zu seiner Braut, die noch mit Adolf im Gespräch ist. „Wenn man die Drei steht", sagt Knoblauch, der mit dem inzwischen eingetroffenen Herrn Haßlach in einer Fensternische plaudert und heimlich auf Sabine und die beiden Zwillingsbrüder deutet, „so wird man wahrhaftig nicht klug daraus, wie sie eigentlich zueinander stehen." „Nun", verseht der Fabrikant, „mein zukünftiger Socius ist jedenfalls nicht mehr der Bräutigam; rr soll die Braut seinem Bruder abgetreten haben." „Also ein dreieckiges Verhältniß!" spottet Herr Knoblauch, „nun, mir würde das nicht passen." „Warum nicht? Mir ist es ganz recht, wenn Adolf Dechner nicht mehr ans Heirathen denkt; auch ich bin Junggesell; um so besser werden wir zueinander passen." „'n Abend, Herr College", grüht Peter, der an Knoblauch herantritt, um sich eine Tanzkarte geben zu lassen. „Sie haben mich in der Prüfung weidlich schwitzen lassen; heut Abend schwitzen wir zusammen." „Wer so gut beschlagen ist wie Sie, Herr Dechner, dem kann man nichts anhaben." „Hätten mir wohl aber gern etwas angehabt? he?" „Im Gcgentheil, ich habe mich gefreut, als Ihnen die Prüfungscommission einstimmig den Meisterbrief zuerkannte. „Das glaube Ihnen ein Anderer!" lacht Peter offenherzig. „Machen Sie mir nichts weis! Wenn'- nur gegangen wäre, Ihr Alle hättet mich mit Vergnügen durchrasseln lassen; Ihr könnt nun einmal die Socialisten nicht leiden." „ES wäre un« freilich lieber, wenn auS dem SauluS ein Paulus würde und Sie noch auf unsere Seite traten." „Daraus wird nicht-; darauf hoffen Sie nimmer." „Das thut mir leid, denn Sie selbst werden den größten Schaden davon haben." „Ihr möchtet mich wohl ein wenig boycotten? mir die Kundschaft vertreiben? wie?" ..Da« wäre sehr unkameradschaftlich. Handwerk hat goldenen Boden, aber nur. wenn man'« in Frieden und Segen treibt; wer aber den Frieden stört und den Umsturz predigt, der wandelt den goldenen Boden zum Wüstensand«, der nicht« hervor» bringt al« Disteln, auch wenn er mit Measchenblut gedüngt wird." „Schön gesagt, College! Die Antwort darauf gebe ich Ihnen ein andermal; heut, denke ich, tanzen wir und begraben so lange die Streitaxt." „Soll mir recht sein, ich bin kein Kampfhahn. Schauen Sie mal hinter sich: da kommt ein ganzer Schwarm netter Mädchen." Peter drehte sich um und erkannte einige Freundinnen seiner Braut; es waren die Töchter kleinerer Kaufleute und Beamten, die mit ihren Eltern und Brüdern zum Feste erschienen. Er eilte auf die jungen Damen zu und bat sie um Tänze. Immer dichter füllten sich die beiden vorderen Zimmer; die Luft wurde knapper, die Hitze stieg in lästigster Weise. Frau Julie blickte erwartungsvoll nach der Thür, ob nicht William, das Hauptschaustllck des heutigen Abends, endlich er scheinen würde. Wie, wenn er wegbliebe? Wenn er ein Zu sammentreffen mit Peter doch für allzu bedenklich hielte und sich noch im letzten Augenblick zu einer Absage entschiede? Doch nein! da ist er! o, er ist doch ein Mann von Wort! das soll ihm unvergessen bleiben!" Der Staatsanwalt hat die Schwelle überschritten und bricht sich durch das Gedränge Bahn; unmittelbar hinter ihm folgen Just und der Maler Völker. Glücklich dringt er bis zu seiner Pflegemutter durch und küßt ihr höflich die Hand. Frau Juliens Herz schwillt vor Entzücken empor . . . dieser Handkuß! es ist der erste, der ihr heute Abend zu Theil wird ... ob ihn auch die Anderen gesehen haben? Ja. der William weiß sich zu benehmen; er hat die Manieren der guten Gesellschaft; er wird auch ihrem Salon etwas von dem Duft und Glanz der feinen Welt abgeben und das Haus Lampert hoch hinausheben über die Menge der anderen schlichtbürgerlichen Häuser. „Mein Pflegesohn, der Herr Staatsanwalt Tell!" stellt sie ihn mit besonderer Betonung des Titels den Damen in ihrer Umgebung vor. „Du kommst etwas spät, William; sieh schnell zu. ob Du noch einen Tanz bekommst." „Danke, liebe Mama, ich werde mich nicht engagiren." „Was? So ein junger, flotter Herr, ein so ausgezeichneter Tänzer? Nein, William, das darfst Du mir nicht anthun; Du darfst nicht müßig zusehen." „Ich werde ein paar Extratouren tanzen." Extratouren! Herr Gott! ja, da war da« Wort, nach dem sie schon immer gesucht hatte. Wie dankte sie e« dem Staats anwalt«, daß er den Begriff der Extratour in ihr HauS ver pflanzte, in dem man bisher immer nur ganze Tänze getanzt hatte! Ob sie nicht auf der Tanzkarte da» Wort „Extratouren" hätte anbringen lassen müssen; sie suchte Herrn Knoblauch und theilt« ihm ihre Bedenken mit. „Nein", lacht« dieser, „da« wäre nicht gegangen. Aber wir können die Polka noch immer in Extratouren zerlegen." 4842 Nachrichten ist jedenfalls di«, daß in der Reich-Haupt stadt die Socialdemokraten eine empfindliche Nieder lage erlitten haben. Boa ihrem bisherigen Besitzstand« wurde ihnen der zweite und der fünfte Kreis entrissen, wenn auch mit geringen Majoritäten. E« wird uns darüber au« Berlin geschrieben: Das Berliner Lürgrrthum hat heute «ine Scharte auSgewrtzt. ES hat nicht nur den ersten Wahlkreis gegen den socialdemokratischen Ansturm mit großer Majorität gehalten, sondern auch den Social- demokratrn zwei andere Wahlkreise wieder entrissen. Die gewählten Bürgerlichen sind freisinnig und wir werden wohl morgen in der Berliner FortschrittSpvrssr große Worte über die siegreiche Kraft des link-liberalen Gedanken« lesen. Da« wird aber großer Schwindel sein. Der Freisinn verdankt die drei Sitze ausschließlich seinen von ihm so heftig befehdeten und fast überall im Reiche gegen die Social demokratie im Stiche gelassenen bürgerlichen Gegnern. Die National- liberalen haben bekanutlich schon im ersten Wahlgange freisinnig gewühlt und deu Conservativeu ist eS nachzurühmen, daß ihre Presse in loyalster Weise den Sieg hat vorbereiten und beute mit großem Eifer hat erkämpfen helfen. Im zweiten Wahlkreise wenigstens konnten wir uns persönlich von ihrrin Eifer überzeugen. Ein von ihren locale» Führern, auch von dem unterlegenen conservativeu Laudidateu, gestern und heut« bi- kurz vor Schluß des Wahl- acteS vertheilteS Nugblatt hat unverkennbar sehr viel genützt. Moralisch hat auf die Berliner bürgerliche nichtfreisinnige Partei- zugehörigkrit außervrdentlich das heute früh in de» Blättern mit- grthrilte Leipziger Stichwahlergebniß eingewirkt. ES war ermuthigend für die Zagenden und anspornend für die Lässigen. Sodann waren es vornehmlich die Hauptwahlersolge der Social, demokratie und der „Vorwärts", der Berlin die socialdemokratische Hauptstadt des Reiches nannte, was die Nationalliberale» und die Conservativeu die Haltung der freisinnigen Parteileitung und die freche Sprache der freisinnigen Blätter vergessen ließ. Man kann getrost sagen, das Bürgerthum hat die beiden Sitze zurückerobert, nicht weil, sondern obgleich freisinnige Candidaten in Frage standen. Merkwürdig ist, daß der 3. Wahlkreis, in dem die Verhältnisse recht günstig lagen, der Socialdemokratie verblieben ist, während der 2., wenn auch mit einer sehr kleinen Mehrheit, wieder gewonnen ward. Vielleicht liegt dem Mißerfolge die leidige Thatsache zu Grunde, daß im 3. Kreise ein Pkann candidirte, der im I. in aussichtsvollslrr Stichwahl stand. Jedenfalls ist das Bürgerthum in dem nicht eroberten Wahlkreise noch stärker vertreten, als in dem gewonnenen, sehr großen 2. Bezirke. Die Socialdemokratie verdankt es also nur der Bequemlichkeit, wenn ihre Stichwahl-Niederlage nicht eine voll ständige ist. In Berlin hat sie ihren Höbepunct überschritten. Daran wird das Toben des „Vorwärts" nichts zu ändern vermögen. Auch in einer Reihe anderer Wahlkreise ist eS den durch die am 16>. Juni errungenen Erfolge der Social demokratie erschreckten und an ihre gemeinsame Pflicht gemahnten bürgerlichen Parteien gelungen, die Siegeshoff nungen der Umstürzler zu enttäuschen. Daß diese Reihe nicht größer ist, hat mau fast ausschließlich den Gesinnungsgenossen der Berliner Sieger und den Anhängern des Cent rums zu verdanken, die nicht nur in Baden, sondern auch in der Pfalz den socialdemokratischen Stichwahlcandidaten zu Hilfe gekommen sind. Aus der Pfalz wird nämlich der „Köln. Ztg." vom 23. d. M. geschrieben: „Heute erfährt mau durch die „Pfälzer Zeitung", daß die Ver- sammlung der pfälzischen CeutrumSvertrauenSmänner die zwischen hervorragenden Führern der Centrumspartei und der Cenlralleitung der nationallibrralen Partei getroffene Abmachung über gegenseitige Unterstützung gegen die Socialdemokratie bei den Stichwahlen nicht anerkannt hat. Die drei Hauptcentrumsblätter der Pfalz warnen die ultramontanen Wähler vor der Stimmabgabe für einen nationallibevalen Candidaten. Warum das geschieht, kann man aus der socialisti scheu „Pfälzischen Post" herauSIesen, in der heute das AgitatwnScomitö seine Anhänger io Ludwigshafen- Speyer und Kaiserslautern-Kirchheimbolauden anweist, für den Candidaten des CentrumS zu stimmen. Formell empfiehlt da» Centrum also keinen Candidaten, in Wirklichkeit besteht in der Pfalz eine geheime Abmachung, wonach Centrum und Social» demokratie sich gegenseitig unterstützen." Die CentrumStactiker schlagen durch solches Verhalten zwei Fliegen mit einer Klappe, sie verstärken die socialdemokratische ReichSlagSfraction uist) machen sie der Regierung fürchterlich, während sie zugleich sich selbst verstärken und sich dadurch zu einem Factor machen, mit dem die von den Socialdemokraten geängstigte Regierung rechnen muß. Auf eine solche CenlrumStactik hätte die Regierung gefaßt sein müssen. Sie war eS, wie ihr Verhalten beweist, nicht und wird nun die Folgeu ihrer Kurzsichtigkeit zu tragen haben. Daß di« von der klerikalen „Köln. VolkSztg." verbreiteten Krisengerüchte und „Enthüllungen" über Conspirationen gegen den Reichskanzler den Zweck haben, sich die Regierung zu Willen zu machen, haben wir schon gestern betont. Heute meldet sich das Ceutrn» bereits al« „regierende Partei" an und verkü«det,daß vie„Regierung"vom R«iche auS in der Weise auSgeübt werden soll, daß in den Bundesstaate», Preußen voran, der Anfang gemacht wird. Die erste der Forderungen, die bereits „oolificirt" werden, ist die Wieder herstellung der katholischen Abtheilung im preußischen CultuSministcrium, die beseitigt werden mußte, erstens weil c« sich mit der Verfassung nicht vertrug, die Besetzung von Rathstrllen im Ministerium von der Confession abhängig zu machen, sodann aber, weil diese Abtheilung schließlich die Ansprüche ver Kirche innerhalb des Staates und gegen den Staat vertrat, obwohl sie geschaffen war, um die Rechte des Staates in Bezug auf die katholische Kirche auSzuüben und zu vertreten. Der zweite Wechsel, der in Preußen eingelöst werden soll, ist die Wiederherstellung der BersassungSartikel, welche der Kirche «ine ebenfalls im konstitutionellen Staate unverträgliche, schrankenlose Bewegungs- reiheit einräumlen und darum aufgehoben werden mußten. Der dritte lautet auf Auslieferung der Schule. Im Reiche oll daraus die Aushebung des Jesuitengesetzes an die Reihe kommen — und dann bleibt ja noch immer die Forderung, welche dem jungen deutschen Reiche als Kriegserklärung in der Stunde seiner Geburt vom Ultramontanismus entgegen gebracht wurde, jene Artikel, die iu der preußischen Ver fassung als unmöglich sich erwiesen, in die Reichöverfassung aufzunehmen. Dazu kommen ferner einige Kleinigkeiten. Man rechnet bereits die Centrumsjuristen auf, die noch befördert werden können, und gründet bereits Vereine, um katholische Candidaten zu haben, die unter dem stillen Druck eines politischen UebergewichtS in die ihnen zu eröffnenden Stellen eines tributpflichtig gemachten Staates hineingcschoben werden können. Das Blatt, das diese vergnügte Zukunftsmusik macht, ist dieselbe „Kölnische VolkSztg.", die es nicht verschmäht, die Elaborate eines zweiten Lcckert mit ihrer Autorität zu decken. Man kann hieraus ersehen, wessen man sich von der neuen „Regierung" zu verseben hat und wie es um ihr Verantwort« lichkcitögefühl steht. Wenn eS wahr ist, was radikale Blätter melden, daß nämlich die Socialdemokratie diesmal ihren Antheil am Präsidium deS Reichstags fordern werde, so wird sich dieser einer sehr charakteristischen „Regierung" zu erfreuen haben. Ein cugkisch-ttnlicnischcS Shndicat hat soeben eine neue, wichtige Cvncession in China bewilligt erhalten. Es ist ihm nämlich gestattet worden, in der Provinz Ho- Nan auf 60 Jabre nach Eisen und Kohlen zu graben. Dieselbe Gesellschaft hat bereits vor Kurzem eine gleiche Cvncession für die Provinz Schan-Si erhalten, die beide» Provinzen sind benachbart, und die Grenze zwischen ihnen bildet der Hong-Ho. Beide Provinzen sind außer ordentlich reich an Mineralien, und zwar insbesondere an Kohlen. Trotz dieses so zu sagen latenten ReichthniuS ist die Bevölkerung bitterlich arm, weil es vollständig an Transport mitteln zum Export der natürlichen Schätze fehlt. Aus der Armuth der Bevölkerung hofft daS Syndical für sich Vortbeil zu ziehen, indem cS darauf rechnet, nur geringe Arbeits löhne zahlen zu müssen. Ein Hinderniß für die schnelle Erschließung der beiden Provinzen bildet aber noch die TranS- porlsrage. Es ist dem Syndikat allerdings gestaltet worden, in dem Minengebiete Eisenbahnen zu bauen und diese an schon bestehende oder noch zu erbauende Eisenbahnen anzuschlicßeu. Hingegen ist dem Shndicat die Erlaubuiß verweigert worden, die Binnengewässer der beiden Provinzen mit Dampfern oder anderen Fahrzeugen zu befahren. Die chinesische Regierung beruft sich darauf, daß sie sich nur verpflichtet habe, die Binnenschifffahrt in solchen Provinzen zu gestalten, welche VerlragShäfen besitzen. Zu diesen Provinzen gehören aber- natürlich weder Schan-Si noch Ho-Nau, da sie beide kein Küstengebiet besitzen. Die „Times" sprechen indessen die Hoffnung auS, daß es dem Shndicat noch gelingen werde, von der chinesischen Regierung noch nachträglich die Erlaubniß zur freien Schifffahrt auf den Flüssen der beiden Provinzen zu erhalten und zwar um so mehr, weil in den Verträgen der Gesellschaft mit der chinesischen Regierung ver letzteren ausdrücklich Procente von dem Gewinn zugesagt worden seien. Je leichter aber und je billiger die Transportmittel seien, desto größer sei natürlich der Gewinn und dementsprechend desto größer der Gewinnantheil der chinesischen Regiernng. Die allezeit habgierigen Mandarinen dürsten sich diesem Argumente kaum verschließen, und so wird der Kohlenexport des ShndicatS sehr bald um so stärker sein können, als es an Unterstützung durch daS englische Capital nach der „Times" sicherlich nicht fehlen wird. Für Deutschland ist diese Angelegenheit keineswegs ohne Interesse, denn die beiden Provinzen schließen sich im Westen und Süvwesten an daS Ge biet der Halbinsel Schantung an. Wenn das deutsche Capita sich nickt beeilt, daS Kohlengebiet von Schantung zu erschließen, so dürfte der Export des englisch-italienischen ShndicatS zu einer höchst gefährlichen Concurrenz werden. Denn was dadurch erspart wird, daß Schantung als Küstenprovinz den Transport bequemer und billiger hat, das wird dadurch wieder wett gemacht, daß in Schantung die Arbeitslöhne nicht so billig sind wie in Schau-Si und Ho-Nan. Deutsches Reich. * Let-zig, 25. Juni. Wir werden um Aufnahme der folgenden Erklärung ersucht: Mitthrilungen, welche den Mitgliedern de« „Verein« der Ciqarrendändler von Leipzig und Umg." in den Verein». Versammlungen gemacht wurden uad nur für diese bestimmt waren, sind bei deu eben stattgrsundenen Wahle» von Seiten der Social» demokratea zur Agitation benutzt und in ihrem Sinn« ausgrbeutet worden. Wir bedauern diese» Borkommniß außerordentlich und erklären hiermit, daß eine Verwerthung rein interner Angelegenheiten zu politischen Zwecken den Interessen und den Bestimmungen unseres „Fach-Verein»" durchaus zuwiderläust und niemals auch nur im entferntesten Sinne von uns beabsichtigt war. Der Vorstand des Vereins der Cigarrenhändler von Leipzig und Umgegend. L. Berlin, 24. Juni. Ein« B ü rger meistern) ahliu Berlin rat immer eine gewisse politische Bedeutung, schon wegen der läufigen Berührung der städtischen Behörden mit den höchsten taarlichen Stellen. Als der Oberbürgermeister Zelle im Zrühjahre zurückgetreten war, konnte man wohl Bedenken wegen der weiteren Entwickelung haben. Es war ein offenes Gehcimniß, daß Herr Zelle von seinem Amte abtrat, weil er es Denen nicht recht machen konnte oder wollte, die ein „schneidiges" Vorgehen gegenüber dem höchsten Manne im Reiche verlangten. Herr Zelle besaß nach der Meinung dieser Leute nicht genug „ManneSmuth vor Königsthronen", und man dachte deshalb nach Zelle'S Rück tritt in diesen Kreisen daran, einen Conflictsbürger- meister zu wählen. Man bat sick aber verständigerweise eines Anderen besonnen. Zum Oberbürgermeister wurde bekanntlich der zweite Bürgermeister Kirschner, vordem NecktSanwalt und Stadtrath in BreSlau, gewählt. Die Majorität für Herrn Kirschner war eine überraschend große, denn er erhielt mehr als 2/, aller abgegebenen Stimmen. Nun ist Herr Kirschner Alles eher, als ein ConflictSbürger- mcister. Er steht politisch auf einem durchaus gemäßigten Standpuncte, war früher nationalliberal, schloß sich Anfang der 80er Jahre der secessionistischen Partei an und bat sich in den letzten Jahren überhaupt von der Betbeiligung am politischen Leben ferngehalten. Seine gemäßigte Gesinnung ist natürlich auch den radikalen Stadtverordneten, die ihm jetzt ihre Stimme gegeben haben, Wohl bekannt. Sie haben cö aber doch vorgezogen, ihm die Stimme zu geben, als etwa einen Mann zu wählen, dem die Be stätigung durch den Kaiser sicherlich schon darum versagt worden wäre, weil der Monarch mit Recht in der Wahl eine gegen ihn gerichtete Demonstration erblickt bälie. Die Stadtverordneten batten eben das Gefühl der Verantwortung für die mancherlei Unannehmlichkeiten, die ein Conflict zwischen dem Monarchen und der Stadt für die letztere im Gefolge gehabt hätte. Dieses Gefühl hat, was immerhin Anerkennung verdient, über den politischen Doktrinarismus gesiegt. Da an der Be stätigung Kirschner'S nicht gezweifelt werden kann, so ist er freulicherweise die Berliner Bürgermeisterwahl glatt und befriedigend verlaufen. Berlin, 24. Juni. Aehnlich wie bei früheren Reichs- tagSwahlen wird auch jetzt wieder der Wunsch nacb einer besseren und ausgiebigeren Wahlstatistik laut. Wir können uns diesem Wunsche nur «»schließen. Wer einmal den Versuch gemacht hat, auS den bisher amtlich über die Reichstagswahlen veröffentlichten Daten ein Bild der Stellung und Bewegung der Parteien im Reiche zu gewinnen, wird sich über die Unzulänglichkeit der Statistik auf diesem Gebiete klar geworden sein. Die Genauigkeit, welche unsere Statistiker in vielen Dingen erkennen lassen, versagt hier, und weniger al» sonst findet man hier den Zweck in« Auge gefaßt, dem die gegebenen Zahlen dienen sollen. Dem Benutzer der Statistik fehlt zudem jede Handhabe einer strengeren Controle. Um die Zahlen zu beleben, könnte den Gesammtziffern der einzelnen Wahlkreise zunächst einiges Detail in Mittheilung der Resultate aus den einzelnen Unter bezirken beigegeben und eine Trennung von Stadt und Land vorgenommen werden. Sodann müßte in den künftigen Wahlstatistiken auf die genaue Kennzeichnung der Partei stellung der Candidaten mehr Werth gelegt werden, als bisher, da diese erst die Deutung der Zahlen giebt. Daß es in den bisherigen amtlichen Reichstagswahl-Statistiken hieran sehr fehlt, wird schwerlich von irgend einer Seite geleugnet werden. EmpfehlenSwcrth wäre auch, nicht bloS die Namen, sondern auch Stand und Wohnort der Candidaten anzugeben. Gerade die bei den jetzigen Wahlen hervorgetretene weitgehende Zersplitterung in der Wählerschaft läßt dies als berechtigt erscheinen. — Der Kaiser, der stets eia so rege« Interesse an dem Verein Berliner Künstler und am Künstlerhausbau bethätigte, ließ durch Graf Eulenburg dem Vorstand deS Vereins mittheilen, daß er von der Einladung zu der am 15. October d. I. stattfindenden Einweihung deS Künstler- hauseS mit Wohlgefallen Kenntniß genommen hätte, aber sehr bedauerte, in diesem Herbst durch Abwesenheit von der Heimath verhindert zu sein, an der Einweihung de« Künstlcr- »ause« rheilzunehmen, dessen Erricbtung uad Vollendung er mit lebhaftem Interesse verfolgt hätte. — Zu der gemeldeten Organisation der Schutz truppen wird der „Post" geschrieben: Di« Beförderung zuni Neserveosficier der Schutztrupp« auS dcn Reihen der in den betreffenden Colonien befindlichen deutschen Reichsangehörigen würde nicht nur den vielen au« diese» Reihen hervorgebenden Wünschen entsprechen, sie würde auch in hohem Grade im Interesse deS Schutztrupprn-CommandoS, wie der be- züglichen Gouvernements liegen. Diese würden bei deu meist gänzlich unerwartet und überraschend entstrheuden Aufständen einzelner Stämme allezeit sofort eine, wenn auch nur kleine Zahl von Ossicieren zur Disposition stellen, dir vermöge ihrer genauen Kenntniß der Eigenthümlichkeiten von Land, Leuten und Verhältnissen, und an da- Klima bereit» gewöhnt, werthvolle Dienste zu leisten vermöchten und zur schnelleren Unterdrückung eine» olchen Ausstandes wesentlich beitrogen würden. Im eigensten Interesse dieser betreffenden Reichsangehörigen würde es aber liegen, ich bei solchen Aufständen zu diesem Zweck dem betreffenden Gou verneur sofort zur Disposition zu stellen. Eine Nachsendung vou Ossicieren aus Deutschland erfordert immerhin, selbst bei telegra phischen Gesuchen und sofortiger Absendung von hier, eine Frist von mindestens 6 bis 8 Wochen, die einen Mangel au Ossicieren recht ühlbar machen könnte. Unter Umständen werden dadurch sehr be- denkliche Zustände hervorgerufen werden können. Aus verschiedenen Gründen wäre es daher sehr wüuschen»wrrth, wenn die Eatschei. düng in dieser Frage in dem oben angedeuteten Sinne recht bald erfolgen würde. — Der bisherige Consul in Pretoria, Generalconsul v. Her ff, ist -um Consul in Mailand eraannt worden. * Pose», 24. Juni. Zur Stichwahl in Posen bemerkt daS hosparteiliche WahlcomitS i» seinem jüngsten Wahl aufruf, „eS sei eine Schande, einem Gegner die Stimme zu geben, den die internationalen Socialdemokraten empfehlen". Die Pvsener Socialdemokraten sind bekanntlich von der „Gaz. Nobotnicza" aufgefordert worden, in der Stichwahl für AnbrzejewSki zu stimmen. * Aus Hannover, 24. Juni. Der Vorsitzende deS nord hannoversche „Bezirkes der Kriegervereine, General lieutenant z. D. von Schmidt in Celle, hat in einem offenen Bries an die Kriegervereine erklärt, wenn die Stich wahl nicht anders ausfalle, entschlossen zu sein, den Vorsitz niederzulegen, weil nach Maßgabe der Wahlstatistik von 4 bis 5000 KricgervereinSmitgliedern nur etwa über 2000 für den uationalliberalen Candidaten gestimmt hätten, da gegen fast 3000 Mitglieder entweder gar nicht oder für die Vertreter der entschiedensten Opposition bezw. für die Feinde des preußischen KönigthumS, sowie de» Staates überhaupt. Der Generallicutenant erklärt: „Wer für den Freisinn, daS Welfenthum und die Socialdemokratie gestimmt hat, hat seinen Kaiser und König verrathen, hat Heuchelei mit seinem Gclöbniß getrieben." Dieser sonderbare Brief erregt selbst in den VorstandSkrcisen dieser Vereine starke Bedenken. Oeffrntlich gemißbilligt wird das Schreiben des Generals vom nationalliberalen Verein, der folgende Erwiderung veröffentlicht: „Mit Rücksicht auf de» offenen Bries Sr. Excellenz de» General- lieulenants z. D. v. Schmidt an die Kriegervrreine unsere» ReichS- tagswahwezirkS erklärt der Vorstand des nationalltberale» Verein», daß er von diesem Briefe nur mit Bedauern Kenntniß genommen hat, obwohl derselbe offenbar nach Absicht des Verfassers sür unsere Candidaten Stimmung machen soll. Der Brief spricht nach unserer Uederzeugung den Anhängern freisinniger Anschauungen Vaterlands- liebe und Reichstreut völlig mit Unrecht ab. Der Vorstand des nationalliberalen Verein»: v. Reden, Heyer, vr. Meyer, Fitschen." * Eisenach, 24. Juni. Der Großherzog bat sein 8l. Lebensjahr im besten Wohlsein angetrete». Massenhafte Glückwünsche, Adressen, Blumenspenden sind in Wilhelmsthal angekommen. Der Kaiser, deutsche und «ußerdeutsche Höfe, Fürst Bismarck, Gelehrte, Künstler bekundeten ihre verehrende Theilnahme. DaS Telegramm deS Kaiser« hat folgenden Wortlaut: „In gewohnter Gesinnung sende Ich Dir zu Deinem heutigen 80. Geburtstage Meine aufrichtigsten und innigsten Glückwünsche. Mögest Du Deinem Lande und un» Allen in Kraft und Rüstigkeit noch lange erhalten bleiben. Ich hoffe. Dir dadurch eine Freude zu bereiten, daß Ich den Auftrag ertheilt habe, von den werthvollen Goethe-Handschriften, die sich in der Berliner Bibliothek befinden, Photographien anfertigen zu lassen, um sie Dir für La» Goethe, und Schiller.Archiv in Weimar im Andenken an die erlauchte Stifterin desselben zur Verfügung zu stellen." In Jena fand, wie uns ein Privattelegramm meldet, auS Anlaß des Geburlsseste« des Großherzogs, heute Abend ein großes Marktfest unter Vorsitz de« ProrectorS der Universität, Oberbürgermeisters Singer, statt, der auch die Festrede hielt. * Ottweiler, 24. Juni. In dem Aufruf deS Bundes der Landwirthe im Wahlkreise Ottweiler, in der Stich wahl für Freiherrn v. Stumm gegen den CentrumScandi- daten zu stimmen, heißt cS im Hinblick auf dessen Wahl: „Dann ist die Zukunft des Vaterlandes gesichert, dann bleibt dem Bauer die Scholle erhalten, dem Handwerker wird wieder der Lohn seiner Arbeit gewährleistet, dann behalten wir eine blühende Industrie und einen ehrliche» Kaufmannsstand." „Wie soll das aber geschehen?" > „Sehr einfach, Frau Lampert. Wenn es so weit ist, dann kündige ich der Gesellschaft an, daß die Polka eine Null-Polka ist; dann wird zu ihr nicht fest engagirt." „Vortrefflich! O, Sie sind ein Vocativus, Sie wissen immer Rath. Jetzt, denke ich, könnte es aber losgehen; das Theege- schlapper muß ein Ende nehmen; lassen Sie zur Polonaise auf spielen." Der Maler Völker strahlte vor Vergnügen, als die in seinen Kreisen schon längst nicht mehr gebräuchliche Polonaise begann und die ältesten Herren mit den ältesten, zimperlich und ver schämt dreinschauenden Dämchen in feierlichem Zuge im Berliner Zimmer einherschritten. „Eine Fundgrube von Motiven!" raunte er entzückt dem Fabrikanten Haßlach ins Ohr, der gründ- sätzlich nie tanzte, wenn man das doch schnell abphotographiren könnte! „Sehen Sic nur die Frau Mieseke dort, wie sie ihre seidene Schleppe trägt, gerade wie ein Metzger das Fell eines geschlachteten Hammels! O, diese Hoffouriers-Wittwc ist unver gleichlich! In jeder Falte ihres Rockes blähen sich die stolzesten Traditionen des Königsschlosses, in dem ihr Seliger sehr wahr scheinlich einmal Lakai gewefen ist!" „Pscht! Herr Professor! Daß man Sie nicht hört!" mahnte vorsichtig der Andere. „Die hören uns nicht! Die sind vor Stolz und Vergnügen blind und taub wie die Auerhähne in der Balzzeit!" In dem kleineren Salon, der heute früh noch ein Schlaf zimmer gewesen war, verkehrten in den Tanzpausen die besonders durstigen Gäste, um einer dort ausgestellten AnanaS-Bowle wacker zuzusprechen. Als der Tanzsaal geräumt wurde, damit die Lohndiener die in Bereitschaft gehaltenen Theile der Tafel aufstellen und alles Erforderliche zum Abendessen vorbereiten konnten, drängte man sich in den drei übrigen Räumen zum Ersticken zusammen. Da» machte aber der munteren Wirthin den allergrößten Spaß und sie lohnte dem Vortänzer, der die mit Beifall aufgenommene Bemerkung machte, daß sie hier alle wie die Heringe in einer Tonne steckten, mit dankbar ermuntern dem Lächeln. An der Tafel saß Peter neben seiner Braut. Er versuchte wiederholt deren Händchen unter dem Tische zu erfassen, da fie hier aber keine Zärtlichkeiten, die so leicht von den Anderen be merkt werden konnten, dulden wollte, so begnügte er sich, mit seiner Fußspitze Fühlung an ihrem kleinen Füßchen zu gewinnen und ihr es leicht zu drücken. Er trank reichlich Wein und wurde immer verliebter und kühner. Frau Julie ließ heute etwa« draufgehen; eine Schüssel folgte der anderen und all« waren von einem der theuersten Köche auf« Schmackhafteste bereitet und tadello« anaerichtet. „Ich bitt«, zuzulangen, meine Herrschaften; e« ist noch mehr da!" So tönte immer wieder ihre selbstbewußte Aufforderung über die Tafel. Herr Knoblauch hatte einen kleinen Spitz; seiner Eigenschaft als Gast völlig uneingedenk, fing er an, selbst den Wirth zu machen und besonders die Herren zu flottem Trinken anzufeuern. Dabei vergaß er das Essen nicht: einige Compotschüsscln, die vor ihm standen, hatte er schon geleert; als ihm aber eine von ihm noch nicht gekostete Schale mit eingemachten Aprikosen gat zu verlockend in die Augen stach, ergriff rr auch diese, bot sie ganz unberufen seinen Nachbarn, die gar nicht danach verlangt hatten, an und benutzte diesen durchsichtigen Vorwand, um sich dann selbst den Inhalt der Schale zu Gcmüthe zu führen. Frau Julie, die von dem Staatsanwalte zu Tische geführt worden war, stieß diesen heimlich an: „William, Du mußt eine Rede halten." „Wollen wir das nicht lieber lassen, beste Mama? Deine Gäste unterhalten sich vortrefflich . . . sieh' nur! . . . Ich glaube wirklich, daß sie es nur als Störung empfinden würden." „Nein, nein, William, Du mußt es mir zulieb thun! Auf Deine Rede habe ich mich schon die ganze Woche gefreut .... das wird die Krone des Festes!" Sie ließ nicht nach und Tell erfüllte endlich widerwillig ihren Wunsch und klopfte ans Glas: „Meine hochverehrten Damen und Herren! Wir befinden uns hier im Hause eines Manne«, der einst mit dem Schurzfell vor der Stichflamme des Schmelz apparates gestanden und edles Gold in Fluß gebracht hat. Heut ist der anspruchslose Arbeiter von damals einer der angesehensten Meister seines Faches, der nun auch das Gold der Liebe und Bewunderung in unserem Herzen in Fluß bringt, so daß wir ihn preisen als Muster eines wackeren, menschenfreundlichen Arbeitgebers, als eine Perle unter den pflichttreuen Bürgern dieser Stadt, als einen der besten und zuverlässigsten Söhne des deutschen Vaterlandes. Solche Männer sind heute auch dft festesten Stützen des Thrones. Unser kaiserlicher Herr, der ein Herz hat für alle Kinder seines Volkes, auch für dir redlichen und tüchtigen Arbeiter, hat in seiner ewig denkwürdigen Bot schaft das Wort verkündet, daß die Heilung der socialen Schäden nicht auLschließlich im Wege der Repression social demokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig durch po sitive Förderung de» Wohle» der Arbeiter zu suchen sein werde. Da« ist ein arbeiterfreundliches, ein weises und christliche» Wort. Ein Kaiserwort, das ihm die Dankbarkeit de» Bolles in Erz graben wird! Auf das Wohl eines solchen Landelvatrr» bitte ich Sie, die Gläser zu leeren: Seine Majestät, unser aller gnädigster Kaiser Wilhelm I., der Siegreiche, lebe hoch!" (Fortsetzung folgt.)
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