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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980608021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898060802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898060802
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-06
- Tag 1898-06-08
-
Monat
1898-06
-
Jahr
1898
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Reclamen unter dem Ridactionsstrich (4ge- spalten) bO^, vor den yamiliennachrtchlen (ü gespalten) 404- Grötzrr« Schristea laut unser»« Prei». verzeichnih. Tabellarischer und gifsrrnsatz nach höherem Tarif. »xtr« »Beilagen (gesalzt), nur mit dsr Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung e 60.—, mit Postbesördrrung e 70.—. ^«nahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde srüher. Anzeigen sind st«» an di« Expedittat» zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. 285. Mittwoch den 8. Juni 1898. l. SL Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. -p- Immer drohender zieht sich daß Kriegsgewolk um Santiago de Cuba zusammen, auf das sich jetzt daS Interesse an den KrlegSereignissen fast ausschließlich be schrankt. Die Absicht der Amerikaner ist offenbar, die Ein fahrt in die Bucht durch Zerstörung der dieselbe beherrschen den Befestigungen zu erzwingen und dann die Flotte Cervera's, welche an Zahl den vereinigten Geschwadern Schiey'S und Sampson'S weit unterlege» ist, zum BerzweiflungS- kamps zu stellen. Daher die fortgesetzte Beschießung der HafenfortS. Eine solche hat am Montag wieder statt gesunden, diesmal, wie es scheint, mit größerem Erfolg, lieber etwaige Verluste auf amerikanischer Seite wird nichts Näheres berichtet, auf spanischer Seite sind dieselben, wie scheint, nicht unerheblich und die Hafenbefestigunqen durften stark beschädigt sein. Das Marine-Departement iu Washington erhielt gestern, wie uns berichtet wird, eine Drahtmcldung des Admirals Sampson, dir besagt, «r habe Montag früh zwischen 10 und 10»/, Uhr die Befestigungen von Santiago beschossen und sie vollkommen zum Schweigen gebracht. Auch Admiral Ccrvera hat die Madrider Regierung von dem Kamvfe benachrichtigt. Die uns im Wortlaut vor liegende Meldung lautet: * Madrid, 7. Juni. Zehn amerikanische Schiffe be schossen Santiago de Euba und die Küste. Einige Erschösse trafen die spanischen Schiffe. Der Kreuzer „Reina Mercedes" verlor 6 Tadle, IS Ver wundete und 5 ganz leicht Verletzte. Die spanischen Lau dtrnppe» batten einen Todten zu beklagen; :t Vsfielerr und 17 Mann waren verwundet. Die Amerikaner gaben 1500 Schüsse au» Geschützen verschiedenen Kaliber» ab, doch ist der Schaden, den die Batterien in de» FortS Socapa und Morr» erlitten, nicht erheblich. Dagegen wurde die Kaserne im letztere» Kort beschädigt. Auch der Feind hat sichtlichen Schaden erlitten. Dies die amtlichen Berichte. Sie lasten erkennen, daß ein erbitterter Kampf um Santiago getobt hat. Privat me ldun gen berichten über die Einzelheiten desselben Folgendes: * New Aork, 7. Juni. DaS „Journal" veröffentlicht folgende Drahtmeldung aus Cap Haitien über die Beschießung Santiagos: 10 Panzerschiffe dampften vor den Forts hin und her und feuerten über 1500 Schuß allein aus schweren Geschützen ab. Nach einer Stunde näherten die Schiffe sich dem Eingänge des Hafens und bemerkten, daß die „Reina Mercedes" mit Vorbereitungen zur Sprengung des Wracks der „Merrimac" beschäftigt war. Ein von dem „Oregon" abgegebener Schuß traf die „Reina Mercedes", riß alle Oberbauten nieder und tödtete einige Leute der Man nschaft. Admiral Cervera gab darauf Befehl, das Schiff zu verlassen. Alle Forts, ausschließlich des Forts Morro, liegen in Trümmern. (?) Am Nachmittage griff die spanische Infanterie und Caval» lerie eine Abtheilung amerikanischer Marinemannschasteu an, die in der Nähe von Daiguiri landeten. Mit Hilfe von Aufständischen, die in der Nähe waren, gelang es der amerikanischen Abtheilung, eine Stellung einzunehmen, von der aus sie später die Spanier mit schweren Verlusten zurück schlagen konnten. Jetzt werden schwere Geschütze gelandet. — Von Bord des Depeschenbootes „Daudi" auf der Höhe von Sant iago ist über daS gestrige Gefecht folgende Drahtmeldung ein gelaufen: Der Kampf fand bei dichtem Nebel und heftigem Regen statt. Die Amerikaner eröffneten das Feuer. Die Spanier erwiderten eS sofort, fchossen aber schlecht. Die amerikanischen Schiffe führten keine Bewegung aus, sondern unterhielt«« von ihrem ursprüng lichen Standpunkt« a«S ein stetige» Feuer. Später rückten die Schiffe de- Tommodore Schleh in eine nähere Schußlinie vor. Bon der „Broocklyn" und dem „TexaS" wurden die Strand- battirien rasch zum Schweigen gebracht, ebenso die Batterien des Fort» Estrrlla, daS in Brand geschossen wurde. Die „N«w Kork" und di« „New Orleans" brachten weiter östlich da» Fort Castro zum Schweigen und beschossen dann noch die Schanzwerkr. Bald darauf brach im Fort Catalina Feuer aus' so daß diese» gleichfalls das Schießen etnstellte. Um 10 Uhr Vor mittags gaben die Spanier keinen Schuß mehr ab. Admiral Sampson stellte alsdann auf amerikanischer Sette das Feuer ein. Kein Schiff d«S amerikanischen Geschwader» ist getroffen, kein Mann verwundet. In dieser Darstellung ist zweifellos Manches übertrieben, wie denn auch die erste im Morgenblatt wiedergegebene Meldung, daß fünf spanische Officiere getödtet seien, dahin berichtigt wird, daß sie nur schwere Verwundungen davon getragen haben. Doch muß man, da Cervera selbst zuaiebt, daß die spanischen Schiffe von den Kugeln der Amerikaner getroffen und die Seebefestigungen beschädigt worden sind, annehmen, daß der Tag nur insofern nicht ganz unglücklich für die Spanier war, als es dem Feinde abermals nicht geglückt ist, in den inner« Hafen einzudringen. Was den Kampf zu Lande betrifft, so hat er sich ledig lich zwischen spanischen Truppen einerseits und Aufständischen und amerikanischen Marinetruppen andererseits abgespielt. Die Letzteren beabsichtigten, Munition zu landen, was ihnen auch geglückt sein dürfte. Von einem Landangriff auf Santiago durch die Aufständischen und ein etwa schon gelandetes amerikanische» HilfScorpS kann keine Rede sein. So berichtet man unS: * Washington, 7. Juni. Nach dem heutigen Cabinetsrath äußerte sich eiu Mitglied der Regierung über die Lage vor Santiago de Cuba dahin, wenn ein Zusammenstoß dort statt- grfundrn habe, so sei das wahrscheinlich nur zwischen Spaniern und amerikanischen Marinemannschasteu bei Versuchen, Waffen für die Aufständischen zu landen, der Fall gewesen. Landungen größerer Truppenmaffen, von denen in den letzten Tagen wiederholt mit aller Bestimmtheit gemeldet wurde, sind anscheinend noch nicht erfolgt. Der New Iorker Berichterstatter deS „Daily Cronicle" depeschirt nach London, daß nicht ein einziges Truppenschiff Tampa verlaßen habe. General Shafter habe telegraphirt, daß Mac Kinley den sofortigen Abgang der Truppen wünsche, es sei aber unmög lich, weil die gejammte Ausrüstung ohne Ladebriefe abaeschickt worden sei und man sämmtliche Kisten aufbrechen müßte, um daS Nöthige zu finden. Der KriegSsecretair Alger befahl dem General Miles, dies schnell thun zu lassen. In der obersten Leitung des Krieges scheint überhaupt Manches zu hapern. Man berichtet unS darüber aus * London, 8. Juni. (Telegramm.) Der „Standard" meldet au» Washington: Nachdem Mac Kinley von dem General berichte des General» MileS über den wenig befriedigen den Stand der militairischen Borbereitu ngen Kenntniß genommen hatte, verlangte er vom KriegSsecretair Aufklärung. Ebenso hat er im Cabinette die Veranstaltung einer Unter suchung angeregt, die zur Feststellung der Verantwortlichkeit führen soll. Die „Merrimac"-Affaire ist noch immer nickt auf geklärt. AuS New Hark wird berichtet, Admiral Sampson habe am Montag mit dem Bombardement Santiagos beabsichtigt, das Wrack zu beseitigen, da» die Einfahrt der ameri kanischen Schiffe iu den Hafen und die Vernichtung von Cervera's Flotte verhindere. Darnach kann eS nicht im Plane Sampson'S gelegen haben, daS Schiff zur Ver legung des Hafeneinganges selbst zu versenken. Nun wollen zwar Londoner Blätter wissen, eS solle ein zweites Schiff versenkt werden, um den Canal völlig zu sperren. Aber abgesehen davon, daß diese Version zugiebt, daß die Hafeneinfahrt wenigstens zum Theil freigeblieben ist, fügen dieselben Blätter hinzu, an Bord des „Merrimac" habe sich eine ganze Anzahl von Seeleuten versteckt gehalten, welche die Fahrt ohne Erlaubniß mitmacken wollten. Das ist doch offenbar ein verhülltes Zugeständniß der Richtig keit der spanischen Meldung, daß die ganze Besatzung des „Merrimac" bis auf acht Mann ertrunken sei. Der „Merrimac" ist jedenfalls nicht ein altes werthloscs Kohlen schiff, sondern rin gut bemanntes und armirteS Kriegsschiff gewesen, denn das wird man doch Niemanden glauben machen, daß „zahlreiche Seeleute" sich in einem dem Unter gang geweihten Schiff verstecken, lediglich in der Absicht, zu — ersaufen! Neber die Kämpfe, in welchen die Aufständischen auf den Philippinen siegreich gegen die Spanier geblieben sein sollen, wartet man am besten Näheres aus spanischer Quelle ab, ehe man sich ein Urtheil bildet. Wie uns aus Washington gemeldet wird, verließ gestern der Monitor „Monterey", von dem Kohlenschiff „Brutus" begleitet, San Francisco, um nach Manila in See zu gehen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juni. Nur noch eine Woche, und die Wahlen finden statt. Für die intensive, die Kleinarbeit ist diele kurze Spanne Zeit nicht gering zu achten, und hoffentlich wird sie von den Kindern deS LicktS so eifrig, wie von den Kindern der Finsterniß auS- genützt, wenn auch nicht so gewissenlos, wie von diesen. Für eine Wahlpolitik im großen Stile, also eine solche, die von der Regierung gemacht werden müßte, wäre aber keine Zeit mehr, auch wenn sonst die Voraussetzungen dafür gegeben wären. ES scheint deshalb nicht angemessen, der Regierung ihr Versäumniß noch immer vorzuhalten und vie Taube noch in letzter Stunde zu Adlerflügen zu bereden. Daß dieses Drängen der letzten Tage nicht von Nutzen war und ist, zeigt die gestern auS Chronistenpflicht wiedergegebene Kundgebung deS Grafen PosadowSky. Der Staatssecretair und Sprechminister im Reiche hat unverkennbar nur etwas verlauten lassen, weil in einem Theile der Presse von der Regierung so dringend etwas verlangt worden war. Es ist aber nicht viel, waS er gesagt bat, nickt mehr, als was jeder nur Halbwegs politisch gebildete Wähler in einem von der Socialdemokratie bedrohten Wahlkreise sich selbst sagen muß; die Wähler anderer Wahlkreise sind nicht weiter als vorher. Kräftigeres ist nicht zu erwarten, und darum sei der Regierung in diesen Tagen die beschauliche Ruhe vergönnt, die ihrem Temperament angemessen ist. Was bisher für die Sammlung gethan worden ist, ist vom Lande gethan worden, und so wird es auch weitergehen müssen. Ganz unbedeutend ist das Erreichte schon heute nicht mehr, und WaS in den nächsten acht Tagen nicht mehr geschehen kann, muß den nächsten fünf Jahren aufgespart bleiben. Die mit dem Fusel widriger Demagogie versetzte Waffer- suppcn-Wahlbewegung behagt unS ja sehr schlecht, aber die Regierung ist ihrer Aufgabe, sie zu Würzen, nun einmal nicht gewachsen. Niemals, seit das Reich besteht, ist so viel von oben herab „eingewirkt" worden, als in den letzten acht Jahren, und niemals bat bei einer ReichStagSwahl so sehr ein von oben gezeigter Mittelpunkt gefehlt, wie diesmal. Die Ursache dieser Erscheinung liegt zu Tage. Sie besteht in dem Mangel einer thatsachlich unter ministerieller Verantwortung gemachten Politik. Da die Aussicht, diesen Fehler in naher Zeit »er schinden zu sehen, nicht vorhanden ist, so erwächst den nationalen Parteien für die künftige Legislaturperiode eine schwere Aufgabe. Sie werden es sein, dir die Sammlung machen müssen. Und diese Pflicht bezeichnet zugleich dir Pflicht der Wähler für den 16. Juni. Die bevorstehende ReichStagSwahl wird das Werk nicht schaffen, aber sie ist die näckste und die größte Vorbereitungsarbeit dazu. Das Wahlergebniß wird entweder ein Hemmschuh oder eine Treibkrast sein für den Neichswagen, den die nationalen Parteien schieben müssen. Di« Weisheit, die da sagt: „Laßt erst das Hundert Socialdemokraten im Reichstage voll werden, dann wird der Michel aufgerütttlt sein", ist AfterweiSheit. Umgekehrt: je größer die Zahl der positiven Elemente im nächsten Reichstag, desto aussicht-voller die Arbeit, ihm nach fünf Jahren einen Nachfolger zu schaffen, in dem eine in der That und nicht um Lohn nationale Mehrheit die Ge schicke des Reiche» bestimmt. Da» eben gesprochene hochmÜthige, aber nicht unwahre Wort vr. Liebrr'S: „Wir (daS (Zentrum) sind keine Regierungspartei, aber die regierende Partei" wird dann, aber auch nur dann, zu gelten aufhören. Bekanntlich macht das Zentrum verzweifelte Anstrengungen, das allgemeine Wahlrecht im Besonderen als gefährdet und im Allgemeinen sich selbst al» die zuverlässigste, ja einzige Hüterin der Volksrechte hinzustellen. Daß aber daS Centrum, wenn die römische Wcltkirche eS forderte, jedes freiheitliche Recht ohneWeitereS Preisgeben würde, lehrt die Stellungnahme der „Germania" zu dem Verbot der liberalen „Bozener Zeitung" durch den Fürstbischof von Trient. Der Fürst bischof hat das genannte Blatt als kircheufeindlich ge mäß ein er päpstlichen Verfügung neuesten Datums (oouZt. ckcr probid. ob vsu8. lidr. vom 25. Januar 1896, Capitel 8) verboten und boycottirt, indem er allen seinen Diöcesanen untersagt, die „Bozener Zeitung" „zu halten, zu lesen und Anderen zu vermitteln". Auf eiu einjacheS Verbot hat sich aber der Fürstbischof nicht beschränkt, vielmehr in der betreffenden Kundmachung seinem Groll gegen die „Bozener Zeitung" derart die Zügel schießen lassen, daß er sagt: „Die Sache erwägend, könnte man etwa meinen, daß die zur Schau getragene Anfeindung der Kirche und die ge radezu blasphemischen Ergüsse, zu welchen sich die „Bozener Zeitung" erdreistet, dadurch unschädlich werden, daß deren u nge sch m inkteGemeinh eit eher zum Au ekeln als zum Ver führen geeignet erscheint." Der Redacleur der„BozenerZeitung" hat deswegen den Fürstbischof wegen Ehrenveleidigung verklagt und damit die „Germania" verlockt, zur Sache das Wort zu ergreifen; sie schreibt heute wörtlich: „Mit dem selben Rechte könnte ein Dieb den ihn bestrafenden Richter wegen „Ehrenbeleidigung" verklagen. Die Klage deS Re dakteurs ist vielmehr nur ein Beweis für den hohen Grad von Mißachtung, den derselbe auch der kirchlichen Autorität entgegengestellt." — Also kein Wort des Widerspruchs gegen den Angriff des Fürstbischofs auf die Freiheit der Presse! Kein Wort des Widerspruchs gegen die offenbar beleidigende Form des Verbots, dessen Wortlaut die „Germania" mit Wohlgefallen abdruckt. Dafür aber daS uneingeschränkte Bekenntniß zu der bedingungslosen Unterordnung deS Lairn unter die Priester um der kirchlichen Autorität willen! Wer der letzteren sich nicht fügt, wer den Schutz des Staates gegen den geistlichen Beleidiger anruft, der gleicht dem Diebe, welcher den ihn strafenden Richter wegen Beleidigung verklagt. — Das nennt man kämpfen für „Wahrheit, Freiheit und Recht", daS nennt man volksfreundlich. Nicht wahr, Herr Bachem und Herr Müller-Fulda? Wie seit 1896 regelmäßig beginnen jetzt die Vorbereitungen zur Wiedereröffnung des Tudanfeldzusr»; von England Zanitatsraths Türkin. 16j Eine Kleinstadt^leschichte von Klaus Rittlauh. Nachdruck verboten. Zu derselben Stunde, als Fritz Olfers in Berlin vergeben» nach ihr fragte, saß Jndschi in Klützow an einem Sterbelager und hielt eine liebe, erkaltende Hand in der ihren. „Kannst Du kommen? Bin erkrankt und möchte Dich bei mir haben", hatte der Onkel ihr vor vier Tagen telegraphirt. Unverzüglich war sie abgereist, von banger Sorge erfüllt. Am Bahnhof in Klützow hatte der Kutscher sie erwartet. „Frau Borstel sei schon vor vierzehn Tagen in ihre Heimath gereist, aus Furcht vor der Influenza, die in Klützow grassire. Und nun sei Ende der Woche der SanitätSrath plötzlich erkrankt — „ein schlimmer Arm" — und feit gestern sei ziemlich heftiges Fieber gekommen. Ein schlimmer Arm? Was hatte das zu bedeuten? Vielleicht Gicht? Der Kutscher wußte es nicht. „Gottlob, daß Du da bist. Ich habe mich nach Dir gesehnt. Kleine", hatte der Onkel sie begrüßt, augenscheinlich erfreut. Sie hatte ihn nicht schlecht auSsehrnd gefunden, nur sein Wesen war ihr seltsam erschienen, so weich und erregt. Anfangs hatte er sie in dem Glauben gelassen, daß es sich um einen Gichtanfall handle, aber als der Mittag herangekommen war, da hatte er ihr die Wahrheit gesagt: Blutvergiftung! vorige Woche hatte er eine gerichtliche Section zu machen gehabt, dabei eine kleine Schramme an der rechten Hand nicht beachtet, die kaum sichtbare kleine Wunde war inficirt worden und nun — „erschrick nicht, Kleine, aber heuteNachmittag wird der Arm amputirt. Vielleicht daß ich so noch zu retten bin." Jndschi hatte laut aufgeschluchzt bei dieser erschütternden Mittheilung. Aber er hatte sie beschwichtigt. Er nahm sein Schicksal wie ein Held hin. Der Arm war amputirt worden. Aber das Gift war schon zu weit vorgedrungen. Keine Macht der Erde konnte den Kranken mehr retten. Und al» Arzt wußte er e» ganz genau. Schwere Tage, bange Nächt« waren gefolgt. Jndschi hatte die Pflege ganz allein übernommen; sie wich nicht mehr von Hem Lager des geliebten Kranken. Und ihre Gegenwart war ihm lieb. Immer, wenn er einmal aus seinen Fieberphantasien zu klarem Bewußtsein erwachte, griff er nach ihrer Hand, schaute sie lächelnd an und sagte irgend ein gutes, freundliches Wort. Gestern waren seine beiden Söhne angekommen, Paul, der ältere, fassungslos, der Cadet hoffnungsvoll, immer von baldiger Besserung redend, mit dem Leichtsinn eines jungen Menschen kindes, das noch nichts Schweres erlebt hat und an nichts Schweres glauben mag. Unzählige Menschen strömten während dieser Tage in dem Hause des Sanitätsraths aus und ein. Ganz Klützow und die Umgegend, Meilen in der Runde, nahm Theil an dem Krank heitsfälle. Und Jndschi, die treue Pflegerin, wurde überhäuft mit Hilfe-Anerbietungen und Freundschaftsbeweisen. Die Ersten, welche kamen, hatte sie durch das Mädchen abfertigen lassen, aber dann hatte der Onkel gebeten: „Sprich selbst mit ihnen. Sie meinen es aut." — Und nun war es gerade, als ob all' diese Menschen sich schon längst nach ihr gesehnt, sie schmerz lich vermißt hätten, als ob Jndschi in ihre Heimath zurückgekehrt wäre. Seltsame Wandlung. — Heute Nacht war eine große Veränderung mit dem Kranken vor sich gegangen. Er nahm nichts mehr zu sich, athmete unregelmäßig, aussetzend — schien aber nicht mehr zu leiden. „Es geht zu Ende", sagte der fremde Arzt, als er ihn am Morgen erblickte. „Wenn er nur einmal husten könnte; er scheint etwas auf der Brust zu haben", sagte der Ladet. „DaS ist Röcheln", antwortete der Arzt. Da wurde es dem armen Jungen klar, daß er nicht mehr hoffen durfte. Schluchzend brach er vor dem Bette deS Vaters zusammen. Und dann kam die große Stunde, welche Antwort giebt auf die tiefst«, bangste Frage der Menschen seele dem, der die Antwort nicht weiter verkünden kann, die allen Lebenden ein ewige» Gehrimniß bleiben soll. Zwei Lage waren vergangen. Inmitten des großen Studir- zimmer» hatte man den Sarg aufgestellt, von grünen Oleandern, Palmen und Lorbeerbäum«« umgeben. Und zwischen dem Grün sah das stille, weiße Gesicht hervor mit einem Ausdruck, wie Leichen ihn selten haben — ein milder, guter Ausdruck. „In Frieden heimgegangen!" la» man auf diesem Lodtrnantlitz. Unzählige Kreuze, Kränze und Palmenzweige wurden gebracht; wie ein grüner Wall lagen sie um die erhöhte Ruhestätte auf geschichtet. Und immer noch kamen neue dazu. Unzählige Menschen wollten den Verstorbenen noch einmal sehen. Rüh rende Scenen des Schmerzes, der Theilnahme spielten sich vor dem Sarge ab. Justizrath Kreßmann, des Sanitätsraths ältester Freund in Klützow, schluchzte laut auf, als er sich dem Todten näherte; seine Frau fiel Jndschi weinend um den Hals und bat sie, sich stets an sie zu wenden, wenn sie Rath und Hilfe brauchte. Frau Drösel wollte sogar das feste Versprechen haben, daß Jndschi in der nächsten Zeit bei ihr wohnen und sich in ihrem Hause ausruhen, erholen sollte. Kam vielleicht manchem von diesen Menschen ein Gefühl des Vorwurfs, daß sie dazu beigetragen hatten, diesem stillen Manne eine seiner letzten großen Lebensfreuden zu verderben? Oder war es nur, daß der Ernst des Todes sie mit reinigendem Hauch durchwehte und das Gute, Tiefe, Reinmenschliche in ihren Seelen frei machte, löste aus dem Wust der kleinen Erbärmlichkeiten? Auch die geringeren Leute kamen; fast alle baten darum, selbst vor das Todtenlager gelassen zu werden. Das war nicht, als wenn irgend ein anderer angesehener Herr aus den besseren Kreisen gestorben wäre. Diesen hier hatten sie Alle mit ver loren. Ein alter Bauer war fünf Stunden weit aus seinem Dorfe hereingekommen, um einen Riesenkranz von Nadelzweigen, mit sehr geschmacklosen Papierblumen verziert, zu Füßen des Sarges niederzulegen. Eine arme Flickfrau, der „uns' leiwer Herr San'tätsrath" erst neulich die einzige Tochter vom Tode gerettet, hatte viele mühsam verdiente Groschen geopfert, um einen herrlichen Palmenzweig zu erschwingen. — Jndschi nahm tief ergriffen all diese Beweise zärtlicher Dank barkeit, aufrichtigen Schmerzes wahr. Sie hatte den Onkel oft bedauert, seines engen, einförmigen Lebens halber, thörichter- weise! Wer sich so viele Liebe erworben, der hat kein enge» Leben geführt. Jndschi war eine kurze Zeit lang allein und traf die letzten Vorbereitungen für die auf den Nachmittag festgesetzte Trauer- feier. Da brachte man ihr einen Brief. Heftia klopfte ihr Herz beim Anblick der Adresse. Diese Handschrift! Zitternd er brach sie den Umschlag und las. Keine Anrede. „Es drängt mich, Ihnen meine Theilnahme auszusprechrn. Aber ich weiß nicht, ob ich es wagen darf. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich empfangen wollten. Darf ich kommen? In tiefer Verehrung Ihr Fritz Olfers." „Es wartet Jemand auf Bescheid!" sagte das Dienstmädchen. Und Jndschi schrieb auf eine Karte: „Kommen Sir." Kaum eine Viertelstunde war vergangen, da stand er vor ihr. Er hatte sich ganz genau überlegt, was er ihr sagen wollte, aber jetzt war ihm Alles entfallen. Das hätte er doch nicht gedacht, daß ihr Anblick ihn so erschüttern würde! Wie hatte sie sich verändert! Sie mußte viel, sehr viel gelitten haben. So zart und abgemagert sah sie aus in dem schwarzen Kleide, das Gesicht so schmal und bleich — dunkle Schatten unter den Augen — und dort zwischen Nase und Mundwinkel der feine, kaum merkliche welke Zug! — Vor anderthalb Jahren war dieses Gesicht noch ein blühendes junges Mädchcngesicht gewesen — jetzt nicht mehr, nicht mehr ganz. Eine leise Mahnung stand darauf geschrieben — an kommende Lebensherbsttage. Das war nicht mehr die reizende, üppige Schönheit, welche den jungen Mann einst bezaubert hatte — und dennoch — die strahlendste Schönheit wäre nicht im Stande gewesen, ihn so zu ergreifen, die Liebe in seinem Herzen so heiß und leidenschaftlich aufflammen zu lassen, wie dieser rührend schmerzliche, welke Zug es vermochte. War das Mitleid? Nein, als Mitleid wurde es ihm nicht klar. Er fühlte nur ein glühendes, übermächtiges Verlangen, Jndschi zu besitzen — die feste Ueberzeugung, daß er künftig ohne sie nicht mehr leben konnte! — Sie reichte ihm die Hand. „ES ist ein trauriger Grund, der Sie wieder in dieses Haus führt", sagte sie — und ihre Stimme zitterte vor innerer Be wegung, während sie sich bemühte, ruhig zu erscheinen. Er brachte etwas steif-ungeschickt und unzusammenhängend die Worte hervor, welche man in einem solchen Falle zu sagen pflegt. Dann setzten sie sich nieder. Sie erzählte ihm von den letzten Lebenslagen des Heimgegangenen, er fragte nach dessen Söhnen und wie sich wohl die Zukunft der jungen Leute ge stalten würde; sie sprach mit ihm, wie mit jedem anderen der zahlreichen Londolenzbesucher. Nach einer Viertelstunde erhob er sich. „Nun muß ich wohl wieder gehen?" Aber sie bat ihn, noch zu bleiben.
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