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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980609017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898060901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898060901
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-06
- Tag 1898-06-09
-
Monat
1898-06
-
Jahr
1898
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Generalversammlung der deutschen Lutherstiftnng. L. Gotha, 6. Juni. Der freundlichen Einladung des thü« ringifchen Hauptvereins folgend, hat der Centralvorstand der deut schen Lutbersliftung die diesjährige Generalversammlung für den 6. und 7. Juni nach Gotha einberufcn. Die deutsche Lutherstistung, dem Jubiläum des Jahres 1883 entstammend, will in dankbarem Gedenke» der hohen Verdienste Luther's um das deutsche Pfarr- und Schulhaus mithelsen, daß Pfarrers» und Lehrerskindern, wo die Lage fremde Hilse erfordert, der Weg zu einem Berufe oder Amte gebahnt werde. Sie besitzt auch in dem Hauptverein für die Kreishauptmannschaften Leipzig und Zwickau einen kräftigen Zweig. Die zahlreichen Deputirten der einzelnen Hauptvereine traten am 6. Juni Nachmittags 3 Uhr im Hotel Wünscher unter Vorsitz des Propstes v. von der Goltz zu einer Sitzung zusammen. Die Tagesordnung bestand hauptsächlich in der Erledigung der von den Hauptvereinen eingegangenen Unterstützungsgejuche. Sämmt- liche 83 eingcgangenen Gesuche fanden mit zusammen 7180 Be rücksichtigung. Als Ort für die nächstjährige Hauptversammlung wird Posen oder Cassel bestimmt. Die öffentlichen Versammlungen wurden eingeleitet durch einen in der Augustinerkirche veranstalteten Festgottesdienst. Die Fest predigt hielt Herr Senior und Hauptpastoc Ranke aus Lübeck über das Schristwort Hebräer 13, 7: ..Gedenket an eure Lehrer, welche euch das Wort Gottes gesagt haben, welcher Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach!" Die zahlreich versammelte Gemeinde gab dem Dank für die tieferbauliche Predigt Ausdruck durch eine reiche Collecte zu Gunsten der deutschen Lutherstistung. — Eine festliche Versammlung aus allen Kreisen der Gothaer Bürgerschaft, sowie der Geistlichkeit und Lehrerschaft des Herzogthums hatte sich am Abend, der Einladung des localen Festausschusses folgend, im „Parkpavillon" zusammengefunden. Nachdem Generalsuperintendent l). Kretscymar der Lutherstistung herzlichen Willkommen ent boten, anknüpfend an einen köstlichen Bries Luther's an Friedrich Mykonius in Gotha vom Jahre 1537, wies Propst v. Freiherr von der Goltz aus die hohen Ausgaben und Ziele der deutschen Lutherstistung hin, deren Entwicklung schildernd und mit beredten Worten zur Gründung eines Frauen vereins aufsordernd. Treffliche Gesänge des Lehrergesangvercins und des freiwilligen Damenchors wechselten mit erhebenden An sprachen ab. Oberconsistorialrath Kelber aus München gab be- wegende Schilderungen aus dem kirchlichen Leben Bayerns, Stadt schulrath Jonas-Berlin sprach das Schlußwort. Es war ein erhebender Abend, der sichtlich der Sache der deutschen Luther- stistung viele neue Freunde zuführt. Die Morgenstunden des 7. Juni waren der Besichtigung der Sehenswürdigkeiten Gothas gewidmet, so unter anderen des Crematoriums, sowie des -Schlosses Friednfftein. Bald nach 10 Uhr eröffnete Propst von der Goltz die öffentliche Hauptversammlung in der Aula des Gymnasiums Ernestinum. Nachdem an den Kaiser, sowie an deu Herzog von Sachfen-Coburg Huldigungstelegramme ab- gesandt waren und Generalsuperintendent Kretschmer den Gruß der Staatsregierung überbracht, auch Oberbürgermeister Liebetrau im Namen der Stadt Gotha die Versammlung begrüßt hatte, erstattete Stadtschulrath Jonas-Berlin den Jahresbericht für 1897. Hiernach zählt der Verein 19 Hauptvereine und 181 Zweigvereine. Im Berichtsjahre wurden iusgejammt an Unterstützung 41070 gewährt. Seit Begründung der Lutherstistung (1883) sind ins- gesammt ca. eine halbe Million Mark verausgabt worden. Das Vermögen des Vereins beziffert sich bereits auf 242 550 Der lebendige und anschauliche Bilder aus dem Wirken des Vereins bietende Vortrag schloß mit einem warmen Appell an die außer ordentlich zahlreiche Versammlung, den Bestrebungen der Luther- stiftung ihr Interesse entgenzubringen. Hierauf nahm Geheimer Justizrath Prof. vr. Kahl-Berlin das Wort zu seinem Vortrag über „Das Interesse des Volkes und Staates an der Verbindung von Kirche und Schule". Ausgehend von dem Segen des deutschen Pfarrer- und LehrerhauseS für das ganze deutsche Volk, schilderte Redner das Wesen beider Institutionen, die Verschiedenheit und Zu sammengehörigkeit von Kirche und Schule. Religiöse und in-, tellectuelle Bildung ergänzen sich und schaffen zusammengejchlossen erst den sittlichen Charakter. Das hat auch geschichtlich immer Ausdruck und Anerkennung gefunden. Allerdings haben römische und evangelische Kirche sich ganz verschieden zur Ver- bindung von Kirche und Schule gestellt. Die Reformation vermittelte der Schule in ihrer Gesammtheit neue Lebenskräfte. Luther will keine Oberherrschaft der Kirche über den Staat, darum auch nicht über die Schule, aber die gesunde Verbindung beider. Erst die Parität der Confessionen trennt Kirche und Schule. Der Staat steht über beiden und mißt der Confession ihren Theil an der Schule zu. Unzufrieden damit, kämpft die römische Kirche um die Schule und erhebt einen Machtanspruch an sie. Das thut die evangelische Kirche nicht, aber sie wird und darf sich nicht aus der Schule ausweijen lassen. Der Staat muß ihr Las Recht einräumen, die Kinder zu Christus zu führen. Er selbst hat ein Interesse an der gefunden Verbindung vou Kirche und Schule. Eine unter der Zucht des evangelische» Geistes geübte Volkserziehung giebt das beste Staatsbürgerthum. Lebhafter Beifall dankte dem geschätzten Redner für seine treffliche Gabe. Nach Erledigung einer Reihe geschäftlicher Angelegenheiten wurde die Versammlung gegen 1 Uhr geschlossen. Ein gemeinsames Mittags mahl vereinte einen großen Theil der Versammelten. Nach einer Besichtigung des Museums durch die Versammlung gelangte um 5 Uhr in der Margarethenkirche das Händel'sche Oratorium „Israel in Egypten" durch den Gothaer Kirchengesangverein unter Leitung des Professors Rabich zur Aufführung. Damit hatten die zur 13. Hauptversammlung der deutschen Lutherstistung getroffenen Veranstaltungen ihren Abschluß gefunden. Verein deutscher Ingenieure. 3S. Hauptversammlung in Chemnitz. II. Chemnitz, 7. Juni. Obschon die schöne Witterung manchen Versammlungstheilnehmcr bewogen haben mochte, an dem Ausflug der Damen nach dem herrlichen Lichtenwalder Park, wozu um 8 Uhr eine große Anzahl meist herrschaftlicher Wagen am Neustädter Markt zur Benutzung aufgesahren war, Theil zu nehmen, so fanden sich doch eine ansehnliche Zahl wieder im Casino saale deute Vormittag ein, um der zweiten Sitzung beizuwohnen, in welcher wiederum der Vorsitzende des Vereins Fabrikdirector H. Bijsinger die Leitung der Verhandlungen übernahm und nach Begrüßung das von Sr. Majestät dem König Albert eingetroffene Telegramm verlas. In der reichhaltigen Tagesordnung stand zunächst die Rechnung für das Jahr 1897, welche nach Prüfung durch die Rechnungsprüfer gutgeheißen wurde. Die Wahlen zur Ergänzung des Vorstandes wurden mit Stimm ¬ zettel vorgenommen und ergaben als stellvertr. Vorsitzenden Geh. Rath Rietscher in Berlin, als Beisitzer Director Majert in Siegen und Baurath Truhlsen in Bredow bei Stettin. Ebenso wurden zwei Rechnungsprüfer und zwei Stellvertreter zur Prüfung der Rechnung aus das Jahr 1898 ernannt. Bericht über Stand der Hilsscasse der deutschen Ingenieure wurde entgegengenommen und die Neuwahl der Mitglieder des Curatoriums vollzogen. Die Grashos-Denkmünze wurde dem Fabrikanten für Mühlen- und Speicheranlagen Hugo Lutter in Braunschweig zuerkannt. Die Anzeigen der Zeitschrift, welche bisher gegen 250 000 abwarfen, wurden aus weitere fünf Jahre an die Buchhandlung von Springer in Berlin verpachtet, gegen höheren Tarif, woraus circa 20 000 Mehreinnahmen refultiren dürfte. Ein Antrag desPommerschen Bezirksveceins.die Verpflichtung derJngenieure mit weniger als 2000 Jahreseinkommen zur Altersversicherung, wurde vom Borstandsrath nicht befürwortet, obschon 26 Bezirks vereine sich dafür verwendet hatten; der Antrag des VorstandSrathes wurde durch Hammelsprung abgelehnt und der Vortrag des Bezirksvereins wird weiter berathen werden. Auf Antrag des Hessischen Bezirksvereins wird nach Empfehlung des Vorstands- rathes beschlossen, Normalien für die Kronen von Spiral bohrern im Einvernehmen mit den Vereinen deutscher Maschinen- fabrikanten und deutscher Werkzeugmaschinenfabrikanten auszu stellen. Nach Antrag des Pfalz-Saarbrücker Bezirksvereins hatte der Vorstand empfohlen, dahin zu wirken, daß Deutschland der internationalen Patentunion unter gewissen Voraussetzungen beitrete; die Versammlung erhob dies zum Beschluß. Es solgte hieraus eine größere Reihe von Referaten zumeist durch den Vereinsdirector, woraus Folgendes zu entnehmen war: Eine Denk schrift über Stellung der Oberrealschulen in Preußen soll ein gereicht werden, Ausstellung von Grundsätzen für Herstellung von Aufzügen sollen nach Antrag des Ausschusses erbeten werden, eine Denkschrift über Abänderung des Gesetzes zum Schutze der Gebrauchs. Muster in 12Puncten wird als nothwendigbetrachtet und nach Vorschlag des Ausschusses der Regierung vorgelegt werden. UeberAufstellung von Normalien zur Herstellung von Rohrleitungen für hohen Dampfdruck und Einführung metrischer Gewinde schweben zur Zeit Vorderhand- lungen. Zur Frage über die Möglichkeit der Umwandlung von Wärme in strömende Energie ohne Anwendung von Motoren, wo- sür Ingenieur Käuffer ein Legat von 5000 ausgesetzt hat, ist ein Preisgericht erwählt worden und soll ein Preis ausschreiben erlassen werden. Darüber, ob die Material- Prüfungen durch das Reich veranstaltet werden sollen, wie der Reichstag im Februar d. I. beschlossen hat, ist man nicht ganz einig, da man eine wesentliche Schädigung der dafür bereits bestehenden Landesprüfungsanstalten dadurch be fürchtet; man will eine entsprechende Denkschrift ausarbeiten und die Reichsregierung ersuchen, daß zur Berathung neben Fabrikanten auch Vertreter des Vereins zugezogen werden möchten. Für die Betheiligung an der Weltausstellung in Paris werden 15 000 als erste Rate bewilligt, als Ort der Hauptversammlung im nächsten Jahre wird Nürnberg erwählt und der eine verfügbare Summe von 68 225 ,/L uachweisende, mit 593 275 ./L abschließende Haushaltplan für 1895 wird genehmigt. Die Sitzung wird um 1 Uhr geschlossen und werden am Nachmittag Besichtigung von industriellen Etablissements in 6 Gruppen an geschloffen. In erster Linie wird ein Besuch der Sächsischen Maschinenfabrik vorm. R. Hartmann beabsichtigt. Auch diesmal hatte der Localausschuß für diese Besichtigung durch Herausgabe einer schönen Festschrift Anleitung geben wollen, das reiche darin enthaltene Material dürfte von den wenigsten Theilnehmern während der Versammlung bereits einer Durchsicht unterzogen worden sein, da Verhandlungen und Festveranstaltungen die ganze Zeit absorbiren. Jedenfalls wird aber diese Festgabe einen bleibenden Werth behalten und eine schätzenswerthe Erinnerung an die Feststadt bilden. Gerichtsverhandlungen. K ö » i g l i che S Landgericht. Strafkammer IV. 6. LeipzigtuB. Juni. I. Seit August vergangenen Jahres arbeitet der 28 Jahre alte Gelbgießer Heinrich August S. aus Berg gießhübel an einem automatischen Briefmarkenapparat und an einer verbesserten Maischkühlung, für welche er das Patent zu erlangen hofft. Da ihm aber die Vorarbeiten ziemliches Geld kostete», suchte er wenigstens auf billige Weise in Besitz von Metall sich zu setzen. In der Zeit bis zum Februar 1898 hat nun S. in der J.'scheu Kupferschmiedefabrik in Grimma, in welcher er in Arbeit stand, zu wiederholten Malen Bronze- und Rothgußlheile, sowie englisches Zinn im Gesammtwerthe von über 200 aus deu Vorrätben seines Principals mit nach Hause genommen und auch für 62 von diesen Metallen auf dem Trockenofen verborgen, um es später eben falls sich anzueignen. Das gestohlene Metall ist aber noch bei S. beziehentlich auf dem Trockenofen vorgefunden, beschlagnahmt und dem Eigentümer zurückgegeben worden. Unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des S. erkannte der Gerichtshof auf fünf Monate Gefängniß und ein Jahr Ehrverlust. II. Am 11. Mai kam der 50 Jahre alte Handarbeiter Karl Wilhelm R. aus Dreiskau nach einem Grundstück im Brühl, um dort nach Gelegenheitsarbeit nachzusragen. Er ging nach dem Boden, auf welchem der Arbeitgeber zu thun hatte, bemerkte dabei aber ein Paar dem Hausmann gehörige Aufschlagstiefel, die in einer unverschlossenen Kammer standen. Da feine eigenen Stiefel sehr defect waren, nahm er schleunigst die Aufschlagstiefel an sich und wollte sich wieder entfernen, wurde aber auf der Treppe vom Hausmann betroffen und angehalten. Man nahm ihm nicht blos die gestohlenen Stiesel ab, sondern überlieferte ihn auch der Polizei. Unter Zubilligung mildernder Umstände wurde R. wegen Rückfalls- diebstahls zu sechs Monaten Gefängniß und zwei Jahren Ehrveriust verurtheilt. III. Seit dem 26. Juni 1897 hat der Drescher Johann Carl Ernst Th. aus Crossen bei Mölbis aus dem Vorwerk Crossen ge arbeitet. Es wird ihm zur Last gelegt, vor dem 27. Februar seinem Dienstherr» aus dessen Getreidevorräthen zu verschiedenen Malen 164 Pfund Weizen gestohlen zu haben. Th. bestritt auf Las Ent- schiedenste, den Weizen gestohlen zu haben, obwohl er früher dem Gendarm gegenüber ein offenes Bekenntniß abgelegt und aus Lessen Frage: „Haben Sie's vielleicht aus Noth gethan?" geantwortet hatte: „Na ja, aus Wollust stiehlt man doch nicht!" Durch die Beweisaufnahme wurde Th. des Diebstahls überführt und unter Zubilligung mildernder Umstände zu vier Monaten Gefängniß verurtheilt. IV. Aus dem Hofe Les Eilenburger Bahnhofs wurde im Laufe des 4. März dem Laternenwärter L. ein Handwagen gestohlen. Am 16. März traf ein Bekannter L.'s, dem dieser von dem Diebstahl Mittheilung gemacht hatte, den wiederholt, auch mit Zuchthaus be straften Handarbeiter Friedrich August S., der sich im Besitz des gestohlenen Handwagens befand. S. gab ohne Weiteres zu, daß er nicht Eigenthümer des von ihm geführten Handwagens sei, wollte denselben aber nur „entliehen" haben. Er mochte aber wohl selber einfehen, daß er mit dieser Ausrede allein nur schwer durchkommen werd», denn er behauptete weiter, daß er 1894 auf den Kopf ge- falle» und seit der Zeit nicht richtig im Kopse sei. Der Polizei- wachmeister H. hält auch nach den, Benehmen des Angeklagten diesen geistig für nicht ganz zurechnungsfähig. Im Gegensatz hierzu bat aber der Gerichtsarzt, Herr !>r. Thümmler, bei S„ der erblich nicht belastet ist, einen erheblichen Defect seiner Geisteskraft nicht constatiren können und ist der Ueberzeugung, daß S. die That nicht in einem geistesunfreien Zustande begangen habe. Nach den Ec- gebnissen der Beweisaufnahme konnte jedoch der Gerichtshof zu einer Verurtheilung nicht gelangen und sprach denselben von der Anklage des Rückfallsdiebstahls frei. R. Dresden, 7. Juni. Das königl. Landgericht sühnte heute die jahrelang fortgesetzten Mißhandlungen eines jetzt 14 Jahre alten Mädchens, des Stiefkindes der angeklagten Locomotivführers- frau Marie Emma Garten geb. Lehmann aus Weißkretscham mit der exemplarischen Strafe von 3 Jahren Gefängniß. Zur Hauptverhandlung waren 22 Zeugen vorgrladen. Vor 5 Jahren reichte der Locomotivführer Garten in Riesa nach dem Tode seiner ersten Frau der Angeklagten, einer sittlich und moralisch ver kommenen, schon mehrfach bestraften Kellnerin, die Hand zum Bunde fürs Leben. Damit wurde die G. Stiefmutter des aus erster Ehe ihres Mannes stammenden Kindes Martha. Man wird kaum mit der Annahme fehlgehen, daß das verworfene Weib von der Absicht geleitet war, das ihr zur mütterlichen Pflege anvertraute Kind langsam zu Tode zu martern, um in den Besitz eines ihrer Stieftochter zu stehenden Erbtheiles zu gelangen. Nach der umfänglichen Beweis aufnahme hat die Angeklagte die jugendliche Hauptzeugin fast Tag für Tag ohne Grund durch Fausthiebe und Schläge mit allen möglichen Werkzeugen, durch Haarraufen, Werfen an die Wand und an Möbelstücke, Fußtritte rc. barbarisch mißhandelt und blutig ver letzt. Nur zu oft hörten die Nachbarn das Wimmern der Kleinen und es läßt sich denken, daß Kopf und Körper des bejammerns- wcrthen Stiefkindes mit offenen Wunden, Striemen, Beulen rc. oft bedeckt gewesen ist, so daß von einer geistigen und körperlichen Entwickelung Les Opfers der Angeklagten nicht die Rede sein konnte. 0. dl. Berlin, 7. Juni. In dem bekannten Proceß des Coin- nrerzienraths Fritz Kühnemann, des Baumeisters B. Fetisch und des Geh. Commerzienraths L. M. Goldberger als Arbeits ausschuß der Berliner Gewerbeausstellung 1896 gegen die Garantiefondszeichner, welche in erster Instanz zur Zahlung der gezeichneten Summe» verurtheiit worden waren, während bereits gestern (Montag) vor dem 5. Civilsenat des Kammergerichts in einer Serie von 32 Processen Termin in der Berufungsinstanz an gesetzt, wegen Fehlens gewisser Urkunden aber vertagt worden war, trat heute der 6. Civilsenat des Kammergerichts in einer Serie von 11 Processen der gleichen Kategorie in die Verhandlung der Sache ein. Die Berufung führte im Wesentlichen Folgendes aus: Der.'Garantieschein ist nichtig, weil sich aus ihm nicht der Forderungsberechtigte ergiebt. Die Ausführung des Vorderrichters, daß den Klägern als einer Mehr heit vou Berechtigten aus eigenem Recht die Ansprüche aus der Garantie zustehen, ist unhaltbar. Der Schein ergiebt jedenfalls soviel mit Gewißheit, daß die Kläger nur als ein Organ einer hinter ihnen stehenden Gemeinschaft die Rechte aus der Garantie geltend zu machen haben. Das haben die Kläger selbst dadurch zu erkennen gegeben, daß sie nicht für ihre Person, sondern als Arbeitsausschuß der Berliner Gewerbeausstellung 1896 geklagt haben. Die von den Klägern vertretene und zu vertretende Gemeinschaft läßt sich aber weder durch den Garantieschein, noch aus andere Weise feststellen. — Ter Garantieschein ist ferner nichtig, weil er nichts enthält, wodurch sich das für die Genannten besonders wichtige Organ derselben unfaßbaren Gemeinschaft, der Gesammt- vorstand, bestimmen ließe. — Der Garantievertrag ist unwirksam geworden, weil die Kläger das Risico der Verklagten vertragswidrig erhöht haben; a. die lleberschreitung des vor der Zeichnnng mit- gethcilten Kostenanschlages von 2 900 000 um 5 Millionen Mark bedeutet eine völlige Veränderung der Grundlage der Garantie verträge; d. es ist ferner auch in I. Instanz unter Beweis gestellt worden, daß auch der Gegenstand und der Zweck des Unternehmens verändert worden ist. — Der Garantievertrag ist angefochten, weil Verklagte über die Höhe des Garantiefonds getäuscht worden sind. — Wäre aber selbst der Garautievertrag giltig und unanfechtbar, so ist jedenfalls die Klage zur Zeit abzuweisen, weil eine ordentliche Rechnungslegung bisher nicht stattgesunden hat. — Dem Gesammt- vorstand ist lediglich das als „streng vertraulich" bezeichnete Schreiben des Arbeits- und geschäftsführenden Ausschusses vom 16. Juni 1897 zugegangen. Daß diese Schreiben keine Rechnungs legung, sondern nur eine summarische, zur allgemeinen Orienti- rung dienende Neber sicht der Einnahmen und Ausgaben enthält, bedarf keiner Ausführung. Diese Aufstellung ist auch nicht die Schlußrechnung des Unternehmens. Der Gesammtvorstand hat auch die Rechnung nicht abgenommen. Die vom Ausschuß einberufene Versammlung vom 29. Juni 1897 ist auch gar nicht be- fugt gewesen, sich mit der Rechnungslegung zu befasse», auch ist die Einladung dazu gesetzwidrig erfolgt, da dieselbe nicht durch eingeschriebene Briefe, sondern durch Zustellung mittels des Gerichtsvollzieher- stattgefunden hat. In der Einladung ist ferner nicht die Prüfung und Abnahme der Rechnung als Gegenstand der Berathschlagung angegeben. Auch war die Versammlung nicht be schlußfähig. Es ist unrichtig, daß der geschäftsführende Ausschuß die s. g. Rechnung des Arbeitsausschusses geprüft hat. Eine gauz selbstständige, vom Vorderrichter gar nicht gewürdigte Bedeutung hat der event. Einwand, daß der einzelne Garant nach dem klaren In halte des Zeichnungsscheins zur Deckung des Fehlbetrages neu nach dem Verhältniß des von ihm gezeichneten Betrages zu der Gesammtfumme des Garantiefonds herangezogen werden kann. Der angebliche Fehlbetrag von 1900 000 ist daher nicht mit dem von den Klägern herausgerechneten Garantie- fondsbetrage von 3 Millionen Mark, sondern mit dem nach ihrer Angabe gezeichneten Gesammtgarantiefonds von 4 457 950 nach der Behauptung der Klagebeantwortung zu 5 mit 5 Millionen Mark zu vergleichen. Demgegenüber erachtete die Verufungsbeantwortung die Angriffe gegen das erste Urtheil für verfehlt. Der Garantieschein lasse die Forderungsberechtigten mit größter Klarheit erkennen. Da in dem Garantieschein dem Gesammtoorstande die Bestimmung über die Einforderung der zu zahlenden Garantiesummen über lassen sei, so ergebe sich von selbst, daß den Zeichnern die Institution des Gesammtvorstands bekannt gewesen. That- sächlich sei dieser Gesammtvorstand nichts anderes als ein Centralcomits, wie sich solches erfahrungsgemäß bei derartigen Ausstellungen regelmäßig neben den eigentlichen Leitern des Unter nehmens zur Unterstützung derselben zu bilden pflege. So habe sich für die Ausstellung von 1879 bereits auf Einladung des Aus stellungsleiters, Commerzienrath Kühnemann, ein CevtralcomitS mit derartigen Functionen gebildet. Der Gesammtvorstand sei weder eine Corporation noch eine Gesellschaft im Sinne des Gesetzes. Es handle sich vielmehr lediglich darum, daß hier eine Mehrheit von Personen zusammengetreten ist, um gemeinsam für Zwecke der Be gründung und Durchführung der Berliner Gewerbeausstellung thätig zu sein. Eine solche Mehrheit von Personen sei nicht in einer den Korporationen analoge» Weise zu behandeln. Deswegen sei ür die Zusammensetzung lediglich entscheidend, waS sie elbst hierüber bestimmen, und es müssen alle diejenigen Personen als zugehörig gelten, welche sie selbst oder durch ihre Beauftragten berufen, oder deren Zugehörigkeit sie sonst in irgend einer Weise anerkannt haben. Ein Kostenanschlag sei den Zeichnern vor der Zeichnnng nicht mitgetheilt worden. In jedem Falle nahm der Zeichnungsschein aus einen solchen Kostenanschlag nicht Bezug und »st derselbe also damit keinesfalls Vertragsinhall geworden. Es sei keineswegs richtig, daß die Kläger zugegeben hätten, die Garantiesondszeichner könnten nur aus Grund einer Rechnungslegung in Anspruch genommen werden. Für das Rechts- verhältniß der Parteien zu einander könne nur maßgebend sein der Inhalt des Zeichnungsscheins. Es habe in der Natur der Sache gelegen, daß die Verpflichtung der Zeichner zur Tragung des Deficits in einer die Einwendungen Einzelner ausschließenden Form zum Ausdruck gebracht wurde. Darum sei nicht daran zu denken gewesen, daß die Kläger etwa eine Verpflichtung hätten über nehmen können, dem einzelnen oder allen Zeichnern eine Rechnung zu legen und diese Rechnungslegung zur Voraus setzung der Zahlungspflicht des Zeichners zu machen. Vielmehr mußte, wenn die Garantiezeichnung ihren Zweck in sachlicher und praktischer Art erfüllen sollte, vertraglich Fürsorge dahin getroffen werden, daß durch einen für die Zeichner rechtlich maßgebenden Act das Vorhandensein des etwaigen Deficits constatirt werden konnte. Dies bringt der Zeichnungsschein nun in der Weise zum Ausdruck, daß er den Gesammtvorstand berechtigt, nach Ausstellung der Schluß- rechnung zu bestimmen, inwieweit die gezeichneten Beträge einzu- sordern sind. Daß diese Bestimmung des Gesammtvorstandes für die Zeichner verbindlich sein sollte, ergiebt sich aus der That- sache, daß »ach dem weiteren Inhalte des Zeichnungsscheins die Zeichner verpflichtet sein sollen, binnen 14 Tagen nach Em pfang der hiernach durch Len Arbeitsausschuß an sie gerichteten Zahlungsaufforderung ohne Weiteres Zahlung zu leisten. Dieser letztere Zusatz wäre unverständlich, wenn dem Zeichner das Recht zustände, den Beschluß des Gesammtvorstandes in irgend einem Puncte zu bemängeln. In welcher Weise der Ge sammtvorstand sich die Ueberzeugung verschafft, daß und in welcher Höhe ein Deficit vorhanden sei, sei durchaus ihin überlassen. Die einzige conlractmäßige Voraussetzung für Len Beschluß sei die Aus stellung der Schlußrechnung. Hier habe sich der Gesammtvorstand aber mit der Ausstellung der Schlußrechnung nicht begnügt, sondern es habe vor dem Beschluß auch noch eine Nachprüfung der einzelnen Positionen der Rechnung durch den ausschließlich aus Mitgliedern des Gesainmtvorstandes bestehenden gefchästssührenden Ausschuß stattgefunden, welcher den Organisationsbestimmungen und der Natur der Sache nach zur Controle des Arbeitsausschusses be- rufen war. Hiernach liegen also die drei im Zeichnungsschein gegebenen Voraussetzungen für den Eintritt der Verpflichtung der Zeichner sämmtlick vor: 1) Es ist eine Schlußrechnung ausgestellt worden. 2) Der Gesammtvorstand hat beschiossen, die 50 Pcocent der ge zeichneten Beträge durch den Arbeitsausschuß einfordern zu lassen. 3) Den Zeichnern ist eine entsprechende Aufforderung seitens des Arbeitsausschusses zugegangen und zwar länger als 14 Tage vor dem 29. Juli 1897, von weichem Tage ab Verzugszinsen gefordert werden. An der Nechtsgiltigkeit Les Beschlusses des Gesammtvorstands könne nicht gezweifelt werden.—DerGesammtvorstand habe in der Versamm lung vom 29. Juni 1897 anerkannt, daß die in dem Zeichnungs schein vorgesehene Schlußrechnung voin Arbeitsausschuß gelegt sei. — Dieser Beschluß habe Leu» Anträge des Arbeits- und des geschäfts führenden Ausschusses entsprochen. Der Einwand der procentualen Berechnung erledige sich bereits dadurch, daß nach Inhalt des Zeichnungsscheins lediglich Sache des Gesammtvorstandes war, nach Aufstellung der Schlußrechnung über die Einforderung der gezeichneten Beträge Beschluß zu fassen rc. Der Mandatar der Verklagten plaidirte unter Eingehen aus alle Puncte der Berusungsschrift für Aufhebung der Vorent scheidung. Wenn von gegnerischer Seite die Sache so dargestellt werde, als ob sich die Verklagten begründeten Verpflichtungen ent ziehen wollten, so erledige sich dies am besten Lurch die Thatsache, daß sich die öffentliche Meinung einmüthig zu Gunsten der Ver klagten ausgesprochen habe, die mit Recht die Rechnungslegung ver langt hätten. Der eine Mandatar der Kläger wies darauf hin, daß es unmöglich wäre, die Einziehungsarbeit derartig vorzunehmen, daß man zunächst den Betrag nach Verhältniß der Garantiesondszeich- nung vertheilt und Labei unberücksichtigt läßt, welche Zeichnungen rechtlich unverbindlich oder aus thatsächlichen Gründen nicht bei treibbar sind. Auf diese Weise würde sich die Einziehung auf Jahre erstrecken, und es würden immer wieder neue kleine Beiträge aus geschrieben werden müssen. Der andere Rechtsbeistand der Kläger faßte seine Aus- führuugeu zum Schluß in folgende Sätze zusammen: Wie drängten sich doch die Zeichner zu den Garantiescheinen! Wie waren sie voller Wohlwollen und Opferfreudigkeit für das gemeinnützige Unternehmen! Aber als es sich dann um die Bethätigung dieses Ovfermuths und um das Bezahlen handelte, da hatten die Herren plötzlich herausgesunden, daß sie eigentlich zu gar nichts verpflichtet gewesen seien, und daß weder der Arbeitsausschuß noch der Gesammt« vorstand eigentlich eine Existenzberechtigung besaßen oder noch besäßen. „Man spricht vergebens viel, um nicht zu zahlen; Der Andre hört aus Allem nur das „Nein!" Der Senat setzte hierauf die Publication der Entscheidung auf den 13. d. M. Mittags 12 Uhr aus. Unterrichtswesen. — Leipzig, 7. Juni. Schnelle Erledigung seiner schriftlichen Arbeiten erzielt man nur durch Kenntniß der Stenographie. Ein modernes äußerst kurzes, praktisches und zuverlässiges, dabei aber leicht lernbares System ist die Stenotachygraphte (Engschnell- schrift). Wir wollen darum auf den Freitag, den 10. d. Mts. Abends V-9 Uhr im Eldorado beginnenden neuen honorar freien Unterrichtscursus Hinweisen, dessen Leitung der hiesige Centralverein für Stenotachygraphte führt. — Leipzig, 8. Juni. Sonnabend, den 11. Juni 1898, Abends 8 Uhr eröffnet die Club-Abtheilung für Stenographie an der „Handels-Akademie Leipzig" einen neuen Anfänge r-Cursus nach G abelSberger'schem System unter der bewährten Leitung Les Herrn Emil Richter, Leiters der „Stenographischen Gesellschaft" und des „Damen-Stenographen-Vereins". Die Uebungen finden jeden Sonnabend Abend von 8—10 Uhr in den Räumen der „Handels-Akademie", Johannisplatz 3/5, Eingang 4/5, statt, woselbst auch Anmeldungen zu bewirken sind. Das Honorar für den ganzen Vierteljahres - Cursus beträgt 5.—. Auskunft nur mündlich JohanniSplatz 3/5. M Seilte «IrÄ, nm U»mtt m rLninen, 7N KUNxen ervl8vn verlL»utt, nnU In HVntI«, S»uinvallv, Lnldlselil« unck Itzvln- lNtpsv. 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