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Di» Morgen-Ausgab« erscheint um '/,? Uhr, dir Abend-Ausgabe Wochentag» um b Uhr. Filialen: vtt« Klemni'S Lortim. (Alfrek Hahn), UniversitütSstraße 3 (Pauliuum), Louis Lösche, Aatbarineustr. 14» part. uud Königspla- 7. Nedaction «ad Expedition: JohauueSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen tzeösfuet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. BezrrgS'Prei- dl her Haupt«xpedttion oder den im Stadt» «Ehirk und den Vororten errichteten Au»» aabestellen ad geholt: vierteljährlich ^>4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l dchL Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich i.—. Direkte täglich« Kreuzbandsendung in» Au-Iand: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. kpMer Tageblatt Anzeiger. Ämtsvlatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. AnzeigenPrei- V.e ö gespaltene Petitzeile SO Pfg. Sieclamrn unter demRrdactionlstn'ch (4g» spalten) vor Len Familienaachrichte» (Sgrspalten) 40/4- Größere Schriften laut unser«» Prei». vrrzrichniß. Tabellarischer und Ztfsernsatz nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderung SO.—, mit Postbrförderullg 7V-. - V.. Annahmeschluß fibe Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Margen-Aa-gabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stund« früher. Anzeige» sind stet» au di« Expedits«» zu richte». Druck uud Verlag von L. Polz in Leipzig. 123. Donnerstag den -0. März 1898. 92. Jahrgang. : Amtlicher The«. Bekanntmachung. Seiten» der Leipziger Bank hterselbft ist der Antrag gestellt worden: nom. 330,000 neue Aktien der National-Akticn- vtcrbrauerct Brannschwcta (vormals F. Jürgens) zu Braunschweig Rr. 3051 — 3325 (275 Jndaber- Aktien 4 1200 auSgegeben aus Grund des General- versammlungS-Beschlusse- vom 16. Januar 1897 und seit 1. Oktober 1896 an der Dividende voll theilnehmend) an der Leipziger Börse zum offiziellen Handel und zur Notiz »uzulaffen. Leipzig, den 8. März 1898. Die ZulafsnngSstclle für Werthpapicre an Ser Börse zu Leipzig. Fritz Mayer, Vorsitzender. Wegen Reinigung der Räume des Leihhauses und der Sparkasse werden diese Mittwoch, am 10. März 1808 für den Geschäftsverkehr geschlossen sein. Leipzig, den 7. März 1898. Des Raths Deputation für Leihhaus und Sparkasse. Ocffcntliche Zustellung. Die Firma Erwin Kretzer Nachf. in Leipzig, vertreten durch Rechtsanwalt vr. A. H. Müller hier, klagt gegen de» Zinngietzer A. M. Geisel, früher in Leipzig-Reudnitz, dermalen unbekannten Aufenthalts, aus einem von demselben acceptirten, am 1. August 1897 an die Ordre der Klägerin zahlbar gewesenen Prima-Wechsel vom I. Juni 1897 über 87,41 sowie wegen Erstattung derjenigen Kosten, welche durch die Anordnung und Vollziehung eines zur Sicherung dieser und einer anderen Wechseisorderung erwirkten dinglichen Arrestes der Klägerin erwachsen sind, mit dem Anträge: den Beklagten mittelst eines für vorläufig vollstreckbar zu er- klärenden Urtheils kostenpflichtig zu verurtheilen, 1) der Klägerin 99,51 sammt 6»/o Zinsen von 87,41 >il vom 3. August 1897 an gerechnet zu bezahlen, 2) darein zu willigen, daß die von der Klägerin am 8. Juli 1897 bei dem Königlichen Amtsgerichte Leipzig in der Arrcstiache O.^r. I. 228./97. hinterlegte Sicherheit von LOOan die Klägerin zurückgezahlt werde und ladet den Beklagien zur mündlichen Verhandlung des Rechts streits vor das Königliche Amtsgericht zu Leipzig, Petcrssteinweg Nr. 2—6, Zimmer Nr. 101, I. Etage, ans Ven 20. April 1898, Bormittags 9 Uhr. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Leipzig, am 26. Februar 1898. Aktuar Günther, GcrichtSschreiber vrs Königlichen Amtsgerichts. Versteigerung. Am Freitag, den 11. SS. Mts., von Borm. 10 Uhr ab Fortsetzung Ser Nachlatzvertteigernng Hierselbst Windmühlen- siratze 14/16 im Saale des Restaurants zur Flora und zwar: feinere Möbel jeder Art, darunter ein Buffet. Außerdem gelangt noch ein Pianino mit zur Versteigerung. Trautschold, Localrichter. Zwangsversteigerung. Im Wege der Zwangsvollstreckung sollen die im Grundbuche von Gebersdorf Band I Blatt Nr. 3 und 9 aus den Namen des Grubenbesitzers Albrecht von Görschen in Gebersdorf eingetragenen, zu Gebersdorf belegenen Grundstücke (Banernahrung Haus Nr. 3 nebst Ländereien und Braunkohlengrube „Luijenglück") am 5. April 1898, Bormittags 9 Uhr, vor dem unterzeichneten Gericht an Gerichtsstelle versteigert werden. DaS Grundstück Nr. 3 ist mit 116,43 .« Reinertrag und einer Fläche von 27,0160 Hektar zur Grundsteuer, nut 102 Nutzungs werth zur Gebäudesteuer, das Grundstück Nr. 9 ist mit 123,33 ./L Reinertrag und einer Fläche von 31,6400 Hektar zur Grundsteuer, mit 184 Nutzungswerth zur Gebäudesteuer veranlagt. Auszug aus der Steuerrolle, beglaubigt« Abschriften der Gruudbuchblätter, etwaige Abschätzungen und andere die Grundstücke betreffende Nach- Weisungen, sowie besondere Kausbediuguugen können in der Gerichts schreiberei 2 eingesehen werden. Näheres über die Anmeldung von Realanspriichen und über die Ertheilung des Zuschlags ergiebt der Aushang au Gerichtsstelle. Triebel, den 5. Februar 1898. Königliches Amtsgericht. Ocffcntliche Zustellung. Ter Kaufmann I. G. Herrmann in Leipzig, vertreten durch die Rechtsanwälte Otto Emil und Bernhard Freytag in Leipzig, klagt gegen den Kohlenhändler Ernst Zocher, früher in Leipzig- Kleinzschocher, jetzt unbekannten Aufenthalts, wegen Forderung aus Kauf mit dem Anträge, den Beklagten zur Zahlung von 392 75 nebst 6 Zinsen seit dem Tage dec Klagzustellung zu ver- urtheilcn und das Urtheil gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Kläger ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor die Hl. Kammer für Handelssachen des Königlichen Landgerichts zu Leipzig auf den 29. April 1898, Vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Gerichte zugelassenen Anwalt zu bestellen. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Leipzig, den 4. März 1898. Sekr. vöttger, GrrichtSschreiber deS Königlichen Landgerichts. OeKontlielie HanäelsIeliiaiiZtalt. Oie ^vmelduu§ vou Unncklunxslelirlinxen, evelcbs kommende Ostern in dis kstük- oder dluciimittaxscurss der Oekrllnxs- adtkelluiix eintreten sollen, erbittet sieb der llntsrreielmets am 7., 8., 10. und II. Ktlrr Vormittags von 10—12 Odr. vomöKÜelt unter persönlicher Vorstedunx der ^nruweldenden durek idrs Herren krinrüpnlo. Vas letzte sedulreuxaiss oder die Oensurlists des Schillers ist bei dieser Oelexenksit vorrmle^en. Vithrend der gedachten Zeit werden auch Anmeldungen tllr den eloMhrlxkaekrrissellsehaktlioken Onrsus ents-exen- Aenowmen, an welchem sich Ilandlunxslehrllnge betdeili^en Können, die im Lesitrs des Zeugnisses kilr dis rvissenscbaktlichs LetLdixunx rum LipjäkriKr-b'rtzirviUiAeudieosto sind. Unterricht 10 Stunden vöckentlicd. Schulgeld 90 Oeiprix, im ?ebruar 1898. Orok. U. lkasdt, Oirector. Hlaqister Sebastian Frösche! als Vorkämpfer der Reformation in Leipzig. In unserer Berichterstattung über die dritte diesjährige Vereinssitzung des „Vereins für die Geschichte Leipzigs" halten wir des dabei von Herrn lüe. tireol. Oskar Germann, Pfarrer in Hohenheida mit Gottscheina und Merkwitz, gehaltenen Vor trags über Magister Sebastian Frösche!, besten reformatorischen Einfluß auf die Bevölkerung Leipzigs für die von Luther ver kündete neue Lehre gedacht, mit der Zusage, ausführlicher auf diesen glaubens-muthig-en Theologen zurückzukommen, was hiermit geschieht. Redner wies zunächst darauf hin, daß der Rath unserer Stadt im Jahre 1896 eine neuangelegte Straße als „Frösch e l- straß e" bezeichnet und hierdurch in höchst dankenswertster Weise bezeugt und Vorsorge getroffen hat, daß der Name Frösche! in Leipzigs Bürgerschaft nicht vergessen werden soll. Führt solches Gedenken ja doch zurück in eine Zeit großer ernster Entscheidung, in die Tage der Reformation, wo Frösche! einer der Ersten war, die für die neue gewaltige Geistesbewegung einzutreten wagten, wenn auch, ohne auf längere Zeit hier wirken zu können, da sein kühnes Auftreten vom damaligen Landesherrn, Herzog Georg von Sachsen, dem eifrigen Verfechter der päpstlichen Sache, mit Landesverweisung geahndet «wurde. Doch schon diese kurze Leipziger Episode aus Fröschel's Leben ist so interessant und wird von ihm selbst in einer -seiner Schriften so anschaulich, fast dra matisch, geschildert und aus gleichzeitigen Actenstücken bestätigt und ergänzt, daß schon deshalb seine Persönlichkeit unser warmes Interesse herausfordert. Als ebenbürtige geschichtliche Größe kann er zwar nicht neben Luther, Melanchthon, Bugenhagrn und die anderen Führer de Reformationswerkes gestellt werden, wohl aber war er über vierzig Jahre Diakonus und Archidiakonus in Wittenberg, als welcher er in fortwährender unmittelbarer Be rührung mit den Reformatoren stand, deren Beichtvater und Zeuge ihres alltäglichen Lebens er -war und dem wir verdanken, «daß er in einer seiner Schriften die diesbezüglichen Beobach tungen und Lebenserfahrungen der Nachwelt erhalten hat. Von Fröschel's Eltern wissen wir nur, daß sie schlichte Bürgersleute in der bayrischen Stadt Amberg waren, die dem Sohn« von früher Jugend an eine gute Erziehung geben ließen. Dieser hatte am 24. Februar 1497, acht Tage vor Melanch thon, das Licht «der Welt «rbl-ckt. Im Ostermarkt 1514 kam er nach Leipzig, um daselbst zu studiren und zu promoviren. Seine Promotion zum Baccalaureus erfolgte 1515 und zum Lln- xister srtium, oder nach heutiger Bezeichnung Doctor der Philo sophie, 1519. In «des Buchhändlers Martin Landsberg Hause ging er zu Tisch, und mit dem Rector der Nicolaischule, Berk- Hamer aus Nürnberg, lebte er in freundschaftlichem Umgang. Er wohnte 1519, als junger Magister, der Leipziger Disputation zwischen Luther und Or. Eck in «der Pleißenburg und ebenso dem feierlichen le veurn bei, -welches nach Schluß der Dispu tation vom Thomas-Cantor Georg Rhaw aufgeführt wurde. Hier sah er z-um ersten Male Luther und Melanchthon. Diese Ein drücke waren -maßgebend und bestimmend für sein künftiges Leben, indem er begeisterter Anhänger Luther's wurde und als solcher nicht nur mit den Mönchen und Lehrern der Universität, sondern auch den obersten weltlichen und geistlichen Behörden und selbst dem Bischof von Merseburg, Fürst Adolf von Anhalt, und dem Landesherrn, Herzog Georg, in offenen Conflict gcrieth. Im Jahre 1520 «war Frösche! vom Bischof Adolf z-um Sub- diaconus, bald nachher zum Diaconus und 1521 zum Priester öffentlich ordinirt und geweiht worden. Schon bei der der Dia- conatswoihe vorausgehenden Prüfung «hatten die Examinatoren der papistisch gesinnten Universität den «wegen seiner evangelischen Gesinnung ihnen wohl bereits verdächtig gewordenen Frösche! mit auffälliger Unfreundlichkeit -behandelt, und auch der Bischof bei allen drei Ordinationen am äußeren Auftreten Fröschel's zu tadeln gestabt, besonders war ihm dessen „Platte «und Tonsur" zu klein erschienen, ein Mangel, -den später auch Herzog Georg in seinem Verhör und Urtheil über Fröschel neben dessen angeblich ungeistlicher Kleidung besonders hervorhob. Mehr jedoch als in diesen Aeußerlichkeiten trat der dem Evangelium zugewendeie Sinn Fröschel's zu Tage bei den theologischen Disputationen, die damals auf den Universitäten häufig und in Leipzig alle Sonnabende abgehalten wurden. Bei einer dieser Disputationen hatte Fröschel gegen die römische Lehre von der unbefleckten Em- pfängniß Mariä energisch und mir guten, aus den Kirchenvätern und der heiligen Schrift entnommenen Gründen opponirt, was ihm nicht widerlegt werden konnte. Jedenfalls in Folge dieser Disputationen wurde bald nachher von den erzürnten alten Theologen der Universität dem Magister Fröschel und allen anderen Hlnxisttis ar-tium, die nicht Laeealanrii der Theologie waren, alles Disputiren in theologischen Disputationen öffentlich verboten, ohne Zweifel, weil diese den jungen Magistern zu leicht Ge legenheit gaben, die evangelisch« Wahrheit zum Ausdruck zu bringen und ihr Freunde zu gewinnen. Nicht genug damit, suchten die alten Theologen aus gleicher Besorgniß die der Lehre Luther's zugene-igten jungen Magister unmöglich zu machen. Dafür liefert ein noch vorhandenes Schriftstück im Hauptstaats archiv zu Dresden Beweis, worin achtzehn Leipziger Magister beim Rathe zu Leipzig und durch diesen beim Landesherrn bittend einkamen, die theologischen Doctoren (Professoren) anzuweisen, ihnen die theologischen Lectionen zu lesen und zu hören vergönnen zu wollen. Unter zeichnet ist dieses Schriftstück, welches, am 23. Mai 1521 ausgestellt, schon am 30. Mai mit günstigem Bescheid vom Herzog sellanus, und dem schon genannten Rector der Nicolaischule Berkhamer, auch vom Magister Sebastian Fröschel. Fröschel stand nun auf dem Wege seines unerschrockenen Eintretens für die Wahrheit des Evangeliums nicht mehr still. Er ging vielmehr vom Worte zur That über, dadurch, daß er, als der erste unter allen Magistern und Priestern zu Leipzig, die Privatmesse fallen ließ und nicht mehr hielt, nachdem er Luther's auf der Wartburg entstandenes Büchlein „Vv sdrosancka iUissu privstn", „Abschaffung der Privatmessc", in der Leipziger Neu jahrsmesse 1522 empfangen und gelesen hatte. Fröschel bewies hierdurch, daß er Muth genug besaß, die Gedanken Luther's, sowie sich Gelegenheit bot, auch in die That umzusetzen, und ein weiterer Vorfall steigerte die Unzufriedenheit der Päpstlichen mit seinem Auftreten noch mehr. Eines Tages hatte Fröschel einem Verurtheilten, der zum Tode geführt wurde, in der Grimmaischen Gasse bis ans Thor als Priester geistlichen Zuspruch zu ertheilen, als der das Crucifix «dem Zuge vorantragende Mönch thätlich auf Fröschel eindrang und laut zu schreien anfing, als habe dieser den Gefangenen befreien wollen. Darauf stach die den Hin richtungszug begleitende Wachmannschaft mit ihren Hellebarden auf Fröschel los, so -daß dieser kaum zur linken Seite zum Thore hinaus entrinnen konnte. Auf die deshalb von den Mönchen erhobene Beschwerde vor dem Bischof nach Merseburg citirt, ritt Fröschel schon am Sonntag vor dem hierzu angesetzten Termin dahin, und zwar machte er sich auf dem Wey als Reuters mann, in Stiefeln und Sporen und ein Schwert an der Seite. In diesem Aufzuge trat er vor txn Bischof mit der Entschuldigung, er wäre wegfertig nach seiner «Heimath Amberg in der oberen Pfalz zu Fettilleton. Die schwarze Perle. Von Hugo Klein. Nachdruck verbot«». . Die Heldin meiner Geschichte", sagte der Juwelen ständler, in dem er sich eine Cigarette anzllndete, „ist eine Perle, und zwar eine tiefschwarze Perle von überraschender Größe und seltenem Glanz. Ihre Kostbarkeit läßt sich schwer in Ziffern ausdrücken." Es sind nun gerade zwanzig Jahre her, da trat eines Morgens ein junges Mädchen in «inen großen Juwelenladen in der Hartengasse zu P«st. Ihre Kleider waren seltsam un geschickt angefertigt, auf dem Kopse trug sie einen Hut von schreienden Farben, in der Hand einen großgeblumten Sonnen schirm aus alter, vergilbter Seide. Man merkte dem Mädchen auf z«hn Schritt «die „Landpomeranze" an. Mochte wohl irgend ein kleines Silbcrarm-band mit dem emaillirten Worte „Sou venir" als Andenken an die Reise nach der Hauptstadt kaufen wollen oder dergleichen. Sie sah so simpel aus trotz ihrer hübschen schwarzen Aug«n und der Grübchen in dem rothbackigen Gesichte, daß sich weder der Chef noch der Commis veranlaßt fühlten, ihr auch nur einen Sitz anzubieten. Das junge Mädchen schien aber diese Mißachtung gar nicht zu bemerken, ließ sich ruhig in dem kleinen rothsammtenen Fauteuil nieder, welcher für die noblen Kunden des Ladens in Bereitschaft stand, kramt« dann in ihrem Gretchentäschchen herum und zog schließlich einen sorgsam in Seidenpapier gehüllten Gegenstand von dort hervor. Langsam schälte sie diesen Gegen stand heraus, winkte dann den Chef -der Firma naher und hielt ihm Mischen Daumen und Zeigefinger ein große» rundes Etwas entgegen. „Was ist daS Werth?" fragte sie mit jugendlich melodischer Stimme. Der Juwelier nahm den Gegenstand, sichtlich gespannt, aus der Hand der Fremden. Es war die erwähnte Perke, von einer Schönheit und Pracht, daß der Mann seinen Auaen kaum traute. An einem Puncte hatte sie einen kaum merklichen Defect. Der macht« wohl von einer Spange oder Schlinge herrühren, au» welcher die Perle genommen war. „Die Perl« hat einen Fehler", sagte der Auwelier. „So!" sagte die Fremde gedehnt, indem sie sich vorbeugte, um die kleine Verletzung deS Kleinod» zu betrachten. Lrr Juwelier faßt« da» Mädchen genau in» Auge. Ihr Erstaunen war ganz aufrichtig, nicht die geringste Heuchelei lag darin. Sie war keine Kennerin. „Woher haben Sie «die Perle?" fragte nun der Mann. „Das ist wohl gleichgiltig", erwiderte das junge Mädchen lächelnd. „Uebrigens ... ich bin Besitzerin eines kleinen Pfand leihgeschäftes in der Provinz, das ich von meinem Vater geerbt habe. Eine hohe Herrschaft will den Schmuck bei mir versetzen. Sie verlangt diel dafür. Sagen Sie mir, was die Perle werth ist, und ich will Sie für Ihre Mühe bezahlen." „Ich kann die Perle nicht schätzen", sagte d«r Juwelier, indem er sie bewundernd betrachtete. .Marum nicht? Warum können Sie die Perle nicht schätzen?" fragte das Mädchen ein wenig ärgerlich. „Ich will Sie ja für Ihre Mühe entschädigen!" „Gut, gut", beeilte sich der Mann begütigend zu sagen. „Ich wollte damit nur andeuten, daß die Perle unschätzbar, weil sie sehr selten ist." DaS junge Mädchen überlegt« «inen Augenblick, indem sie den Mann prüfend betrachtete. Dann fragte sie: „Kann ich darauf zweitausend Gulden leihen?" „Unbedingt." „Und fünftausend?" „Auch." „Und zehntausend?" Der Juwelier nickte lächelnd mit dem Kopfe. Der Provinzschönen war ganz heiß geworden, und sie fuhr sich mit ihrem Tüchelchen über das Gesicht. Ihre Augen fun kelten nun, -wie die schönsten Diamanten in dem Laden nicht schöner leuchteten. Sie bat um ein GlaS Wasser. Der vorhin erwähnte, respektlos« Commis stürzte eilfertig und gefällig mit einem Glase fort. „Und zahlen Si« mir für die Perle die zehntausend Gulden, wenn ich sie verkaufen möchte — denn ich habe auch dazu die Ermächtigung?" fragt« das junge Mädchen, noch immer ein wenig mißtrauisch, ob der Mann keinen Scherz mit ihr treibe. „Nein —" Sie lachte herzlich. „Aha, da sehen Sie!" rief sie. „ES giebt nur eine Firma in Oesterreich, «welche für diese Perle Verwendung hat und sie kaufen dürfte. ES ist dir «ines Hofjuweliers in Wien." „Können Sie mir die Adresse angeben?" „Gern." Der Verkäufer schrieb die Adresse auf ein Blatt Papier. Die Fremd« dankte freundlich, in dem sie e« entgegennahm und ihr Kleinod witder in der Grrtchentasche verbarg. Dann trank sie da» Gla» Wasser, welche» ihr drr Tommi» unter Bück» lingen darreichte, erhob sich, legte trotz aller Ablehnung einen Gulden als „bescheidene Schätzungsgebühr" auf den Tisch und entfernte sich. Vierundzwanzig Stunden später trat dasselbe junge Mädchen in der nämlichen, in Wien noch befremdlicher erscheinenden Toilette in den Laden des Hofjuweliers auf dem Graben, der ihr bezrichnet worden war. Dort empfing ich die Besucherin — ich war damals als Stellvertreter des Chefs und Geschäfts leiter bei der alten Firma angestrllt. Ich sah die Perle — die Verkäuferin stand in gar keinem Verhältniß zu ihrem Besitze. „Vor Allem, mein Fräulein", sagte ich, „werden Sie so gütig sein, mir zur Polizeidirection zu folgen, um sich dort aus zuweisen, wie Sie in den Besitz dieses Schmuckes gelangt sind." Sie richtete einen zornsprühenden Blick auf mich. „Und wenn ich das nicht thue?" rief sie heftig. „Dann müßte ich bedauern, einen Wachmann holen zu müssen, der Sie dahin geleitet." „Gut", sagte das Mädchen, „ich folge Ihnen, wenn das so Sitte ist in Wien, mit Kunden umzugehen . . . Lassen Sie freundlichst einen Wagen holen." Der Wagen war bald zur Stelle. „Sie müssen entschuldigen", sagt« ich, „aber der Fall — ein Kleinod von diesem Werth —" „ES ist schon gut", sagte sie kurz. „Was Sie thun, thun Sie ja auf Ihre Verantwortung." DaS Mädchen erschien mir nun durchaus rechtschaffen und gang gescheidt. Ich verstehe mich auf daS Benehmen von Schwindlern. Ich täuschte mich auch nicht. Im Polizeiamte wurde die junge Fremde aufgefordert, sich ausguweisen, wer sie sei und woher sie die Perle habe. Sie gab an, sie heiße Cäcilie Roth und sei nach Großwardein zuständig. Sie besitze von ihrem Vater ein kleines Pfandleihgeschäft, in welches häufig ein junger Bauersmann gekommen wäre, Akos Kelemen mit Namen, der verschiedene Habseligkeiten verseht habe. Er sei sehr arm. Eines Tage« kam sie an dem Häuschen Kelemen'» zufällig vorbei und hörte lauten Lärm im Hofe. Da ihr der Mann bekannt war, trat sie rin und hörte, daß man ihn wegen einer Schuld von achtzehn Gulden pfänden wollte. Kelemen rief sie zur Seite, zeigte ihr verstohlen die Perl« und erbat sich zwanzig Gulden dafür, um seine Schuld bezahlen zu können. Er sagte, die Perle sei ein altes Andenken, von dem er sich ungern trenne. Mehr aus Mitleid mit dem armen Teufel al» überzeugt von dem Werth der Perle, gab sie ihm di« verlangte Summ«. Sie wußte wohl, so diel verstand sie von der Sache, daß die Perle einen hohen Werth besitzen müsse, wenn fl« echt war, sie hielt sie jedoch nicbt für echt. Da» Weiter« ist au» meiner Erzähllmg bekannt. Sie fügte noch hinzu, daß si«, in Pest über den Werth des Kleinods aufgeklärt, die Reise nach Men gemacht habe, um es zu veräußern in der Absicht, den Erlös mit dem armen Kelemen ehrlich zu theilen. Fräulein Cäcilie Roth blieb in ihrem Hotel unter Polizei aufsicht, bis man in Grohwardein di« nöthigen Erhebungen gemacht. Ausführliche Depeschen gingen nach der ungarischen Provinzstadt. Die Aussagen des jungen Mädchens wurden in allen Puncten für richtig befunden. Es stellte sich ferner heraus, daß der Vater des Akos Kelemen ehedem Kammerdiener des Grafen Ludwig BatthLnyi, des Ministerpräsidenten der ungarischen Revolutionsregierung vom Jahre 1848, gewesen sei. BatthLnyi trug die Perle als Busen nadel und schenkte sie wenige Stunden vor seinem Tode — er wurde bekanntlich in Pest zufolge kriegsgerichtlichen Urtheils erschossen — seinem treuen Diener als Andenken. Nie wollte sich dieser davon trennen. Doch er starb, und sein Sohn löste schon früher die goldene Nadel und di« Fassung ab, um sie, von Noth getrieben, zu veräußern. DaS geschah schließlich auch mit der Perle, von deren Werth er keine Ahnung hatte. Die Perle selbst war gestohlene» Gut. Dor hundertund fünfzig Jahren wurden aus der englischen Krone, in welcher sich unter anderen kostbaren Stücken drei schwarz« Perlen von un vergleichlicher Größe und Schönheit befanden, eins dieser Kleinode mit zwei großen Diamanten gestohlen. Seit hundertundfünfzig Jahren wurde diese Perle feiten» der englischen Regierung ge sucht — vergebens! Sie blieb verschollen. Nun brachte sie «in Zufall wieder zum Vorschein. Wie die Perl« in den Besitz de» Grafen BatthLnyi gelangte, ist nicht bekannt. Vermuthlich hatte er st« von irgend einem Curiositätenhändler gekauft und theuer, wenn auch nicht dem vollen Werthe nach, bezahlt. Diesen Werth kannte er selber nicht, als er dem treuen Diener vor dem Tode ein kostbares An denken, das einzige, daS er noch besaß, zurücklassen wollte. Der englische Kronschah löste die Perle, treu seinem alten Angebot, um 2500 Pfund Sterling ein. Ein netkeS Sümmchen! Fräulein Cäcilie Roth theilte daS Geld durchaus loyal mit dem armen Akos Kelemen. Es blieb aber doch beisammen, denn die Beiden sahen sich schon lange gern, und da» unverhoffte Glück machte st« zu einem Ehepaar. Der Diamantenhändler schloß seine Erzählung. „So ro mantische Geschichten könnten viele Perlen und Diamanten er zählen", sagte er. „Gar merkwürdige Schicksal« sind oft mit ihnen vrrknüpft, Glück und Thränen. . .