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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980315026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898031502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898031502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-03
- Tag 1898-03-15
-
Monat
1898-03
-
Jahr
1898
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Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeichnib. Tabellarischer und Ziffern!«« nach höher«« Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderu»^' 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Lvuahmeschlu- für Anzeigen: Abend.Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. «Sorgen»Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. vet den Filialen und Aunahmeslellea je ein» halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expeditio» zu richten. Sr»ck »ad Verlag von E. Polz t» Leipzig 92. Jahrgang. Dienstag den 15. März 1898. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. März. In der Begrüßungsansprache, die gestern der Staats- secretair des Innern Graf Posadowsky an den Dent- fchen HandelStag richtete, wies er, wie aus dem im volkSwirthschastlichen Theile unseres heutigen Morgenblattes mitgetheilten kurzen Berichte ersichtlich ist, auf den Miß brauch hin, der mit dem Ausdruck „internationale (kxport- industrie" getrieben werde, betonte, daß der Handel, der auf den Export angewiesen sei, neue Werthe schaffe, und sprach die Hoffnung aus, daß eS dem deut schen Handel gelingen werde, nicht nur wie bisher den heimischen Markt zu beherrschen, sondern auch Antheil am Welthandel und internationalen Wettbewerbe zu haben. Nach einem uns heute vorliegenden ausführlicheren Berichte geht hervor, daß der Staatssecretair gesagt bat, jener Ausdruck sei durch die Presse gelaufen. Das ist nicht ganz richtig; der Ausdruck ist vom Director des Bundes der Landwirthe, Herrn vr. Diedrich Hahn, im preußischen Abgeordnetenhause gebraucht, aber in der Presse wenig beachtet worden. Der Zrrtbum ist aber uner heblich, da der Staatssecretair richtig ersaßt hat, daß der Ausdruck als Schimpfwort zur Herabsetzung des Ge werbes nicht nur und nicht einmal in erster Reihe der Export kaufleute, sondern der Maaren für die Ausfuhr herstellendcn Industrie gemünzt war. Die „Deutsche TageSztg." fertigt denn auch mittels einer längeren Auseinandersetzung die Empfangsbestätigung des wirklichen Adressaten im Borstande des Bundes der Landwirthe aus. Sie glaubt darin dem Grafen Posadowsky Folgendes bemerken zu sollen: „Daß er (der Handel) im wahren Sinne des Wortes „neue Werthe schaffe", das zu beweisen, wird dem Herrn Staats secretair ziemlich schwer fallen, er müßte denn unter den neuen Werlhen irgend welche fictiven Mehr werte verstehen. Jedenfalls hat der Herr Staatssecretair sagen wollen, daß der Handel mancher Waare erst den Werth verleiht." Ob man das von der „D. TageSztg." hier getriebene Spiel mit dem Worte „Wertb" auf Un wissenheit oder die Absicht, zu täuschen, zurückzuführen hat, ist gleichgiltig. Einer Sache, der dec Werth erst verliehen werden muß, hat bis dahin keinen Werth. Die In dustrie würde selbstverständlich niemals Waaren „schaffen", wenn sie nicht auf den Absatz, d. h. den Handel, rechnen dürfte. Auch nicht „mancher", sondern jeder Waare, die nicht vom Erzeuger selbst verbraucht wird, ver leiht der Handel den Werth im Sinne des Grasen Posa dowsky und des — Herrn Hahn, also auch der den eigenen Bedarf übersteigenden Production des Landwirths. Daß viele Waarenerzeuger ihre Waaren ohne Vermittelung in den Handel, auch in den Außenhandel bringen, erschüttert natürlich die Wahrheit von der werthschaffenden Function des Handels nicht. Jene Hersteller fungiren eben bei ihrer Absatzthätigkeit als Organe des Handels und ziehen sich, insofern sie mit ihren Erzeugnissen den Auslandsmarkt aufsuchen, das Hahn'sche Stigma „international" zwiefach zu: als Industrielle und als Exporteure. Bedienen sie sich aber eines Vermittlers, so ist es auch nicht besser, denn sie müssen in diesem Falle ohne Zweifel als Anstifter zu dem Verbrechen des Ausfuhrhandels angesehen werden. Wie schwer alles an der Exportindustrie Betheiligten die Theilnahme an de« P-litik der Sammlung durch derartige ebenso gehässige, wie thörichte Anwürfe des BundesdirectorS gemacht wird, liegt auf der Hand. Es ist daher zu begrüßen, das Graf Posadowsky die Stellung der Regierung zu dem Schlagworte vom „internationalen Exporthandel" gekennzeichnet hat; er batte es nur nicht ver meiden sollen, auch den Präger dieses Schlagwortes zu kenn zeichnen. Im Reichstage beginnt heute die zweite Bcratbung der Militatrstrasproecstordnttug Man daif wohl der Hoffnung Ausdruck geben, daß vas Plenum, das seit einigen Tagen endlich beschlußfähig ist, sich derselben sachgemäßen Haltung befleißigen werbe, wie die Commission, die im Wesentlichen ein Werk zu Stande gebracht, das den seit dreißig Jahren von Fall zu Fall vom Reichstag ausgesprochenen Wünschen nach Münvlichkeit, Ständigkeit, Ocffentlichkeit und Einheit im Militairstrafproceßverfahren entspricht. Da der Abgeordnete Gröber vom Centrum, der die Führung seiner Fraclionsgenossen in der Commission übernahm, em Süddeutscher ist, so hat der bayerische Flügel des Centrums jeden Vorwand verloren, preußenscheue Beklemmungen gegen die Commissionsfassung gellend zu machen. Die freisinnige Volkspartei war durch den Abg. Lenzmann vertreten, dem die Sachkenntniß aus seiner früheren Amtstbätigkeil als Auditeur eS erleichterte, in an erkannter Objektivität an dem Zustandekommen mitzuwirken. Fraglich ist mithin, ob seine Parteigenossen sich ihm anschließen werden. Ob die Conservativen aus dem bisherigen Ver lauf der Dinge die Lehre zieben, daß es für sie alles, nur nicht räthlich ist, die in der ersten Lesung und in der Commission mitunter in sehr herber Form bekundete Abneigung gegen die Reform bei der zweiten Lesung sortzusetzen, wird be sonders sorgfältig beachtet werden müssen, da die sonstige Opposition gegen die Commissionsarbeit nicht gering ist. Den Commissionsbeschluß, der die Erledigung der bayerischen An sprüche auf einen besonderen obersten Gerichtshof hinaus schiebt und dahin gebt, daß spätestens bis zum 1. Januar 1901 die Errichtung der obersten militairgerichtlichen Instanz mit Rücksicht auf die Verhältnisse Bayerns anderweit gesetz lich geregelt werden soll, kann der Reichstag um so unbefangener zu dem scinigen machen, weil in unterrichteten Kreisen die lleberzeugung obwaltet, daß die Verhandlungen, die bisber außerhalb des BundeSratheS gepflogen worden sind, sicherlich zu einem befriedigenden Ergebniß über kurz oder lang führen werden. Von großer Wichtigkeit für den Verlauf der österreichischen Krise sind die Erklärungen der verschiedenen Wahlcomitss des verfassungstreuen deutschen Groß grundbesitzes. Wie uns gemeldet wird, hat das niederösterreichische Comitö gestern eine Resolution angenommen, in welcher der Eintritt Bärnreither's in das Cabinet zur Kenntniß genommen und die Ansicht ausgesprochen wird, daß dadurch die bis herige Stellung des verfassungstreuen Großgrund besitzes in keiner Weise alterirt werde. Ferner wird in der Resolution die Hoffnung auSdrückt, daß ein festes Zusam menhalten des verfassungstreuen Großgrundbesitzes es ermög lichen werde, den Contact mit den gesinnungsverwandten deutschen Gruppen aufrecht zu erhalten und auf diese Weise die parlamentarische Thätigkeit in Bahnen zu lenken, welche geeignet seien, den Bedürfnissen des Staates und der deutschen Bevölkerung voll und ganz Rechnung zu tragen. Eine Versammlung des Wahlco»it6s des mä drisch en ver fassungstreuen Großgrundbesitze» gab eine mit der vom böhmischen verfassungstreuen Großgrundbesitze beschlossenen Resolution völlig gleichlautende Erklärung ab. In dieser war noch bestimmter, als in der niederösterreichischen Resolution gefordert worden, daß die Verbindung mit den gesinnungs verwandten parlamentarischen Gruppen aufrecht erhalten, daß den Abgeordneten des Großgrundbesitzes die volle Actiousfrei- hcit gewahrt und kein berechtigtes Interesse der Deutschen verletzt werde. Außerdem war mit Entschiedenheit betont worden, daß eS sich nicht um eine Abschwenkung handle und Laß der verfassungstreue Großgrundbesitz deutsch bleibe in des Wortes österreichischer Bedeutung. Eine sehr kritische Haltung hat der verfassungstreue Großgrundbesitz der Steiermark zu dem Eintritte des Abgeordneten ttc. Bärnreither ins Ca- binet eingenommen. In der letzten Sitzung des Wahl- comitös wurde eine Resolution beschlossen, in welcher daS Comitv erklärt, daß es unter den obwaltenden Verhält nissen von dem Eintritte des Abgeordneten Bärnreither eine günstige Einwirkung auf die allgemeine politische Lage, sowie auf die Stellung der Deutschen in Oesterreich nicht zu er warten vermag. Die Abgeordneten des verfassungstreuen Großgrundbesitzes der Steiermark werden zwar auf gefordert, zunächst in dem bestehenden Parteiverbande des Großgrundbesitzes auszuharren und demselben die volle AclionSsreiheit und Unabhängigkeit von ^der Regierung zu wahren, für den Fall aber, das sie im Schoß: dieser Ver einigung nicht mehr die Bürgschaften für die volle Wahrung ihrer politischen Principien finden sollten, wird die Er wartung ausgesprochen, daß die Abgeordneten des steierischen Großgrundbesitzes allsogleich den Parteivcrband verlassen. Von einer völligen Absprengung des deutschen Großgrund besitzes von den übrigen liberalen Parteien kann nach diesen Erklärungen nicht mehr die Rede sein. Allerdings muß es sich erst in der Stunde der Entscheidung zeigen, ob alle Hände nach dem deutschen Banner greifen. Die Gefahr einer Zersplitterung ist noch keineswegs beschworen. Mittler weile schließen sich die übrigen liberalen Deutsch-Oesterreicher fester zusammen. So fand am Sonntag in Innsbruck die Gründung eines deutschen Volksvereinü für Tirol statt, der alle Deutschgesinnten Tirols umfassen soll und die Antheilnabme am öffentlichen Leben, die Weckung des deutschen Stamnusbewußtseins, Schutz der politischen Freiheit unddicHebungverwirthschaftlichenJnteressen bezweckt. DieThcil- nahmc war eine rege Es wurde einstimmig eine Resolution ange nommen, welche unbedingt die Aufhebung der Gautsch'schen Sprachenverordnung, die Ministeranklage wegen derselben, die Regelung der Sprachenfrage im Gesetzgebuugswege und die Anerkennung der deutschen Sprache als Staatssprache ver langt, von den Abgeordneten die schärfste Opposition, eventuell die Obstruktion bis zur vollständigen Erfüllung der Wünsche des deutschen Volkes fordert und das Vorgehen des deutschen Großgrundbesitzes in der schärfsten Weise verurtheilt. Ein Schreiben des Reichstagsabgeordneten Grabmayr, vom Großgrundbesitz, wurde verlesen, in welchem dieser sagt, er habe in allen bisherigen Conferenzen mit vollem Nachdruck das Wort erhoben gegen den Eintritt vr. Bärnreither's ins Cabinet; er werde die Coosequenzen ziehen und sich von den deutschen Volksparteien nie trennen. Die letzte authentische Mittheilung über den Stand der Kreta-ttouverneur-Fragc lag in der Veröffentlichung des Petersburger „Regierungsboten" vom 9. Februar vor. Nach dieser Verlautbarung wollte Rußland „nicht weiter auf der Candidatur des Prinzen Georg von Griechenland bestehen, falls irgend eine andere Macht irgend einen Ausweg aus der Verwickelung ausfindig machte, welche, den Anforderungen des Sultans, der Mächte und der Kreter gleich genügend, in der Folge die Grundlage der endgiltigen Lösung der Kretafrage böte. War hieraus schon zu schließen, daß Rußland seinen Manu nicht ganz aufgegeben hatte, so bestätigt die folgende Meldung — die erste authentische wieder — dies nicht nur, sondern laß! auch erkennen, daß die griechische Candidatur mangels einc. anderen noch immer auf der Tagesordnung steht und nici-r aussichtslos zu sein scheint. Die Meldung lautet: Rom, 14. März. (Deputirtenkammer.) Aus eine Anfrag: des Depulirten Dlligenti über die Haltung der italienischen Regierua,: in Bezug aus die Candidatur des Prinzen Georg von Griechenland sür den Posten deS Gouverneurs von Kreta gab der Unterslaatsfecretair des Aeußern Bon in folgende Erklärung ab: Bei der Wahl der Behörde, die mit der Durchführung des Programmes der Mächte auf Kreta zu betrauen wäre, haben sich Schwierigkeiten erhoben, infolge deren die Verhandlungen verlängert werden mußten, um zu einer Uebereinstimmung zu gelangen. Während dieser Unterhandlungen hat Rußland den Prinzen Georg vorgeschlagen. Auf eine officiöse Anfrag.-, welche Aufnahme es dieser Candidatur bereiten würde, ha: Italien ohne Zögern geantwortet, daß es im Interesse der Beruhi gung der Insel geneigt sei, die Candidatur günstig aufzunehmea, indessen gleichzeitig den Wunsch ausgedrückt, daß vor Allem über diese Candidatur die Uebereinstimmung sämmtlicher Großmäch: sestgestellt werden möge, da die italienische Politik bei all den schwierigen Orientsragen stets die Uebereinstimmun der Großmächte als die sichere Garantie des Friedens Europas unverändert zu bewahren wünschte. In Folge einiger von uns unabhängiger Schwierigkeiten konnte diese Ueberein- stimmung über die Candidatur des Prinzen Georg noch nich: zu Stande kommen. Es ist noch keine andere Candi- üatur an ihre Stelle getreten. Die Mächte beharren, stet- von dem gleichen Geiste der Versöhnlichkeit beseelt, bei dem Ziele, das sie sich gesetzt haben. Da die Unterhandlungen noch schweben, müssen wir uns große Reserve auserlegen, doch dauern die Verhandlungen fort mit dem Ziele, auf Kreta ein Regime ein zusetzen, Las Len Wünschen der Bevölkerung und den Absichten der Grotzmächte entspricht und zugleich der Insel die Wohlthaten dauernder Ruhe sichert. Was die Haltung des Sultans zur Candidatur deö Griechen-Priazen betrifft, so äußerte der russische Botschafter in Konstantinopel, Sinowjew, dieser Tage einigen Diplomaten gegenüber, er habe in der letzten Audienz bei Abdul Hamid diesen sür den Prinzen Georg besser disponirt gefunden. Jedenfalls wird noch mit Hochdruck für diese Candidatur, bei der in erster Linie dynastische Interessen maßgebend sind, von Petersburg aus gearbeitet, doch ist die „Times"-Meldung, alle Mächte hätten derselben bereits zugestimmt, verfrüht. DaS nach dem Auslaufen außerhalb des Suezcanal« glück liche Passiren desselben durch das Schlachtschiff 1. Classc „VictoriouS" beschäftigt die englische Presse sehr und giebt ihr Veranlassung, sich über die diesen Canal betreffenden englischen Pläne im Fall eines großen Krieges auszusprechen. In seemännischen und politischen Kreisen konnte man nach der Besitzergreifung von Egypten 1882 nicht im Zweifel sein, daß England im Kriegsfälle den Suezcanal als eng lisches Binnengewässer betrachten würde, und kann die Auseinandersetzungen der Fachzeitschriften über die Noth- wendigkeit solchen Vorgehens nicht überraschend finden. Der „Naval and military Record" ergeht sich etwa folgender maßen über dies Thema: Im Frieden ist der Suezcaual offen für alle Kriegsschiffe der Welt, im Kriege wird aber die stärkste Seemacht über ihn veffüge». Sollte England in einen Krieg mit einer Großmacht oder gar mit dem verbündeten Frankreich und Rußland verwickelt fein, so wird ec- nicht zögern dürfen, die Canalpassage allen feindlichen Kriegsschiffen zu verbieten. England wird dies vermögen, ohne das Passiren der neutralen Handelsschiffe zu hindern; es ist jetzt im Besitz Egyptens und wird dies Land nie ausgebe», so lange FettNlrton. Durch eigene Kraft. 2bj Roman von Alexander Römer. Nachdruck verbot«». „Verschwöre Dich nicht", meinte Felix spottend, „wir werden jetzt so vertraut mit den Abgeschiedenen, daß ich ihn ja einmal citiren könnte, um die Wahrheit zu erfahren. Ich bin ein närrischer Kauz in dem Punct, und ich sagte es Dir schon früher, ein unlöslich Band zwischen uns knüpft sich nicht eher, als bis ich weiß, ich war der erste, den Du geküßt." „Felix, Du beleidigst mich unerhört." „Ja — es ist schade, mir fehlt Deine Hellsehergabe; ich lese nicht so klar in Deiner Seele, wie Du in der meinen. Ich leugne es nicht ab, Du bist nicht die erste, die ich geküßt, und es mag ungerecht sein, wenn ich die Anforderung an Dich so streng stelle, aber Gott schuf die Männlein und Weiblein verschieden." „Du bist heute Abend in der Quällaune. O, ich kenne Dich", rief Emily wild, „und wenn ich nicht wüßte, daß Du der Meine bist mit Leib und Seele — ich könnte Dich hassen. Aber sich', Felix, da ist etwas, stärker als Du und ich, wir sind aneinander geleitet. Wann die äußere Form vor der Welt uns verbindet, das ist Frage der Zeit. Und diese Deine thörichte Eifersucht — Farce ist es, Tyrannenlaune, und Dein Herz hat gar keinen Antheil daran." „Möglich — jedenfalls bist Du sehr weise." Der Wagen hielt, Emily war vor dem Quartier am Halleschen Ufer angelangt. Sie raffte ihr Kleid zusammen, er hielt ihre Hand fest, zog sie zu sich heran, und ihre Lippen begegneten sich in einem heißen Kusse. Dann huschte sie über das Trottoir und zog die Glocke für den Portier. Felix schloß den Schlag und lehnte sich in die Wagenecke zurück. Sie war eine Circe — es mußte ein Ende gemacht werden. Dreiundzwanzig st es Capitel. In Ottiliens Augen wollte kein Schlaf kommen in dieser Rächt. Sie war sonst meist herzlich müde von dem unruhoollen NichtSthun ihrer Tage und schlief dann traumlos und fest. Ihr Leben floß ja ohne Ereignisse, ohne Hoffnung dahin. Heute zuerst waren Möglichkeiten aufgetaucht, daß es noch einmal wieder eine andere Wendung nehmen könne. Eine Heirath sie schauderte und verbarg ihr Haupt tief in die Kiffen. Kein Mann von denen, welche sie hier in diesen Jahren kennen gelernt, hatte ihr irgend einen Eindruck gemacht. Gleich giltig, völlig kühl den oft feurigen Huldigungen gegenüber, hatte sie dazwischen gestanden. Sie war nicht thöricht genug, um sich dadurch blenden zu lassen, sie wußte, daß von diesen Cavalieren kein einziger es ehrlich meinte. Machte Felix Waldstätten eine Ausnahme? Er war immer freundlich zu ihr gewesen, meint« er es ehrlich? Liebte er sie? Liebe — kannte man in dieser überfeinerten Welt überhaupt das Gefühl, das sie unter Liebe verstand? Ihr stieg es heiß herauf, vor ihrem Geist stand ein Bild, das sie bannen müßte — in die treuen Augen schaute sie nie mehr, sie selbst hatte sich geschieden von ihnen — vorbei, vorbei! Sie zwang sich, ihre Gedanken auf den Baron Waldstätten zurückzulenken. Wenn er wirklich eine Neigung für sie gefaßt hätte, was aus seinem Benehmen wohl zu schließen war — würde er so viil Energie, so viel Muth besitzen, um den Standesvor- urtheilen zu trotzen? Wie kühl, wie nüchtern überlegte sie, das war jedenfalls keine Liebe, was sich in ihr regte. Heiße und kalte Schauer rüttelten sie, welche Zukunft — liebeleer so oder so! Sie wickelte sich fester in ihr« seidene Decke und versuchte, die Gedanken zu bannen. Ach, könnt« si« schlafen, ohne zu erwachen! In den nächsten Tagen fiel es ihr auf, daß Baron Wald- stätten ungewöhnlich lange Unterredungen mit der Prinzessin hatte. Sie mußten etwas Besonderes vorhaben. Die Prin zessin hatte auf der diesjährigen Kunstausstellung rin Bild er standen — sie kaufte alljährlich einige Werke moderner Künstler — diesmal hatte sie ein« sonderbare Wahl getroffen, über welche die Umgebung ihre Glossen machte. DaS Bild stellte eine holländische Kirmes dar, und die Scenen ausgelassenster Natürlichkeit darauf waren zum Theil derart, daß sie nicht in den Salon einer Dame paßten. Die Prinzessin amüsirte sich aber gerade über diese, und sie debattirte und kri- tisirte mit Baron Felix oft lang« vor diesem Werk moderner Realistik, wobei sie viel flüsterten. Ottilie zerbrach sich mitunter den Kopf darüber, was sie mit einander vorhaben möchten. Do derging ungefähr rin« Woche. Da erzählte ihr eines Abends die Prinzessin, daß daS erwartete Medium, die Neapo litanerin Eusapia, begleitet von einem berühmten Professor, der bereit» phänomenale Ereignisse mit ihr erzielt hatte, angekommen sei und Beide am übernächsten Tage «ine Sitzung in der Billa Sphinx halten würden. Ottilie wußte, mit welcher Energie die Prinzessin das Er scheinen der Eusapia betrieben, welchen begeisterten Glauben sie den Berichten über dieselbe entgegengebracht hatte, und es fiel ihr daher auf, daß sie jetzt mit einem vertzeckten Humor, mit unterdrücktem Lachen von der Person und der bevorstehenden Sitzung sprach. Aber die Durchlaucht war ja sehr wechselvoll in ihren Neigungen und Ueberzeugungen. Emily von Eichsfeld kam «in paar mal in diesen Tagen, um bei Ottilien zu forschen. Sie schien nicht in die Einzelheiten eingvweiht zu sein und war in sehr galliger Stimmung. Es war auch leicht erklärlich, wenn in ihrer leidenschaftlichen Seele sich jetzt arge und verzweifelt« Gedanken tummelten; ihr Ver- hältniß zu Felix, das sie anfangs aus ehrgeiziger Berechnung geknüpft hatte und weil sie bei ihrem Temperament solcher auf regender Reizungen bedurfte, das aber allmählich wider ihren Willen ihr Herz in immer heißere Mitleidenschaft gezogen hatte, war ernstlich bedroht. Si« kannte ihn ja gründlich, seine iro nischen Reden, die oft verletzend klangen, erregten ihr keine Furcht, aber jetzt war etwas Fremdes in ihm, und mehr als sein eigenes etwaiges Wollen oder Handeln fürchtete sie fremden Einfluß. Ihr waren nicht alle ihre Berechnungen geglückt. Die Prin zessin, welche sie ganz zu gewinnen gehofft hatte, entschlüpfte ihr. Die Dame war absolut nicht lenkbar. Und diese hübsche Puppe Ottilie, mit der Felix gelegentlich liebäugelte und spielte, sie hatte sie stets für ungefährlich gehalten, aber — di« Prinzessin konnte Interesse daran haben, die Fäden zu verknüpfen, welche ihr Gespinnst vernichteten. Emily empfand etwas, was ihr unheimlich war, sie fühlte sich unsicher, zurückgeschoben — sie war nicht mehr Herrin der Situation. Was sollte dieser Humbug mit dem fremden Medium? Die nüchterne Dame glaubte schwerlich selbst daran, und Felix — er wich ihr aus, er verheimlichte ihr etwas. Wenn sie duldete, daß eine Regung seiner Seele ihr entging, war höchste Gefahr vorhanden. Sie hatte wiederholt versucht, ihn allein zu sprechen, es war ihr nicht gelungen, er vereitelte geschickt ihre Absicht. Ottilie wußte augenscheinlich auch wenig, si« war überdies vorsichtig, sie ward geschult in ihrer Stellung. Emily lag schon lang« auf der Lauer, eine Blöße bei ihr zu entdecken, die ihr eine Handhabe, gagrn sie zu oprrirrn, geboten hätte, denn schließlich wurde sie dach eine Feindin, mit der gerechnet werden mutzte. So kam der Abend für die geplante Sitzung heran. Emily wurde durch ein im Auftrage der Prinressin geschriebenes Lillet Ottiliens dazu befohlen und ihr der Wunsch angedeutet, das frrmdr Medium scharf zu beobachten. Ottilie und Baron Felix wurden angewiesen, die diesmal weit umständlicheren Vorbereitungen gemeinsam zu treffen. Es wurde der Vorhang gezogen, das sogenannte Cabinet gebildet,^»« Thür dahinter, welch« in d^S Bil-ersaal führte, aufs Sorgfältigste doppelt verschlossen. Felix nahm selbst den Schlüssel an sich. Er war ungemein ernsthaft und würdevoll bei diesen Acten, von einer verbindlichen Wärme für seine Gehilfin, aber kein Mensch hätte heißere Wünsche oder gar die Absichten eines Freiers aus seinem Gebühren herauslesen können. Auch Ottilie sagte sich mit einer Art inconsequenter Bitterkeit, daß ihre Phantasie an jenem Abend einen lächerlichen Flug ge nommen habe, daß die Prinzessin sich gründlich täuschte, wenn sie glaube, daß dieser Courmacher je Rechte zu erwerben strebe. Es sollte nach Vorschrift heute geringere Helle herrschen als bei den früheren Sitzungen, doch da elektrisch« Leitung vorhanden war, so konnte durch einen raschen Druck plötzliche Lichtfülle erzielt werden. In den Ecken des Zimmers wurden Photo graphische Apparate ausgestellt, welche der Begleiter des Me diums, Professor Chiara, eventuell benutzen wollte, auch Vor kehrungen, um Abdrücke zu erzielen, wurden getroffen — man ging großen Enthüllungen entgegen. Felix, welcher alle Vor verhandlungen mit dem Professor geführt hatte und tief ein geweiht war, verhielt sich ziemlich schweigend seiner Gehilfin gegenüber und beantwortete ihre gelegentlichen Fragen aus weichend. Sie bemühte sich, so ruhig wie möglich zu bleiben, und die nervöse Spannung, welche diese Vorbereitungen in ihr erzeugten, abzuschütteln. Der ganze Kreis trat übrigens an diesem Abend unter dem Einfluß augenscheinlicher Aufregung zusammen. Die Prinzessin war gar nicht ins Theater gefahren, sondern hatte sich ruhig in ihren Gemächern aufgehalten. Nur Waldstätten war wieder über eine Stunde allein bei ihr gewesen. Sic ermahnte jetzt, als man sich versammelte, Ottilie zur Gemüthsruhe und Furcht losigkeit. „Dir kleinem, unschuldigem Ding sind alle guten Geister hold", sagte sie, „und sollte in unserem Kreise ein unlauteres Element sein, so wird es sich heute Abend zeigen." Sie und Waldstätten waren jedenfalls die Ruhigsten, allen Uebrigen sah man eine gewiss« furchtähnlichc Spannung an, die sich besonders auf Prinz Anton's unbedeutenden Zügen bis zur Lächerlichkeit ausdrllckte. Felix ging jetzt, daS Medium und seinen Begleiter hereinzu führen. Eusapia war eine kleine, bewegliche Person mit krankhaft welkem Gesicht, den niederen Ständen angehörend. Ottilie war überrascht, sie glaubte diese Person schon gesehen zu haben. Sie war dunkel gekleidet, in dem schwarzen üppigen Haar steckte ein breiter goldener Pfeil als einzige: Schmuck. Sie kniete v^rlMen, aber mit der ihrem Volke angeborenen Grazie. -
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