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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980311018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898031101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898031101
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-03
- Tag 1898-03-11
-
Monat
1898-03
-
Jahr
1898
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Größere Schriften laut unserem Preis verzrtchniß. Tabellarischer und Ztffernsay nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe. ohne Postbeförderung -4l 60-—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß fSe Aasigen: Ab end«Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen«Ausgabe: Nachmittags »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. An-eigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 82. Jahrgang. 125. Freitag den 11. März 1898. Vas Scheitern des Parlamentes von 1848. Auf den ersten Artikel von Karl Bievermann über daS deutsche Parlament von 1848 (im Januarheft von „Nord und Süd"), über den wir in Nr. 29 berichteten, ist jetzt rin zweiter um Februarheft) gefolgt. Wenn jener die Vorstadien des Parlaments (Märzbewegung, Vorparlament, Fünfziger ausschuß) und die ersten Stadien des Parlamentes selbst besprach, so beschäftigt sich dieser mit den dem Abschlüsse des Verfassungswerkes zunächst vorausgegangenen Verhandlungen und mit den Ursachen des Scheiterns nicht nur des Ver- sassungSwrrkeS, sondern auch des Parlamentes selbst. Biedermann sucht hier zunächst eine Legende aus der Welt zu schaffen, die sich zum Nachtbeil der sogen. „Erbkaiser- partei" in der PaulSkirche gebildet hat: das Gerede von angeblichen „Abmachungen" dieser Partei mit einer mehr links stehenden Gruppe (Heinrich Simon u. Gen.), wodurch gewisse demokratische Elemente in die Verfassung gekommen seien, welche diese für den König Friedrich Wilhelm IV. „unan nehmbar" gemacht hätten. Nach seiner allergenaucsten Kenntniß der betreffenden Vorgänge (er selbst war fort während im Vorstande und gerade damals Vorsitzender der ürbkaiserpartei) führt er ganz bestimmte, positive Thalsachen an, welche jene Legende widerlegen. Wenn wirklich die Auf nahme solcher „demokratischen" Clemente in die Verfassung die Annahme derselben seitens des Königs verhindert hätte, so wären daran nur die Großdeutschen schuld, von denen mehr als 50, und zwar Männer von ausgesprochen konser vativ monarchischer Gesinnung, für das suspensive Veto sogar bei Verfassungsänderungen stimmten, offenbar in der Absicht, um die Verfassung dem König gründlich zu verleiden. Wir versagen uns die Wiedergabe dieser Ausführungen und verweisen deshalb auf den Artikel selbst (der übrigens in zwischen mit dem 1. Artikel zusammen als Brochüre erschienen ist), um so mehr, als neuerdings die Angelegenheit der dem König Friedrich Wilhelm IV. vom Parlamente angebotenen, vom König aber zurückgewiesenen Kaiserkrone in ein ganz neues Licht gerückt worden ist, welches jene Legende ohne hin so gut wie gegenstandslos erscheinen läßt. ES ist nämlich durch „Enthüllungen" auS der jüngsten Zeit, insbesondere durch die 1891 veröffentlichten „Denkwürdigkeiten des Generals Leopold von Gerlach" (ceö Hauptes der sogenannten „Cumarilla" am Hofe Friedrich Wilbelm's IV.) als unzweifelhaft constatirt, daß bis zum Abend des 2. April 1849, dem Vorabend der Audienz, welche der König der Deputation gab, weder der König, noch die Minister, noch selbst die den König berathenden Mitglieder jener Camarilla gegen den Inhalt der vom Parlamente am 27. März 1849 endgiliig beschlossenen und verkündeten Verfassung auch nur das allergeringste Be denken geäußert haben. Der Artikel in „Nord und Süd" führt mit diplomatischer Genauigkeit alle die verschiedenen Phasen auf, welche die Ansichten und Entschließungen sowohl des Königs selbst, als seiner verantwortlichen und unverantwortlichen Ratbgeber in Bezug auf die der Kaiserdeputation zu erthcilcnbe Aniwort durchlaufen haben. DaS Ergebniß dieser Zusammenstellung ist, daß in keiner dieser Phasen und von keiner dieser Seiten auch nur mit einem Worte von der Verfassung, von ihren demokratischen Elementen, von einer RevisionSbedürftigkeit der selben die Rede war. Zuerst giebt der preußische Bevollmächtigte bei der Centra!gewalt in Frankfurt, Camphausen, (der aus unmittel barer Nähe daS Zustandekommen der Verfassung mit allen dabei einschlagenden Vorgängen beobachtet hatte), in einem Bericht an den König seine Ansicht über die der Deputation zu ertheilende Antwort ab. Er räth, der König möge sich bereit erklären, die Herrschaft über diejenigen Staaten zu übernehmen, welche dies wünschen würden. Von dem Inhalte der Verfassung kein Wort! Der König berieth mit seinen Ministern in einer Sitzung deS Gesammlministeriums über einen ihm von diesen vorgelegten Ent wurf der Antwort an die Deputation. Er faßte zuletzt (wie Sybel in seinem Werke „Die Begründung des Deutschen Reiche- unter Wilhelm I." berichtet) den Inhalt dieser Ent wurfes „in freier Rede" in folgenden vier Sätzen zusammen: 1) Vor Allem Verhandlungen mit den Fürsten einschließlich Oesterreichs, wobei die Zustimmung Oesterreichs zur Errichtung eines deutschen Bundesstaates ohne Oesterreich zu erstreben und das Verhältniß dieses letzteren zu einem solchen Bundesstaate festzustellen sei. 2) Kein Bundesstaat ohne die Könige! 3) Sollten diese sich fernhalten, wo dann die kleinen Staaten zu Preußen nur in einem Schutzverhältniß ständen, neue Verhandlungen! 4) Kein Kaisertitel! Auch hier kein Wort von dem sonstigen Inhalte der Verfassung außer der Oberhauptsfrage! Eine dritte Phase bildet die Erklärung, welche die Minister im Namen des Königs am Morgen des 2. April in beiden Häusern des Landtages abgaben. Darin wird die Annahme der Kaiserkrone vorbehaltlich der Zustimmung der Fürsten angekündigt. Von dem Inhalt der Verfassung aber mals kein Wort! Ganz dasselbe theilt am Abend deS 2. April der Minister präsident Graf Brandenburg in einer vertraulichen Unter redung mit Abgeordneten der Deputation (offenbar im Auf trage des Königs) diesen mit, indem er fragt, ob das Parla ment wohl zufrieden sein werde, wenn der König nicht un bedingt, sondern nur „in Erwartung der Zustimmung der Fürsten" die Krone annebme. Auch hier ist nur von dem auf die Kaiserkrone bezüglichen Theile der Verfassung, schlechter dings von nichts Weiterem die Rede. Endlich findet eine lange Berathung des Königs mit der Camarilla statt, worin der König in seiner phantastisch-romantischen Weise auf die Kaiserwahl im alten deutschen Reiche zurückgreift, nach deren Vorbild er seine Wahl zum deutschen Kaiser von den „großen Fürsten" (den Königen) vollzogen, vom Parlament, welches die Stelle des „Volkes" oder der gemeinen Krieger bei den alten Reichswablen vertreten soll, bestätigt sehen möchte. Von dem Inhalte der Verfassung zu sprechen, war hier ohnehin keine Veranlassung. Noch iu später Stunde am 2. April kam, wie Leopold von Gerlach erzählt, der König zum Grasen Brandenburg, offenbar um zu hören, ob seine Annahme der Krone mir Vorbehalt der Zustimmung der Fürsten von der Deputation als genügend angesehen werde. Graf Brandenburg konnte ihm berichten, daß dies der Fall sei. Der König w r also allem Anscheine nach entschlossen, mit diesem Vorbehalt ein fach anzunehmen, und schien nur besorgt zu sein, ob eine solche Annahme mit Vorbehalt vom Parlamente als vollgiltig betrachtet werden möchle. Eben darauf deutet eine Aeußerung, die der König (nach demselben Gewährsmann) in der Conferenz mit der Camarilla thar: „er habe gehört, man werde in Frankfurt, wenn er nicht annehme, die Republik proclamireu." So standen die Dinge bis spät am Vorabend der Audienz! Dem reactionairen Spürsinn eines einzelnen Mitgliedes der Camarilla, welches jener Berathung nicht angewohnt hatte, war es Vorbehalten, noch in der letzten Stunde den König anderen Sinnes zu machen. AuS dem Tagebuche des Generals von Gerlach (1. Bd. S. 311 der Denkwürdigkeiten) erfahren wir, daß Herr von AlvenSleben bei einer Begegnung mit dem Bruder des Generals, Ludwig, zu diesem gesagt: „er habe in der Erklärung des Ministerpräsidenten vor der Ersten Kammer die Revision der Frankfurter Verfassung ver mißt und durch Herumlausen bei allen Lernen bewirkt, daß der Passus darüber noch in die königliche Antwort gekommen". Also Herrn von AlvenSleben hat man es zu danken, daß die Verfassung, wie Dahlmann in seinen Vorlesungen über deutsche Geschichte sich ausgedrückt, „noch im Hafen scheiterte", denn, daß die in der Antwort an die Deputation vom König ge stellte Forderung einer „Revision der Verfassung" durch ihn selbst und die andern mehr als 30 souverainen Fürsten, als Vorbedingung einer Annahme der Kaiserkrone, so viel bedeutete, wie eine Vernichtung des ganzen mühsamen Verfassungs werkes und ein unheilbarer Bruch mit dem Parlamente, liegt aus der Hand. Man kann unmöglich bestreiten, waS Biedermann sagt: Einer Annahme der Kaiserkrone mit dem Vorbehalt der noch einzuholenden Zustimmung der Fürsten konnte das Parlament wohl beipflichten, da es jo gut wie gewiß war, daß es an einer solchen Zustimmung nicht fehlen werde. Eine Verständigung mit einer einzelnen Regierung, wie der preußischen, über den und jenen Punct der Verfassung wäre wenigstens nicht von Haus aus, der Sache nach, undenkbar gewesen. Eine Vereinbarung dagegen mit allen deutschen Fürsten vom größten bis zum kleinsten, vom Kaiser von Oesterreich bis zum Fürsten von Liechtenstein, und über alle Puncte der Verfassung, also auch über den Cardinalpunct, die Oberhaupts frage, wie sie vom König dem Parlamente angejonnen ward, bas war eine Unmöglichkeit. Schon früher hatten die vier Könige er klärt, daß sie sich keinem monarchischen Oberhaupte fügen, auch keiner Verfassung beistimmen würden, welche Oesterreich ausschlöste. Als sie jetzt durch Circularnoten der preußischen Regierung neuer dings ausgefordert wurden, sich womöglich über ein gemeinsames Verhalten gegenüber dem Parlamente zu verständigen, erklärten sie dasselbe. So ging das Parlament unrettbar zu Grunde. Die gemäßigte Mehrbeit, an einer „Durchführung der Verfassung" mit gesetzlichen Mitteln verzweifelnd, trat aus; die republi kanische Partei, nachdem sie Vie Ausstände in Dresden, Baden, der Pfalz geschürt, versuchte als „Rumpfparlament" von Stuttgart auS ganz Deutschland zu revolutioniren, und ward, weil sie Verwirrung ins Land brachte, von der liberalen württembergischen Regierung gewaltsam ausgelöst. Aber auch Preußen büßte schwer für diesen Bruch mit dem Parlamente. Sein Versuch, einen deutschen Bundesstaat zu Stande zu bringen, scheiterte ebenfalls am Widerstand Oesterreichs und der mit ihm verbündeten Könige, und auf dem schmachvollen Tage von Olmütz (am 29. November 1850) mußte es in Sack und Asche Buße thun vor Oesterreich. „Wir waren heruntergekommen", sagte später einmal BiSmarck, „und wußken selbst nicht wie". Biedermann schließt diesen zweiten Artikel mit den nach stehenden Betrachtungen: „Es war em nationale» Unglück, daß in einer Zeit, wo die Ge- schicke Deutschlands auf lange hin sich entscheiden sollten, auf dem Throne des Staates, der durch den ganzen Gang unserer Geschichte zur Vormacht Deutschlands bestimmt war, ein Fürst saß, der bei vielen glänzenden Gaben und gewiß wohlmeinendsten Absichten doch diejenigen Eigenschaften entbehrte, welche allein den großen Regenten und Staatsmann machen, einen festen, beharrlichen, nicht hin und her jchwunkenden Willen und einen klaren, durch keine romantischen Nebel umschleierten Blick für die wahre Natur der politischen Ver« hältnisse. Hätte er diese Eigenschaften besessen, so hätte er nicht durch Bedenken gegen einzelne Puncte der Verfassung, wie immer an sich be rechtigt sie erscheinen mochten, sich von dem hier allein in Frage kommen den Ziele abdrängen lasten, nämlich: die Verfassung im Ganzen und Großen und mit ihr das Erbkaisertbum unter Dach und Fach zu bringen und dann erst an den Ausbau und die Ausbesserung des Gebäudes im Innern zu gehen. Schadhafte Stellen, wie jenes suspensive Veto, würden leicht zu beseitigen gewesen sein schon beim ersten Reichstag nach der neuen Verfassung, auf welchem die Oester reicher gefehlt und wozu die Wahlen unter dem mächtigen Einfluß der festgegründeten Einheit des Reichs stattgefunden haben würden. Eine gedeihliche Lösung der Aufgabe des Parlamentes, d h. die Zustandebringung und Durchführung einer einheitlichen Verfassung für Deutschland, war abhängig von der Mitwirkung zweier Factoren, der patriotischen oder doch dem Zeitgeist Rechnung tragenden Selbstverleugnung auch der größeren Regierungen und einer aus dauernden, mit dem Vorgehen des Parlamentes gleichen Schritt haltenden Bewegung im Volke. Anfangs schien es auch, als hätte das Parlament sich dieser Mitwirkung zu erfreuen. Allmählich aber versagte dieselbe. Die größeren Regierungen trennten ihre Sache von der des Volkes. Im Volke aber ermatteten die gemäßigten Elemente in der tüatkrästigen Unterstützung ihrer Vertreter, während die radicaleren unter der falschen Firma eines Kampfes für die Reichsverfassung ganz andere, revolutionäre Ziele verfolgte». So ging Las, so hoffnungssreudig begonnene, von den Segenswünschen aller Patrioten begleitete Werk der ersten deutschen Nationalbersamm- lung schmählich zu Grunde. Gänzlich verloren war gleichwohl die fast ein Jahr lange mühe volle Arbeit des Parlaments von 1848 nicht. Durch die Verfassung vom 27. März 1849 gab sie zuerst dem nationalen Gedanken, der bis dahin vielfach nur unklar und unsicher in den Gemüthern gelebt hatte, eine feste, greifbare Form, und zwar diejenige Form, welche allein geeignet war, die Einheit, Macht und Größe Deutschlands dauernd zu begründen, nämlich die des monarchisch-conslitutionellen Bundesstaates unter dem starken Scepter der Hohenzollern. Als mehr denn siebzehn Jahre nach dem Untergange des Parla ments der große Baumeister unseres neuen deutschen Reiches daran ging, auf dem mit „Blut und Eisen" gefesteten Grunde sein Werk aufzusühren, da holte er aus dem Staube des Archivs den Plan zu der Frankfurter Versüssung hervor, paßte ihn den Verhältnissen der Gegenwart an und errichtete aus ihm erst den Norddeutschen Bund und dann das einheitliche, mächtige deutsche Reich. Es war eine große Befriedigung für die „alten Frankfurter", die am 1. April 1885 Len Fürsten Bismarck beglückwünschten, bei dieser Gelegenheit von ihm das anerkennende Wort zu vernehmen, daßiFranksurt ihm vorgearbeitet habe. Wir, die noch Ueberlebenden, blicken unsererseits mit heißem Danke und neidlos auf zu den Männern, die glorreich hinausgeführt, was wir unvollendet lassen mußten, zu unserem unvergeßlichen Kaiser Wilhelm I. und zu seinem großen Kanzler, den, Fürsten Bismarck." Deutsches Reich. * Leipzig, 10. März. Von hochgeschätzter Seite wird uns geschrieben? „Bei dem Namensaufruf im Reichs tage am 4. März dieses Jahres waren von den 23 Ab geordneten des Königreichs Sachsen nur 6 anwesend, nämlich die Abgeordneten Auer (s.), Gerisch (s.), Dr. Hasse (nat.-lib.), von Herder (c.), Merbach (freie.), Zimmermann (Ref.). Von den anderen Abgeordneten fehlten als krank vr. Böhme (nat. - lib.), als beurlaubt Or. von Frege- Weltzin (cons.), ohne Entschuldigung Buddeberg (freis.), Geyer (s.), Gräfe (res.), Hauffe-Dahlen (c.), Herzog (freis), Hosmann-Cbemnitz (s.), Horn (s.), Klemm (ref.), Lieber- Meißen (wild), Lotze (ref.), Sachße (c.), Schippei (s.), Schmidt (s.), Seifert (s.), Stolle (s.) (Überhaupt waren nur 133 Ab geordnete anwesend, das Haus also beschlußunfähig, während fehlten: als krank 13, als beurlaubt 19, als entschuldigt 21, ohne Entschuldigung 210, zusammen 263." ff- Berlin, 10. März. Nach dem Jnvaliditäts- und Alters- versicherungsgesetze sind die Versicherungsanstalten befugt, besondere Aufwendungen zur H e i l u ng von sowohl den Krankencasten angehörenden als der reichsgesetzlichen Kranken fürsorge nicht unterliegenden Versicherten zu machen. Es ist erfreulich, zu beobachten, daß die Versicherungsanstalten von dieser Lefngniß von Jahr zu Jahr ausgedehnteren Gebrauch machen. Im Jahre 1894 betrrig die Zahl der dabei in Betracht gekommenen Versicherten 2286, in 1895 schon 4037 und 1896 mehr als das dreifache der Zahl von 1894, nämlich 6950. Es ist fraglos, daß di« Zahl sich im letztvevflossenen Geschäftsjahr, für welches allerdings nach dieser Richtung Ziffern nicht vor liegen, noch weiter gehoben hat. Der Kostenaufwand für bie laufende Heilbehandlung ist noch weit stärker in die Höhe ge gangen. Während er 1894 etwas über.255 000 Mark betrug, belief er sich 1896 auf über 1263 000 Mark, hatte sich also verfünffacht. Die Erfolge, welche die Versicherungsanstalten mit dieser Fürsorge erzielen, die ein Gegenstück in der Uebernahme der Unfallverletzten in die Heilbehandlung von Seiten der Be- rufsgenossenschcrften schon innerhalb der ersten dreizehn Wochen hat, sind ganz bedeutend. Von den im Jahre 1896 in die Be handlung übernommenen 6950 Personen sind 1359 geheilt und 2355 so weit gebessert, daß sie nach menschlichem Ermessen auf absehbare Zeit den im 8 9 des Invalidität»- und Alters versicherungsgesetzes festgestellien Mindest verdienst erzielen können. Angenehm berühren dürfte es auch, daß selbst unter den in der Gesammtgahl des Jahres 1896 enthaltenen 2136 an Lungenschwindsucht behandelten Personen 513 ge heilt sind und 596 die Mindesterwerbsfähigkoit des Gesetzes erlangt haben. * Berlin, 10. März. Neber die Deckungsfrage beim Flottengesetz schreibt die „Franks. Ztg." ihren demokratischen und klerikalen Freunden Folgendes im Stamm buch: „Die berühmte Deckungsfrage, an der in der Hauptsache die Entscheidung über das Flottengesetz noch hängt, wird dadurch gelöst werden, daß der Reichskanzler im Namen des Bundesraths jene von Bennigsen vorgeschlagene Erklärung abgirbt. Damit sind denn auch, angesichts der Stimmung und der Mehrheits verhältnisse des Reichstages, die Anträge der Linken erledigt, die auf eine Reichseinkommen- und eine Reichsvermögenssteuer ab zielten. Das wird man vielleicht hier und da bedauern, aber wer den Blick aus der momentanen Situation, der drängenden Ent scheidung über das Flottengesetz heraus, etwas weiter richtet, der kann sagen: es ist auch gut so. Es hieß«, die Gedanken directer Reichssteuern doch etwas zu leicht nehmen und ernster, zukünftiger Entwickelung improvisatorisch vor greifen, wenn man Projecte wie eine Reichseinkom men- oder Reichsvermögenssteuer schnell und gelegentlich durch ein paar eingeschobene Paragraphen rm Flottengesetz verwirklichen und auf sie Mehrausgaben anwrisen wollte, die aller Voraussicht nach in den nächsten sechs oder sieben Jahren noch n i ch t e n t ft eh e n. Den Grundsatz, daß die leistungsfähigen Classen stärker heranzezozen werden sollen, und daß bei der weiteren Nothwendigkeit erhöhter FeiriHeton. Sect. Bon Fred Hood. Nachdruck verbalen. Die Erfindung der moussirenden Weine, deren Heimath die Champagne ist, wird einem gewissen Don Perignon zugefchrieben, der von 1670—1715 gelebt und das Amt des Pater Keller meisters in der Abtei von Hautvillers bekleidet haben soll. Er wähnung findet der Champagner zum ersten Mal in einer fran zösischen Druckschrift aus dem Jahre 1718, wo er als „Kork treiber" oder „Teufelswein" bezeichnet wird. Damals glaubte man noch, daß seine Zubereitung auf gewissen Geheimnissen der Fabrikation beruhe, später erkannte man, daß alle jungen Weine während der Gährung Kohlensäure entwickeln, und daß es nur darauf ankomme, den Most rechtzeitig auf Flaschen zu ziehen, um Schaumweine zu erhalten; denn nur die Kohlensäure ist es, die beim Oeffnen der Verschnürung, in dem Bestreben, zu ent weichen, das Mouffiren des Sects bewirkt. ES ist nun die Aufgabe der Technik, ein möglichst großes Quantum Kohlensäure, die sonst bei der Gährung zum größten Theil entweicht, an den Wein zu binden. Man bedient sich zu diesen: Zwecke eines Verfahrens, welches sich auch auf die Reben- cultur erstreckt. Der Weindistrict der Champagne bildet ein weit ausgedehnte» anmuthige» Hügelland, da» die günstigsten Be dingungen für da» Gedeihen der Reben aufweist. Hier reifen uni«, d«n milden Strahlen der Sonne Trauben sehr verschiedener Art, und es ist Sache der Champagnerfabrikanten, alljährlich dir besten Sorten ausfindig »u machen. Nicht jeder kleine Wein ¬ bauer ist in der glücklichen Lage, selbst Champagner bereiten zu i können; er ist zufrieden, wenn sein« Trauben von den großen Fabrikherren gekauft werden. Die besten Weinorte giebt es in der Nähe von Reims, an der Hügelkette La Montagne, wo auch das altberühmte Sillery liegt, dessen Name früher allgemein zur Bezeichnung des Champagners diente. Das Schloß der berühmten Mttwe Cliquot haben wir am linken Marneufer zu suchen, wo auch Epernay liegt, der Hauptplatz für den aus „Flutzwein" bereiteten Champagner. In der Regel kaufen die Champagnerfabrikanten schon die Trauben am Stock, um si« später von ihren eigenen Winzern schneiden zu lassen. Der Most wird wie bei der Bereitung jedes anderen Weines durch Keltern gewonnen, doch verwendet man für di« feineren Quantitäten nur die ersten zuckerreichen Extracte. Der ans verschiedenen Trauben gewönne Most wird zu sogenannten Cuvöes zusammengesetzt. Diese werden auf ihren Zuckergehalt durch besondere Apparate, die „Saccharimeter", geprüft. Nicht minder wichtig ist jedoch die Prüfung mit Zunge und Gaumen, die in jeder Sectsabrik von erfahrenen Fachleuten vorgenommen wird. In der Regel wird ein Theil weißen Weins mit vier Theilen blaßrothen Weins, den man aus blauen Trauben gewinnt, gemischt. Nach Verlauf von vier Wochen ist das Product, welche» sich zunächst von anderen Jung weinen nicht unterscheidet, für die weitere Manipulation reif. Zum Abfüllen sind Flaschen von tadelloser Beschaffenheit er forderlich, von denen di« größten Firmen jährlich an 600 000 Stück bedürfen. Trotz der genauen Untersuchung, brr die Flaschen unterworfen werden, springen in der Regel an zehn Procent der selben wegen des heftigen Drucke- der entwickelten Kohlensäure. Die verkorkten Flaschen gelangen in das Magazin, wo sie in riefiaen Schichten mauerartig zusammengesetzt werden, so daß ihre Hälse sich aneinanderfügen und jede einzeln zur Tontrolirung 1 des Gährungsprocesses herausgezogen werden kann, ohne den Zusammenhang des Ganzen zu zerstören. Bisweilen ist die Kohlensäure-Entwickeliung so heftig, daß zur Vermeidung großer Verluste sämmtliche Flaschen wieder geöffnet werden müssen. Da bei dieser Manipulation die Arbeiter häufig verletzt wurdm, Pflegt man sie jetzt mit Drahtmasken urch Lederkleidung zu ver sehen. Der aus den gesprengten Flaschen abfließende Wein wird in Bassins gesammelt und zu anderen Zwecken verwerthet. Sobald die Gährung bis zu einem gewissen Grade vorgeschritten ist, schüttelt man die unversehrten Flaschen, um den Satz an den Wänden abzulösen, und steckt sie, mit dem Hals nach unten, in den Flaschenrahmen. Nach einiger Zeit werden die Nieder schläge, die sich in dem Halse abgesetzt haben, mit einer raschen Handbowegung herausgeschwenkt und der leere Raum mit Liqueur gefüllt, der die entwichene Kohlensäure wieder ersetzen und den gvwün chten Grad der Süßigkeit erzielen soll. Dieser Liqueur besteht bei den besten Sorten aus einer Lösung von reinem Kandiszucker in Wein, bei den minderwcrthigrn aus einer Mischung von Wein, Syrup und Alkohol. Der Fabrikant richtet sich bei der Bereitung des Liqueurs nach dem Geschmack seiner Kunden, je nachdem diese den Sect stark oder milde, sauer oder süß lieben. In Frankreich giebt man den minder süßen oder leichten, in Deutschland überhaupt den milden Weinsorten den Vorzug, während in Rußland sehr süße oder saure und alkohol haltige Champagner beliebt sind. Für die Engländer, die sprit reiche Getränke in großer Menge consumiren, setzt man dem Weine auch Cognac zu. Bei Verwendung von Farbstoffen werden dieselben dem Liqueur beigegeben. Hierauf erfolgt das Aufsetzen der Korkpfropfen mit ^ctfe zweckmäßiger Maschinen, endlich die Arbeit des Fiseleurs, der den Kopf der Flasche ver schnürt und mit Staniol oder Lack überzieht. I Schon seit längerer Zeit besitzt Frankreich nicht mehr da» ausschließliche Monopol der Sectfabrikation. Auch in anderen Ländern werden jetzt vorzügliche Schaumweine erzeugt. Ins besondere bringen deutsche Fabriken Produkte ans den Markt, die sich mit den französischen messen können. Nichtsdestoweniger ver mag die deutsche Schaumweinfabrikation nicht zur höchsten Blüthe zu gelangen, da ihre Weine bei dem allgemeinen Vorurtheil nur mäßige Preise erzielen. Es giebt noch ein wesentlich anderes Verfahren, um Schaum weine, allerdings nur von geringerer Qualität, zu erzeugen, indem man Kohlensäure, wie bei der Sodawassersabrikation, mit Hilfe eines Druckapparats gewaltsam in einen versüßten und mit Cognac versetzten Wein hineinpreßt. Derartige Weine unter scheiden sich in ihrem Geschmack wesentlich vom Champagner und vermögen ihm nicht ernstlich Concurrenz zu machen. Kenner unterscheiden im Allgemeinen drei Champagnerclassen: Cremant, Mousseux und Grandmousseux. Cremant erzeugt nur einen leichten cremeartigen Schaum, Mousseux schäumt über den Flaschenhals hinweg, Grandmousseux aber schleudert den Pfropfen mit lautem Knall gegen die Decke. Der Geschmack hängt haupt sächlich von dem Gehalt an Zucker und Kohlensäure ab, von denen letztere die angenehm prickelnde Wirkung auf der Zunge hervor ruft. Der Sect mutz stets kalt genossen werden, doch ist es thöricht, ihn gefroren zu trinken, weil solch einem Gemisch von Eisllystallen, Wein, Alkohol und Zucker der eigenthümliche Cta?'pagncrgeschmack fehlt. Die beste Temperatur ist wohl diejenige, welche der Franzose als krappö bezeichnet, und die man durch Umdrehen der Flaschen im Eiskübel während zehn Minuten erzielt. Indessen ist über den Geschmack nicht zu streiten, und man mutz Jedem überlassen, die belebende Wirkung des Sects auf die einc oder ander« Weis« an sich selbst zu erproben. !
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