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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980413024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-04
- Tag 1898-04-13
-
Monat
1898-04
-
Jahr
1898
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Den Beschlubanträgen soll eine Begründung vorangeheu. in der «S heißt, das Unglück der „Maine" habe tiefen Groll hervorgerusen. Wenn die SraatScommission die Unabhängigkeit CubaS nrgirt, gleichzeitig aber die grsammteu Streitkräfte der Union dorthin Wersen will, so ist leicht zwischen den Zeilen zu lesen, daß diese Unabhängigkeit, wenn sie überhaupt je proclamirt wird, lediglich aus dem Papier stehen bleibt und der Ein verleibung CubaS glrichkommt. Daß die Cubaner selbst damit einverstanden sein werden, ist jedenfalls noch sehr fraglich. Die Bergvölker au der anglo-indtfcheu R-rVwest- Greuze, die im vorigen Herbst sich gegen das englische Regime erhoben und während der ganzen folgenden Zeit dem zu ihrer Bekämpfung entsandten britischen Expeditionskorps so viel und so ernstlich zu schaffen machten, sind mit dem Ein bruch der milderen Jahreszeit ebenfalls milder gestimmt worden. Wenn man den begeisterten Lobeserhebungen der Londoner Presse trauen darf, so sind die Afridis, PathanS, MohmundS und wie sie alle heißen, aus haßerfüllten Sauluffen plötzlich zu begeisterten Paulussen des britischen Regimes geworden, also eine Bekehrung, wie sie der anglo-indischen Politik angesichts der in Ostasien und Westindien sich anbahnenden Conjuncturen gar nicht paß rechter hätte kommen können. Da man nun nicht annehmen kann, daß die wilden Bergvölker aus purem Mitleid mit der bankerott gewordenen Leitung des auf ihre Unterwerfung an gelegt gewesenen Feldzuges ihre kleincalibrige Präcissionswaffe mit der FriedenSfchalmei vertauscht haben, so wird man den beregten StimmungSumschwung wohl auf einen minder idealen Beweggrund zurückführen dürfen, wie ihn die Bemerkung des „Globe" errathen läßt, daß der Pathan sich durch Liebe zum Sport und zur — Rupie auszeichne. Mit andern Worten, waS die Kriegskunst deö Generals Lockhart nicht erreichen konnte, das brachte die Rupie des indischen Staatsschatzes spielend zu Wege. Die Ruhe an der indischen Nord westgrenze ist hergestellt, die Afridis suchen jetzt den Dienst in der englischen Armee und wenn — so lesen wir — Verstärkungen für Afrika benöthigt werden, so kann England unter den Bergvölkern, die eben noch gegen sie gefochten haben, Necruten in jeder beliebigen Anzahl werben. Es ist das, wie gesagt, ein der englischen Politik sehr paßrechter Abschluß der Schwierigkeiten an der anglo indischen Nordwestgrenze, aber doch eigentlich kein solcher, auf den daS britische Nationalgcfühl mit ungemischter Be friedigung blicken könnte. Zwar hat Bestechung von jeher in der inneren wie äußeren Politik Englands eine hervor ragende Rolle gespielt; erwägt man aber, wie rasch die Ver schiebung der Weltmachtverhältnisse in den letzten Jahrzehnten zu Englands Ungunsten vor sich gegangen ist, erwägt man ferner, daß bei der notorischen Unzulänglichkeit der heutigen englischen Heeresorganisation das Mittel der Bestechung, daS früher nur subsidiär zur Anwendung kam, immer mehr in den Mittelpunkt der englischen Actionen rückt, so braucht die Eonseguenz dieses EntwickclungöproceffeS nicht im Einzelnen weiter ausgesührt zu werden. Deutsches Reich. * Leipzig, 12. April. Aus zuverlässiger Quelle hören wir, daß von dem Comit6 für die Candibatur Hasse eine öffentliche Wählerversammlung im großen Saale des Buchhändlerhanses für Freitag den 15. d. M. in Aussicht genommen ist. * Leipzig, 13. April. In unserem kurzen Berichte über die am 6. d. im Hotel de Pologne abgehaltene Versamm lung war mitgetheilt, an der Debatte über die Betheiligung an den Reichstagswahlen habe u. A. auch „der Vorsitzende des Vereins selbstständiger Kaufleute, Herr Wichmann", theilgenommen. Der Verein selbstständiger Leipziger Kauf leute und Fabrikanten zur Wahrung berechtigter Interesse» ersucht uns nun, mitzutheilcn, daß der Vorsitzende Herr Oscar Brügmann, und nicht Herr P. Wichmann, der Vorsitzender des neugegründeten SchutzverbandeS für Hande und Gewerbe sei, an jener Debatte sich betheiligt habe. * Berlin, 12. April. Zur Ueberbürdungsfrage der Schulkinder hat jüngst die „Zeitschrift für Schulgesund heitspflege" ein Urtheil geäußert, welches in weiteren Kreisen Beachtung verdient. Es heißt da, daß aller dings eine mäßige, relative, nicht absolute Ueberbür- dung vorzuliegen scheine. Doch nicht das, waS von der Schule verlangt werde, sei an sich viel, sondern die Knaben seien durch eine verkehrte Lebensführung nur mit Mühe im Stande, den Schulforderungen zu genügen. Darauf lasse schon der Umstand schließen, daß die be kannten Klagen fast ausschließlich in den großen Städten laut würden, während man aus den kleinen Städten kaum etwas höre. Typisch für ein solch unhygieinischeS Verhalten sei Berlin. Hier werde den Kindern in der Regel eine Lebens weise gestattet, die mit einem erfolgreichen Schulbesuch durchaus unvereinbar sei. Die Jungen kämen schon in sehr jugendlichem Alter in Theater, CircuS rc. Conditoreien, Kneipen, Gesellschaften würden von ihnen besucht. So ziehe man sie von den ernsten Wissenschaften ab und es fehle ihnen dafür nicht nur die Zeit, sondern zuletzt auch die Liebe. Dazu komme n-ch ÄS ein Hauptfehler da« späte Zubett gehen. Der Knabd komm« halb verschlafen und unlustig in die Schule, sitze seine Stunden dort mit geringer Auf merksamkeit ab, leide an Kopfschmerze», mache seine Arbeiten schlecht und bekomme schließlich schlechte Cen- suren, worauf ein Jammer der ganzen Familie über die heillose „Ueberbürdung" folge. Dieser falschen Erziehung müsse mit Energie entgegen getreten werden. In Gesell schaften seien Knaben überhaupt nicht, Primaner ganz ausnahmsweise zu führen; ebenso müsse man ihnen die Kneipen verschließen. Aber auch im Hause sei ihnen jedenfalls bis zur Secunda jeder Genuß von Spirituosen, Wein wie Bier, zu verbieten, von da ab nur in sehr geringen Mengen zu erlauben. Durch Spirituosen werde Geist und Körper der Kinder geschwächt und zu jeder geistigen An strengung unfähig gemacht. Auch möge man die Kinder früh ins Bett schicken, selbst Primaner nicht nach 9»/zUhr. Wenn man derart die Kinder erziehe, werde man auch die Klagen der jetzt übermüdeten, blasirten und alkoholisch vergifteten Schüler über Ueberbürdung bald nicht mehr hören. * Berlin, 12. April. Line der beliebtesten Klagen der Polen, in welcher sie vom Centrum unterstützt zu werden pflegen, ist die, daß die polnischen Kinder beim deutschen Schulunterricht weder ordentlich deutsch noch polnisch lernten und infolgedessen geistig verkümmerten. WaS eS damit auf sich hat, geht aus einer von dem Centrumsabgeordneten Da Sb ach am 15. März im preußischen Landtag gemachten Bemerkung hervor, auf die die „Münch. Allg. Ztg." aufmerksam macht. In dieser Sitzung führte Herr DaSbach Beschwerde darüber, daß die Gemeinde Holzweisig bei Bitterfeld in der Provinz Sachsen bisher nicht von Aufsicht« wegen zur Ueberuahme der dortigen katholischen Privatschule auf den Gemeinde etat angehalten worden ist. Bei Berathung einer Petition der katholischen HanSväter von Holzweisig in dieser Angelegen heit war in der vorigen Session seitens mehrerer Abgeordneten die Befürchtung ausgesprochen worden, es solle in dem ge nannten Ort eine polnische Enklave gegründet werden, da die Bittsteller meist polnische Arbeiter wären, auch werde bald daS Verlangen nach polnischem Religionsunterricht gestellt werden. Diese Befürchtung bezeichnete nun Herr Dasbach bei der neulichen Erörterung der Angelegenheit als unbegründet, indem er darauf hinwieS, daß bei der kürzlich vom Schulrath in der katholischen Privatschule in Holzweisig abgehaltenen Prüfung fast alle Kinder ein gutes Deutsch sprachen, obgleich sie zu Hause mit ihren Eltern polnisch reden. Damit erkannte der Centrumsredner unbestritten an, daß nicht nur die deutsche Schule im Stand ist, die Kinder polnisch redender Eltern zur völligen Beherrschung der deutschen Sprache zu bringen, sondern daß auch die Benutzung der polnischen Sprache für den Religionsunterricht solch'r Kinder nicht erforderlich er scheint. In Oberschlesien und Westpreußen hat bekanntlich das Centrum durch die Unterstützung der Forderung polni schen Religionsunterrichts der nationalpolnischen Agitation, und zwar zu seinem eigenen Schaden, kräftig die Wege ge bahnt; die Negierung wird daher in Zukunft, wenn diese Forderung im Abgeordnetenhaus wieder erhoben wird, die selbe unter Berufung auf Herrn DaSbach zurückweisen können. In der Provinz Posen besteht der polnische Religions unterricht zum großen Schaden des Deutschihums noch; das Anerkenntniß des Herrn Dasbach betreffs der polnischen Kinder in Holzweisig würde auch für die Beseitigung dieses Hemmnisses der Verschmelzung der Provinz Posen mit dem Deutschthum in Anspruch zu nehmen sein. Wichtig erscheint, daß die den Kindern in der Schule vermittelte Kenntniß der deutschen Sprache durch obligatorischen Fortbildungsunter richt weitergepflegt wird, da sie sonst bei dem beständigen Gebrauch des Polnischen in der Familie leicht wieder ver loren geht. — Ueber die bevorstehenden Reisen des Kaisers wird Folgendes bekannt: Am 3. Mai Nachmittags trifft die ge lammte kaiserliche Familie auf Schloß Urville ein. Jede Empfangsfeierlichkeit ist untersagt worden. Der bis zum 12. Mai dauernde Aufenthalt des Kaisers trägt, wie der „Voss. Ztg." geschrieben wird, einen vollständig privaten Charakter. Der Kaiser verläßt voraussichtlich am 12. Mai Schloß Urville, doch bleibt die Kaiserin mit den Kindern zu längerem Aufenthalt auf dem Schlöffe, daS zur Zeit zu diesem Zwecke eingerichtet wird. Die Nachricht, daß der Kaiser mit der Kaiserin am 3. Mai nach Altona kommen werde, er weist sich demnach als verfrüht. DaS Oberhosmarschallamt zu Berlin bat, der „Post" zufolge, den Oberbürgermeister von Altona Or. Giese davon in Kenntniß gesetzt, daß es dem Kaiser jetzt noch nicht möglich sei, einen bestimmten Tag im Monat Mai für die Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-DenkmalS zu bezeichnen. — Die „Nordd. Allg. Ztg." erklärt officiös: „In der Presse werden neuerdings wiederum Gerüchte über angeblich bevorstehende Veränderungen an der Spitze einzelner Ministerien verbreitet, wobei insbesondere daS Ministerium deS Innern und der geistlichen Angelegenheiten genannt werden. Wir sind in der Lage, demgegenüber festzustellen, daß ein Wechsel in den leitenden Stellungen weder zur Zeit in Frage steht noch für später ins Auge gefaßt rst. Die Gerüchte sind daher in jeder Beziehung unbegründet." — Zur Herbeiführung eine« einheitlichen in ter« nationalen Seerecht« ist im Jahre 1897 in Brüssel unter dem Vorsitz de« Staatsminister« A. Beernaert ein Comitö Maritime International zusammengetreten. Dieser Verein sucht die Erfüllung seiner Aufgabe dadurch vorzu bereiten, daß er die Errichtung nationaler Vereine, welche die Förderung seine« Zwecke« anstrebeu, veranlaßt und durch daS Zusammenwirken dieser Vereine, welche in dem Comite Mari time International ihren Mittelpunkt finden, eine Einigung über daS Seerecht herbeiführt, die zur Grundlage einer gesetz geberischen Thätigkeit gemacht werden kann. Der Aufforderung deS Comitö Maritime International entsprechend haben sich in Frankreich und Belgien unter Betheiligung von hervor ragenden Staatsmännern, Juristen und Kaufleuten solche natio nale Vereine gebildet und schon eine lebhafte Thätigkeit ent wickelt. Den gleichen Zweck verfolgt in Großbritannien die Association ot' International I^av, deren Bestrebungen mehr und mehr die Unterstützung deS juristischen und kaufmännischen PublicumS in England finden. Ferner hat sich in den Ver einigten Staaten von Amerika eine ähnliche Bewegung geltend gemacht. Nunmehr soll der „Köln. Ztg." zufolge auch in Deutschland ein „Verein zur Herbeiführung eines einheitlichen internationalen SeerecktS" gebildet werden. An die Spitze der hierauf gerichteten Bewegung hat sich der in weiten Kreisen bekannte Präsident deS Hanseatischen Ober- landeSgerichtS vr. Sieveking in Hamburg gestellt. Zweifellos werden diese Bestrebungen auch in binnenländiscken juristischen und kaufmännischen Kreisen lebhafte Unterstützung finden. — Dem verstorbenen CentrumSführer Windt horst soll demnächst in seinem bei Osterkappelngelegenen Geburtsort ein Denkmal errichtet werden. NeuerdiugS hat, wie die „Wes.- Ztg." berichtet, der Herzog von Cumberland „in Erinnerung an den alten treuen Diener seines HauseS" dem Denkmal- comitö 500 übersandt. * Aschersleben, 12. April. Der Vorstand des kon servativen Wahlvereins im Wahlkreise Aschersleben-Kalbe hat der „Post" zufolge beschlossen, einen eigenen Candidaten, und zwar den Landwirth Schlüter aus Schermcke, den Vorsitzenden deS „Bundes der Landwirthe" für den Kreis Wanzleben, gegenüber dem bisherigen national- li b eralen Reichtagsabgeordneten, RittergutsbesitzerRimpau (ElmerSleben) aufzustellcn. -s- Halle a.S., 12. April. Der Verband der in Consum- und ähnlichen Vereinen beschäftigten Lagerhalter und Lagerhalterinnen Deutschlands hielt am 11. d. M. in Halle a/s. seine diesjährige Generalversammlung ab. Vertreten waren 27 Vereine durch 114 Delegirte. In das Bureau wurden gewählt die Lagerhalter Gerig.Halle, Frenzel-Leipzig, Otto- Dresden und Becker-Leipzig. Der Verbandsvorsitzende Lagerhalter Buhl-Leipzig theilte u. A. im Jahresbericht mit, daß der Verband aus 3M Mitglieder angewachsen sti. Der Vorstand habe gegen die bürgerliche Presse Front machen müssen, uni deren Angriffe gegen die Arbciter-Consumvereine abzuschwächen. Es liege dein Ver band daran', auch Nicht-Socialdemokraten als Mit glieder zu bekommen. — In der Diskussion wurde der Verbandsvorsitzende angegriffen, er sei zu zahm und müsse energischer gegen die Gegner der Consumvereine aus treten. — Nach der Statistik, von Friedrich-Lcipzig erstattet, beträgt die längste Arbeitszeit der Lagerhalter 96, die kürzeste 61 Stunden pro Woche. Tas Gehalt der Lagerhalter variirte zwischen 17,30 und 40,40 pro Woche. An Dividenden wurden 4'/z—18°/« gezahlt. — In Zukunft soll der Rechtsschutz nur den Mitgliedern gewahrt werden, die dein Verbände über 6 Monate angehören. Als Verbandsorgan wurde das Blatt der Handlungs- gehilsen bestimmt. Der Mitgliederbeitrag wurde von 50 aus 1 ./L pro Monat erhöht. Der bisherige Vorstand wurde wieder gewählt, bis aus Petzold, an Lessen Stelle trat Thieme-Leipzig ein. * Essen, 12. April, vr. Max Hirsch hat erklärt, die ihm im Reichstagswahlkreise Essen vom freisinnigen Volks verein angetragene CandiLatur aus triftigen Gründen ab- lehnen zu müssen. * Dortmund, 12. April. In der am 9. April hier ab gehaltenen 9. Hauptversammlung des Verbandes deutscher Berg- und Hüttenarbeiter erstattete der Vorsitzende zunächst einen wirthschastlichen Ueberblick, nach dem sämmtliche Löhne des Jahres 1897 gegen das Vorjahr gestiegen sind und zwar von 1,8 Proc. im Saargebiet bis 10,3 Proc. in Siegen-Nassau. Der Stand des Verbandes hat sich gehoben, er umfaßt jetzt20OOOMitglieder. Dem aus dem Zuchthaus entlassenen Bergmann Schröder zu Ehren erhob sich die Versammlung dann von den Sitzen. Nachdem noch in der Asfaire Meyer, dem der Vorsitzende Möller die Unter- schlagung von 12M vorgeworfen hatte, schmutzige Wäsche gewaschen worden war, wurde der Entwurf zu neuen VerbandS- satzungen berathen und Möller trotz starker Opposition wieder zum ersten, der ermähnte Schröder zum zweiten Vorsitzenden erwählt. Die nächste Hauptversammlung soll in Halle a. S. stattfinden. — Im Anschluß an die Verbands-Versammlung wurde der l. Congreß deutscher Berg und Hüttenarbeiter abgehalten. Der auS dem Zuchthaus entlassene Schröder wurde zum Ehren- Präsidenten erwählt, den Vorsitz leitete der Reichstagsabgeordnete Möller. Zu dem Thema Arbeitszeit und Lohn im deutschen Berg- und Hütlenbetrieb wurde beschlossen, einen Mindestlvhn von 4 ./l bei achtstündiger Arbeitszeit (einschließlich Aus- und Einfahrt) als nothwendig zu bezeichnen, wobei keine Akkordarbeit vereinbart werden dürfe. Bei Erörterung der Frage der Berginspection wurde beschlossen, den an Zahl völlig unzulänglichen Berginspectoren sollen HilfScontroleure aus den Reihen der Bergleute, die von diesen zu wählen sind, belgegeben werden. Die Revision müsse täglich statt finden. Der Congreß wurde heute nach längeren Verhandlungen über die Reform des Knappschaft-- und staatlichen Versicherungs wesen-, über die Nothwendigkeit eine» Reich-bergjjtsetzt-und nationale und internationale Arbeiterverbindung geschloffen. * Gotha, 11. April. Der Landtag wird in den nächsten Tagen zusammentretcn. Es wird ibm sofort daS fertig gestellte neue Steucrgesetz zugehen. (M. Z.) Z Aus »er preutzischeu vterlausitz, 11. April. DaS Mandat des Grafen Arnim-MuSkan wird diesmal auch von den Na tivnalliberalen deS Rothenburg-Hoyers werdaer Wahlkreises angefochten. Der Vorstand deS reichs treuen WahlvereinS hatte freilich unter Hinweis daraus, daß in früherer Zeit ein nationalliberaler Gutsbesitzer dem Vor stande ««gehört hat, die Bildung eines nationalliberalen WahlvereinS als „nicht nützlich" hinzestellt und die Unter stützung der konservativen Candidaten Graf Arnim und von Götz-Hohenbocka gefordert. Dem gegenüber erläßt der Vorstand des Nationalliberalen WahlvereinS eine Erklärung, derzukolge die nationalliberale Partei deS Wahlkreises ent schlossen ist, sich wieder auf eigene Füße zu stellen, weil in de» Städte», wie in der Landbevölkerung weithin die Meinung verbreitet ist, daß die vom reichstreuen Wahl vereines der nur eine Vertretung der beiden konservativen Parteien sei, wieder für alle drei Abgeordnetensitze ge forderte Vertretung ausschließlich durch den konservativen Groß-Grundbesitz den Interessen weitester Kreise nicht ent spricht. * BrcSlau, 12. April. Der CultuSminister versagte, dem „B. L -A." zufolge, die Bestätigung zu dem projectirten Breslauer Mädchengymnasium. * Sohra» (Oberschlesien), 12. April. Bei der Land tagsersatzwahl im 6. Wahlbezirke deS Regierungsbezirks Oppeln wurde nach amtlicher Feststellung Rechtsanwalt Faltin-Groß-Strehlitz (Centrum) mit 298 von 472 ab gegebenen Stimmen gewählt. Landrath Schröter-Pleß (kon servativ) erhielt 173 Stimmen, RadwanSki-Pleß (Centrum) 1 Stimme. * Stuttgart, 11. April. Im Königreich Württemberg sind, wie wir der „Frkf. Z." entnehmen, in den Jahren 1896 bis 1899 20 Getreideverkaufs-Genossenschaften klei neren Umfanges entstanden, darunter nur zwei (Kupferzell und Weilderstadt) mit eigenem Lagerhaus im Kostenwerth von je ca. 30 000 Zehn dieser Genossenschaften ver kauften genossenschaftlich von der 1897er Ernte 205 Centner Weizen, 572 Ctr. Dinkel, 3760 Ctr. Hafer, 2561 Ctr. Gerste und 980 Ctr. sonstige Frucht. Hagelschlag und Unwetter hatten im letzten Sommer vielfach die Ernte reducirt. Der Absatz ging hauptsächlich an Proviantämter, Müller, Bier brauer, zum Theil auch an größere Händler. Die Betriebs kosten waren, da bei Reinigung der Frucht ,c. die Genoffen selbst Hand anlegten, sehr gering, und so konnte trotz der noch geringen Absetzungen den Genossen ein höherer Preis als der vom Detailhandel bezahlte gewährt werden. Den Hauptsegen dieser Genossenschaften sieht man aber in Württem berg in ihrer erziehlichen Wirkung auf die Genossen, in der Förderung des gemeinsamen Rohstoffbezuges und dem An trieb, bessere Sorten zu bauen und die Ernte sorgfältiger zu behandeln. Oesterreich-Ungarn. Deutsche und Tschechen * Prag, 12. April. An den Feiertagen fand hier wieder ein Ueberfall deutscher Gymnasiasten durch Tschechen statt, wobei ein deutscher Student blutig ge schlagen wurde. — An der agronomischen Lehranstalt zu Wcißwasser stellten die Hörer den Collegbesuch ein, weil ihnen verboten worden war, nach 9 Uhr Abends ihre Woh nungen zu verlassen. Die Anstalt ist geschlossen. Frankreich. Zola. * Paris, 13. April. (Telegramm.) Wie die Morgen blätter melden, wird der Ordensrath der Ehrenlegion die Entscheidung betr. Zola erst nach der neuen Verhandlung vor dem Schwurgerichte fällen, um den Anschein zu ver meiden, als wolle er daS Geschworenen-Verdict beeinflussen. Dänemark. * Kopenhagen, 12. April. Die Kaiserin-Wittwe von Rußland ist heute Nachmittag l^/i Uhr mit Sonderzug über Gjedser und Warnemünde abgereist. Der König und die Königin, sowie die übrigen Mitglieder der königlichen Familie geleiteten die Kaiserin bis zum Bahnhofe. Afrika. Expedition Marchand. * Paris, 13. April. (Telegramm.) Der „Matin" erhält auS Adis Abeba die briefliche Meldung, die Ex pedition des Majors Marchand sei vollständig gescheitert; Marchand sei von seinen Gefährden und Leuten verlassen und setze die Reise fast allein fort. Amerika. Der Streit um Cuba. * Rom, 12. April. (Ausführlich.) Der „Osservaiore Romano" veröffentlicht die aus das Vorgehen des Papstes in der kuba nischen Frage bezüglichen Schriftstücke. Denselben geht eine Pension zugesichert war. Würdevoll, fast mit Herablassung, nahm sie Alles an. „Es ist nicht meinetwegen, Herr Amtsrath, aber wegen meiner Tochter und der Enkelkinder. Und wenn Sie einmal Hilfe in der Noth brauchen, so wissen Sie, daß die alte Ladewigen niemals ihr Herz verschließen wird. Ja, für den Herrn Amtsrath bin ich immer zu sprechen." Auf dem Hofe standen Knechte und Mägde und der Ziegel« meister zum Abschied bereit. Allen drückte sie die Hand. „Grämt Euch nicht, Kinder", sagte sie huldvoll. „Die alte Lade wigen ist ja nicht unersetzlich." Mit einiger Umständlichkeit wickelte sie das große Umschlagetuch auseinander und hüllte sich hinein. Dann stieg sie, vom Ziegelmeister gestützt, zum Wagen hinauf. Breit und gewichtig thronte sie auf dem Sih. „Noch einmal adje, Kinder! Seid brav und besucht mich einmal in Sandenburg!" Die Pferde zogen an, sie rückte einmal nach hinten und dann weit nach vorn, als wollte sie eine tiefe Verbeu gung machen, und der Wagen rollte zum Hofthor hinaus. „Hurrah!" schrie Fritz, und die kleine Gesellschaft stimmte herz haft ein. Dieses Hurrah klang lebenslang im Ohr der alten Lade wigen nach und versöhnte sie vollständig mit dem „knickstiebeligen Merdejungen." So oft sie von ihrem Abschied in Krahnepuhl erzählte, fügte sie im Tone innigster Freude hinzu: „In Thrä- nen haben sie geschwommen und Hurrah haben sie gerufen. Ja, ja, sie wußten, was sie an der alten Ladewigen hatten." Der Geistliche von Brunow, Pastor Liebert, hatte die Ge sellschaft von Brunow und Umgegend zum Wursteffen einge laden. Ein Amtsbruder aus Sandenburg, Oberpfarrer Braun, war zufällig besuchsweise anwesend und nahm an den Freuden des Mahles und der Gesellschaft Theil. Die frische Wurst in allen Gestalten war vorzüglich und der Rheinwein vortrefflich. Mit den reichbesetzten Tafeln der Grund- und Ziegeleibesitzer verglichen, war freilich die Mahlzeit einfach genug, aber an fröhlicher Geselligkeit gab sie keiner anderen etwas nach. Man sprach von allen neuen Erscheinungen, und Oberpfarrer Braun berichtete von der neuen religiösen Bewegung, die in Sandenburg die Gemächer beschäftigte. Die in Berlin existirende apokalyp tische Gemeinde hatte einen Sendboten nach Sandenburg ge sandt. In einer öffentlichen Versammlung hatte Herr Spitz, ein früherer Rentier, einen Vortrag über den nahen Welt untergang gehalten und besonders in den unteren Ständen Ein druck gemacht. Die Gesellschaft nahm die Mittheilung zunächst von der scherzhaften Seite. Pastor Liebert aber wie» auf die Gefahr hin, die solche Schwärmgeisterei besonders für die urtheilsun- fähigen, unbeschützten Seelen mit sich zu bringen pflegt. „Und es iiegt auch wirklich etwas Jmponirendes in diesen Menschen", sagte der Oberpfarrer. „Sie glauben an ihre Hirn- gepinnste, sie sind begeistert dafür und bereit, alle Consequenzen ihrer Lehre zu ziehen. Dieser Rentier Spitz beispielsweise hat sein ganzes großes Vermögen seiner Serie geopfert. Das we nigstens erinnert an die Begeisterung der ersten christlichen Ge meinden." „Der Mann gehört ins Irrenhaus", uriheilte der Amtsrath. Richard stockte der Athem bei dem Bericht des Oberpfarrers. Er beruhigte sich aber, als er nicht den Namen seines Schwie gervaters sondern einen fremden hörte. „Wie denken Sie über die Sache?" fragte Fräulein Held über die Tafel herüber, indem sie sich an Richard wandte. „Ich kann das Urtheil meines Vaters nicht ganz unter schreiben. Man müßte es doch wohl erst mit vernünftiger Belehrung versuchen, und es wäre wohl gerade Sach« der Herren Pastoren, in solchen Versammlungen das Wort zu ergreifen." „Und ich sage Dir", entgegnete der Amtsrath scharf, „ins Irrenhaus mit solchen verrückten Menschen! Sie unid ihre ganzen Familien, denn die sind meistens Alle vom Wahnsinns bacillus inficirt." „Das kann gut werden", dachte Richard bange. Die Unterhaltung wandte sich anderen Themen zu. „Wie sind Sie denn mit ihrer neuen Wirthschafterrn zufrieden?" fragte Frau Held. ' -«> * I „Darüber kann man jetzt noch kaum urtheilen, aber sie läßt sich gut an. Die neue Ladewigen ist von der alten grundver schieden. Es liegt etwas, ich möchte fast sagen. Vornehmes in ihrem Wesen. Dabei ist sie aber bescheiden und willig. Eigen- thümlich ist es, wie sie mit den Dienstboten verkehrt. Ihre An ordnungen sind bestimmt. Sie spricht nicht diel und ist stets freundlich, aber Alle respectiren sie und folgen aufs Wort." „Eine Würde, eine Höh« entfernt die Vertraulichkeit", citirte die Frau Pastor. „Frau Pastor ist so gütig, ihr eigenes Wesen anderen Leuten zuzuschreiben", entgegnete artig der Amtsrath. „Sie soll ja verdammt hübsch sein", warf Oskar Held ein. „Wie denkst Du darüber, Richard? Du hast doch wohl Ersähe rung auf diesem Gebiete." Richard, der sich während des Gespräches sehr unbehaglich gefühlt hatte, war durch die letzte Frage herausgefordert. Eine gereizte Antwort schwebt« ihm auf den Lippen, aber der Vater kam ihm zuvor. „Darüber ist gar nicht zu spaßen, junger Herr. Ich sehe Sie schon bei Ihrem nächsten Besuch in Krahnepuhl sich kopfüber in den Abgrund der Liebe stürzen." „Aber befürchten Sie denn bei dieser Gefährlichkeit Ihrer Lorelei kein Unglück für sich und Ihren Richard?" fragte Frau Held. „Solange es noch Frauen von Ihrer Vortrefflichkeit giebt, nein. Hier ist das Bessere des Guten Feind." „Kleiner Schwerenöther!" sagte die Runde lachend. Das Resultat des Abends war, daß sich die Familien Held und Kähne über den Abgrund hinweg, den die verunglückte Brautwerbung aufgethan hatte, freundschaftlich die Hand reich ten. Die Gesellschaft, der die Angelegenheit nicht unbekannt geblieben war, schloß daraus, daß der Amtsrath und Richard die Hoffnung doch noch nicht aufgegeben hatten, und bei der Freundlichkeit, mit welcher beide jungen Leute miteinander ver kehrten, hielt sie diese Hoffnungen nicht für aussichtslos. In den nächsten Tagen meldete sich der Vertreter der apo kalyptischen Gemeinde in Brunow an. Alle mühseligen und beladenen Seelen lud er nach dem „Goldenen Engel" ein, und die ganze Einwohnerschaft war in gespannter Erwartung seiner Einladung gefolgt. Das Einerlei des Alltagslebens wurde hier so selten unterbrochen, daß Jeder eine Abwechselung, welcher Art sie auch immer war, willkommen hieß. Der Amtsrath und Richard waren schon am Nachmittag hineingefahren. Sie verlebten einige Stunden bei Helds und gingen sodann mit der Familie Held zur Versammlung. Der große Saal im „Goldenen Engel" war bis zwn letzten Platz gefüllt. Die Grund- und Ziegeleibesitzer hatten auf den vorderen Bänken Platz genommen, weiter nach hinten saßen die Glieoer der Bürgerschaft, und den übrigen Raum füllten sitzend und stehend die Arbeiter. In der ganzen Versammlung re gierte der Geist der Heiterkeit. Man versprach sich im Allge meinen eine amüsante Unterhaltung; Pastor Liebert bereitete sich nachdenklich auf eine wirksame Entgegnung vor, während der Amtsrath versicherte, daß er dem verrückten Kerl schon die Wege weisen wolle. Ein kleiner, untersetzter Herr betrat die Bühne im Vorder gründe des Saales, die sonst nur dem munteren Völkchen der The aterdilettanten zum Tummelplatz diente, heute aber ernsten Dingen geweiht war. Seitdem Herr Spitz Mitglied der aus erwählten Gemeinde war, hatte sein Gesicht auch einen ernsten, würdevollen Ausdruck angenommen, der durch den bis zum Halse zugeknöpften schwarzen Rock und die weiße Halsbinde noch gehoben wurde. Die Versammlung wurde still, und Herr Spitz begann seinen Vortrag. Schon nach den ersten Sätzen merkte man, daß er von Natur nicht eigentlich zum Redner bestimmt war. Wiederholt blieb er stecken, begann von vorn und verhaspelte sich im Satzbau, so daß ein leises Kichern durch die Versammlung ging. Herr Spitz ließ sich aber nicht irre machen. Von dem Bischof seiner Ge meinde war er darüber belehrt worden, daß gerade bei den ersten Sprechversuchen die listigen Anläufe des Satans eine Rolle spielten, und er war entschlossen, ihnen zu widerstehen. Das gelang ihm auch nach und nach, seine Rede wurde geordneter, seine Stimme fester, die Brustbeklemmungen und Athembe- schwerden ließen nach. Stolz erhob er den Kopf, und mit offenem, begeistertem Blick ließ er seine Augen über die Ver sammlung schweifen. „Meine lieben Brüder und Schwestern! Wenn Jemand zu Euch kommt und Euch bekehren will, so dürft Ihr mit Recht fragen, ob er selbst bekehrt ist." „Selbst verkehrt ist", murmelte der Amtsrath. „Ich will Euch deshalb meine Lebensgeschichte erzählen, und dann mögt Ihr selbst darüber urtheilen." Die Lebensgeschichte des Herrn Spitz gliederte sich in zwei große Theile, sein Leben in der Sünde und sein Leben im Heil. Im ersten Theil war er so offenherzig, daß er selbst solche Dinge erzählte, die sich sonst der öffentlichen Diskussion entziehen, und im zweiten Theil so be scheiden, sich zu den Auserwählten zu zählen, welche nach der Apokalypse goldne Kronen auf ihren Häuptern tragen und höher stehen, als die Fürsten der Erde. Auf das Fundament dieser Selbstbekenntnisse setzte er sodann das Gebäude der apo kalyptischen Lehre, wie er sie von dem Bischof seiner Gemeinde, auf den er wiederholt verwies, und den er offenbar für einen großen Propheten hielt, übernommen hatte. Je mehr das Licht des Geistes in seiner Rede erlosch, umso grausiger leuchtete die Gluth des Weltunterganges. „Wer sich berufen fühlt, der höre, und wer sich auserwählt fühlt, der gehe mit mir dem Heilande entgegen." Die Gesellschaft fühlte sichzrun offenbar weder berufen noch aus erwählt, denn kein Zeichen des Beifalls und der inneren Bewe gung wurde laut. Pastor Liebert betrat die Bühne, und in einer kurzen Rede zerstörte er unbarmherzig die Wahnvorstellun gen, die den früheren Rentier umfangen hielten. Ein lebhaftes Bravo! folgte seinen Ausführungen. Mit dem Ausdruck hochmütiger Ueberlegenheit nahm Herr Spitz seinen Platz wieder ein. „Ich habe mein Vermögen dem Reiche Gottes geopfert. Da darf ich mir wohl die Frage er lauben: Was hat der Herr Pastor für das Reich Gottes gethan?" „Sehr richtig!" rief man unter den Arbeitern. (Fortsetzung folgt.)
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