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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980325027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898032502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898032502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-03
- Tag 1898-03-25
-
Monat
1898-03
-
Jahr
1898
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Dem Zufall, daß Herr Richter ihm als Redner vorangegangen war, verdankte der Reichstag den Genuß, neben dem von großen Gesichtspunkten aus gehenden Staatsmann auch den schlagfertigen, mulhigen und für Phrasendrescher gefährlichen „Debalter" zu hören, als welcher sich Herr v. Bennigsen von seinen Anfängen im hannoverschen Abgeordnetenhaus an allezeit bewährt hat. Es war immer ein — wenn thuulich, von dem schwächeren Tbeil vermiedenes — Mißgeschick für den Wortmacher an der Spitze des Freisinns, in einer Sitzung mit dem nationalliberalen Führer sprechen zu müssen, und wie jedesmal bei solcher parlamentarischen Begegnung, so drängte sich auch gestern das Bild vom Zusammenstößen des irdenen Topfes mit dem eisernen den Zuhörern auf. Doch war die Abfertigung deS Herrn Richter nur Nebensache, sozusagen eine Abweisung mittels einer gelegentlichen Handbewegung. Herr v. Bennigsen betrachtete es trotz der gesicherten Aussichten des Flottengesetzes offenbar als seine Pflicht, vor seinem Scheiden aus dem Reichstage der Vertretung des deutschen Volkes noch einmal zu sagen und zu zeigen, wie solche Existenzfragen der Nation überhaupt ausgefaßt werden müssen; eine Pflicht, die sich herleitet von der ihm im Reichstag — leider! — allein beiwohnenden Fähigkeit, ihr ganz gerecht zu werden. Es hieße, Vollkommenes durch Unzulänglich keiten verbessern wollen, wenn man versuchen würde, das, waS Herr v. Bennigsen über den Zusammenhang des Flottengesetzes mit der Wirthschasts- und der auswärtigen Politik ausgesprochen hat, mit einem Eommentar zu ver sehen. Eines aber muß herauSgehoben werden. Herr v. Bennigsen, ein Mann von vollendetem politischen Tact und von ost durch die Berufensten erprobter Einsicht in Angelegenheiten der auswärtigen Politik, hat, gewiß nicht nur zu dem Zwecke, dem Centrum seine ge steigerte Verantwortlichkeit in Fragen der deutschen Sicher heit zum Bewußtsein zu bringen, der Erwähnung der jeder Berechnung spottenden französischen Zustände einen Hinweis auf daS Choas inO esterreich folgen lassen. Dadurch erhält seine Rede eine europäische Bedeutung und erhalten die Dinge in Oesterreich eine Beleuchtung, die ihnen noch eine andere Betrachtungsweise sichern muß, als diejenige, die von dem Mitgefühle für die in ihrem Vvlksthum bedrohten Stammesbrüder einaegeben ist. Er ist nicht einmal mehr psychologisch interessant, daß im geraden Gegensatz zu dieser von einem Politiker vertretenen Auffassung em Rabulist wie Richter gestern „deducirt" hat, daß Deutschland schon wegen seiner Bundesgenossen keine besseren VertheidigungSzustände zur See brauche. Herr Richter ist überhaupt nicht mehr interessant, wenn er auch höchst eigenhändig in der „Freis. Ztg." seiner gestrigen Rede eine politische Bedeutung deswegen attestirt, weil der Contreadmiral Tirpitz auf sie geantwortet, d. h. e« für nothwendig befunden hat, Herrn Richter noch einmal nachzuweisen, daß er im vorigen Jahre gerade das verlangt hat, was er jetzt im Flottengesetze bekämpft, nämlich einen fest umschriebenen Organisationsplan. Leuten, die schon lange die Politik, I welche in Parlament und Presse gemacht wird, verfolgen mußten, I ist diese Aenderung der Taktik des „Unentwegten" etwas Alt gewohntes und Langweiliges. Nicht einmal das war bemerkens- werth, daß Herr Richter, obwohl er sonst nach allen Seiten hin Beschuldigungen ausstieß, dem Centrum, daS doch die „Schuld" am Zustandekommen des Marinegesetzes trägt, kein ernsthaft böses Wort zu sagen wagte. Kommt er doch seit ge raumer Zeit fast täglich mittels seiner Zeitung bei den Klerikalen bittlich ein, ihm sein Mandat zu lassen. Gegenüber den Socialdemokraten, die mit ähnlichen Gesuchen überschüttet werden, hat eS der politische Haustyrann und Straßenbitter im Augenblicke leichter, da sie, übrigens gleich falls froh, daß die Flotte nicht Wahlparole wird, über die Flottensrage die gleichen ausweichenden Reden führen, wie die bürgerlichen Demokraten. Daß Herr Bebel das etwas besser besorgen würde, als Tags vorher sein „Genosse" Schönlank, batten wir vorausgesehen. Bon Bedeutung war, von Bennigsen's Rede abgesehen, die Verhandlung auch gestern nicht. Die Erklärung des bayerischen Bauern- bündlers Hilpert, daß seine Gruppe gegen die Vorlage sei, konnte nicht mehr überraschen, nachdem selbst drei hessische Antisemiten über ihre Stellungnahme in der Presse dasselbe hatten verkünden lassen. Die drei reinen Antisemiten stimmten auch demgemäß; Herr Hilpert sah von Bayern, die nicht dem Centrum angehören, nur noch den Abg. Sigl an seiner Seite. Im Ganzen konnte die Frequenz und das Abstimmungsergebniß selbst nach den günstigen Prognosen der letzten Tage die Freunde des Ge setzes noch angenehm überraschen. Die Mehrheit von 73 Stimmen, die der grundlegende H 1 der Vorlage erhielt, ist im deutschen Reichstage für Gesetz-Entwürfe politischen Charakters eine äußerst seltene, und erfreulich ist auch, daß die hinter den optimistischsten Erwartungen zurückgebliebene gegnerische Centrumsminderheit von 34 Abgeordneten sich nicht ausschließlich auS Bayern zusammensetzl und daß, wie übrigens vorauszusehcn war, auch die bayerischen Kleri kalen nicht einmülhig mit den Socialdemokraten, Welfen, Elsässern u. s. w. votirt haben. Immer mehr stellt es sich heraus» daß die badische Regierung mit der Wahl des Bischofs Komp zum Erz bischof und Metropoliten der oberrheinischen Kirchenprovinz durch das Domcapitel zu Freiburg zufriedener sein darf, als Herr Wacker und seine Gesinnungsgenossen. Von ihnen ist jedenfalls die Meldung der ,Föln. Volksztg." ausgegangen, der Gewählte trage wegen seines Alters und seines Gesundheitszustandes Bedenken, die Wahl anzunehmen, und werde zur Annahme nur durch einen päpstlichen Befehl sich bestimmen lasten; von ihnen wird also auch die neuere Meldung deS rheinischen Blattes auSgehen, Komp habe die Wahl angenommen. Daß die Ausstreuung der ersteren Nachricht keinen andern Zweck haben konnte, als den, Herrn Komp einzuschüchtern, liegt auf der Hand. Schon daraus ist zu schließen, daß Herr Wacker und Genossen von der Wahl sehr peinlich berührt sind. Was die Auffassung in den der Regierung nahestehenden Kreisen betrifft, so tritt sie in zwei aus Karlsruhe stammenden Artikeln der „Köln. Z." und der „Nat.-Ztg." zu Tage. In dem einen heißt eS: „Ansatz zu freudiger Genugthuung giebt dieWahl überdies und nicht zum Wenigsten in negativer Beziehung, insofern sie auf keinen Priester fiel, der bisher der badischen Centrumsleitung politisch ' nahe stand. Das gilt in erster Reihe vom Tomcapitular Schmitt, der zu des verstorbenen Erzbischofs Roos Zeiten in so verhängnitzvoller Weise mit Wacker und Hofcaplan Werth mann zusammen die Politik dec Curie leitete. Nicht minder zu begrüßen ist die Nichtmahl des gegenwärtigen Erz- bisthumsverwesers Weihbischoss vr. Knecht, unter dessen Geschäfts führung das seindselige demagogische Auftreten des katholischen Klerus gegen die Staatsgewalt ebenso wie die Wacker'schc Allmacht gegen früher eher noch eine Zunahme erfahren hat. Die Beseitigung Knecht's ist entweder darauf zurückzuführen, daß das Domcapitel ihn mit Rücksicht aus seine Eigenschaften überhaupt nicht auf die Vorschlagsliste setzte, oder — sofern nicht etwa die Regierung seine Person als minder genehm bezeichnete — ihn nicht für würdig und geeignet hielt, den erzbischöflichen Stuhl zu besteigen, und des- halb von seiner Wahl absah. Wie dem auch sei, jedenfalls liegt auch unter diesem GesichtSpuncte für Denjenigen, der eine Gesundung der innerpolitischen Verhältnisse durch eine allmähliche Abschwächung der Parteileidenschaften und Gegensätze herbeigeführt zu sehen wünscht, kein Aniah vor, den jetzigen Ausgang der.Sache irgendwie zu bedauern." Der andere schließt: „Die Wahl ist gegen Wacker und über seinen Kops hinweg erfolgt; allerdings durch das Domcapitel und auf Grund der von diesem eingereichten Vorschlagsliste. Aber das Domcapitel hatte sich bis dahin offenbar geweigert, einen der von der Regierung als „genehm" bezeichneten Candidaten zu erküren, und hat sich erst durch die directe Weisung aus Rom dazu bewogen gesunden! Also trotz Wacker und gegen Macker ist die Wahl erfolgt — vielleicht so rasch, um diesem jede Gelegenheit zu nehmen, sein beliebtes politisches Dynamit handwerk gegen den neuen Candidaten zu beginnen: ein Sieg der badischen Regierung über das Jntransigenleulhum des fanatischen Führers der Klerikalen. Bischof Komp gilt als ein persönlich milder Mann, der allerdings von den Wogen deS kirchenpolitischen Kampfes nicht unberührt geblieben ist. Wäre es auch gründlich verkehrt, in ihm einen Vertreter der Staatshoheit gegen die streit baren und ost genug katholischer als der Papst sich geberdenden Wacker'jchen Schaaren zu erblicken, so isl der neue Erzbischof doch auch kein „Draufgänger" im Sinne Wacker'S. Mehr kann die badische Regierung heut zu Tage nicht verlangen." Freilich, wie lange sich der neugewählte Erzbischof dem Einfluß der Wacker'schcn Richtung wird entziehen können und wollen, das ist eine andere Frage; zunächst ist er augenschein lich kein Werkzeug in den Händen des Führers der klerikal- socialdcmokratisch - demokratischen Landtagsmajorikät, und damit dürfte das eigentliche Ziel der badischen Regierung erreicht sein. Von der in Spanien herrschenden religiösen Unduld samkeit giebt folgender Appell eine Probe, welchen die in Valencia erscheinende „Anlorcha Valentina" an den zu ständigen Richter richtet und welcher beweist, daß in dem gelobten Lande der Inquisition doch noch nicht aller Sinn für Recht und Billigkeit erstorben ist: „Herr Richter! In der Calatravastraße wurde vorigen Sonntag ein Verbrechen begangen, das unbedingt gesühnt werden muß. Dort be findet sich ein evangelischer Betsaal, wo die Bekenner der protestantischen Consession friedlich sich vereinigen, um ihre Gottesdienste zu feiern, ohne Jemandem zu nahe zu treten. Fanatische Haufen von Katholiken sind nun schon verschiedentlich in jene evangelische Capelle eingedrungen, haben sie entweiht und die versammelten Gläubigen iusultirt. Am Sonntag aber überstieg der Scandal alles Dagewesene. Zehn oder zwölf katholische Sakristane stürmten herein und begannen einen Lärm zu vollführen, als ob sie sich in einer Kneipe befänden, so daß die Evangelischen sich gezwungen sahen, ihren Gottesdienst zu unterbrechen und der Prediger die Kanzel verlassen mußte. Dies geschah Vormittags. Während des AbendgotteSdienstes kamen drei oder vier von den Störenfrieden wieder, während die Uebrigen an der Thür blieben und Jenen den Rücken deckten. Neue- Getümmel. Anständige Leute, welche draußen vorbeipassirten, schlugen sieb auf die Seite der so schnöde angegriffenen Protestanten uud zwangen die Tumultuanten, das Feld zu räumen. Die aber, feig und roh zugleich, ließen zu guter Letzt noch eine Rakete los, wodurch den in großer Zahl anwesenden Frauen kein ge linder Schrecken eingejagt wurde. Von Polizei war natürlich bei dem betrübenden, für unsere Vertbeidiger des apostolisch katholischen Glaubens recht charakteristischen Vorkommniß weil und breit keine Spur zu erblicken. Herr Richter! Es handelt sich um ein Verbrechen gegen Z 239 des Strafgesetzbuches. Man hat bisher nicht gehört, daß Strafverfolgung gegen die Verüber des schändlichen Tumults eingeleitet wurde. Dagegen ist daS Gericht sogleich bei der Hand, diejenigen zur Ver antwortung zu ziehen, welche etwa vor einer voruberziehenden Prozession nicht daS Haupt entblößen. Die Presse deS AuS landcS wird von solchen Dingen Notiz nehmen, wird unsere katholischen Fanatiker mit Muhamedanern und Türken vergleichen. Herr Richter! Wir erlauben uns ergebenst, um Aufklärung zu bitten, warum bisher nicht eingeschritten wurde, und ob dies noch geschehen wird. Wir gestatten uns auch die Anfrage, ob in Spanien ein zwiefaches Gesetz gilt, eins für Katholiken, eins für Protestanten." — Das nickt, aber das gemeine Recht wird anders gegen die Katholiken, anders gegen die Protestanten gehandhabt, und der Briefschreibcr wird daher vergeblich auf ein Einschreiten gegen die brutalen Störenfriede warten. Ueber die Ursache der „Mainc"-Explosion ist noch immer kein amtlicher Bericht erschienen, aber die Stimmen mehren sich, welche die Urheberschaft an dem Unglück den Spaniern zuschreiben. Interessant ist in dieser Beziehung ein Brief eines jungen Dresdners auS Havannah an seine Eltern, welcher in den „Dr. N. N." veröffentlicht wird. Wir ent nehmen dem vom 7. März datirten Schreiben das Folgende: Ich bin Taucher in meiner Compagnie und so hatte ich Ge legenheit, den „Maine" auf Grund der See von innen anznsehen. Unsere Taucher-Abtheilnng hat die Verpflichtung, Alles, was zu heben ist. zu beben und wenn möglich, Las ganze Wrack an die Oberfläche zu bringen, was ich aber für unausführbar halte, da es in zwei Hälften gesprengt ist und nun schon 8 Fuß in den Schlamm gesunken ist. Wir sind hier sechs Taucher an der Arbeit und holen die Todten und die Werthsachen, sowie die Waffen herauf. Es ist un möglich, Euch einen Begriff von der Wirklichkeit zu geben; die vordere Steuerbordseile der „Maine" ist nach oben und hintenüber nach Backbord geflogen. Wenn Ihr dabei das immense Gewicht bedenkt, so könnt Ihr Euch eine Vorstellung von der Wirkung der Explosion machen. Ein Kanonenthurm mit einer Kanone, die allein 23 Tonnen (1 Tonne gleich 20 Ctr.) wog, ist vollständig nmgedreht und nach Backbord geworfen. Das Unverständliche bei der Sache ist an scheinend, daß die Pulvermagazine vollkommen iotact sind, wir Taucher drangen in dieselben ein, sanden Pulver und gefüllte Geschoße absolut unversehrt, nur ist Alles durcheinander geworfen; explodirt ist nichts. Ebenso sind die Kessel voll kommen unversehrt, selbst Schießbaumwolle und Dynamit, die doch so leicht explodiren, sind vollständig in tact. Wir Taucher haben nicht den geringsten Zweifel, daß der Kreuzer „Maine" von der Außenseite durch die Spanier mit einer Unterseemine in die Lust gesprengt wurde. Das Feuilleton. Durch eigene Kraft. 34s Roman von Alexander Römer. Nachdruck vrcbotka. Tante Marianne fast in ihrem Lehnstuhl und erhob sich schwerfällig bei ihrem Eintritt. Auch sie war alt lund kümmer lich geworden, die Krankheit des letzten Winters chatte ihre Kräfte mitgenommen. Liesa war noch unruhiger als früher, und machte sich augenscheinlich mehr zu schaffen, als nöthig war. Mer es schien doch, als ob sie sich über ihr Kommen freuten. Und Ottilie fand einen wärmeren Ton für sie als früher. Sie chatte die Welt draußen kennen gelernt und wußte diese ehrlichen Seelen jetzt nach ihrem Werthe zu schätzen. „Ich dachte, die Frau Baronin tonnte nun gar nicht zu uns passen", sagte Liesa und wischte noch immer mit dem Staubtuch auf dem spiegelglatten Tisch herum, „aber Du bist noch die Alte." Ottilie lächelte schwermüthig. Wollte Gott, sie wäre noch die Alte, die Ottilie von damals, welch ein breiter Strahl von Hoff nung und Glück lag vor dieser! Da saß sie nun auf dem noch abgeschabter gewordenen Ledersopha und erzählte ihnen von ihrem Kinde. Von ihrem Gatten sprach sie nicht, auch nicht von ihrem Leben vor ihrer Verheirathung. Sie redete nur von der Zukunft. Vor ihr lag Arbeit, hier mußte Alles geändert, ganz neu« Einrichtungen geschaffen werden. Und während sie nach den Erlebnissen der Tanten fragte und Liesa mi! der weitläufigen Krankheitsgeschichte Mariannens in Zug kam — ems ihrer Lieblingsthema — da fiel der Name Ludwig Heidemanns. ,Mas der an uns gethan hat, das ist ihm nie zu vergelten", rief sie. Ihre Beredtsamteit kam in Fluß, und Ottilien wurde es heiß. Wenn er jetzt einträte, dachte sie, und sie stände ihm gegenüber! Und einmal — in den nächsten Tagen schon — mutzte es so kommen, sie hatte sich ja lang« dafür gewappnet. Sie redete sich auch täglich ein, daß er sie längst vergessen habe — wenn sein Bild noch so lebendig in ihr lebte, ja, wenn es durch die Erfahrungen in ihrem Leben eigentlich glorificirt war, so mochte die Wirklichkeit, ein Wiedersehen unter so ver änderten Verhältnissen, wohl am besten den Nimbus zerstören, mit dem man rin Verlorenes umkleidet. Aber sie erhob sich jetzt hastig — nur heute Abend nicht, nur nicht jetzt schon, ihr waren Körper und Seele matt. Sie versprach den beiden Alten, ihnen morgen ihren Knaben zu bringen, und schritt langsam, müden Ganges über die Straße durch die Anlagen dem Herrenhause zu. Es dunkelte stark, die Umriss« ihrer Gestalt waren kaum noch zu unterscheiden, aber der da an seinem Fenster stand und ihr nachschaute, erkannte sie doch. Er verfolgte sie mit seinen Augen, so lange er sie sehen konnte. Sie schlief in dieser ersten Nacht schlecht unter dem ihr fremden Dach des Hauses, das sie in kühnem Wagemuth und unter tiefster Demüthigung ihrer Gefühle ihrem Kinde zu er halten strebte, und stand am nächsten Morgen mit matten Gliedern auf. Sie ging aber sofort an ihre Aufgaben und berieth mit der Wolters die neuen Einrichtungen. Sie wollten hier dauernden Aufenthalt nahmen und eine sehr einfache Lebensweise führen. Die Dienerschaft sollte bis auf das noth- wendigste Personal eingeschränkt werden, wenn nur der Baron seine gewohnte Bequemlichkeit hatte. Sie machte keinerlei An sprüche. Die alte Haushälterin starrte sie anfangs mit offenem Munde an, sie war schwer von Begriffen. Sie trippelte aber gutwillig hinter der jungen, so energisch auftretenden Frau her, welche in Küche und Keller hinabstieg und sich über Alles zu unterrichten wünschte. Es war keine leichte Arbeit, solch ein Umwälzen, wo durch Jahrzehnt: Alles seinen gewohnten Schlendrian gegangen war. Um Mittag trat der alt« Baron in Ludwig Heidemann's Haus. Ihm muthete hier Alles fremd an, er seufzte im Ge danken an den biederen Krugwirth, mit dem er gewohnt war, zu verkehren. Der Ludwig — er nannte ihn noch immer beim Vornamen, er kannte ihn ja von Kind auf — war anders als sein Vater, schon das letzte Mal, als er hier war, kam ihm das zum Bewußtsein. Er klopfte an die Thür des Comptoirs; ein kräftiges „Herein!" tönte ihm entgegen. Er trat ein und trocknete die Stirn mit dem seidenen Taschentuch; ihm war warm geworden auf dem kurzen Sang« hierher, und er fühlte sich beklemmt und unbehaglich. Diese hohe Gestalt da vor ihm mit dem schönen blonden Vollbart — der Mensch sah vornehm aus und begrittzte ihn so höflich und formell, wie einen Fremden. Das erleichterte ihm sein Geschäft nicht. Er setzte sich auf Ludwig's Aufforderung und redete vorerst von den beiden dahinaeschiedemn Alten. „Prächtige Menschen", wiederholte er mehrmals, „schlicht und brav, wie man sie nicht mehr findet in unserer Zeit." Ludwig sagte nicht viel, er wußte es am besten, was seine Eltern werth gewesen waren. Dann mußte doch das Geschäftliche an die Reihe kommen. Ludwig ließ den alten Herrn allein reden; das war un bequem. Der Baron hatte auf ein Entgegenkommen gerechnet, es war hart und bitter, so als Bittsteller dazusihen. „Es steht schlimm, Ludwig, ich übersehe es jetzt erst so nach und nach — weiß der Himmel, wie es möglich gewesen ist, daß solche Schuldenlast sich aufgethürmt hat. Aber es sieht hier ja prächtig auf den Feldern aus, die Ernte verspricht reich zu werden; aus dem Weizen, aus dem Raps kommen einige Tausende heraus, auch die Zuckerrüben bringen hübsch «in. Da von werden die dringendsten Gläubiger in diesem Herbst noch befriedigt. Und unser Leben tostet fortan fast nichts mehr, ich bin ein alter Mann, der keine Ansprüche mehr macht, und meine Schwiegrtochter — die kleine Fee — zaubert, sage ich Ihnen, die hat in ihrer Casse immer Ueberschuß." Ludwig saß da in höflichster Haltung und strich seinen Bart. „Es soll mich herzlich freuen, Herr Baron, wenn Sie das Gut zu halten im Stande sind." „Ja. ja — ich bin Ihnen ja sehr zu Dank verpflichtet, tvenn Sie mit Ihren Forderungen einstweilen zurückhalten —" „Herr Baron, mir wurde diese mündliche Unterredung in Aussicht gestellt, und es fragte sich doch schließlich, ob —" „Solche Frist nützt, wollen Sie sagen; gewiß nützt sie, Ludwig, außerordentlich viel sogar. Auf ein Jahr, meint der Justizrath, dann läßt sich die ganze Sachlage weit klarer über sehen, und —" Der Baron sprach hastig, stockte jetzt und trocknete wieder den Schweiß von seiner Stirn. „Ich will Sie nicht drängen, Herr Baron, will Ihnen nicht die Hoffnung nehmen, daß diese Frist Ihnen nützt, ich werde meine Unternehmungen aufschieben — Sie wissen aber, unsere Zeit ist raschlebig, und Zögerung heißt Verlust." Der Baron sah ihn scheu und verlegen an. »Ja, ja —" wiederholte er und kraule seinen kahlen Kopf, „was wollen Sie denn groß anfangen, Ludwig? Sie haben die Mühle und zum Betrieb derselben jedenfalls Capital genug in Händen." Ludwig lehnte sich mit einer eigenthümlichrn Geberde in seinen Stuhl zurück, seine Mene war geschäftsmäßig kalt. Er erwiderte nichts auf die letzte Rede. „Ich rechne auch auf Ihren Rath, lieber Ludwig", begann der Baron mit gewaltfamem Ankauf aufs Neue, „der kost spielige Herr Inspektor geht zum October, ich fühle mich noch kräftig genug, selbst zu wirthschaften, ich muß es auch sein, ja, wäre ver Otto Victor nicht da, der kleine, frische Kerl, ich glaube, ich ließe den Kram fahren, aber so, Sie begreifen, es muß versucht werden, Ludwig, es muß durchaus versucht werden." Der alte Herr athmete schwer und strich sich die wenigen Härchen, die er verschoben hatte, wieder zurecht. Ludwig schwieg noch ein Weile. Du lieber Gott, wie eben und glatt gingen früher die Ab machungen mit dem Alten, d. h., der Bauer griff in seinen Geld sack und der Baron drückte ihm dafür die Hände. „Alter, ehrlicher Kerl, ja, wahrhaftig, ich wollte, es gäbe mehr solche." .Hier paßte dies: Bezeichnung gar nicht, diese Augen blickten sehr nüchtern, sehr einsichtig, wie sollte seine Stellung zu diesem Jungen werden? „Ich glaube nicht, daß Sie mit der bisherigen Wirthschafts- mcthode so viel erreichen können, wie in Ihrem Falle nöthig ist, Hcrr Baron", unterbrach endlich Ludwig's Stimme das peinliche Schweigen. „Sic müßten hier Fabriken anlegen, Zuckerfabrik, Brennerei, sich den Genossenschaften anschließen, mehr kauf männisch speculiren, ins Große arbeiten. Ich weiß nicht, ob Sie so viel Eredit besitzen, um die Capitalien dafür beschaffen zu können." „Capitalien? Reden Sie mir doch nicht von Capitalien. Wer borgt mir Capitalien?" Der Baron sank in sich zusammen. Ludwig fiel es jetzt erst auf, wir verfallen er aussah. Wider seinen Willen bawegte es sein Herz. Es muß hart sein, im Alter, wenn die Kräfte schwinden, noch zu solchen Aufgaben sich auf- raffen, auf einem Trümmerhaufen wieder aufbanen zu sollen. „Ich gab nur so meine Ansicht", sagt: er freundlicher, „einst weilen müssen Sic wohl abwarten, einen Anfang machen, vcr suchen, wie die Wirthschaft geht, die Erträge und Conjuncturen ausfallen. Wenn die großen Verbrauchssummcn eingeschränkt werden, giebt es ja auch eine andere Rechnung." „Das ist's eben, und, Ludwig, Sie kennen hier ja jede» Erd klumpen, wissen, was er hergiebt, Sic müssen mir beistchen, wenn ich alter Mann da noch hindurch soll. Und wie ich Ihnen schon sagte, nicht für mich, für den Otto Victor, für den einzigen Erben der Waldstätten wird es versucht und Sie — Sie, Sie sind «in guter Mensch, Ludwig, es wäre Ihnen doch auch gegen den Strich, wenn Sie es wehren könnten, hier den alten Namen verlöschen zu sehen." Der Baron demüthigte sich und seinen Edelmannsstolz diesem jungen, steifnackigen Manne gegenüber, er sah ihm angstvoll ins Gesicht. Um Ludwig's Mund zuckte es eigenthiimlich, er hielt den
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