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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980702023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898070202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898070202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-07
- Tag 1898-07-02
-
Monat
1898-07
-
Jahr
1898
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Anscheinend um noch vor Ankunft der spanischen Verstärkungen unmittelbar an Santiago heranzukonimen, hat General Shafter gestern einen Angriff der Landtruppen auf die Außen befestigungen der Stadt unternommen, sccundirt durch die Flotte Sampson's, welche die Hafenfvrts beschoß. Wir erhalten darüber folgende Meldungen: * Playa dcl Este, 1. Juli, Vormittags II Uhr SO Min. Ter allgemeine Angriff zu Lande und zu Wasser auf Santiago ist in vollem Gange. Der „Vesuvius" hat mit gutem Erfolge aus Dl) na mitkano neu geschossen. Aus der ganzen Linie tobt erbitterter Kampf. (Wiederholt.) * Playa dcl Este, I. Juli, Vorm. II Uhr 30 Min. General Lawton's Division hat Cabano, einen Vorort von Santiago, beseht. Die Flotte bombardirt das FortMorro und die anderen Forts am Eingang des Hafens von Santiago. Die spanische Flotte feuert auf die amerikanischen Truppen, die schon ganz nahe an die Stadt herangckommen sind. Bisher sind neun Eubaner und acht Amerikaner verwundet worden. (Wiederholt.) * Washington, 2. Ault. (Telegramm.) Ein amtliches Telegramm besagt, die amerikanischen Truppen schlugen die spanischen zurück. * New ?)ork, 2. Auli. (Telegramm.) Wie eine Depesche aus Liboncy von gestern meldet, begann nach einem erbitterten, fünfstündigen Kampfe zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags der Rückzug der Spanier aus ihren Verschanzungen in Sie Stadt. Viele ver wundete amerikanische Soldaten wurden ans der (Sescchts- linte zurückgezogen. Die Amerikaner schreiben sich den jedenfalls theuer er kauften Sieg zu. Ist er auf ihrer Seite, so. wird es Niemand wundern, da sie sich in der Uebermacht befinden. General Linares verfügt nur über 6000 Mann, da, wie er gestern nach Madrid gemeldet bat, aus Hvlguin und Manza- nilla die erwarteten Verstärkungen noch immer nicht angelangt sind. Genera! Shaster dagegen commandirt über I I OOO von Tampa übergeführte Truppen und über etliche Tausend Insurgenten unter Garcia. Bestätigen sich die amerikanische» SiegeSnachrichten, so wird die Belagerung Santiagos nicht lange mehr auf sich warten lassen und sie dürfte, wenn nicht bald Entsatz erfolgt, sehr bald am Ziele sei». Meldet doch eine gestern aus Siboney vom 29. Juni datirtc New Aorker Drahtmeldung, nach Berichten aus Santiago herrsche dort thatsächlich HungerSnoth, die einzige Nahrung bilde Schwarzbrod, das meist ganz ungeeignet für NahruugSzweckc sei. Aber, wie gesagt, Voraussetzung ist, daß die amerikanischen Meldungen, auch die letztere, sich bewahrheiten. Bisher konnten sie stets nur mit größter Reserve ausgenommen werden und waren zumeist in unverantwortlicher Weise übertrieben. Unter diesem Vorbehalt geben wir auch die Londoner Meldung wieder, General Shafter habe an das Kriegsdepartemenl telegraphiert, 100 spanische Deserteure seien zu ihm ins amerikanische Lager gekommen; er bitte um Instruction, was mit ihnen zu geschehen habe. Die Nachricht dagegen, die im Westen stehenden Auf ständischen unter Gomez befänden sich in einer sehr schwierigen Lage, ist nicht anzufechten, denn sie kommt von der cubanischen Gesandtschaft in Washington, wie die Vertreter der Insur genten sich stolz nennen. Thatsache ist auch die Madrider Meldung vom heutigen Tage, nach einer amtlichen Depesche aus Havanna hätten die Insurgenten eine Dynamitbombe auf die Schienen gelegt, auf denen ein Militairzug passirte. Vier Soldaten seien getödtet und vier verwundet. Noch sind General Shafter und Admiral Sampson mit Santiago nicht fertig, so denkt man in Washington schon an die Eroberung Puerto Nicos. So meldet der „Coiumer- cial Advertiser" aus Washington, General Broose sei zum Gencralgouverneur von Puerto Nico anöersehen; cs würden 30 000 Mann nach Puerto Nico entsandt werden. Einige Regimenter seien bereits auS Tampa abgegangen. Ist dies richtig, so dürfte der Grund für die Entsendung der Expedition nach Puerto Rico in folgender Meldung zu suchen sein: * London, 2. Juli. (Telegramm.) Die „Morning Post" meldet aus New Port: Nach Mittheilungen auS Puerto Rico haben die dortigen Ortsbehordcn ein Complot entdeckt, das die Regierung stürzen wollte. 5 Personen wurden verhaftet und zwei von ihnen standrechtlich erschossen. Die Verschwörer sollen beabsichtigt haben, den Palast des Gouverneurs mit Dynamit in die Luft zu sprengen. Die nach den Philippinen segelnde Flotte Camara's scheint endlich vorwärts zu kommen. Wie uns aus Port Said gemeldet wird, haben die spanischen Schiffe gestern den Hafen verlassen, nm außerhalb desselben von ihren eigenen Kohlenschiffen Kohlen überzuholcn und zwar gleich zeitig mit der Einfahrt des amerikanischen Kreuzers „San Francisco" in den Suezcaual. Die spanischen Kohlenschiffe „Eolon" und „Eovadonga" sind ebenfalls in den Eanal ein gelaufen. Man glaubt in Kairo, ein Thcil der Flotte Camara's werde wieder nach Westen gehen, während der Nest nach östlicher Richtung abfabre. ES scheine so, als beabsichtigten eingeborene Kohlenträger zu versuchen, nach dem Rothen Meere zu gehen, um dort Kohlen auf die Schiffe der Spanier überzuladen. Dies dürfte aber nicht gestattet werden. Wie die Dinge sich auf den Philippinen gestalten werden, läßt sich heute schwerer denn je bcurtheilen, da eS scheint, daß der Haupt-Führer der Aufständischen Aguinaldo Miene macht, sich gegen seine Befreier zu wenden, wenn diese versuchen sollten, den Philippinen die volle Unabhängig keit zu versagen, und da andererseits unter den Auf ständischen selber Zwist ausgebrochen ist. Aguinaldo hat die Führer Sandico und Artachio verhaften lassen, weil sic die Thatsache hatten bekannt werden ließen, daß der kürzlich in Hongkong von den dortigen Be- börden mit Beschlag belegte Dampfer „Pasig" eine Ladung Waffen für die Aufständischen an Bord batte. Sandico wurde auf seinen Appell an den amerikanischen Consul aus der Haft entlassen. Man glaubt, Aguinaldo werde Artachio erschießen lassen, wenn sich Dcwey nicht ins Mittel lege. ES beißt, Aguinaldo habe geäußert, es sei klar, daß Sandico und Artachio eine Oppositionspartei zu bilden wünschten. Eine in Washington am I. Juli eingetroffene Kabel meldung vom General Dewey aus Manila vom 27. v. M. erwähnt nichts von der Ankunft der amerikanischen Verstärkungen. Sie sagt daher, daß Dewey Alles vermieden habe, was die Politik der Vereinigten Staaten in irgend einer Richtung bindern könne. Er habe vielmehr dem unterwegs befindlichen General ßMcrrilt vollständige Actionsfreiheit gelassen. Dem „Daily Chronicle" wird aus Washington berichtet, daß General Merritt einen voll ständigen Stab für eine civile Verwaltung auf den Philippinen mit sich führt. Seine Truppen hätten Vorräthe für ein Jahr. Selbst wenn die Insurgenten fähig wären, eine Negierung zu bilden, würde daö Protektorat Amerikas Jahre dauern. Immer noch beschäftigt die Haltung Deutschlands in der Philippinenfrage die amerikanischen Blätter auf das Lebhafteste. Der „Standard Eorrespondenl" giebt der „Frkf. Zeitung" zufolge einige der Bezeichnungen wieder, welche die Blätter auf den deutschen Kaiser anwenden. Der Kaiser, so heißt es u. a., mache durch sein Verhalten das ameri kanische Volk erst recht begierig, die Philippinen zu be kommen. Die officiellen Kreise drücken zwar Vertrauen zu Deutschlands Versicherungen auS, aber in der nichtofsi- ciellen Welt sei die Erregung um so größer; man wolle wissen, Laß die Regierung eine vom Admiral Dewey ein gegangene Mittbeilung geheim halte. Nach einer Meldung der „Daily Mail" aus Washington glaubt man, Deutschland ermuthige den Insnrgentenführer Aguinaldo, eine Republik unter dem Schutz der Mächte zu bilden, wodurch Deutschland Antheil an der Regierung der Phi lippinen erhielte. Dagegen erhallen wir folgende authentische Meldung: * Washington, 2. Juli. (Telegramm.) In der gestrigen Sitzung des Cabinets wurde die bestimmte Versicherung abgegeben, daß die Negierung annehme, Deutschland werde sich in die Angelegenheiten bei Manila nicht ein mischen. Der Präsident bemerkte dabei, er habe die Zusicherung erhalten, daß Deutschland keine unfreundliche Action im Sinne habe. Er glaube, die Gerüchte von solch einer unfreund lichen Haltung und davon, daß Deutschland radical vorzugehen be absichtige, seien nicht thatsächlich begründet. Er sei überzeugt, daß kein Anlaß zu ernstlichen Befürchtungen vorliege. Klingt auch durch diese officiellen Aussagen immer noch ein Zweifel durck, so liegt deutscherseits eine unantastbare Kundgebung des Admirals von DiedcrichS vor, welche alle von London ausgehenden Ausstreuungen Lügen straft. Wie Wolff'S Bureau meldete, hat Admiral von Diederichs in einer Zusammenkunst mit dem spanischen Generalgouverneur von Manila den formellen Vorschlag der spanischen Regierung, daß den neutralen Commandanten Manila in clvposito über geben werde, mit Rücksicht auf die amerikanische Blockade abgelehnt. Dadurch bestätigt sich, waS unS am 22. vorigen Monats von gut unterrich teter Seite geschrieben wurde. Es wurde in der erwähnten Zuschrift betont, daß eine gemeinsame Besetzung Manilas durch Truppen europäischer Mächte nur denkbar sei, wenn beide kriegführende Parteien darum ersuchen; was Deutschland anlange, so könne nur immer wieder auf das Bestimmteste versichert werden, daß es einerseits stricte Neutralität beobachtet, andererseits den Schutz der Deutschen und der sonstigen ihm übertragenen Interessen pflichtgemäß wahrnimmt. Hoffentlich hört nach der Kundgebung des Admirals von Diederich'S die amerikanische Presse endlich auf, sich durch englische Machenschaften gegen Deutschland verhetzen zu lassen. Von Friedensverhandlungcn wollen die maßgebenden Kreise in Madrid durchaus nichts wissen. Dort macht sich jetzt eine Action gegen die auf den Frieden gerichtete» Be ¬ strebungen geltend. Die klerikalen Zeitungen und die Priester predigen den Krieg bis aufs Messer und die Conser- vativcn selbst erklären, es sei nicht an der Zeit, für den Frieden einzutreten. Der gestrige Minisierrath, der sich mit den Vertheidigungömitteln beschäftigte, sprach sich ebenfalls mit aller Entschiedenheit gegen alle Schritte zur Erlangung des Friedens auS. Ein in Madrid eingetroffener Eubaner behauptet, die all gemeine Stimmung auf Cuba sei derart den Amerikanern feindlich, daß die Freiwilligen, wenn Spanien Cuba aufgeben sollte, den Gehorsam verweigern und den Krieg selbst dann sortsetzen würden, wenn Santiago von den Amerikanern ge nommen würde. Sie behaupten nämlich, sie haben di: Mittel, um noch zwei Jahre hindurch Widerstand leisten zu können, und die Insurgenten selbst würden die Spanier während deS Krieges mit Amerika nicht bekämpfen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Juli. Die „Franks. Ztg." hat dieser Tage zu erzählen gewußt, daß man sich im Vatikan entschlossen habe, dem deutschen Centrum ein energisches Vorgehen gegen die Social- demokratie zu empfehlen. Der Cardinal LedochowSki sei beauftragt worden, dem Kaiser über diese Stellung nahme der römischen Kurie zu berichten. Da Leo XIII. schon wiederholt die Socialdemokratie als einen zu bekämpfenden Feind bezeichnet hat, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß die durch die NeichstagSwahlen erfolgte Verstärkung dieses Feindes den Papst zu einer neuen Kundgebung veranlaßt. Zu bedauern wäre nur, daß die Directive an das Centrum nicht schon vor den Stichwahlen ergangen ist, denn von einem energischen Vorgehen deS Centrums gegen die Socialdemokratie ist wenigstens in Baden und der Pfalz nichts zu spüren gewesen. Aber auch für die Zukunft könnte eS ja werthvoll erscheinen, daS Centrum in solcher Weise von maßgebender Stelle ermahnt zu sehen, wenn man nur wüßte, wie sich das „energische Vorgehen" vollziehen soll. Presse und Redner des Centrums versichern unausgesetzt, daß ihre Partei allein den richtigen Weg zur Bekämpfung der Social demokratie eingeschlagen habe. Aber worin besteht dieser Weg? Daß das Centrum die Utopien der Socialdemokratie nicht theilt, ist selbstverständlich; aber in socialreformerischen Forderungen auf dem Boden der bestehenden Staatsordnung ist cs unermüdlich darauf bedacht, hinter der Socialdemvkratie nicht zurück zu bleiben, eher dieselbe noch zu übertrumpfen. Ein recht lehrreiches Beispiel dieser Tactik hat man, wie der „Schwäb. Merc." in Erinnerung bringt, erst vor wenigen Tagen in der württembergischen Abgeordnetenkammer erlebt. Auch der bestgcsinnte Arbciterfreund wird, wenn anders er von allen Nebenabsichten frei ist, sich sagen müssen, daß für daS Wohl unserer industriellen Arbeiterbevölkerung die erste Vorbedingung die Lebensfähigkeit der Industrie ist und daß deshalb Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Arbeiter, von denen eine Be einträchtigung dieser Lebensfähigkeit mit Sicherheit zu erwarten wäre, unberücksichtigt bleiben müssen. Die Socialpolitiker des Centrums aber haben sich für diesen Gesichtspunkt stets un zugänglich erwiesen. Die Gerechtigkeit verbietet, einem Manne wie Hitze nachzusagen, daß er sich jemals eines demagogischen Tons bedient habe, wie er von CentrumSrednern dritten und vierten Rangs auch in parlamentarischen Körperschaften angeschlagen Feuilleton. Lauernblut. 2Ij Roman in drei Büchern. Von Gerhard von Amyntor. (Dagobert von Gerhardt.) Nachdruck vcrbotcn. Einen Herzschlag lang blieb er wie zu Stein erstarrt stehen; doch plötzlich kam ihm der Gedanke, daß, so deutlich er das Fräulein von Brank erkannte, er wahrscheinlich ebenso deutlich von ihr erkannt würde; heftig erschrocken stülpte er den Schlapp hut auf den Kopf und tauchte pfeilgeschwind in das Dunkel der Sträucher und Gebüschgruppen zurück. Dann lief er, was er laufen konnte, nach den, Sceufer, sprang in das Boot zu seinen schon darin sitzenden Genoffen und stieß es mit kräftiger Hand vom Lande. Sollte er seine Begegnung mit Ellen erwähnen? Er fand nicht recht den Muth dazu. Wenn er wirklich erkannt worden war, dann lag cs eigentlich in Carvalho's Interesse, ihn auf irgend eine Weise schnell zu beseitigen, damit er nicht fest genommen und nach seinen Helfershelfern ausgefragt werden könnte; der Brasilier würde nach seinen von ihm öfter ge äußerten Grundsätzen in solchem Falle kaum vor einem Morde zurückschrecken. Und Fritz? Was wußte Peter von diesem Unbekannten? Sicher würde er dem Brasilier beistehen — der See forderte geradezu zu einem solchen Verbrechen auf —, die beiden gewissenlosen Subjecte würden ihn sicher über Bord werfen, um ihn für immer stumm zu machen und so ihre eigene Sicherheit zu erkaufen. Es mußte also geschwiegen werden. Aber mit geheimem Grauen betrachtete nun Peter seine Genoffen; dabei überlegte er immer wieder, ob er von Ellen erkannt worden war oder nicht. O, wie verwünschte er jetzt seine Betheiligung an diesem Einbruch, seine Verbindung mit Carvalho, der ihm mehr und mehr im Lichte eines Erzgauners und Bösewichtes erschien, der ihn, den deutschen Michel und idealistischen Schwärmer, übertölpelt und ins Garn gelockt hatte! „Nun, warum denn so still?" fragte ihn Carvalho, der das Steuer erfaßt hatte, während der bei seinem Postenstehen aus geruhte Fritz aus Leibeskräften ruderte. „Jetzt sind wir ge borgen und kein Teufel wird je herauskriegen, wer den Besuch im Schlöffe gemacht hat — ha, ha,ha!" Er lachte behaglich. „Schade, daß man sich keine Cigarre anzünden kann, aber der verdammte Wind erlaubt es nicht." b»* *.- Statt einer directen Antwort auf die Frage, warum er so still wäre, sagte Peter nur: „Geben Sie mir das Steuer, das Wasser ist unruhig und wir kentern noch, wenn wir das Boot nicht besser gegen die Wellen halten." Er hatte schon als Schüler sich fleißig auf den Spree- und Havelseen umhergetrieben und eine leidliche Sicherheit in der Führung eines Bootes gewonnen; so brachte er denn auch trotz Wind und Wellen das schwanke Fahrzeug glücklich ans andere Ufer. Carvalho und Fritz sprangen sofort ans Land, Peter aber nahm erst das Steuerruder von der Pinne und legte es ins Boot, und zu dem Ruder legte er die beiden Riemen, genau so, wie er sie darin gefunden hatte; nun erst stieg er aus und stieß mit kräftigem Fußstoß das Boot in den See zurück. So, der Sturm mag cs wieder nach drüben treiben, und wenn man's morgen findet, mag man glauben, daß es nur vom Unwetter losgrriffen wurde. „Sind Sie hier bekannt?" fragte Carvalho. „Gewiß. Dies ist Doben, von jetzt an die Sommerresidenz des alten Lampert ha, ha, ha! Eine nette Welt!" Er spuckte ingrimmig aus. „Irgend ein Franzose wünschte ja wohl den letzten Edelmann an den Gedärmen des letzten Pfaffen hängen zu sehen? Ich habe einen besseren Wunsch: erst müssen den Geldprotzen und Profitcanaillen alle ihre Pfandbriefe und Staatsschuldscheine in den Rachen gestopft werden, bis daß sie daran ersticken; eher ist an eine sittliche Gesundung dieser pest kranken Welt nicht zu denken." „Wir wollen uns jetzt nicht aufregen, bester Freund", sagte Carvalho, und er hatte Mühe, die Geringschätzung zu unter drücken, von der er diesem noch immer an Sittlichkeit glaubenden Schwäher gegenüber erfüllt war. „Wir wollen froh sein, daß Alles so glücklich abgelaufen ist. Don heute an sind Sie unser mit Haut und Haar! Durch diese gemeinsam verübte That haben wir gewissermaßen Blutsbrüderschaft getrunken. Morgen komme ich zu Ihnen, um Ihnen die bewilligte Prämie zu zahlen; jetzt trennen wir uns, es ist besser, wenn wir nicht zu Dreien nach Berlin zurückkehren." Peter begriff nicht recht, warum ihm der Andere nicht auf der Stelle die ihm zukommenden tausend Thaler einhändigte; er hätte ihre sofortige Auszahlung verlangen können, sie waren sein ausbedungener Lohn. Aber sonderbarerweise war ihm diese Verzögerung eigentlich ganz erwünscht, so lange er noch nichts von diesem Sündengeld« berührt hatte, so lange durfte er sich noch gewissermaßen für einen rechtschaffenen Menschen halten. So sagt« er denn den beiden Genossen Llebewohl: „Ich halte mich links und suche die Landstraße zu gewinnen. Wo wollen Sic denn dort nach rechts hin?" „Nach der nächsten Bahnstation hinter Giesdorf, wo man uns noch nicht gesehen hat; mit dem ersten Frühzuge dampfen wir von da nach Hause." „Dann auf Wiedersehen!" „Auf frohes Wiedersehen!" grüßte Carvalho, mit Betonung des Beiwortes. Es fängt wieder an zu regnen, Sturm und Nässe werden unsere Fußspuren bis zur Unkenntlichkeit aus tilgen. Adieu!" Und als er Peter den Rücken gewandt hatte und mit Fritz in westlicher Richtung davonging, raunte er diesem spöttisch zu: „Auch er gehört zu jenen Leuten, die — nie alle werden." Peter hatte die Landstraße erreicht und schritt nun eilig derselben Station zu, die er am Abend verlassen hatte. Es war nicht unmöglich, daß er noch zum letzten Nachtzuge zurecht kam. Er griff in seine Brusttasche, um sich zu versichern, ob er das Stemmeisen noch hatte. Gewiß, es war noch vorhanden; aber, Himmel! wo war denn der Brief? Er hatte doch den Brief seines Schusters, der ihn energisch gemahnt hatte, noch am Nach mittage in diese Tasche gesteckt? oder irrte er sich? Hatte er den Mahnbrief zu Hause liegen lassen? Nun, das mußte sich ja bald aufklären; wenn er den Brief auf dem Weg: zum Schlosse oder vielleicht gar am Thatorte verloren hatte, es war vielleicht noch lange nicht so schlimm, als wenn er von jener Erscheinung am Fenster erkannt worden war; wußte Fräulein Ellen, wen sie gesehen hatte, dann war er verloren! Vielleicht ließ sich doch noch nachträglich die Möglichkeit eines Alibibeweises Herstellen; jedenfalls mußte er sich morgen seine dreitausend Mark auszahlen lassen, nm für alle Fälle die Mittel zu einer schleunigen Flucht ins Ausland zu besitzen. Zwölftes Capitel. „Ich freue mich, Claire, daß Du die Sache so ruhig auf faßt", sagte der Freiherr von Brank am Morgen nach dem Einbrüche zu seiner besseren Hälfte. „Na, weißt Du, Kurt, so ruhig bin ich gerade nicht", ver setzte Frau Clara mit zusammengezogenen Brauen, unter denen hervor ihre weitgeöffneten, hübschen blauen Augen nach dem leeren Wandschränkchen einen bestürzten Blick warfen; „aber hin ist hin und durch Klagen und Lamentiren kommt das Ver schwundene nicht wieder." „So denke ich auch, und wenn die Geschichte mir auch ein tüchtiges Loch in meine Casse macht, bankerott werde ich davon nicht werden." Frau Clara ist an den Gatten herangetreten, sie schmiegt zärtlich ihr frisches Gesichtchen an seine Schulter und blickt dabei liebevoll zu ihm auf. „Wenn ich bedenke, daß Du heute Nacht vielleicht in Lebens gefahr geschwebt hast . . ." „Ich? Wieso denn?" „Nun, wenn Du ein Geräusch gehört hättest, so wärest Du sicher aufgestanden und hierher geeilt . . ." „Freilich; ich hätte ober auch eine Schießwaffe mitgenommen und die Lebensgefahr wäre wahrscheinlich auf Seiten des un gebetenen Gastes gewesen." „Wer weiß, ob cs nicht mehrere waren! Ich danke Gott, daß wir nichts gemerkt haben. Aber, Männe, Eines mußt Du mir versprechen." „Was denn, Geliebte?" „Du bestellst noch heute den Tischler und läßt Laden an unsere Fenster machen." „Aber ich bitte Dich, Claire, jetzt, wo wir nun einmal in den Brunnen gefallen sind, sollen wir ihn zudrcken? Und wenn er sich noch zudecken ließe! Fensterladen haben noch nie einen Einbrecher abgehalten. Ich bin ganz allein schuld; hätte ich das Geld dort in den Arnheim gethan, es wäre noch jetzt vorhanden; ich war nur zu faul, den ganzen Hokuspokus bei Oeffnung und Verschluß des diebessicheren Geldspindes wieder durch zumachen; deshalb wählte ich das viel bequemere Wandschränk chen, in dem man nur einfach den Schlüssel umzudrehen hat ..." „Was den Spitzbuben gewiß sehr angenehm war." „Freilich; ich bekenne ja reuig: mos oulps, mos msxims cmlpa! Ein Glück, daß ich mein Wirthschaftsgeld im Arnheim geborgen hatte! — übrigens war es nicht bloße Bequemlichkeit: ein wenig sollte mich auch meine Gicht entschuldigen ... Hu! wie das wieder zwickt und reißt!" Er griff, eine Grimasse schneidend, nach seinem Beine. „So mache Dir's doch bequem, Du Aermster!" bat die Gattin und wandte sich, um ihm einen Sessel heranzurollen. Doch er winkte ihr ab: „Nein, Claire, laß Alles stehen und liegen, so wie es sich befindet! Hier in diesem Zimmer darf nichts angerührt werden, bis die Behörde hier gewesen ist! Ich ziehe mich in die Bibliothek zurück; willst Du mir dort Ge sellschaft leisten, will ich Dir dankbar Deine kleine Patsche küssen." „Ich schicke Dir Ellen, Männe; mich mußt Du noch ent schuldigen, ich habe noch Hausfrauenpflichten." Nach wenigen Minuten saß Ellen bei ihrem Papa, der sich in einem Lehnstuhl der Bücherei ousgestrcckt hatte und dos schmerzhafte Bein auf einem gepolsterten, wiegenähnlichen Gestell, einem sogenannten Faulenzer, ausruhen ließ.
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