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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980715010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898071501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898071501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-07
- Tag 1898-07-15
-
Monat
1898-07
-
Jahr
1898
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Reclamen unter demRedaetionSstrich (-ge spalten) 50^, vor den Familtrnnachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- ve-^eichniß. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. bptra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschtuk för Anzeigen: Abend-AuSaabe: Bormittag» 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 353. Freitag den 15. Juli 1898. 82. Jahrgang. Eine Frage an die preußischen Conservativen. §2 Die sommerliche IabreSzeit kann nicht verhindern, daß den bevorstehenden preußischen Landtagswahlen und damit einer folgenreichen Gestaltung deS Parteiwesens in Preußen immer größere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wir staben — und andere, preußische wie nichtpreußische, Blätter pflichteten uns darin bei — schon auseinandergesetzt, daß bei den nächsten Wahlen die preußischen Conservativen istre Auffassung vom UltramontaniSmus zu bekennen staben und daß ihre Entscheidung auf die Stellungnahme der liberalen Mittelpartei einen Einfluß üben muß, der nicht ver fehlen kann, sich auf dem Gebiete der NeichSpolitik bemerk bar zu machen. Die zunächst berufenen Preßorgane der conservativen Partei schweigen sich über den Punct gerade so auS wie die der Freisinnigen, die von einer ultramontanen Gefahr nichts sehen wollen. Bei den Letzteren ist die Scheu vor einer Mei nungsäußerung begreiflich. Sie fürchten einerseits die Ungnade des mandatspendenden Centrnms, andererseits vermögen sie kaum mehr etwas Anderes inS Auge zu fassen, als den „Junker" und „Agrarier". Für das Stillschweigen der „Cons. Corr." und der „Kreuzztg." giebt eS hingegen keine Erklärung, außer etwa der, daß die leitenden 'conservativen Männer Preußens selber noch nicht wissen, was sie thun sollen und werden. Inzwischen aber reden preußische conservative Blätter, die in weniger engem Contact mit den Führern stehen, dafür aber auch unabhängiger als die Parteiosficiösen sind. Vor allen der viel verbreitete „Reichsbote", der beinahe täglich und auch beute wieder auf die Unvereinbarkeit der ultramontanen Macht ideen mit dem deutschen und preußischen StaatSgedanken nnd dem Grundsätze der Gleichberechtigung der Confessionen hinweist. Freilich, dem „Neichsboten" ist seine Wissenschaft nicht erst seit dem Jahre 1892 angeflogen und trotzdem hat sie in der Aera Zedlitz daS Blatt nicht gehindert, mit Fana tismus sür ein Gesetz einzutreten, das die römische Kirche auf dem Schulgebiete so gut wie souverain macken wollte, für die protestantiscke aber nur einen Papierwerth gehabt hätte. Vielleicht aber hat der „Reicksbote" etwas zugelernt und be griffen, Laß man dem paritätischen Staate und der evangelischen Kirche nichts nützt, wenn man dem Syllabus in einem wichtigsten Puncte Gesetzeskraft verleiht. Jedenfalls scheint ein anderes conservativeS Blatt, die „Deutsche Reichs post", nicht geneigt, noch einmal an einem Werke, daS die Jugend dem Klerus auöliefern würde, mitzuwirken. Sie schreibt nämlich: „Ein Reichstag, nicht schwarz, nicht weiß, nicht Fisch, nicht Fleisch, undeutsch in seiner weitaus größeren Hälfte. Die größte Partei des deutschen Reichstags ist wiederum das Centrum, welches seinen Schwerpunct nicht in Deutschland, sondern in Rom hat, ultra Montes. Eine Partei, deren Führer einst der Gründung des deutschen Reiches entgegengearbeitet haben, eine Partei, die cs nicht verwinden kann, daß es das protestantische Hohenzollernhaus war, welche- den neuen deutschen Kaiscrthron zimmerte und besliegl Undeutsch ist sie, weil sie die größte Thal des deutschen Geistes, die Befreiung deS deutschen Gewissens von einem oberflächlichen, verweltlichten, wälschen Kirchen- wesen, weil sie die Reformation nicht anerkennen will." DaS Zedlitz'sche Schulgesetz bot, wie in Erinnerung ge bracht sei, den Klerikalen die Handhabe, den Geist, den die „Reichspost" anscheinend nicht gepflegt wissen will, in Tausenden von preußischen Volksschulen zum herrschenden zu macken, ohne daß der Staat hindernd hätte ein greifen können. Vielleicht nehmen sich die preußischen Conservativen, ehe sie unter dem dringenden Verdachte, die Windtkorst'schen Schulideale verwirklichen zu wollen, in die Wahlbewegung eintreten, auch zu Herzen, was ein in Paris lebender Deutscher, Otto Röse, in einer „Ein Herbst im Elsaß" betitelten Schrift über die Milkämpfer von 1892 sagt. Der Mann ist mit dem Fortschritte de« DeutschthumS im Elsaß, soweit es auf die Masse der Bevölkerung ankommt, ganz zufrieden. Und „mit den Notablen", die nach seiner Ansicht französisch gesinnt sind, nur weil die deutsche Verwaltung eine uuter der französischen Herrschaft unbekannte Ehrlichkeit und Unparteilichkeit zeigt, meint er, werden wir in absehbarer Zeit schon fertig werden. „Mit dem ultramontanen Klerus aber", so fügt er hinzu „nie". „In ganz Deutschland hat der UltramontanismuS Fortschritte gemacht, furchtbare Fortschritte, die ihn zur ausschlaggebenden Partei erheben. Kein Wunder daher, daß er in Elsaß-Lothringen nicht zurückgeht. Fangen wir nicht bei uns selber an, so bleibt im Reichsland keine Hoffnung auf Urberwindung desjenigen Feindes, welcher der Verdeutschung deS Volkes den hartnäckigsten Widerstand entgegengesetzt. Der Ernst der Lage ist vielleicht noch den wenigsten Deutschen bewußt; er wird übers Jahr schon klarer hervortreten, das nächste Jahrzehnt noch stärker beherrschen. Denn der UltramontanismuS» der im Elsaß einen doppelten Sinn hat — er schielt ja nach Westen und Süden zugleich über die Berge —, wird in Frankreich zu einer zunächst zwar verhüllten, später aber vielleicht zur unver- hüllten Herrschaft gelangen und die Notablenrepublik zu seiner Hochburg machen. Seit anderthalb Jahrzehnten hat er im Dunkeln geschlichen, unhörbar für die blöden Philister, die beim angeblichen Fortschritt unserer Civilisation nicht mehr an das schwarze Gespenst glauben wollen. Jetzt wagt er sich ans Licht und reckt die Hand nach der Herrschaft. Kommt er in Frankreich zu seinem Ziel, jo können wir im Elsaß etwas erleben. Darum heißt eS auf» passen und vorbeugen." Wollen die preußischen Conservativen im führenden deutschen Staate die Fortschritte des UltramontanismuS, deren Folgen hier richtig geschildert werden, sördern Helsen? Die Samoafrage. Seit langen Jahren hat Deutschland den größten Antbeil am Handel und Plantagenbau in Samoa. Es wurde daher auch von der Regierung im Jahre 1880 beantragt, die Schutzherrschaft über Samoa auszuüben, ein Antrag, den der Reichstag jedoch ablehnte. Einige Jahre vorher hatte der amerikanische Consul die ameri kanische Flagge gehißt und die Inseln annectirt, ein Vorgehen, daS jedoch in Washington damals nicht gutgcheißen wurde. Da aber auch England lüstern nack den Inseln blickte, so kamen die drei concurrirenden Mächte überein, daß keinem daS Land gehören sollte, und schlossen einen Vertrag, der ihre Rechte festlegte. Inzwischen hat das Land einen Krieg nach dem andern gesehen. Nachdem am 8. November 1880 Malietva Lupcpa König geworden war, revoltirte der Häuptling Tamasese und gewann viel« Anhänger. Der Bürgerkrieg schädigte natürlich die deutschen Interessen und so wurde 1887 Malietoa gefangen genommen und nach den Marschallinseln ge bracht. ' Tamasese konnte sich aber genügende Autorität nicht verschaffen. Schon 1888 riefen Malietoa'S Anbänger Mataafa zum König aus und dieser schlug Tamasese und bedrängte ihn. Ihn und die deutschen Interessen zu schützen, griff Deutschland ein und schickte Kriegsschiffe nach Apia. E- ist noch in Aller Erinnerung, wie zwei derselben am 16. März 1889 durch einen Orkan zu Grunde gingen. Mataafa wurde gezüchtigt und Malietoa wieder eingesetzt. Mataafa wurde verbannt. In letzter Zeit nun wünschten die Samoaner Mataafa zurück, aber England willigte nicht in die Rückkehr. Mataafa hatte vor seiner Verbannung noch den König Malietoa Lupepa anerkannt, ebenso alle anderen Häuptlinge mit einziger Ausnahme des Bezirks von Atua, wo der junge Tamasese mit etwa 1500 waffenfähigen Männern bei Seite blieb. Das Gesuch um Begnadigung Mataafa'S war nicht nur von der ausgcbreiteten einfluß reichen Verwandtschaft desselben, sondern auch noch von elf anderen Häuptlingen unterzeichnet. Sie alle erklärten, daß seine Rückkehr in die Heimath keine neuen Unruhen Hervor rufen würde. Auch hat sich Mataafa auf den Marsckall- Jvseln so geführt, daß man ihm wohl Vertrauen schenken kann. Nunmehr hat sich England eines Anderen besonnen, und im Londoner Unterhaus erklärte Curzon in voriger Woche, daß außer Deutschland und den Vereinigten Staaten auch England damit einverstanden sei, daß Mataafa nach Samoa zurückkehren könne. Die Aenderung in der Stellung Eng lands zu dieser Frage ist wahrscheinlich auf einen neuerlichen Schritt Deutschlands in der Sache zurückzusühren. Von deutscher Seite wird von jeher ein reger Antheil an den Vorgängen auf Samoa in dem Sinne genommen, daß man dauernde Ruhe und Ordnung auf der Inselgruppe Herstellen und die wirthschaftlicke Entwickelung fördern möchte. Die Engländer und die Nordamerikaner haben die Samoa- Angelegenheiten nur als politische angesehen und demnach behandelt. Die Berichte aus Apia laufen in letzter Zeit aber regel mäßig auf den Hinweis hinaus, daß der Ausbruch eines Aufstandes geradezu unvermeidlich erscheine, wenn nicht Mataafa in feine Heimath zurückkehre und seinen Einfluß auf die Bevölkerung geltend mache. Von Berlin aus wird man wohl darüber in London Vorstellungen gemacht haben. In London wird man nicht die Verantwortlichkeit haben auf sich nehmen wollen, allein Veranlassung zu neuen Kämpfen gegeben zu haben. Auch mögen andere überseeische Fragen, welche Großbritannien mehr in Anspruch nebmen, dazu bei getragen haben, in Bezug auf Samoa seinen Widerstand aufzugeben. Wenn Mr. Curzon sagte, Mataafa'S Rück kehr jollte unter gewissen Bedingungen zugestanden werden, so heißt das: Mataafa muß vorher in bündiger Form erklären, daß er keine Unruhen Hervorrufen, vielmehr zur Unterdrückung solcher beitragen werde. Nach der jetzigen Lage ist anzunehmen, daß Mataafa noch in diesem Jahre nach Samoa zurückkehren werde. Die Regelung der inneren Verhältnisse auf Samoa ist gerade jetzt von besonderer Wichtigkeit, weil vielleicht in naher Zeit wieder internationale Verhandlungen darüber beginnen werden. Die Annexion der Hawaiigruppe durch die Ver einigten Staaten von Nordamerika wird noch in diesem Monat vollzogen. Damit haben die Vereinigten Staaten den ersten Schritt in den Stillen Ocean gemacht; als zweite Etappe ist Samoa bezeichnet worden; selbst der Präsident Mac Kinley bat vor einem Jahre er klärt, daß die Union dort keinem fremden Staate etwas von seinen Rechten preisgeben wolle. Ferner hat der neue Unions- consul Osborn in Apia den Auftrag erhalten, die amerika nischen Interessen in Apia zur vollsten Geltung zu bringen. Jedem Unparteiischen würde eS wohl schwer werden, amerika nische Interessen von Belang auf Samoa nachzuweise»; trotz dem hat der frühere Oberrichter Ide in einer ausführlichen Denkschrift „Our iutorest in Lamoa" diese „Interessen" zu sammengestellt. Diese Ausführungen, die sich hauptsächlich auf politischem Gebiete bewegen, werden wohl die Grundlage sür das weitere Vorgehen der Union bilden. Deutsches Reich. Verlitt, 14. Juli. In industriellen Kreisen scheinen die Berichte der preußischen Gewerbeaufsichlsbeamten über die Einführung des sanitären MaximalarbeitStages lebhafte Beunruhigung bervorgerusen zu haben. Dazu liegt aber, wenn man die Berickte prüft, kaum Anlaß vor. Es bandelt sick zumeist nur um Gulackten einzelner Beamten, deren Ansichten über dieselben Betriebe sebr weit aus einander gehen. Und zwar darum, wie die Berichte selbst fagen, weil die locale» Verhältnisse, die Einrichtung derFabriken, die sanitaire Handhabung der Betriebe, das Lebensalter der Arbeiter, günstige Lohnverhältnisse, gute Ernährung und ge sund« Wohnung weit wichtigere Rollen bei Beurtheilung des Gesundheitszustandes der Arbeiter spielen, als übermäßig lange Dauer der Arbeitszeit. Es handelt sich also um weiter nichts, als uni je nach der Berichterstattung mehr oder minder werthvolles Material, das zu den Acten genommen wird, der Oeffentlichkeit aber aus den angeführten Gründen nicht vorenthalten zu werden braucht, zumal es sich um Er wägungen lediglich über sanitäre Maßnahmen bandelte und nicht um Vorschläge, die der socialdemokratischen Agitation auf Einführung einer „Normalarbeitszeit" irgend wie entgegen kommen. Hierfür ein Beispiel, das auch in der Erörterung über diese Frage angezogen wird. Für Gummi fabriken, die mit Schwefelkohlenstoff arbeiten, wird eine 2- bis 1'/» stündige Arbeitszeit beantragt, so der Bericht für Potsdam und für Berlin-Charlottenburg. Der Potsdamer Bericht aber schreibt auch: „Eine in Neu-Weißcnsee bei Berlin neuerbaute, mit allen Schutz maßregeln versehene Gummifabrik hat sür Vutkantsirarbeit bereits einmal zweistündige tägliche Maximalarbeitszeit sür Männer und Inständige für Frauen und Mädchen auf Grund diesseitiger Polizei, licher Vorschrift eingcsührt. Die tägliche effective Arbeits. zeit dauert hier 10 Stunden. Die übrige Arbeitszeit vertheilt sich auf ungefährliche Beschäftigungen, vorwiegend in Accord, »nd regelt sich zu vollster Zufriedenheit beider Parteien. Die übrigen Gummifabriken verfahre» in ähnlicher Weise." Und der Bericht für Berlin-Charlottenburg constatirt, daß in diesem Bezirke bereits auf Anordnung des Polizeipräsidiums der vorgeschlagene sanitäre Maximalarbeitskag von 2 Sttinden sür Arbeiter und N/z Stunden für Arbeiterinnen besteht, nämlich für die Beschäftigung in den Vulcanisir- und Trockeii- räumen, wo die Arbeiter durch Einathmen giftigen Kohlen stoffes gefährdet sind. „In der übrigen Zeil bis zu zehn Stunden täglich werden die Arbeiter mit anderen Arbeiten betraut; das macht in den hiesigen Anlagen keinerlei Schwie rigkeiten. Die Maßregel bat guten Erfolg gehabt." Für die Forderungen stürmischer Socialpolitiker ergeben auf diesem Gebiet die Berichte somit im Gegentheil die Mahnung, daß mit vorschnellem Gcneralisiren nichts gethan ist und wie sorgfältig im Einzelne» die gewerblichen Verhältnisse erwogen und auseinander gehalten werden müssen, ehe man die Gesetz gebung eintreten läßt. * Berlin, 14. Juli. Ein dem Fürsten MeschtsckerSki be freundeter russischer Cavallerieofficier, von einer Studienreise aus Frankreich, Deutschland und Oesterreich zurückgekehrt, liefert dem bekannten russische» Publiciste» interessanten Stoff zu einem Artikel, in welchem die Be wunderung der deutschen Lanze einen Hauptbestand- tbeil bildet. Der russische Cavallerieofficier hat, wie wir dem „Berliner Tageblatt" entnehmen, in den drei genannten Staaten eine Menge Reiterregimenter besucht, ihren Uebungeu beigewohnt und sich mit dem Dienst in der Manege wie im Felde genau bekannt gemacht. Unter Anderem hielt er sich in der berühmten Schule zu Saumur in Frankreich und in der Cavallerieschule zu Hannover auf, nahm Pferdedepots und Gestüte in Augenschein und bebt unter den letzteren ganz besonders das zu Trakebnen hervor. Seine Be obachtungen in Deutschland scheinen ihm über Alles zu geben, denn er spricht nur von diesen. Vor allen Dingen frappirt ihn in Deutschland die Menge und Verschiedenartig keit der Beschäftigung in der Cavallerie. Die Officiere ver bringen ganze Tage in den Casernen, indem sie sich mit den Soldaten beschäftigen. Besonders intensiv sind die Be schäftigungen in den Managen zur Winterzeit, wo für den Sommer geübt wird. Deshalb soll auch demnächst die Zahl der Manögen eines jeden Regiments bedeutend vermehrt werden. Gegenwärtig kommen auf jedes Regiment drei Ma nage», künftig soll jede EScadron ihre eigene Maunze erhalten, damit nichts den erfolgreichen Fortgang der Hebungen störe. Von der Bewaffnung der deutschen Cavallerie kommt der russische Osficier sodann auf die sehr interessante Frage der Lanzen zu sprechen. Olm« dabei gewesen zu sein, sagt er, kann mau sich keine Vorstellung davon machen, bis zu welcher Voll kommenheit und Jougleurgewandtheit die Lanzeuübungen in FrniHets«» Coloniale Krankheitsgefahren. von vr. weck. Georg Kor« (Bonn). Nachdruck «erröten. Die Gefahren, die die Gesundheit der heutigen Culturvölker bedrohen, sind zwar einerseits durch die ausgedehnten hygieni schen Wohlfahrtseinrichtungen erheblich vermindert worden, an dererseits aber entstehen durch die ganze Entwickelung der moder nen Verhältnisse stets neue Fährlichkeiten für die Gesundheit de» Volkes und bereits vorhandene werden vergrößert. Die An häufung von Volksmassen in großen Städten und der rasche Auf schwung gewerblicher Thätigkeit hat die Frage der Einrichtung der menschlichen Wohnungen^ insbesondere auch für die minder bemittelten Classen, der Wasserversorgung, der Beseitigung der Abfallstoffe in den Vordergrund der Discuffion gestellt. Die fortschreitende Lrkenntniß unserer Nahrungs- und Genußmittel leistet indirekt der Auffindung von Surrogaten Vorschub, birgt aber auch die Gefahr in sich, daß häufig minderwertiger Ersatz geboten wird. Die schnelle Entwickelung de» Berkehr-wefen« er leichtert den Transport von Personen und Sachen, gleichzeitig aber die Verschleppung von KrankheitSkeimen, und di« bisherigen lästigen Maßregeln kür eine Einschränkung de» Verkehrs er weisen sich al« trügerisch und undurchführbar. So liegt e« denn nahe, auch unsere Colonialpolitik, die uns in dauernde Beziehungen mit den verschiedensten exotischen Ländern gebracht hat, einmal von dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob sie nicht durch Einschleppung fremder, gefährlicher Krankheiten, die dort heimisch sind, der Volksgesundheit Gefahr bringen kann. Daß bi» dahin bei un» unbekannte Seuchen aus fremden Ländern kommen und verheerend wirken können, dafür ist z. v. die Cholera ein klassische» veffpiel, die bekanntlich aus ihrer indischen Heimath zum ersten Male um 1830 langsam über Rußland dahergezogen kam und seitdem Europa von Zeit »u Zeit durch ihr Auftauchen erschreckt. Die Möglichkeit, daß auch andere Epidemien, wie z. B. das gelbe Fieber, gelegentlich bei uns eingeschleppt werden können, ist nicht abzuleugnen, und der verstorbene Professor August Hirsch in Berlin, der beste Kenner der geographischen Pathologie, pflegte auf sie in seinen Vorlesungen hinzuweisen. Daß diese Möglichkeit aber doch sehr wenig wahrscheinlich ist, daS beweist unS da» Beispiel von England mit seinen zahlreichen Colonien in allen Erdgegenden, mit denen es seit Jahrhunderten in regstem Wcchselvertehr steht, ohne daß sich nrnnenswerthe Einschleppungen von tropischen oder exotischen Krankheiten in das Mutterland ergeben hätten. Es kommen eben bei det Ver breitung dieser Krankheiten die örtlichen Bedingungen, Boden beschaffenheit, Klima, Ernährung, Sitten und Unsitten der Be völkerung, Wohnung, Mangel an hygienischen Maßnahmen u. s. w. in Betracht? Wie wichtig z. B. die lrtzeteren werden können, zeigt die ganz erstaunlich« Abnahme der Todesfälle bei den holländischen Lolo- nialtruppen, seit dort nach wissenschaftlich geprüften Grundsätzen vorbeugende hygienische Reformen durchgeführt sind, oie Wohnung, Ernährung, Kleidung, Trinkwasser u. s. w. betreffen. Aehnliche Fortschritte hat man in den englischen Colonien erzielt; daß unsere jungen deutschen Schutzgebiete mindesten die gleiche hygienische Fürsorge genießen, dafür bürgt der gute Ruf unserer hygienischen Wissenschaft, die al» die vorgeschrittenste der Welt bezeichnet werden darf und in unseren Militair- und Marine ärzten verständnißvolle Jünger findet. Die trefflich eingerich teten und auSaestatteten Tropenkrankenhäuser in unseren Colo nien sind in Modellen von Hunderttausenden auf den großen Ausstellungen in Berlin und Leipzig besichtigt worden; in ihren fand man auch weitere Aufklärung über die hygienischen Vorkeh rungen und Einrichtungen sür unsere Landsleute in den Colonien. Wenn wir unsere einzelnen Schutzgebiete prüfen wollen, so können wir gleich mit unserer jüngsten Errungenschaft, Shan- tung in China, beginnen, da» wir formell allerdings nur für 99 Jahre „gepachtet* haben. China selbst ist in gesundheitlicher Be ziehung Übel berüchtigt, soweit die spärlichen Nachrichten über ein so ungeheures Reich ein Urtheil zulaffen. Auch für unsere Marine ist di« ostasiatischr Station reich an Patienten. Nach den medicinischen Berichten sind in China Skrophulose im Kindesalter, Syphilis in den Entwickelungsjahren und später Magen- und Darmleidcn mit allen Folge- und Nebenerschei nungen in den reiferen Lebensjahren ganz allgemein, und be fallen, wie die Malaria, in manchen Gegenden fast alle Jndi- vivuen. Ruhr und Cholera verursachen zur Sommerszeit furcht bare Epidemien. Die Pocken fordern von Zeit zu Zeit Tau sende von Opfern, obgleich eine, allerdings unvollkommene chine sische Methode der Impfung viel älter ist als in Europa. Schwindsucht, Augeaentzündungen, Hautkrankheiten sind ganz allgemein, auch die Lepra ist nicht selten. China steht ferner nicht ohne Grund in dem Verdacht, endemische Pestbezirke zu bergen. Als selten gelten Masern und Scharlach. Die Dergue, eine bösartige, rheumatisch - fieberhafte Krankheit, und die schwere Nervenkrankheit Beri-Beri oder Kak-Ku, wie die Japaner sie nennen, haben thatsachlich, obwohl sonst in Ostasien häufig, chinesische Küstenplätzr nur selten heimgesucht. Eine besondere Specialität bilden in China die Leiden der Opiumraucher. So wenig erbaulich diese Mittheilungen klingen, so liegt doch für Sbantung die Sache wesentlich günstiger. Gerade mit Rück sicht auf sein gesundes, mäßiges Klima ist e« ausgesucht worven, somit fallen von selbst alle jene Krankheiten, die in d-m ironischen China ihren Sitz haben, fort. Ferner aber ist nicht zu verkennen, daß vielfach die eingewurzelte Unreinlichkeit, die Unsitten und die schlechte Sanitätspolizei bei den gelbyäutigen B wohnern des Reiche» der Mitte Krankheiten züchten, die unter der deutschen Verwaltung von selbst verschwinden werden. Ungesunder als in Shantung ist in den meisten unserer afrikanischen Colonien do» Klima; nur Südwestofrika liegt in gemäßigterer Zone und macht »ine rühmliche Ausnahme. Die übrigen müssen den tropischen Krankheiten ihren Zoll bezahlen, der in einer hohen Sterblichkeit der eingewanderten Europäer besteht. Besonders trägt hierzu die Blutarmuth bei, der dort der Europäer sehr bald verfallt, ferner die zahlreichen, gefährlichen Leberkrankhriten, die häufig mit der Blutarmuth zusammen vor kommen, vor Allem aber die Malaria, die oft in bösartigster Form auftritt. Sehr schlimm ist namentlich das Schwarz wasserfieber in Westafrita, das auch dem Chinin nicht weichen will. Auch schwere Ruhrepidemien fordern zahlreiche Opfer, ferner sind Hautkrankheiten häufig. Geeignete Kleidung, Nah rung, Hautpflege, Wohnung auf felsigem oder hochgelegenem Bauplatz, Vermeidung schwerer körperlicher Arbeit und anoere Maßnahmen der Tropenhygiene müssen hier eingreifen, ohne jedoch eine völlige Acclimatisation herbeiführen zu können. Aebnlich liegen die Verhältnisse auf unseren australischen Schutz gebieten in Neu-Guinea. So sehr diese Leiden jedoch unseren Landsleuten in den Colonien selbst das Leben verleiden, so wenig sind sie für das Mutterland gefährlich. Schon in den Schutzgebieten giebt es fast übrall gesunde Gebirgsgegenden im Innern, die als Sana torien dienen können; für Deutschland aber ist eine Gefahr der Uebertrogung tropischer Krankheiten durch unser Klima von selbst ausgeschlossen; die leichten Wechselsieber-Arten, die auch bei uns in Sumpfgegenden auftreten, haben mit der schweren tropischen Malaria keinen Zusammenhang. Gefährliche epidemische Krank heiten haben »nS unsere Colonien glücklicher Weise nicht zu übermitteln. Die Colonisten freilich müssen die Angriffe auf ihre Gesundheit mit in den Kauf nehmen, aber dank den Fort schritten der Tropenhygiene werden diese mehr und mehr von ihren Schrecken verlieren. Das gelbe Fieber ist glücklicher Weise in unseren Colonien nicht vertreten, sondern nur in Amerika heimisch. Gerade dieses aber ist öfter von Amerika nach Europa verschleppt, namentlich nach Spanien und Portugal; so forderte in Lissabon 1867—68 eine Epidemie bei 19 000 Erkrankungen nahezu 7000 Todte, und noch vor wenigen Jahren wurde durch Truppen, die aus Cuba zurllckkehrten, eine Fieberepidemie in Madrid hervorgerufen, bei der in einem Monat 100 Erkrankungen mit 80 Todesfällen vor kamen. Auch die vielen schweren Hautleiden, deren Bezeichnun gen die verschiedensten geographischen Namen der Tropen in dec Medicin heimisch machen, sind in unseren Colonien nicht stark hervorgetreten. Wir dürfen uns somit ruhig unserer Errungen schaften in feriten Zonen erfreuen, ohne daß un» diese Freude durch unheimliche Vorstellungen von Seuchengefahren ge trübt wird.
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