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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980616029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898061602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898061602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-06
- Tag 1898-06-16
-
Monat
1898-06
-
Jahr
1898
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4604 Vier, die Resseguier mitten . Drei, welche Len Strick bei den Beinen ausgchängt die den Strick dazu liefern DaS französische Ministerium Möline, Manche für „unsterblich Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 15. Juni. Ende dieser Woche, entweder am 17. oder 18., reist der Kaiser nach Kiel und tritt am 27. oder 28. nach Beendigung der Kieler Woche seine Nordlandreise an. Sie wird etwa 4 Wochen dauern, so daß der Kaiser in den ersten Tagen des August wieder nach Potsdam resp. Berlin zurückgekehrl sein dürfte. Die Nordlandreise wird sich im Großen und Ganzen in demselben Rahmen vollziehen, wie die vorjährige; es sind nur geringe Abänderungen in dem früheren Programm von dem Prof. Güßfeldt vorgeschlagen und vom Kaiser genehmigt worden. Tic Kaiserin begleitet ihren Gemahl auf der Nordlandreise nicht. — Die Conferenzen, welche der Kaiser in den letzten Tagen mit den StaalSsecretairen v. Bülow und Tirpitz gehabt hat, sind sehr auSgedehnlerNatur gewesen und haben sich milden Vor gängen auf den Philippinen beschäftigt; die Entsendung deS Admirals v. Diederichs mit dem schnellsten Kreuzer II. Classe „Kaiserin Augusta" nach Manila und die Nach sendung des Kreuzers I. Elaste „Kaiser" ist auf directe An ¬ machte noch einen letzten Versuch, die Spitze jenes Beschlusses abzubrechen, indem er vor der Abstimmung über die gesammte Tagesordnung einschließlich des Ricard'schen Zusatzes sich mit ihr einverstanden er klärte, allein dieser Kniff vermochte den Eindruck, daß das Eabinet keine Mehrheit hinter sich habe, ebenso wenig zu verwischen, wie die von Möline durchgesetzte Ab lehnung eines Antrages Dulau, nach welchem die iocialistische Partei in die „ausschließlich republikanische Mehrheit" einzu beziehen sei, mit 492 gegen 32 Stimmen. Es könnte auf fallend erscheinen, daß Mölme die ihm doch sehr günstige Tagesordnung Trouillot: „Tie Kammer heißt die seit zwei Jahren befolgte Politik gut", nicht acceptirte, Loch war er von vornherein gewiß, daß das Eabinet über ein so pures Vertrauensvotum stürzen würde, wie denn auch die Tagesordnung Trouillot's mit 23 Stimmen Mehrheit abgelehnt wurde. Mvline mußte die mehr ver- klansulirte, auf die Eoncenlralion abzielende Tagesordnung RiboffS wählen, weil mit seiner stark nach rechts rendirenden Politik eigentlich Niemand mehr einverstanden war und der bekannte Zug nach links in der Kammer sich immer mehr bemerkbar macht. Das tritt auch in den Verhandlungen über den Nachfolger Möline'S klar zu Tage. Loubet und Desckanel ballen gestern eine Besprechung mit dem Präsidenten Faure. Sie scheinen, so wird uns berichtet, dem zuzustimmcu, daß es rathsam sein dürfte, ein Eabinet der Versöhnung und Beschwichtigung zu bilden, welches gestatten würde, 40 Stimmen zu gewinnen, um sich eine Majorität in der repu blikanischen Mehrheit mit Ausschluß der Rechten zu sichern. Als neue Männer werden Charles Dupuy und Ribot genannt, in erster Linie der Letztere, ver ewige Minister zur Disposition. Er wird mit seinem Ministerium ein wenig weiter nach links rücken und wieder eine Probe von ver Mischmaschpolitik geben, die er stets getrieben hat. Nicht für lange werden seine Anstrengungen «fruchten; bald wird man auch ibn, daS liegt in der Natur I der Sache, bei Seite schieben, um wahrscheinlich noch etwas ! weiter nach links zu greifen. Dupuy's Wahl würde jetzt gleich l einen kräftigen Ruck nach links bedeuten, doch dürfte die Kammer I sich für eine Politik Les allmählichen UebergangeS entscheiden. das hielten, weil es schon zwei Jahre gelebt, was noch keines vor ihm gekonnt, und weil eS von der Gloriole der franco-russischen Bündniß- politik umstrahlt war — hatte es doch Toulon und Kronstadt gesehen und hatte der Zar doch mit ordnuug des Kaiser- erfolgt. E» ist zwar eine etwa- bunt zusammengesetzte Division, di« aus der Rhede vor Manila die deutsche Flagge zeigt, aber es ist eine achtunggebietende Macht und das ist in diesem kritischen Zeitpunkte die Haupt sache. — Die Verleihung deS schwarzen AdlerordenS an den commandirenden Admiral v. Kuorr darf als eine besondere Auszeichnung für die Marine ausgesaßt werden; eS heißt, daß dem verdienten Admiral ein besonders gnädiges Hand schreiben des Kaisers zugegangen sei. * Berlin, 15. Juni. Der BundeSrath hat in seiner letzten Sitzung auch dem vom Reichstag angenommenen Saccdaringesetz seine Zustimmung ertheilt. ES führt die Bezeichnung „Gesetz, betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen" und enthält folgende Bestimmungen: Künstliche Süßstoffe im Sinn dieses Gesetzes sind alle aus künst lichem Wege gewonnenen Stoffe, welche als Süßmittel dienen können, eine höhere Süßkraft als rasfinirter Rohr- oder Rüben zucker, aber nicht entsprechenden Nährwerth besitzen. Die Ver wendung solcher künstlichen Süßstoffe bei der gewerbsmäßigen Herstellung von Nahrungs- und Gcnußmitteln ist als Ver- äljchung im Sinne des 8 10 deS Gesetzes über den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln anzusehen. Die unter Ver- Wendung von künstlichen Süßstoffen hergestrllten Nahrungs- und Genußmittel dürfen nur unter einer diese Verwendung kennbar machenden Bezeichnung verkauft oder seilgeboten werden. Es ist verbolen: 1) künstliche Süßstoffe bei der Herstellung von Bier-, Wein oder weinähntichen Getränken, von Fruchtsästen, Conserven und Likören, sowie von küustlich erzeugten Zucker- oder Stärke- hrupen zu verwenden; 2) die unter 1 genannten Stoffe, welchen künstliche Süßstoffe zugesetzt sind, zu verkaufen oder feilzuhalten. Zuwiderhandlungen unterliegen der im 8 l0 oder, soweit die vor stehend unter Ziffer 2 bezeichnete Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden ist, der im 8 II des Gesetzes vom 14. Mai 1879 vocgeichriebenen Strafe. Nachdem der BundeSrath diesem Gesetz einstimmig seine Genehmigung ertheilt bat, wird er weiterhin von der Ermächtigung des Reichstags Gebrauch zu machen baben, die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Ausführungs bestimmungen zu treffen. * Berlin, 15. Juni. Die letzte Organisationsänderung im Reichs-Marineamt, nach welcher das bisherige EtatS- decernat von dem Verwaltungsdepartement des Reichs- Marineamts abgetrennt und zu einer dem Staalssecretair direct unterstellten Etatsabtheilung ausgestaltet wurde, bat sich bereits während der jetzt erfolgten Vorarbeiten für die Aufstellung des nächstjährigen Etats der Marine verwaltung «IS überaus zweckmäßig erwiesen. Dies bezieht sich sowohl auf die Prüfung der einzelnen für den neuen Etat angemeldeten Forderungen aus den verschiedenen Decernale« der Verwaltung, als auch vor Allem auf die gesammte Bewirthschaftung desselben. Die von verschiedenen Blättern bereits während der letzten Wochen veröffentlichten Meldungen über einzelne im neuen Marineetat enthaltene Forderungen erscheinen, wie der „Hamb. Corr." ausfübrt, heute noch gegenstandslos, da es sich z. Z. erst um die Zu sammenstellung des EtatSvoranschlages handelt, von dem es sich heute nock keineswegs behaupten läßt, daß er in dieser Form auch an den neuen Reichstag gelangen werde, da er noch die Nachprüfung deS Reichsschatzamts und die Bewilli gung des Bundesratbes zu bestehen haben wird. „Ueber- raschungen" sind übrigens schon deshalb ausgeschlossen, weil ja in der Hauptsache die Forderungen der einzelnen Titel jetzt durch das Flottengesetz für die nächsten Jahre festgelegt worden sind. — Bei Gelegenheit der Reise nach Jerusalem be absichtigt der Kaiser, wie aus Konstantinopel berichtet wird, das rumänische KönigSpaar in Sinaja zu besuchen. — Die wiederholten Meldungen, daß der dritte Sohn Les KaiserpaareS, Prinz Adalbert, noch in diesem Monat einen Cursus aus dem Schulschiffe „Sophie" durchwachen werde, können nach Erkundigungen der „Schles. Ztg." an zu ständiger Stelle als vollständig unrichtig bezeichnet werden, da es der Befehl des Kaisers ist, daß der Unterricht, den der Prinz erhält, durch nichts Anderes als eine Erholung in den Ferien unterbrochen werden soll. Am 1. September siedelt der Prinz mit dem Garuisonpfarrer GoenS, der ihm den Religionsunterricht ertheilt, nach Plön über, wo der Pfarrer dann an Stelle des Generalsuperintendenten Dryander auch die Seelsorge der beiden ältesten kaiserlichen Söhne übernimmt. — Die vereinigten Ausschüsse deS BundeSraths für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen, die ver einigten Ausschüsse sür Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, sowie die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Elsaß - Lothringen hielten heute Sitzungen. — Dem neuen Reichstage soll, wie mitgetheilt, eine Revisionsvorlage über das Jnvaliditäts- und Alters versicherungsgesetz zugehen. Es handelt sich, den „Münch. N. N." zufolge, vor Allem darum, eine Decentrali- sation der Verwaltung herbeizuführen. — Wie wir hören, wird behufs weiterer Verminderung des Schreibwerks bei der Bescheinigung von Quittungen über die aus der Reichscasse gezahlten Pensionen, Wartegelder, Pensionszuschüssc, Wittwen- und Waisengelder, Unterstützungen und Erziehung-beihilfen in Zukunft der Ver merk, daß der Aussteller der Bescheinigung zu dem Aussteller der Quittung und, falls dieser eine andere Person als der Bezugsberechtigte ist, auch zu dem Bezugsberechtigten in einem verwandtschaftlichen Verhältnisse steht, in Wegfall ommen. Maßgebend für diese Neuerung ist der GesichtS- runct, daß eS sich hierbei um eine einfache amtliche Bestätigung )er Thatsacken bandelt, auf Grund deren die QuittungSauS- teller zum Empfang ihrer Bezüge berechtigt sind, so daß der »iShcr auch auf schriftliche Zeugnisse öffentlicher Beamten au- gewendete Grundsatz, wonach Personen, welche in Angelegen heiten ihrer Verwandten Zeugniß ablegen, eine geringere Glaubwürdigkeit beigemessen zu werden pflegte, im gegebenen Falle unberücksichtigt bleiben kann. — Wie daS „Kl. Journ." vernimmt, beabsichtigt der rühere Ebes LeS Ingenieur- und Pionier-Corps, General Bogel von Falcken stein, bei den nächsten Abgeordneten wahlen sich im Kreise Sorau, wo er das Rittergut Dölzig besitzt, oder in einem benachbarten märkischen Kreise als Candidat der conservaliven Partei um ein Mandat zu bewerben — Der vortragende Rath im CultuSministerium, Geheime Negierungsrath Or. Meinertz, bezieht sich, der „Kreuz zeitung" zufolge, im Laufe dieser Woche nach Konstanti nopel, um der ersten Reifeprüfung an der dortigen Real schule der deutschen und schweizer Schulgemeinde beizuwohnen. — DaS Heer der arbeitslosen Bäckergesellen in Berlin vergrößert sich immer mehr. Wie in einer gestern abgehaltenen Versammlung der Bäckermeister vom Sprech meister (Arbeitsvermittlung) mitgetheilt wurde, sind gegen wärtig in Berlin mehr als 2000 Bäckergesellen arbeitslos. Die arbeitslosen Gesellen füllen die privaten und JnnungS- Arbeitsnachweisebureaux, oftmals, wenn zwei Stellen aus gegeben werden sollen, sind 70 bis 80 Bewerber da. Ans diese Weise ist der in Aussicht stehende Bäckergesellen streik als aussichtslos zu betrachten. — Der kaiserliche Botschafter in Konstantinopel, Staatsminister Freiherr Marschall von Bieberstein hat seinen Urlaub an- getreten. Während der Abwesenheit desselben fungirt der Erste Secretair der kaiserlichen Botschaft, Legationsrath von Schloezer als Geschäftsträger. * Hamburg, 15. Juni. (Telegramm.) Die Bürger schaft beschloß, den Senat zu ersuchen, durch den hanseatischen Bevollmächtigten nachstehenden Antrag bei dem Bundes rath einbringeu zu lasten: Der Bundcsrathsbeschluß vom 17. Februar 1898, betreffend die Einfuhr lebenden Schlachtviehs aus Dänemark ist in folgender Weise abzuändern: „Alles aus dem Auslande einzuführende Schlacht vieh ist am Einfuhrplatze in öffentlichen Schlachthäusern zu schlachten und das Fleisch daselbst nach den bestehenden Be stimmungen der Fleischschau zu unterziehen." Von einem Anträge bezüglich der Tuberkulinimpfung wurde abgesehen. A Kiel, 15. Juni. In Folge des besonders in den Sommermonaten starken Verkehrs auf dem Kieler Hafen ist dort für die Kriegsschiffe durch das StationScommando daS Torpedo schi eßen nach geschleppter Scheibe innerhalb der Linie Friedrichsort-Korügen gänzlich untersagt worden. Nach fest verankerter Scheibe dürfen innerhalb dieser Linie nur die Torpedoboote des Versuchscommandos und aus nahmsweise solcke Schiffe schießen, die neu eingebaute Torpedo rohre oder Versuchsrohre zu erproben haben. Sonst werden nur an den Tagen, an denen das Abhalten der Schießübungen der Matrosenartillcrie mit Küstengeschützen die äußere Föhrde für Torpedoschießübungen sperrt, einzelne Schiffe auf besonderen Antrag die Erlaubniß zum Abhalten letzterer Uebungen, jedoch nur nach fester Scheibe im inneren Theil deS Hafens, erhalten. — Während der am 24. Juni beginnenden Zeit der Segel- Regatten auf dem Kieler Hasen, dec Kieler Woche, liegen auf Wunsch deS Kaisers fast fämmtliche, in den heimischen Gewässern befindlichen deutschen Kriegsschiffe vor Kiel in einem der landschaftlich schönsten Häfen der Welt, und keine Gelegenheit wäre günstiger, der vaterländischen Marine näher zu trete», als sie ein Besuch Kiels zu jener Zeit bietet. * Minden, 15. Juni. Der Provinzial-Ausschuß der Centrumspartei Westfalens erläßt eine Bekanntmachung an die Wähler in Minden-Lübbecke, nicht für den frei sinnigen Candidaten Architekten Demmig-Hannover zu stimmen, da er die geforderte Erklärung betreffs Eintretens für die Aufhebung des Jesuitenzesetzes nicht abgegeben hat. Die Wähler werden aufgeforderl, für den Zählcandidaten I)r. Lieber zu stimmen, oder sich jeder Wahl zu enthalten Zu bemerken ist, daß eine Stichwahl höchst wahrscheinlich ist. * Osnabrück, 15. Juni. Aus Osnabrück wird der „Köln. Volkszeitung" geschrieben: „Eine wahre Fluth von Arbeits vermittlern ist mit der Betriebs-Einstellung am PieSberge über unsere Gegend hereingebrochen, um Leute nach Westfalen, Rheinland, Schlesien, dem Harz u. s. w. anzuwerben. Bei den ungünstigen Lohn-Verhältnissen der hiesigen Gegend finden dieselben Arbeitswillige in Menge. Nicht nur die Ausständigen, sondern auch ein großer Theil der „Getreuen", die daS Werk noch weiter beschäf tigen wollte, sind gern bereit, ihre Bündel zu schnüren, um außerhalb bessere Arbeits-Verhältnisse zu suchen, so daß ein satton uvsertr konsularischen Vertretung in Brasilien nicht»Mölme Wie mit seine» Gleichen verkehrt — da lange mehr aus sich warten lasten werde. I Eabinet der „Beruhigung" ist nun doch in sehr bewegter . ... : — I Kammersitzung am Dienstag gestürzt und hat gestern seine Die Wahrheit über die sortaldemokrattsche Arbeiter-1 Entlassung gegeben, die der Präsident der Republik an- glashütte von Albt enthüllt Zustände, mit denen da-1 genommen Hal. Formell war allerdings der Sieg auf von den französischen U m st u r z m ä u n e r n und ihren I Seite Mölme'«; denn au- dem Wirrwar der sich wider- deutschen College» vom „Vorwärts" ihrem Publicum vor-1 sprechenden Abstimmungen geht hervor, daß die Kammer geführte gefälschte Bild im schreiendsten Widerspruche I eine Tagesordnung annahm, welche die allgemeine Politik sich befindet. Nachdem nock ganz kürzlich ein französisches I ver Regierung guthieß, aber die Modalitäten, unter denen dies Socialistenorgan, hierin Ein Herz und Eine Seele mit I Resultat erzielt wurde, sahen einem Mißtrauensvotum für daS dem bei den letzten Kammerwahlen bekanntlich glänzend I Eabinet doch verzweifelt ähnlich. Die von dem Eonseilpräsidenten durchgefallenrn Großprabler Genosten JauröS, versichert i genehmigte Tagesordnung lautete: „Die Kammer billigt die batte, daß die ÄrbeiterglaShütte sich in großartigem I Erklärungen der Regierung und ist entschlossen, auf der Grund» Aufschwünge befinde, macht gegenwärtig ein Bericht von I läge der republikanischen Einigung eine Politik demokratischer Maurice Talmeyr, welch Letzterer eigens nach Albi! Reformen zu betreiben." Die Absicht deS zweiten Theiles gereist ist, um sich persönlich von der dortigen Sachlage I diescrTageSordnunggingdahin,dieschonaußerhalb derKammer zu überzeugen, die Runde durch die nichtsocialistische Tagesprefse I betriebene Eoncentralion der republikanischen Parteien einzu- FrankreichS. Dieser Bericht enthüllt geradezu haarsträubende I leiten. Daß er der Stimmung der Mehrheit entsprach, ging Zustände. ES heißt darin u. A.: I aus seiner Annahme mit 527 gegen 5 Stimmen hervor, wobei „Ich habe in meinem Leben kein herzzerreißenderes, kein fver-! die Rechte sich der Abstimmung enthielt. Soweit war Alles zweiflungsvolleres Bild des Elends gesehen. Die unglücklichen gut, da kam der Zusatzantrag des Radikalen Ricard, welcher Glasarbeiter hatten geträumt, sie würden Eigenthümer ihrer Fabrik I Verlangte, daß die Politik der Regierung sich auf eine sein, aus einer Stätte arbeiten, di- ihnen zngehörte, mit Werkzeugen, ? ? « 1 ckl. eß l. ch rep u b l, a n , sch - Mehrheit stutzen , I solle. Diesen Zu atz lehnte Meline ab, da er m dem elben L.e ff- ihr eigen nennen wurden, und sie erwachten ans 'hrem ^„^avel gegfn se,n bisheriges Pacliren mit der monarchischen Traume nn Reiche eines Arbeitgebers, der noch viel hart. Achten erblickte und durch die Annahme desselben sich di herziger als alle anderen ist. Nicht ein Nagel, nicht «in Möglichkeit genommen gesehen hätte,den Faden dieser Politik sür Ziegelstein gehört ihnen, sie dürfen sich keine Bemerkung, I denFall wieder aufzunehmen, daß diePolilik der republikanischen keine Meinungsäußerung erlauben, wohl aber können I Eoncentration, wie so oft, versagte. Trotz des Widerspruchs sie stündlich davongejagt werden, ohne auch nur nach dem I Melme'S nahm die Kammer den Zusatzanlrag Ricard mit „Warum?" fragen zu dürfen. Dabei gewährte man ihnen nur I großer Mehrheit an. Damit war über Meline und halbe Arbeitstage, man zog ihnen 20 Proc. vom Arbeitslohn l s^??^.^^^^cruugSsystem der Stab ^brocken.^Mölme ab, um davon die Schulden des Etablissements zu tilgen, und der f so verstümmelte Nest Les Tagelohnes oder des Halbtagelohnes wurde den Arbeitern obendrein mit sechswöchiger Verspätung ausgezahlt. Ein Arbeiter, der mit Anspannung aller Kräste täglich gegen 25 Sous verdient, muß noch 6 Wochen warten, ehe er ihrer habhaft wird. Die Folge davon waren Noth, hochgradigste Noth (ästresse noire), Hunger und Bettel. Mütter, Frauen, Töchter der Arbeiter fanden sich all« morgendlich mit ihren Näpfen bei den Suppenaustheilungen in der Caserne, im Lyceum und im Nonnenkloster ein. Man sah sie daher, kommen, das Körbchen am Arm, ihren Suppenbehälter hinreichen, ihn füllen lassen, und zitternd, voller Scham und Furcht, daß Jemand sie erkennen möchte, von dannen huschen. Bei der einfachen Frage: „Gehören Sie zu den Glashüttenarbeitern?" brachen einige in Thränen aus. Manche versuchten cs mit dem Hausirtrödel, und durchzogen aus diese Art als verschämte Bettlerinnen die Straßen und Häuser". Ein recht charakteristisches Seitenstück zu diesem Jammer bilde liefern die in einem französischen Socialistenblatte letzthin veröffentlichten Apostrophirungen des von den Ge nossen bekanntlich wegen seiner angeblichen „Arbeiterbedrückung" bestgehaßten GlaShüttenbcsitzers Resseguier: „Eine Arbeitergruppe von Blois, die gern wissen möchte, ob sich bei kunstgerechter Behandlung aus dem Fell Resseguier's ein Paar Stiefel machen lassen würden . . . auseinander gerissen sehen möchten Hochziehen möchten, an dem Resseguier ist . . . Drei in der Wolle Gefärbte, möchten . . ." Ja dieser Tonart geht eS noch spaltenlang fort. Man steht vor einem psychologischen RLlhsel, wenn man die wirk liche Welt der Thalsachen mit der Welt vergleicht, wie sie sich in den Köpfen von Leuten widerspiegelt, deren bischen Logik durch die socialdemokratische Hetze völlig aus Rand und Band gebracht worden ist. Auf der einen Seite sieht man die Arbeiterglashütte, diesen socialdemokratischen Muster betrieb, wo Schundlöhne mit wochenlanger Verspätung ge zahlt, wo die Arbeiter wie Sclavcn behandelt werden, wo Frau und Kind betteln gehen müssen, mit einem Wort die Arbeitsstätte des Zukunftsstaats, die aber von der Umsturz demagogie als der Himmel aus Erden besungen wird, weil sie ihr Werk ist. Auf der anderen Seite steht der „kapitalistische Betrieb", wo der Arbeiter seines Lohnes Werth ist und ihn auch regelmäßig nach Ablauf der Woche zu sehr einkömm- lichen Sätzen auSbezablt erhält; dieser Betrieb aber und sein Chef, Herr Resseguier, werden als Typen kapitalistischer Aus beutung der Wulh des socialdcmokratischen Pöbels denuncirt und haben es nur der Macht des Staates zu danken, wenn sie noch nicht den bestialischen Instinkten deS von den Hetzern bis zum Wahnsinn entflammten „organisirlen Proletariats" zum Opfer gefallen sind. Was meinen unsere socialen Optimisten zu dieser Illustration ihrer Theorie bezüglich des socialdemokratischen „MauserungSprocesseS" ? mit eigener Hand die Stellung, die er sich in der vornehmen Welt, in der sogenannten Gesellschaft, so mühevoll erobert hatte! Rathlos rückte Tell auf seinem Sessel hin und her; die Cigarre, die ihm längst ausgegangen war, zerdrückte er zwischen den Fingern der sich krampfhaft ballenden Faust. Was sollte er thun? Sollte er länger unthätig dasitzen und wie ein Ver brecher auf die ferneren Mittheilungen des Freiherrn und die vielleicht rohen Scherze und das cynisch zustimmende Gelächter der übrigen Zuhörer lauschen? Aber nein! Vielleicht war das Alles nur eine Einbildung, eine hypochondrische Wahnvorstellung! Vielleicht handelte es sich gar nicht um seine Mutter; es gab ja genug Weiber, die unter ganz ähnlichen Verhältnissen eine Liebelei mit einem jungen Garde-Ulanen hatten beginnen können. Er mußte Gewißheit haben! Er mußte den Namen dieser Frau aus des Freiherrn eigenem Munde erfahren! „Wie hieß die Aermste, deren Ruhe Sie so unbedacht ver- richtet haben?" fragte er plötzlich mit heiserer Stimme. Der Freiherr hob etwas verwundert das Antlitz und schaute den Fragesteller an. „Victorine; sie war französischer Abstammung und in Canada geboren; den Geschlechtsnamen ihres Gatten habe ich -vahrhaftig vergessen — Fechner? Lechner? Ich weiß es nicht mehr genau." Wie eine Ohrfeige traf den Staatsanwalt diese Antwort. Victorine! Da war eS ja entschieden; seine Mutter war es gewesen, die dem Gelüste eines verwöhnten, übermüthigen Aristokraten zum Opfer gefallen war! Und dieses empörende und so bezeichnende Vergessen des schlicht bürgerlichen Namens Dechncr! Dem Dünkel des Barons war es offenbar nicht lohnend, nicht interessant genug gewesen, sein hochadeliges Ge- oächtniß mit dem schlichten Namen eines so wenig ebenbürtigen Opfers zu belasten. Tod und Teufel! Der Stiefbruder Peter, der Maurerpolier, hatte Recht mit seinem Ingrimm gegen alle Vornehmen, mit seinem Haß gegen die bevorzugten Stände! Er sprang auf; kerzengerade stellte er sich vor den Freiherrn hin und knirschte durch die Zähne: „Es war nicht gerade ehrenhaft, Herr von Brank, ein armes wehrloses Weib so zu bethören!" Mit großen, verwunderten Augen starrte der Freiherr den Sprecher an; er glaubte nicht anders, als daß er falsch ver standen hätte. „Wie sagten Sie? Bitte, wiederholen Sie es noch einmal deutlicher!" Tell lächelte verächtlich: „Glauben Sie, mich einzuschüchtern, Herr von Brank? Ich muß Ihr damaliges Verhalten gegen iene Frau al- nicht ehrenhaft bezeichnen!" „Herr Staatsanwalt!" stieß der Ueberraschie in auf flammendem Zorne hervor. Er war emporgeschncllt und stand nun ebenfalls kerzengerade vor seinem Gegner. „Aus Ihnen scheint der Wein zu sprechen. Sie werden von mir hören." „Sie von mir auch!" gab Tell wuthschnaubend zurück. Dann wandte er sich jäh der Thür zu und verließ mit heftig stampfen dem Schritte den Saal. „Er ist betrunken", tröstete Tollen den noch immer ganz fassungslos dreinschauenden Freiherrn. „Wenn Sie mir ge statten wollen, so bringe ich die Geschichte in Ordnung, sobald er nur ausgenüchtert sein wird." Herr von Brank dankte dem Rittmeister. „Gut, Tollen; besorgen Sie, was nöthig ist. Wenn er nicht Vernunft annimmt, dann verlangen Sie Genugthuung, blutige Genugthuung; . ich überlasse Ihnen die Feststellung alles Weiteren." Und sich mit der Hand über die Stirn fahrend, fügte er, noch immer verständnißlos hinzu: „Ich begreife den Mann nicht; ist er denn so ein Tugendspiegel, daß ihn mein unschuldiger Roman so aus dem Häuschen bringen konnte? Oder wollte er Händel mit mir anfangen? Warum aber? Was habe ich ihm gethan?" „Herr von Brank", nahm der Maler das Wort, „ich bin der Ansicht des Herrn Rittmeisters: der gute Staatsanwalt muß schwer betrunken sein, sonst ist sein Benehmen absolut nicht zu erklären." Und sich an Tollen wendend: „Erlauben Sie, daß ich ihm Nacheile und Sorge trage, daß er glücklich nach Hause kommt. Ich hoffe und wünsche, daß sich Alles zu gegenseitiger Befriedigung wird ordnen lassen." „Thun Sie das, Professor", versetzte Tollen. „Selbstver ständlich bleibt das Vorgefallene streng unter uns. Theilen Sie dem Herrn Staatsanwalt mit, daß ich morgen früh 8 Uhr pünktlich bei ihm sein werde." Als der Maler gegangen war, sagte Gotenberg zu den beiden Anderen, die mit ihm noch im Zimmer weilten: „Dieser Rechts verdreher hat uns wahrhaftig das ganze Programm verdorben! Wenn er nicht Raison annimmt, dann stehe ich als Unpartei ischer zu Diensten." Angenommen, mein lieber Gotenberg", erwiderte Herr von Brank, der sich nun auch zum Aufbruch rüstete. „Sie fahren nach Giesdorf zurück?" fragte Tollen den Land edelmann. Dieser überlegte einen Augenblick, dann sagte er, sich kurz entscheidend: „Ich bleibe hier; der „Kaiserhof" wird ja wohl noch rin Bett für mich übrig haben. Bis zum Austrag der Sache meide ich mein Haus — es ist besser so; meiner Frau werde ich telegraphiren, daß mich Geschäfte hier zurückhalten." Der Maler Völker hatte den Staatsanwalt schon in der Leipziger Straße eingeholt. Beide stiegen in eine Droschke und fuhren nach der Genthiner Straße. „Was haben Sie da für eine Geschichte angerichtet!" brach Völker vorwurfsvoll los, als er mit Tell in dessen Arbeits zimmer eingetreten war; wie soll sich das denn wieder ins Gleiche bringen lassen?" „Hier giebt es keinen Ausgleich mehr", versetzte scharf der andere, indem er mit der leicht bebenden Hand die Lampe an zündete und dann dem Maler schweigend ein Blechkistchen mit Cigaretten hinschob. „Aber ich bitte Sie, warum denn so blutdürstig? Herr von Brank ist Ihnen doch mit keiner Silbe zu nahe getreten; ich verstehe Sie heute überhaupt nicht." „Sie werden mich bald vollkommen verstehen. Wollen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß das, was ich Ihnen mittheilen werde, für ewige Zeiten unter uns Beiden bleiben soll? Daß Sie es keiner Menschensiele jemals weiter sagen werden?" Der Maler nickte. „Nein, nein!" hob Tell wieder an, „das genügt mir nicht. Ich verlange ein feierliches Versprechen." „Nun gut. Ich gelobe Ihnen, Herr Staatsanwalt, ewiges Stillschweigen bei meiner Ehre." „So hören Sic. Jene Victorine, die spätere Mrs. Tell, mit deren Gunst sich der adelige Wüstling brüstete, war — meine Mutter." Völker prallte zurück. „Ihre Mutter?" „Meine Mutter", bestätigte der Staatsanwalt. „Begreifen Sie nun, daß von einem Ausgleich nicht mehr die Rede sein kann? Ich bitte Sie, seien Sie mein Zeuge. Sie werden morgen früh nach Giesdorf fahren und von meinem Gegnek Genugthuung für mich verlangen." Der Maler zögerte: „Das ist ja eine verteufelte Geschichte! Der Herr von Tollen, der Secundant des Freiherrn, läßt Ihnen sagen, daß er morgen früh 8 Uhr zu gleichem Zwecke hier bei Ihnen erscheinen wird." „Also eine Doppelforderung? Ha, ha, ha, sehr gut! Nun, ich bin der zuerst Beleidigte; erst habe ich Satisfaction zu verlangen, ehe ich daran denke, sie einem Anderen zu geben." „Lieber Herr Staatsanwalt", hob Völker nach einer Weile an, während der er sinnend und mit langen Schritten das Zimmer durchmessen hatte, „vielleicht giebt es doch auch hier noch einen Ausweg. Als Herr von Brank seinen Roman mit jener Dame hatte, waren Sie thatsächlich noch gar nicht auf der Welt. Frau Victorine war also damals nicht Ihre Mutter, sie ist es erst später geworden." „Eine vortreffliche Logik!" unterbrach ihn ungeduldig der Andere. „Was soll damit bewiesen werden?" „Daß Sie gar keine Verpflichtung haben, sich um Dinge zu kümmern, die vor Ihrer Geburt passirt sind." „Professor!" fuhr der Staatsanwalt heftig auf, „Sie reden doch nicht im Ernste? Ob jene unglückliche Frau damals schon meine Mutter war oder nicht, kommt hier gar nicht in Betracht; für mich handelt es sich um die Züchtigung eines gewissenlosen Wüstlings, der eine Frau, die später meine Mutter wurde, dauernd elend gemacht hat." „Eines gewissenlosen Wüstlings? Sie erheben da Beschul digungen, für die Sie vorerst doch gar keine Beweise zu er bringen vermögen." „Ist das eigene Geständniß des Verbrechers nicht Beweis genug?" „Des Verbrechers! Ich bitte Sie, lassen Sie uns ohne Ueber- treibung sprechen. Herr von Brank ist, Sie wissen das so gut wie ich,' durchaus kein Wüstling; er ist keiner jener lasterhaften Hohlköpfe, die durch ihr Adelsdiplom ein Vorrecht zu besitzen glauben, daß sie sich über die Moral der bürgerlichen Welt dreist Hinwegsetzen dürfen. Was er uns von seinen Beziehungen zu jener Frau erzählt hat, giebt Ihnen noch keinen Grund, ihn der Gewissenlosigkeit oder gar eines Verbrechens zu zeihen. Ich habe nur so viel herausgehört, daß er Frau Victorine leiden schaftlich geliebt hat und daß er von ihr ebenso leidenschaftlich wieder geliebt worden ist: bis wohin diese Leidenschaft geführt hat, das wissen wir Beide nicht, das hat der Freiherr auch mit keiner Silbe angedeutet; er ist doch wohl zu gut erzogen und viel zu geschmackvoll, als daß er sich nach Art eines lüderlichen Gecken mit unerlaubten Triumphen brüsten könnte." „Und da soll ich ihn wohl noch um Entschuldigung bitten und mich bei ihm bedanken, daß er die Gnade gehabt hat, seine yochadelige Gunst einer Frau zuzuwenden, die einige Jahre später meine Mutter wurde? Liebster Professor, Sie meinen es gewiß gut, aber sparen Sie jedes weitere Wort und über bringen Sie morgen früh meine Forderung nach Giesdorf." „Der Freiherr wohnt im .Kaiserhof" bis zur Erledigung der Sache." „Um so besser, dann mache ich Ihnen geringere Muhe." (Fortsetzung folgt.)
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