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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980614026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898061402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898061402
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-06
- Tag 1898-06-14
-
Monat
1898-06
-
Jahr
1898
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Am Sonntag ist die gelandete Mannschaft mit regulären spanischen Truppen und Guerillas in einen heftigen 13 Stunden dauernden Kampf ver wickelt worden, der ihr mehrere Todte und Verwundete kostete. Da- Madrider Kriegsministerium hat über die Landung und den Kampf amtliche Meldungen überhaupt noch nicht erhalten- nach den bis heute Morgen vorliegenden New Iorker Meldungen sollen die Spanier dabei zurück geworfen worden, die Amerikaner also Sieger geblieben sein. Allein heute Mittag erhalten wir folgende Nachricht: * New Vork, 13. Juni. Eine Depesche aus Caimanera meldet, Oberst Huntnigou habe jetzt beschlossen, die Stellung, die die Amerikaner zuerst besetzt hatten, um dort ein Lager zu errichten, wieder aufzugeben, da Verstärkungen nicht ein getroffen seien und es bekannt sei, daß größere spanische Truppen massen sich in der Nähe befänden. DaS Feldlager sei daher an den Abhang des Hügels, in die Nähe des Hafens, verlegt worden, wo es von den Kriegsschiffen geschützt werde, während die ameri kanischen Marinesoldaten noch die Schützengräben und Batterien auf den Höhen selbst besetzt halten. Hieraus scheint doch hervorzugehen, daß die Amerikaner genöthigt waren, sich auf Caimanera, am Eingang der Bucht von Guantanamo zurückzuzieben, daß also sie zurückgeworfen worden sind. Wenn die Amerikaner dabei die von den Spaniern bewiesene Tapferkeit rühmen, so ist das nur daS verblümte Zugeständnis daß sie etwas auf die Mütze be kommen haben, wofür ja auch spricht, daß von der „Mar- blehead" Verstärkungen gelandet werden mußten, die aber nicht im Stande waren, den Rückzug der Amerikaner aufzu halten. So ist der erste Landkampf für diese ungünstig ver laufen. Ob eS anders werden wird, wenn die große Landarmee erst auSgeschifft ist, steht dahin. Jedenfalls sind die Spanier, da sie gute Positionen einnehmen und von Santa Catalina de Guazo leicht Verstärkungen herangezogen werden können. In Madrider Militairkreisen wird behauptet, Guantanamo sei überhaupt der strategisch ungünstigste Punct, den die Amerikaner sich zum Landen hätten aussuchen können. Es sei die ungesundeste Gegend der Insel Cuba. Um von dort nach Santiago, das bekanntlich von der See- und der Landscite zugleich angegriffen werden soll, zu gelangen, müsse die Sierra Cobre überschritten werden, waS die Mitnahme schwerer Artillerie ausschließe. Man meint in Madrid, wenn die Amerikaner bei Guantanamo gelandet sein würden, so würden sie gründlich geschlagen werden. Entgegen der gestrigen Nachricht soll nach einer heute eingegangenen Meldung die amerikanische Land-Armee nun doch auf dem Meere schwimmen. DaS KriegS-Deparlement in Was hington theilte Montag früh mit, eine Expedition, welche mit Ausnahme einiger freiwilliger Abteilungen ganz aus regulären Truppen bestehe, habe Key West verlassen. Die Expedition umfasse Infanterie, Cavallerie und führe auch mehrere Batterien leichte und schwere Artillerie für den Belagerungsdienst mit sich. Weiter macht daS Kriegs- Departement bekannt, daß eifrige Vorbereitungen getroffen würden, um eine zweite Invasionsarmee nach Cuba zu senden. DaS wird auch nöthig sein, denn den Insurgenten, die erst letzter Tage wieder in verschiedenen Treffen ge schlagen wurden, wobei sie etwa 20 Todte verloren, wird es nicht möglich sein, die Insel allein zu halten, zumal ihnen die Munition auSzugehen beginnt. , . In Madrid ging daS Gerücht, einigen amerikanischen Kriegsschiffen sei es gelungen, die Hafeneinfahrt von Santiago zu forciren, doch bestreitet der Kriegs minister die Richtigkeit desselben auf daS Entschiedenste. — Zn der Kammer theilte der Minister Capdepo bei der Beantwortung einer Interpellation mit, daß in dem letzten Kampfe bei Santiago ein spanisches Geschoß eine Kanone deS amerikanischen Panzerschiffes „Massachufiet" demontirt habe, wobei die Amerikaner zahlreiche Todte und Verwundete hatten und schwere Beschädigungen erlitten. Drei amerikanische Schiffe seien ins Trockendock gesandt worden. Weit wichtiger indessen ist eS, ob die dem Marineamt in Washington hinterbrachte Nachricht richtig ist, es habe sich herauSgestellt,daß sich daS Ersatzgeschwader CamaraS in Cadiz in einem Zustande befinde, der ihm nicht gestatte, in See zu gehen. DaS wäre echt spanisch und bedeutete daS Reißen deS letzten Hoffnungsankers. Dann wäre Admiral Cervera in der Bucht von Santiago verloren und Manila mitsammt dem ganzen Philippinen-Archipel preisgegeben. Ueber den Stand der Dinge auf dem letztgedachten Kriegs schauplatz liegen nur sehr spärliche Nachrichten vor, doch scheinen sie zu bestätigen, daß Manila noch nicht gefallen ist. Eine amtliche in Madrid eingegangene Depesche des auf der Bisayes- Gruppe befehlenden Generals aus Ilo-Jlo meldet, er sei ohne Nachricht aus Manila. Die Eingeborenen ausMindanao hätten die militairische LinieTukusan-Dineo-Marahuit angegriffen. Sie seien jedoch zurückgeschlagen und hätten 36 Todte auf dem Platze gelassen. Die Spanier hätten 7 Todte und 18 Ver wundete gehabt. Ein amerikanischer Kreuzer sei am 5. d. M. Nachts, um zu beobachten, im Hafen erschienen, dann aber mit südlichem Curs verschwunden. Unsere sonstigen Nachrichten besagen: * Washington, 13. Juni. Mc. Kinley hat das Kriegs kostengesetz unterzeichnet. Der Schatzsecretair Gage hat ein Rund schreiben erlassen, in dem er die Einzelheiten für die Emission der Bonds angiebt. * New Pork, 13. Juni. Der Kreuzer „San Francisco" ist, ohne Beschädigungen erlitten zu haben, wieder flott geworden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. Juni. Zu den seltsamsten und unbegreiflichsten Erscheinungen, die diesmal in der Wahlbewegung zu Tage treten, gehört es, daß in den Kreisen, die am meisten auf die Bildung einer „Mittelstandspartei" dringen, vielfach die Ansicht laut wird, es sei weniger schädlich, wenn ein Soctaldemokrat gewählt werde, als wenn ein nationalliberaler Candidat den Sieg davon trage. Wie sehr gerade die letztere Partei die Wahrung der Interessen de« Mittelstandes in der ver flossenen Legislaturperiode des Reichstags sich hat angelegen sein lassen, haben wir erst kürzlich in einer Reihe von Artikeln darzelegt, die von keiner Seite haben widerlegt werden können. Und wenn auch wirklich die national liberale Partei noch nicht genug des Mittelstandes sich an genommen hätte, was hat dieser von der Socialdemokratie zu erwarten? Daß diese auf den Ruin des Klein gewerbes in Stadt und Land ausgeht, ist durch eine ganze Fülle von Aussprüchen der Führer und die Thaten der socialdemokratischen Reichstagsfraction erwiesen. Wir erinnern heute nur an folgende Stelle aus einer Zu schrift von Max Schippel, Candidaten der Socialdemokratie für Chemnitz, an vr. O. Arendt (vergl.: „Die Socialdemokratie und die Wahrungsfrage. Eine Auseinandersetzung zwischen vr. Otto Arendt und Max Schippel/^) Dort heißt eS: „Ich fasse mich also nochmals dahin zusammen: Eine Schuld entlastung für die kapitalistisch lebensunfähigen Betriebe in Land- wirthschaft und Gewerbe anzustreben, hat dir Arbeiterklasse keinen Grund, schon darum, weil sie nicht grausam genug ist, eia doch un abänderliches wirthschastliches Absterben mit ollen seinen Qualen noch künstlich zu verlängern. Nicht die Erhaltung, sondern die Auflösung der zwischen Arbeit und Capital haltlos hin und her geworfenen Mittelschichten liegt im Interesse der Lohnarbeiter." Nun denkt vielleicht mancher von denen, die zu diesen Mittelschichten gehören, dahin, wohin Herr Schippe! und seine Genossen es bringen wollen, werde es sobald nicht oder doch nicht dadurch kommen, daß die Socialdemokratie ein neues Mandat zu den alten hinzugewinnt. Man meint vielleicht, man könne ungestraft einmal einen social demokratischen Zettel in die Urne legen, um seiner Un zufriedenheit kräftigeren Ausdruck zu geben; einmal sei keinmal. Aber jede einzelne Stimme kann daß Maß der Ungeduld voll machen, mit der die leidenschaftlich erregten Mafien nach dem nächsten Ziele, nach dem Besitze der politischen Macht hinstürmen. Wer soll diese Massen in dem Augenblicke noch leiten, wenn sie erst glauben, von ihrer politischen Macht äußeren Gebrauch machen zu können? Keiner wäre dann noch im Stande, Einhalt zu gebieten. Auch die „satten Führer" nicht. Wenn erst einmal die dritte und vierte Million der socialvemokratischen WLHlerstimmen voll wäre, so würde über Alle, die die Umwälzung gar nicht gewollt, die Bewegung der Mafien hinfluthen und die Führer würde sie ebenso verschlingen, falls sie etwa Miene machen sollten, die Ueberfluthung zurückzudämmen. Mit solchen Gefahren soll man nicht spielen! Sie bedrohen den Mittelstand nicht weniger, als jeden anderen Stand, ja sogar mehr als die anderen, da naturgemäß bei jeder revolutionären Be wegung die wirthschaftlich schwächeren Kräfte am ersten unterliegen. Ein leichtfertiges Spielen mit der Gefahr liegt aber nicht nur in der Abgabe von mittelstandlichen Stimmen für einen Socialdemokraten, sondern auch in der Stimmenthaltung. Es ist ja leider Thatsache, daß viele bürgerlichen Wähler eS für ihr gutes Recht halten, sich in den Winkel zu stellen, wenn ihre besonderen Wünsche bei der Aufstellung der Candidaten nicht erfüllt werden. Wie tief aber stellen sich solche Wähler unter die socialdemo kratischen! Wenn dem Arbeiter Müller der ihm gänzlich unbekannte Redacteur Schulze von der Partei vorgeschlagen wird, so wählt er ihn, ohne sich über die Person des Candi daten oder seine politische Nuancirung viel Kopfzerbrechen zu machen. Wenn aber dem „Bourgeois" Karl zugemuthet wird, den Candidaten Franz zu wählen, der ihm nicht genug verspricht, so kostet eS ihm mindestens Ueberwindung, seiner Wahlpflicht zu genügen, oder er weigert gar ihre Erfüllung. Der „unwissende" Arbeiter bat dann mehr politische Bildung bewiesen, als der kluge Bourgeois, denn er hat sich bethätigt, sich als Eins in daü Rcchenexempel gestellt, während der Andere sich selbst zur Null degradirt hat. Der „unwissende" Arbeiter ist un schuldig daran, wenn seine Partei ein Mandat einbüßt, der kluge Bourgeois aber ist mitschuldig,wenn durch seinjthaten- faules Maulen ein Candidat gewählt wird, der der ganzen Bourgeoisgesellschaft den Untergang geschworen hat. Glückstrahlend meldet die ultramontane „Köln. Volksztg." aus Bochum, daß das polnische Wahlcomits die Parole „Wahlenthallung" aufgehoben und für den Candidaten deS EcntrnmS, Fuchs, zu stimmen beschlossen habe. — Diese polnischen Stimmen, die Herrn Fuchs zufallen werden, sind der Judas-Lohn, den die Sarmaten an Herrn Fuchs dafür zahlen, daß er mit größerem Eifer als mancher andere Centrumsmann sein deutsches Volksthnm verräth. Herr Fuchs ist der Wahlmacher des Grafen Kwilecki im Reichstagswahlkreise Schwerin-Birnbaum-Samter-Obornik. „Seitdem der Abgeordnete Fuchs (Köln)", so ließ sich die „Köln. Volksztg." unter dem 6. dss. MtS. aus Schwerin a. d. Warthe schreiben, „im Wahlkreise erschienen ist, folgt Versammlung auf Versammlung". Daß Herr Fuchs auf solche Weise die Stimmen der Bochumer Polen erbettelt, findet den vollen Beifall des führenden klerikalen Blattes; der Wahlkreis Schwerin-Birnbaum gebe ein „leuch tendes Beispiel" für alle übrigen, in denen polnische und deutsche Katholiken in Frage kommen, „möge man anderwärts diesem Beispiele folgen." — An den guten Willen des Centrums liegt es also cingestandener Maßen nicht, wenn in der Ostmark nicht überall Centrum und Polen das Bündniß wider die Deutschen schließen. Vielleicht aber lassen die Polen durch das „leuchtende Beispiel" des Wahlkreises Schwerin-Birnbaum wenigstens noch in dem einen oder anderen westpreußischen Wahlkreise sich erweichen und ziehen polnische Sondercandidaturen in zwölfter Stunde zurück. Stellt sich doch die „Köln. Volksztg." so scrupelloS in den Dienst der nationalpolnischen Propaganda, daß sie ihre Mißbilligung darüber zu erkennen giebt, daß daS Aushängen von Fahnen in den polnischen Farben bestraft wird! — Fürwahr, eine Augenweide, dieses „deutsche" Centrum, das im Wahlkampfe den Polen die roth-weiße Fahne voranträgt!" Der österreichische NcichSrath ist wiederum vertagt worden, zum fünften Mal seit den Wahlen vom Frühjahr 1897. Das von der österreichischen Regierung angewendete Mittel ist etwa damit zu vergleichen, als wenn Jemand, der vom Esten Zahnschmerzen bekommt, nun nicht mehr essen will. Er wird dann keine Zahnschmerzen mehr bekommen, aber er wird auch zu Grunde gehen, wenn er nicht mehr ißt. So muß auch ein konstitutioneller Staat zu Grunde gehen, wenn die GesetzzebungSmaschine andauernd versagt. Die Deutschen in Oesterreick können jetzt die Lage mit mehr GemüthSruhe ansehen, als jemals, da eS scheint, daß die Majorität zerfallen will. ES ist nämlich möglich, daß die Polen von den Tschechen absckwenken. Dafür spricht eine Aeußerung des führenden polnischen Blattes „Przedlond". Auf die Auslassung der „Narodni Listi", daß ein hervor ragender polnischer Führer erklärt habe, die Polen würben Lauernblut. öj Roman in drei Büchern. Von Gerhard von Amyntor. (Dagobert von Gerhardt.) Nachdruck vrrbolen. Es entstand eine Pause. Der Assessor verharrte regungslos und vom Schmerze überwältigt; der Andere schien seiner eigenen Ergriffenheit erst Herr werden zu müssen, ehe er fortfahren konnte: „Ich legte den Körper der Frau neben den ihres Gatten und bettete beider Köpfe auf eine Pferdedecke; etwaige Be mühungen, das entflohene Leben zurllckzurufen, das erkannte ich bald, mußten durchaus erfolglos bleiben. Die paar tausend Dollar, die Mr. Teil im Laufe der letzten Jahre doch schon wieder zusammengescharrt hatte, waren verschwunden; nur die Legiti mationspapiere für sich und seine Frau, die er ebenfalls bei sich zu tragen pflegte, hatte man ihm gelassen; sie hatten für die Räuber keinen Werth gehabt. Ich nahm diese Papiere an mich — hier sind sie —, ich deckte die Leichen mit einem Tuche zu und sattelte meinen müden Gaul, um so schleunig wie möglich die unsichere Gegend zu verlassen. Die beiden ledigen Pferde und das Gepäck der Verunglückten nahm ich mit mir. Schon am anderen Tage erreichte ich Fort Scott, ich hatte vierund zwanzig Stunden lang weder gerastet noch Nahrung zu mir ge nommen. Dem in der Ansiedelung commandirenden Officier machte ich sofort Meldung und bat um schleunigste Untersuchung und Bestätigung deS Falles. Ich wurde theilnehmend angehört; man verpflegte mich und meine Pferde, und am zweiten Tage nach meinem Eintreffen brach ich in Begleitung eines bewaffneten Trupps wieder auf, um an die Stätte deS Verbrechens zurück zukehren. Wir fanden nur noch die unkenntlichen Ueberreste der beiden Getödteten. Die Raubthiere hatten während der Nacht die Leichen geschändet; dazu hatte ich vergessen, da» Lagerfeuer auszulöschen; der Wind hatte Funken und glimmende Holz« theilchen auf die Leichname geweht und so waren sie angekohlt und theilweise verbrannt. Immerhin konnte die Identität der Verunglückten genügend festgestellt werden; wir gaben ihnen ein christliches Begräbniß und kehrten dann wieder nach Fort Scott zurück, wo mir die Todtenscheine, die hier vorliegen, amtlich ausgestellt wurden. Die Pferde und das sonstige Eigenthum Ihrer Eltern verkaufte ich an Ort und Stelle, dann machte ich mich wieder auf den Weg und erreichte ohne weitere Fährlich- leiten den Missouri, wo ich auch mein eigene» Reitthier verkaufte und endlich die Bahn bestieg, um nach New Dork und von dort nach Europa zurückzukehren." Er griff in seine Brusttascke, holte ein ledernes Futteral her vor und entnahm ihm ein Päckchen Bankscheine." „Hier ist der Erlös aus dem verkauften Eigenthum Ihrer Eltern; ich lege ihn in die Hände des einzigen und rechtmäßigen Erben." Verwundert schaute der Assessor dem Anderen zu, der eine Summe von ungefähr fünftausend Mark in Bankonten auf den Tisch zählte. „Das ist ja aber diel mehr Geld als der Verkauf zweier Pferde und einiger dürftiger Habseligkeiten eingebracht haben kann", sagte er überrascht und mit abwehrender Handbewegung. „Trotzdem ist das Geld Ihr unbestreitbares Eigenthum. Ihre Frau Mutter pflegte von dem Wenigen, das ihr der Gatte zukommen ließ, immer noch einige Ersparnisse zu machen, die sie mir gelegentlich heimlich zusteckte, damit ich ihr das Geld verwahrte und es vor den rücksichtslosen Griffen des Mr. Tell sicher stellte. So war ich am Tage, als das Unglück passirte, im Besitze von beinahe viertausend Mark, die Ihrer Mutter ge hörten, und die ich ihr aufhob; wäre ich nicht nach dem Flusse gegangen, um Wasser zu holen, so wäre ich wahrscheinlich eben falls niedergemacht worden, und Sic hätten weder etwas geerbt noch je eine Kunde von dem Ende Ihrer Eltern erfahren. Bitte, stecken Sie gefälligst das Geld ein! Einer Quittung bedarf es nicht, denn Niemand ahnt, daß ich Ihnen dies Vermächtniß über bringe." Der Assessor war völlig mittellos; er verdankte seine Er ziehung und die Erreichung seiner jetzigen Stellung nur der Opferfreudigkeit des Lampert'schen Ehepaares; so waren diese fünftausend Mark in der That für ihn ein Schatz. Aber noch immer weigerte er sich, zuzugreifen; er gedachte daran, daß er zwei Stiefbrüder hatte, die auf die Hinterlassenschaft seines Vaters doch dieselben Ansprüche zu erheben berechtigt waren, und sagte zögernd: Die ganze Summe kann ich unmöglich an nehmen; mein Vater hat au» erster Ehe zwei Söhne erzielt, mit denen ich doch pflichtschuldig zu theilen hätte." „Da» ist wohl ein Jrrthum, Herr Assessor", wandte der andere bescheiden ein. „Herr Lampert hat mir schon erzählt, daß die beiden Brüder Dechner — so ist ja wohl Ihr Name? — gleichfalls hier leben. Wie könnten aber Söhne aus erster Ehe auf da» einen Anspruch erheben, was die zweite Frau für ihr eigenes Kind gespart hat?" „In diesem Gelbe steckt doch aber auch der Erlös aus dem Verkaufe d«S EigenthumeS meines Vater»." „Allerdings. Doch dieser Betrag erreicht noch keine sechs hundert Mark; das Pferd Ihres Vaters habe ich beispielsweise für nur zwanzig Dollar losschlagen müssen. Wenn Sic glauben, das von Ihrem Vater Herstammende mit Ihren beiden Stief brüdern theilen zu müssen, so werde ich jedem derselben noch heute zweihundert Mark überbringen. . . ." . Die ich Sie ersuche, gleich hier von dieser Summe wieder zurücknehmen zu wollen." „Das ist nicht nöthig, Herr Assessor; ich werde diese Zahlung aus eigenen Mitteln leisten." „Wie kämen Sie zu solchem Opfer?" „Ich bin der langjährige Genosse Ihres Vaters gewesen; ich habe mir als solcher auch Einiges zurückgelegt, um auf die alten Tage nicht hungern zu müssen, und ich betrachte es als eine Freundschaftspflicht gegen einen Verstorbenen, daß ich auch seiner Söhne aus erster Ehe gedenke." Der Assessor wurde durch die Großmuth und Selbstlosigkeit eines Mannes aus scheinbar so niederen Lebenssphären wahrhaft betroffen; da kcine Menschenseele um die Hinterlassenschaft seiner Eltern wissen konnte, so hätte der Fremde, wenn er anders dazu Lust gehabt hätte, die ganze Summe ohne jede Gefahr der Ent deckung für sich behalten können. Daß er dies nicht that, daß er vielmehr eine so weite und kostspielige Reise gemacht hatte, um den ihn unbekannten Erben seines Genossen Rechnung zu legen und die Hinterlassenschaft baar auszuzahlcn, das ließ ihn als einen Mann von seltener Treue und Gewissenhaftigkeit erscheinen. So stand denn William Tell feierlich auf, bot dem Gaste die Hand und sagte in warmem, herzlichem Tone: „Herr Just, Sie haben mir eine sehr betrübende Kunde überbracht, mich aber zugleich aufs Wohlthuendste überascht durch Ihr selbstloses und ehrenhafte» Verhalten. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen; es giebt noch edle Menschen auf dieser Welt; Sie sind mir von dieser Stunde an ein zuverlässiger und treuer Freund." „Ueber Just's glattes rasirtes, sonnengebräuntes Gesicht flog ein Schimmer höchster Befriedigung, ein Auflächeln innerster Wonne und Seligkeit; er wollte des Assessors Hand an seine zuckenden Lippen ziehen; doch dieser litt es nicht, indem er weit die Arme öffnete und den kleineren Mann, der jetzt ebenfalls aufgestanden war, kräftig an seine Brust drückte. „Lassen Sie uns Freunde bleiben", sagte er tief bewegt, „und als erstes Zeichen Ihrer Freundschaft erfüllen Sie mir einen Wunsch und stecken Sie die 400 die Ihrer Rechnung nach den Brüdern Dechner zukommen, wieder ein und stellen Sie sie ihnen zu. Dann aber noch eine Bitte", fügte Tell hinzu, nachdem der Andere ein paar Banknoten von der auf dem Tische liegenden Summe fortgenommen und in sein Lrdertäschchen zurückgelegt hatte, „erwähnen Sie gegen Niemanden, daß die beiden Dechner meine Stiefbrüder sind. Der eine derselben, Adolf, ist In strumentenmacher und, so viel ich weiß, ein ganz ordentlicher und braver Mann; aber Sie werden begreifen, daß mir die nahe Ver wandtschaft mit einem Handwerker nicht gerade zur Empfehlung in meiner Laufbahn als Staatsbeamter dienen würde. . . ." „Warum denn nicht?" wagte Just sehr bescheiden, aber doch einigermaßen verblüfft, zu fragen. Tell lächelte: „Das verstehen Sie freilich nicht. Sie haben fünfundzwanzig Jahre im freien Amerika gelebt und alle Vor- urthcile wie Staub von den Schuhen geschüttelt. Glauben Sie nur ja nicht, daß ich meinerseits nicht die höchste Achtung vor dem ehrlichen Handwerk habe; ich beneide sogar in vielen Dingen meinen Stiefbruder Adolf, denn er ist ein zufriedener, stiller und glücklicher Mensch, dem es nach allen Seiten hin gelingt und der sicher einmal etwas Erkleckliches vor sich bringen wird; aber wie nun einmal die Dinge bei uns liegen, ist für einen Assessor und Hilfsarbeiter im Ministerium, der bald noch höher befördert zu werden hofft, der nähere Verkehr mit einem Hand Werker nicht gerade empfehlenswerth; er würde mir schaden, mich in den Augen der Gesellschaft herabsetzen und verdächtigen; ich kann mich wirklich darauf nicht cinlassen und muß, so leid es mir thut, dem Vorurtheile der Welt Rechnung tragen." „Durch mich sollen Sie nie einen Nachtheil erfahren, lieber Herr Assessor, das verspreche ich Ihnen beim Angedenken an Ihre Frau Mutter, die wir Beide doch wohl lieb gehabt haben." „Ich danke Ihnen, lieber Herr Just, und freue mich, daß Sie mich nicht mißverstehen. Noch zwingender für mich liegt die Sache mit dem anderen Dechner, Namens Peter. Der Mensch wollte durchaus nicht lernen, wenigstens nicht das, was er lernen sollte. Er fabelte immer davon, daß er ein großer Baumeister iverden und die Welt mit seinen epochemachenden Schöpfungen überraschen würde; den Weg aber, der ganz allein zu diesem Ziele hinführen konnte, wollte er nicht gehen. Be sonders das Studium der alten Sprachen widerte ihn so an, daß ihn Herr Lampert aus der Tertia des Gymnasiums heraus nehmen und zu einem Maurermeister in die Lehre geben mußte. Im Anfänge ließ er sich auch ganz gut an; die praktische Thätig- keit schien ihm zu behagen; er besuchte in den Wintermonaten eine- Fachschule, wurde dann Geselle und arbeitet seit einem Jahre als erfahrener und brauchbarer Polier. Es hätte ihm, allem Anscheine nach, ganz gut glücken können, wenigstens ein tüchtiger und vielleicht auch wohlhabender Meister zu werden, wenn er sich nicht mit Leib und Seele der socialdemokratischen Bewegung angeschloffen hätte. Er ist einer der Rothrsten von den Rothen, und ich will und darf niemals daran erinnert werden, daß da» Blut meine» Vater« auch in seinen Adern fließt, ve»
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