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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930216026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893021602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893021602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-02
- Tag 1893-02-16
-
Monat
1893-02
-
Jahr
1893
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1118 Prtkow sagt, fest davon überzeugt find, daß die Anschläge der russischen Politik auch in der Zukunft ihre Fortsetzung er» sahren werden. Deutsches Reich. Berlin, l«>. Februar. Zn der GewerdeordnuiigSnovelle vom t. Juni l89l ist auch die Bestimmung gelrossen, daß die Vorschriften über die Beschäftigung von Kindern, jugendliche» Arbeitern und Arbeiterinnen durch kaiserliche Verordnung aus Werkstätten ausgedehnt werden können, in welchen keine durch elemeutare Kraft bewegten Triebwerke zur Verwendung kommen. Tiefe Vorschrift ist namentlich des halb in das Gesetz ausgenommen, weil, wenn die Kinder arbeit in den Fabriken fast völlig beseitigt sein wird, die Ge- jahr vorliegt, daß in den Zweigen der Hausindustrie, welche mit dem Fabrikbelriebc concurriren, die Beschäftigung der Kinder einen noch weiteren Umfang als gegenwärtig amiebmen wird. Aus diesem Grunde ist eine Regelung der Beschäftigung der Kinder wie der anderen ge nannten Arbeiterkategorien auch m der Hausindustrie durchaus nolbwentig. Wenn man davon Abstand ge nommen batte, sie schon in der letzten Gewerbeordnung-- Novelle zu treffen, so lag der Grund darin, daß man über die reckt mannigfaltigen Verhältnisse der Hausindustrie noch keine oder doch nicht genügende Erbebungen veranstaltet hatte und die in Aussicht genommene Acnderung anderer Theile der Gewerbeordnung durch die Veranstaltung solcher Enqueten nicht aushalten wollte. Nunmehr hat jedoch die Rcichs- commission für Arbeiterstatistik beschlossen, Erhebungen über die Arbeiterverhältnisse in der Hausindustrie vorzunehmen. Es dürfen diese Erhebungen als der erste Schritt zur Ausführung der im tz. 154 Absatz der Gewerbeordnung kaiserlicher Verordnung Vorbehalten«, Erweiterung der Anwendbarkeit der Vorschriften über Kinder, jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen angesehen werden Eine befriedigende Regelung aus diesem Gebiete wird sich jedoch nur Lurch allmäligeS Fortschritten erzielen lassen. Aus diesem Grunde ist es auch durchaus zweckmäßig gewesen, ein Vorgehen betreffs der hausindustriellen Verhältnisse ans dem Wege der Verordnung und nicht aus dem des Gesetzes in Aussicht zu nehmen. Lr Berlin, 15. Februar. Graf Ballestrem ist nach Rom gereist, um den, Papst pst Glückwünsche der EcntrumS sractionen des Reichstags und Abgeordnetenhauses zu seinem BischosSjubiläum zu überbringen. Mau will dieser Reise auch eine politische Bedeutung beilegen. ES wäre sehr bezeichnend für unsere politischen Zustände, wenn schließlich noch der ebr würdigt Herr in Rom die Entscheidung über unsere HccreSresorm in die Hand bekäme. — Ter Bericht der WahlprüfungS rommission des Reichstag- über die Wahl de- Aba Müllen siesen (5. Arnsberg) ist soeben erschienen. Herr Müllensiefen batte in der Stichwahl mit 1663 Stimmen Mehrheit über seinen klerikalen Gcgencandidatc» Pattmann gesiegt. Am gesochtcn wurde die Wahl hauptsächlich wegen der Beschlag uabme eines Flugblattes für Pattman», deren Gesetzmäßigkeit angczweifelt wurde. Die WahlprüfuiigSconimission beantragt, die Entscheidung bis zu weitere» Beweiserhebungen auSzu- sctzen. TaS erwähnte Flugblatt ist übrigens dasjenige, in welchem Herr Vattmann sich rückhaltlos mit sämnttlichen Forderungen der Bergarbeiter einverstanden erklärte, ein Bei trag zu der vielseitigen Arbciterpvlitik des EentrumS. Lä Berlin» 15. Februar. Die Socialdemokraten baden bis jetzt zu den GewerbcgerichtSwablen 21» Arbeitnehmer als Eandidaten ausgestellt. E- befinde» sich darunter etwa 3» vorzugsweise in der gewerkschaftlichen Be wegung bekannte Agitatoren, darunter auch der Tischler Kröhn, der in jener socialdcmokratischen Eomniiinalwäblcr Versammlung, wo mit Ochsenziemern und Gumnlischläuchen „gearbeitet" wurde, eine hervorragende Rolle spielte. Tie socialdemokratische Eandidatenliste der Arbeitgeber entbält bis jetzt 72 Rainen, worunter sich gegen 12 Agitatoren be sinden. 14 Eandidaten sind Budiker (Gast und Schankwirthe) auch der ehemalige Fuhrt,err und jetzige Gastwirtb, Ttadtver ordnetcr Gnadt, ist ausgestellt. Ter Klempner Arno Winter, der turze Zeit selbstständig war und jetzt wieder als Geselle in einer Fabrik arbeitet, hat sich nicht nur in der Elaste der Arbeitnckmer, sondern auch in der der Arbeitgeber als Eandidat ausstellen lassen. — Der auf dem hiesigen Parteitage amnestirte Schrift steller Bruno Geiser, Schwiegersohn des Herr» Liebknecht, welcher schon seit längerer Zeit Mitarbeiter der socialdcmo tratischen „Volkswacht" in BreSlau war, hat jetzt einen Redactcurposten an diesem Blatte erhalten. Er zeichnet für den politischen Thcil, Provinzielles und Feuilleton. — Wie der „Eorrespondcnt" mitlheilt, hat der BezirkScassire des Deutschen Buchdrucker-Verbandes, Kaster i Düsseldorf, circa lvo» unterschlagen. Der Ge nannte ist in Untersuchungshaft genommen worden. - Im Rachbarstädtchen Bernau streiken die Weber der List'schcn Sridenfabrik in Folge von Lohndifferenzen. ^ — Der Kaiser hat an den Magistrat folgende« Schreiben gerichtet: Dem Magistrat Meiner Haupt- uud Residenzstadt Berlin will ^ch als Zeichen Meines Wohlwollens das lebensgroße l lildniß Meines in Gott rubeuden Herrn Vaters, Seiner Majestät des hochseligen Kaisers und Königs Friedrich III., al« Geschenk verleiden und habe Meinen Ober-Hot- und Hausinarlchall Grasen Lulendurg beauftragt, wegen der Ausführung dieses Bildnisses das Erforderliche zu veraulasseu. — Berlin, den 9. Februar 1893. aez. Wilhelm 1i. An de» Magistrat Meiner Haupt- und Residenz- ladt Berlin." — Gegenüber alle» Meldungen über bestimmte Reise- projecle des Kaisers für den Sommer weiß eine sonst z»t unterrichtete Eorrespondenz zu melden, daß noch keine estcn Dispositionen getroffen sind. — Die Kaiserin besuchte, wie nachträglich bekannt wird, am Sonntag Mittag das llniversitätSgebäude und nahm daselbst die Darstellung von Kunstwerken durch taS Skiopliko» im Hörsaale des Gekeinicn RegierungsratheS Professors H. Grimm in Augenschein, ivvbei die Professoren H. Grimm und Frey zugegen waren. — Bei der Ausfahrt zum gestrigen Hosbatle im königlichen Schlosse fuhr einer der Wogen beim plötzliche» Stocke» der Anfahrt mit derTeichsel in den Wagen des russischen Botschafters uud durchbrach die Rückseite des Wagens. Di» Gräfin Schuwalow wurde von derTeichsel am Kopse getroffen, glücklicherweise aber nur unerheblich verletzt. Die kaiserlichen Majestäten sprachen ihr die lebhafteste Thcilnohine au- und dankten ihr, daß sie sich nicht hatte adhallen lassen, trotzdem aus dem Balle zu erscheinen. Die Frau Bottchasterin war indessen genöthigl, »och vor der Beendigung des Feste» den Ball zu verlassen. Heute Mittag konnte sie aber ichon wieder den gewohnten Spaziergang machen. — In einem Berliner Blatte war die Melkung aus getaucht, daß zwischen dem Reichskanzler Grasen Eaprivi und rem Abgeordneten I)r. Bamberger eine Unterredung über die Militairsrage stattgefunden habe. DaS „B. T." bezeichnet die Nachricht als erfunden. — Der Bevollmächtigte zum BundeSrath, herzoglich sachsen-liiciningit'che SlaatSminister vr. Heim, ist hier an gekommen. — Wir irren wohl nicht, wen» wir annebmen, daß die Anwesenheit des »leiningischen Ministers in Berlin mit der Besetzung der Richlerstelle am Reichsgericht im Zusammenhänge steht. — Nach Mittbeilungen mehrerer hiesigen Blätter sollten die Reichs- und die preußische Finanz-Verwaltung gewillt sein, bald mit Begebung von An leiben vorzugehen. Die „Nat.-Ztg." hört, daß eine derartige Begebung in naher Frist nicht beabsichtigt wird. — Einer aus ärztlichen Kreisen hervorgegangencn An rcgung entsprechend, hat das kaiserliche Statistische Amt in der Erimiiialstatistik für daS Jahr 189» eine Sondcr-Untcrsuchuiig über die Eriminalität der Aerzte veranstaltet. Danach wurden in dem genannten Jahre im deutschen Reiche 83 approbirte Aerzte, ferner ein „Wundarzt", ein „Homöopath", ein „Mediciner", ein „wandernder Heil künstlcr" und ein „Naturarzt" (die letzteren fünf lauter vor bestrafte Leute) wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichs gesetzt vcrurtheilt, darunter mit Zuchthaus (wegen Unzucht mit Gewalt) einer, mit Festung (wegen ZwcikanipscS) zwei, niit Gcsängniß (wegen fahrlässiger Körperverletzung, Ab treibung, sabrlässiger Tödtung, Beleidigung) fünf, mit Geld strafe 75, davon 5» wegen Beleidigung, l» wegen Körper verletzung. 4 wegen Zuwieerhandlung in Bezug aus die Eon cessionSpflicht, von den übrigen je einer wegen Hausfriedens bruchs, WiperstandS gcge» die Staatsgewalt, Anmaßung eines öffentlichen AmtS, Beorohiing, Unterschlagung und Verletzung fremder Geheimnisse. Nach dem Medicinalkalentcr von 1891 gab es im Jakrc 1890 in Deutschland zwischen 17 00» und l8»»0 approbirte Aerzte, so daß auf je 1»»» derselben etwa 4,7 Verurthcilte kamen. Dem Lebensalter nach standen 5», vea Verurtheiltcn im Alter von weniger als 4» Jahren; 28 waren ledig, 5l verbeiratbet, 4 vrrwittwct; 42 evangelisch, 3» katholisch. 9 jüdisch. Auf Preußen kamen 41, auf Süddeutschland 34 aus die mittel und norddeutschen Staaten (ercl. Preußens 8 — Der Präsident deS Abgeordnetenhauses, Wirkt Geheimer Rath von Kötter, begeht am 17. Februar das Fest seines sieb zig slen Geburtstages. — Die Steuerresorm-Eonimission deS Abgcord netenhäuscs erledigte Abends den Rest LeS Ergänzung- stcucr-GeseyeS fast durchweg nach den Beschlüsse» in erster Lesung und nabm in der Schlußabstimmung daS ganze Gesetz mit 22 gegen 5 Stimme» a». Damit ist also wieder die obligatorische VcrmögcnSanzeige abgelchnt. Der Finanz minister behält sich vor, dazu Stellung zu nehmen. — Der Berliner Gnmnasiallehrer-Verei» hat in seiner letzten Sitzung folgende Resolution gefaßt: In Erwägung 1) daß weder der Gesaiiiiiitslellenetat, so wie er jetzt für die städtischen Voll anstatten Berlins besteht, noch die Eüizeletats an den städtischen Realschulen den gesetzlichen Bestimmungen des preußischen Norinat etats vom l. Aprit 1893 an entsprechen werden; 2) das bereit- an 170 städtischen höheren Lehranstalten Preußens die DirnstalterszuIagen eingesührt sind, von einzelnen Eommunen sogar unter Erhöhung der »aatlichersett» anerkannten Gehalt« (j. B. von «harlottenbnra »»j« ISO 3) daß infolge Einziehung von 36 Stelle» bereit- fett de» 1. April 1892 an sämmtlichc» städtischen Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschnlen kriaerlet Ausrücker» siattgefundea hat. auch z» Ostern dieses Jahre- kaam in AnSsicht steht — spricht der Berliner Gymnasialledrer-Bereia die bestimmte Erwartnag an«, daß die tädtischen Behörden Berlin» da« System der DleuftaltrrS» ulagen bei den städtische» höheren Lehranstalten »och für da» iktatejahr 1893 94 einsikhrea »erdea. - Der deutsche Fleischerverband hat demBundr«- rath eine Eingabe zugehen kaffen, in welcher er um dir Ein übrung einer obligatorischen staatlichen Biehversicherung bittet. — Der deutsche Fischereiverein hält am 17. d. M. eine diesjährige Generalversammlung ab. Auf der Tages ordnung steht außer geschäftlichen Angelegenheiten ein Vertrag des vr. Lindemann-Bremen über dir volkSwirthschastliche Be deutung de» Herings. * Danzig, 14. Februar. Eine am 10. d. in Dirschau ab- gchaltene polnische Wähler-Versammlung wurde von dem überwachenden Polizribeamten aus dem Grunde auf gelöst, weil die Redner polnisch sprechen wollten. Der Polizeibeainte erklärte nämlich, daß er polnisch nicht verstände und somit den Verhandlungen nicht folgen könnte Ter Ein- berufcr der Versammlung bat, der „Köln. BolkSztg." zufolge, den Beschwerdeweg betreten. AuS demselben Grunde wurde neulich eine polnische Wähler-Versammlung in BrunSwalk aufgelöst. Wilhelmshaven» 15. Februar. DerLhef der Manöverslolte, Biceadmiral Schröder, ist hier «iagetroffen, um der Inspicirung derselben durch den Kaiser und der Vereidigung der Recruten bei- zuwohnen. * Hannover, 14. Februar. Bei dem schon erwähnte» Volk-fest, welches die hiesigen Katholiken zur Feier deS 50jährigen BischosSjubiläumS de- Papste- im „Palmcn- garten" veranstalteten, hielt ReichStagSabgeordneter Professor )r. Schädler bekanntlich die Festrede, vr. Schädler ent warf nach einer längeren Einleitung, die dem Andenken deS „ Triui» pbatorS" Windthorst galt, besten Ruhestätte in der Marienkirche jedem deutschen Katholiken die Stadt Hannover heimisch »lache, rin in den hellsten Farben ausgetragcneS Gemälde veS Papste- al- Arztes für die kranke Menschheit. Die Krankheiten, an welchen die Gegenwart leidet, sind nach Ansicht des Redner- die Unwissenheit und die Unzufriedenheit aller Stände mit allen Verhältnissen, vr. Schädler rühmte die Verdienste Leo» Xlll. auf wissenschaftlichem und socialem Gebiete. Die Tbatsack'c, daß der Papst mit einer Liberalität wie kein europäischer Fürst die Archive des Vatikan- allen Historikern ohne Unterschied der Nationalität und Consession geöffnet babe, beweise, daß er Licht verbreitet haben wolle. (>'L. Nachdem, wie Döllingcr sagt, die Archive von den Jesuiten gehörig purificirl sind.) Da« von ihm, wenn auch nicht als Erstem oder Einzigstem ausgestellte sociale Programm sei maßgebend für die Ausgaben, für die Pflichten und Rechte aller Betdriligten auf socialem Ge biete. Die Geschichte werde Leo XIII. den socialen Papst nennen. Im Lause seines Vortrages nannte Redner Leo Xlll. den Papst der Armen und Elenden, der Enterbten der Gesell schast, der gesammten Arbeiterschaft (!). Leo Xlll. sei r» zu danken, daß die Zeit dahin sei, wo man den Arbeiter als eine Nummer oder Maschine betrachtete, die zum alten Eisen geworfen werke, sobald sie abgelansen sei. Ein An fang zum Besseren sei gemacht. Seit 1500 Jahren sei Leo Xlll. der Erste, der den Stuhl Petri ebne die Krone des weltlichen Besitze» bestiegen habe. Dieser Besitz sei ihm von ungerathcncn Söhnen geraubt, die, nach dem, was sie selbst gethan, keinen Anspruch aus daö Recht der Legitimität haben. An der Person Leo » Xlll. werden sich die hcranrollenden wilde» Wogen, welche die Grundpfeiler der Welt, nämlich daS Eigenthum, die Ehe und die Autorität untergraben wollen, brechen. — Voller konnte Herr Vr. Schädler den Mund nicht nehmen. Indessen — eS ist doch gut, daß man wcnigstens im protestantischen Deutschland Leo Xlll. als „socialen" Papst „voll »nd ganz" erkannt hat. In den meisten rein katholischen Ländern bat man sich merk würdigerweise dieser Erkenntniß bisher entweder verschlossen oder sich nicht an sie gckrbrl. Sonst wäre e« unerklärlich, weshalb Belgien, Italien, Spanien, Portugal, die südameri konischen Republiken ,c. in der socialen Gesetzgebung so weit hinter den protestantischen Ländern zurückgeblieben sind. * l-ffrn, 15. Februar. Vor der hiesigen Strafkammer wurde heute die Beleidigungsklage der Eiscnbabndirection Köln (rcchtS-rheiuisäi) gegen die Rcdacteure der „Westfälischen BolkSzeitung" FuSangel und Lunemann verhandelt. Die Sache war schon zweimal vertagt worden, da mau glaubte, sic werde durch eine Erklärung FuSangel- ihre Erledigung finden. Nach der Anklage soll ein Artikel der „Westfälischen BolkSzeitung" vom November 1891 den Vorwurf der Nachlässigkeit und Bestechlichkeit gegenüber den Abnahme beamten der Eisenbahnverwaltung enthalten. Herr FuSangel behauptet heute daS Gegcntheil; er habe dir Ab uahmrbeamte« gegen d«n Borwurf der Nachlässigkeit in Schutz nehmen wollen. Ein hoher Beamter und ein Mitglied der »eutrumSpartei hätten bei ihm in de» letzten Tage» ihre» l ttnfluß dakin geltend zu machen gesucht, durch eine Erklärung die Sacke au» der Welt zu schaffeo: aber er könne doch nick: etwa- zurückaehmen, was er nickt behauptet habe. Der Ver treter der Staatsanwaltschaft beantragte gegen Lunemana 100 Geldstrafe und gegen FuSangel vier Wochen Gr Lngniß. Der Gerichtshof erkannte auf Freisprechung unc leberwrisung der Kosten auf die StaatScaffe. Die Ertlärung suSangel's, er habe lediglich die Integrität der Abnahme- >eautten vom Eiseubahnministeriuin vor der Oeffentlichkcit ge chützt wißen wollen, wnrde als zutreffend angenommen; auch wurde dem Angeklagten der Schutz des tz. ltz.c des Strafgesetzbuches, Wahrung berechtigter Interessen, zu gebilligt. (Köln. Ztg.) * Stuttgart» 14. Februar. Wie au» einem Artikel des Bcob." hervorgeht, dürfte der Fall Scheler im Land tage zun> Gegenstand einer Interpellation gemacht werte». Flugeladjutant Oberst Graf v Scheler bat versucht, mn einem Eisenbahnbillel zweiter Claffe die Fahrt erster Elaste mitzumachen, und den ihn zur Rede stellenden Beamten m.i Schimpfworten tractirt. Es ist nicht bekannt geworden, daß zegen Scheler eine gerichtliche Untersuchung riogrleitet worden ist; man weiß nur, daß er sich zu einem Entschuldigung« chreibeu hrrbeigelaffrn hat. Außerdem soll der beleidigte Beamte auch noch einen Verweis erhalten haben. OefterretchU»gar». * Wie«, 16. Februar. (Telegramm.) Prinz Ferdi nandvon Bulgarien ist gestern Abend hier eingetroffei, — Zu der Duellaffaire, welche sich in einer Sitzung der Handelskammer anläßlich der Frage deS Flaschenbier mndel- durch einen scharfen Wortwechsel zwischen den, HantelSkammerratb Beysuß und dem Generaldirektor der Nortbabn, IeitteleS, entsponnen hat, wird gemeldet, daß die Polizei, hiervon benachrichtigt, den Erster«, vorgeladen hat, um ihn auf die Ungesetzlichkeit seine» Vorgehen» ausmerksan, zu machen. Beysuß erklärte daraus, da» Duell habe ja neck nicht stattgefunden. Man hofft auf eine friedliche Beilegung der Sache. Arankreich. * Pari-, 15. Februar. Die Teputirtenkammer setzte die Beratbung deS Budget- fort und genehmigte mit 307 gegen 145 Stimmen den Antrag, eine Steuer von jährlich 10 Franc» auf Piano» einzufükren. — Die Befehlshaber der Armercorp» an der französischen Ostgrenze sinr beim Krieg-minister um Erhöhung der Iststärke ihrer Infanterie vorstellig geworden. Seit Errichtung der 18 vierten Bataillone naben die im DivisionSvrrbanr vereinigten, zur Grenzdcckung bestimmten Regional regimenter ihre erhöhte Iststärke von 165 Mann für die Compagnie verloren. Infolge davon glaubt man sich zegenüber den deutschen Truppenaufstellungea an der Grenze insofern im Nacktheit zu befinden, al» man gezwungen wäre, im Fall einer Mobilmachung je zwei französische Compagnien der Grenzdcckungstruppen einer starken Compagnie deutscher seit» rntgegenzustellen, dir in beiden elsaß-lothringischen ArmeecorpS in der Stärke von 180 Mann gehalten wird. Belgie». * Brussel, 15. Februar. Dem Blatte „Patriote" zufolge erhielt die Regierung die Versicherung, daß die Radikale» im Falle der Ablehnung de» allgemeinen Stimm rechts für die Regierungsvorschläge stimmen werden, um eine Kammerauflösung zu vermeiden. Italien. * Ra«, 15. Februar. Der König lehnte es ab, Bonghi behufs Rechtfertigung zu empfangen. Bonghi selbst er klart, daß der „Matin" seine Auslassungen gegen den Drei bund gefälscht habe. Der Inhalt sei apokryph. Portugal. * Liffaban, 15. Februar. DaS Journal „Do Commercio" bringt einen Aussehen erregenden Artikel, in welchem der König ersucht wird, die Minister zu entlassen und die Lösung der Finanzkrisi» selbst zu letten. Man nimmt au, daß eine Ministerkrisis unmittelbar bevorstehe. Großsbrttauuie«. * Landan» 15. Februar. Dir irischen Unionistcn haben bereit» beschlossen, in Ulster sofort einen ausgedehnte» Rrdesrldzua gegen die Homerule-Bill zu veranstalten uitt an allen Orten von Schottland und England, wo Dissenters in größerer Anzahl wohnen, eine Reihe von Riescnkunt gedungen in Scene zu setzen. — Justin Mac CartHy tele graphirte dagegen an den Präsidenten der irischen Föderation in New-Aork: „Ich bin glücklich. Sie davon benachrichtige» zu können, daß die Homerule-Borlage Irland eine bessere und Gertrud Felde» athmete aus. tief, schwer, wie erlöst von angstvoller Pein. Sie wollte vorwärts durch den strömenden Regen, obne umzublicken nach ibm, der ihr langsamer folgte, aus der Ferne sie zu beschützen in dem einsamen, dunklen Walde. Die Nacht war hereingebrochen, al« Gertrud im Herrenhause ankai» Rasch erzählte sie, daß sie in der Grotte Schutz gesucht vor dem Unwetter und dann dock durch den Regen geeilt sei, als die Dunkelbeit dereinbrach. Kein Wort von der Begegnung mit Doctor Justus kam über ibre Lippen; sie nannte nickt seinen Namen und freute sich, daß die Anderen es auch nickt timten. Bald daraus lag sie, von Frost geschüttelt, >n ihrem Bette. Sie batte die Augen geschloffen, und ibre Zähne bobrten sich i» die Lippen Kein Schlaf kam in dieser Nackt über sie; sic wachte, mit Len verschiedensten Empfindungen kämpfend. Die stolze Gertrud konnte sich selbst nicht mehr verstehen, wenn sie daran backte, welche Gewalt jener Mann auf sie übte, von ccm sie nickt wußte, ob sie ihn lmßie oder liebte, den sie zu sürckten begann, weil sie ahnte, daß er eingriff in ihr Schicksal. Vlll Mit einem seltsam beklemmenden Gefühl in der Brust batte Doctor InsluS Gertrud Felde» nachgeblickt, als sie sich so plötzlich von ihm gewendet, halb in scheuer Angst, halb in verletztem Stolz. Er folgte ibr in einiger Entfernung bis zum AuSzange de» Waldes, dann kehrte er langsam zurück, gedankenvoll, den Regen nicht beachtend, der aus ibn niederfloß. Da» küblende Naß lbat ihm unbewußt wobl. Die Kopfwunde, die er bei dem Anprall gegen den Felsen davongctragcn, die er ganz vergessen hatte, so lange Gertrud Felten in seiner Nähe war, begann ibn jetzt zu schmerzen. Unwillkürlich tastete er mit der Hand danach und zuckte zu sammen, als er die blutige Stelle berührte Einen Moment lehnte er sich an einen Baum. eS befiel ibn rin Schwindel. Tic große Erregung der vorbergegangeucn Stunde batte ibn, den Starken, dock einen Augenblick übermannt Tann schritt er vorwärts, fand sein Pferd an den Baumstamm sestzebunden, wie er e» verlassen, bestieg es und ritt, so rasch er im finstern Walde fvrtlomnien konnte, nach Schloß Schönburg. Gras Gllntber Schönburg stand am Fenster de- Speise- saaleS, als Doctor Iustn» in den Sckloßparl ritt, und beob achtete ibn kopfschüttelnd. „Sonderbarer Kauz", niurnielte er mit lächelndem Munde, „scheut nicht Wind noch Wetter, bat viel von Eavalirr Schade, spielt nicht, trinkt nicht — wäre sonst ganz charmanter Gesellschafter " Die woblwollentc Stimmung gegen Doctor Iustu» ging bei Günther Schönburg so weit, rag er kurz darauf an rer Thür des Arztes anklopfte: eS war da» erste Mal, daß er den Gast seines OkeimS in dessen Zimmer aufsuchte. „Ah, Sie, Graf Günther", begrüßte ihn JustuS obne große- Staunen, als ob eS nicht eine besondere Ehre wäre, die der Graf ibm erwies. „Verzeihen Sie, nur einige Minuten, ich muß mich um kleiden; dann bin ich sofort zu Ibren Diensten. Bitte, eS sich bequem zu machen." Graf Günther blickte sich um i» dem ziemlich großen Parterrezimmer, da» sebr einfach eingerichtet war im Ver hältniß zu den übrigen Räumen deS Schlosse» und zu der verschwenderischen Pracht der kleinen GartcnbäuSchen Ein großer Arbeitstisch war beladen mit Schriften und Zeich nungen, Bauplänen und vielen anderen Dingen, die zeugten, daß hier ernstlich gearbeitet wurde. Mit einem beinabt unbehaglichen Gefübl sab Günther Schön burg aus die Rechnungsbücher, die aufgeschlagen da lagen. Zahlen flößten ibm stets ein gelinde» Grauen ein, er hatte da» Rechnen nie geliebt und hatte bisher auch ohne zu rechnen ganz aut gelebt. „Wissen Sie, Doctor, langweile mich rasend in meiner Clausur. Muß Zerstreuung baden", begann der Graf und warf sich gäbnend in da» Sopba. „Reiten Sic meinetwegen in die Nachbarschaft, machen Sie Besuche, meine ärztliche Erlaubniß sollen Sie haben", erwiderte durch die halbgeöffnete Tbür deS nebenan liegenden Zimmers Doctor JustuS „Möchte morgen nach Felben, den Damen meine Auf wartung machen. Tie schöne Gertrud kenne ich aus der Haupt stadt. Hochmütbig wie Luciser ist sie, reizt mich durch ibre Kälte, — pab — werd' sie schon erwärmen — wäre daS erste Mal, daß ein Weib mir widerstände." Günther hatte eS nur halblaut vor sich bin gemurmelt mit einem Lackeln der Befriedigung auf den Lippen und mit halbgesenktea, müden Augenlidern Doctor JustuS hörte r- deullich, aber er antwortete nickt. Es zuckte in sei nem Gesicht wie rin Wetterleuchte»; dunkle Rötde schoß in seine Schläfe, seine Brust atbmete tief und schwer. Es kämpfte in ibm eine Gewalt gegen die andere. Es war die Gewalt der Liebe, dir um jeden Preis sich in den Besitz der Geliebten setzen will, und die dagegen ankämpscndr Gewalt vorsichtiger lleberlegung, kalter, ruhiger Erwägung, die dazu gehört, daS Glück zu einem dauernden zu gestalten, zu einem für- ganze Leben, da» erst durch Prüfung gegangen und sich stark und fest erwiesen für alle Zeit durch bewährte Treue. „Gertrud, Du magst wäblen zwischen ihm und mir", flüsterte er leise in sich hinein mit einen« stolzen Aufleuchten in den Augen Dann fügte er beinahe zaghaft hinzu: „Zwischen ibm, dem Grafen, und mir, dem Arzt, und liebst Tu mich mebr al« ibn, seinen erhofften Reichlbum, seine Schönheit, seine Jugend, dann — dann sollst Du eia be- ncidenSwertbeS Glück finden — Du und ich!" Doctor JustuS beugte sein Haupt tief ans die Brust, in der es noch immer wogte und kämpfte. Er fühlte, daß er viel wagte, daß er ein große-, in diesem Augenblicke beiß begehrte« Glück auf die Waagschale legte, die sein LebenSglück abwägen sollte, die aber vielleicht emporschnrllte und da», wa» ihm jetzt alles war, zu einem Nicht» werden ließ bei seiner gewagten Probe auf Echtbeit. Noch bedurfte er einer Minute, sich zu sammeln, dann trat er a»S seinem Schlafzimmer hinaus. Einen langen, forschenden Blick heftete er aus den jungen Grafen, den er jetzt als eine« Nebenbuhler zu betrachten batte. Er vrrbeblte sich nickt, daß jener Vorzüge genug besaß, um ein junge-, stolzes Weib zu blenden. Günther « elegante, schlanke, schmieg same Gestalt erhob sich plötzlich vom Sopha; rasch trat er zu dem Arzte, den er um Kopfeslänge überragte, und sichtlich erregt sprach er: „Kommen Sie, Doctor, wollen rin Gla« Secl trinken; der Gedanke an die schöne Gertrud bat meine Lebensgeister geweckt. Seit ich sie bier im Parke sah und un gesehen beobachtete, ibre schmachtenden Blicke erhaschte mit meinem scharfen Krimstecher — seitdem» Doctor, bin ich ver liebt wie noch nie in meinem Leben " „ES schein» so", rntgegnete trocken Doctor Iustu». „ES ist so", rntgegnete Günther bestimmt. „Morgen gehe ich nach Felten, mache meine Aufwartung, hoffe, daß eine glückliche Zeit beginnt." „Sic wollen um die Dame ernstlich werben?" fragte JustuS, ohne Günther Schönburg anzublicken. „Uni ihre Liebe werben, ihre Gunst" — erwiderte feurig der junge Mann. „Und um ihre Hand?" fügte Doctor Iustu« fragend hinzu. „Je — nun — daran habe ich noch nicht gedacht — wer denkt auch zuerst an« Heiratben, Doctor» Sie kenne» die Welt wenig. Man liebt, unterhält sich, aber gleich heirathrn ist un praktisch — bat noch Zeit. — Auch muß ich Geld haben, eine reiche Frau — sie braucht nicht so klug zu sei», wie Gertrud Felden. Mein Onkel könnte mich doch uoch lauge warten taffen auf die Nachfolge im Majorat." E« stammte auf im Gesicht de« Arzte«, sein Auge blitzte Günther an, daß dieser einen Augenblick stockend mnehielt. Wa« mochte der Doctor wohl baden, daß er ihn zuweilen so ansah mit einem Blick, der ibn niederschmrttern zu wolle» schicn, fragte sich Günther Schönburg; aber der Gedanke kam ihm nicht, daß der Arzt da« Mädchen lieben könnte, von dem er so sprach. Doctor Iustu« beherrschte sich gewaltsam, er drängte da« Wort zurück, da« ibm aus den Lippen schwebte, da«, batte er eS ausgesprochen, jeorn tödtlich beleidigt, einen Kampf zwischen seiden heraufbeschworcn hätte, der nicht gütlich sich wieder beilegen ließ, und dir» wollte Doctor Iustu» nicht, e» Halle eine Pläne vernichtet. Bride Herren betraten da» Speisezimmer sind ließen sich an der reich besetzten Abendtafel nieder. Doctor JustuS berührte die Speisen kaum, er war blasser al» gewöhnlich und trank hastig einige Gla» prickelnden Champagner; in seiner Kehle brannte «», und seine Brust war ihm eng zum Ersticken. Zerstreut nur lauschte er den Reden Günther Schönburg'«, der heute animirter al» seit langer Zeit war; die Aussicht auf rin neue«, zartes Ver- bältniß schwellte ihm die Brust mit kühnen Hoffnungen. „Doctor, ich kenne die Frauen besser al» Sie — und diese stolze Gertrud Felden wird nickt ander» sein als alle", rübmte sich Günther Schönburg; Zir wird sich freuen, einen Anbeter hier in dem langweiligen Nest zu haben." „Beisuchen Sie e» nur", klang e« zurück. Doctor Iustu« erhob sich plötzlich. E» war ihm unmög lich, länger in der Gesellschaft de» frivolen Spötter« zu bleiben, der nicht an Frauenluaend glaubte. Bor noch nickt langer Zeit hätte ibm Iustu« beigestimmt; heute schmerzte ee ibn in tiefster Seele, er hatte kaum seinen Glauben an das Weib wiedergesuudrn und wollte ibn nicht mehr verlieren, weil ibn derselbe beseligte. Liebe und Reiabeit de- Herzens dünkteu ihn da» schönste, beste im Weibe. ,A«n Stolz wird sich beugen, Gertrud, da« hoffe ich", flüsterte Iustu», „er wird sich meiner Liebe beugen." Er kämpfte mit sich. Ein einzige« Wort hatte genügt, den Nebenbuhler au» dem Felde zu schlagen. Mehr al« ze fühlte er sich an da» schöne Weib gefesselt, deffen Zauber rhn bestrickte. Wenn er dir« eine Wort sprach war st« sein, da« wußte er. Iustu« ging noch lange Zeit erregt in seinem Zimmer umher, endlich nahm er eine kleine Schachtel au« dem Fache seine« Schreibtische» und mischte sich in ein Gla» mit Wem eia Pulver, um sich Ruhr zu schaffen für die Nacht. Bald lag er traumbrfangen, und rin glückselige» Lackeln umschwebt« seine Lippen. Dir strahlende Morgensonne blickte au» wolkenlosem Himmel binab auf die vom Sturm und Regen der ver aaoaruea Nackt niedergeworsenrn Saaten der Felder, die zu Schonburg gehörte», auf die schwere», vollen Aehren. die, der Reife sHon nahe, sich niedrrgrlegt unter der Wucht de« «iederstromrnden Regen« und nun gierig die heißen Slrablen aufsogea, die ihnen wieder Kraft verleihen sollten, sich rmpvr- zunchten. (Fortsetz»», folgt.)
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