Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930703025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893070302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893070302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-07
- Tag 1893-07-03
-
Monat
1893-07
-
Jahr
1893
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-PreiS Dt dir Haupteppedittoo oder den im Ltadt» d«trk und den Vororten errichteten AuS- anbetlellen abgeholt. vierteljährlich.«S.üO. «et zweimaliger täglicher Zustellung int tzan« >l b.SO. Durch die Post bezogen für »rutschland und Oesterreich: viertel,ädrlich S.—. Direkte tägliche Ureuzbandienvung tut Lutland: monatlich 7.LO LieMorgen-BuSgabe erscheint täglich '/,7Uhe, di« Abead-Lutgabe Wochentag» ü Uhr. Ne-action und Lrpe-ition: Johannes,asse 8 Di»En>ebitioa ist Wochentag» ununterbrochr» geöjjaet uou früh 8 bit LbeudS 7 Uhr. Filialen. vtt» m«««'« Lortim. «llfred Hahn», Uuivrrsitättstraße I. Lont» Lösche. Kacharineusrr. 1t, pari, und SönIgSplatz 7. Abend-Ausgabe. und Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgcschichte, Handels - und Geschäftsverkehr. Nnzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclainen unter dem RedactionSstrich (tue- spalten, äO^. vor den Familieniiachrichtr» (6gejpaiten) 40/^. Größere Schriften laut unierem Preis« vcrzeichniß. Tabellarischer und Zisserusa- unch höherem Tarif. tkrtra-Vrilagr» igefalzt). nur mit det Livrgen-Lntgabe, ohne Poslbesvrderuug 60.—, mit Poslbrsürderung 70.—^ Ännahmetchlub für Änzeigr«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» t Uhr. So»»- und Festtags früh '/,8 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je riu» halbe Stund» früher. Anzeigen sind siet» an di» Er-editt«» zu richtea. Druck und Verlag von lk. Polz t» Lelpztg. ^ 335. Montag den 3. Juli 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesscharr. ' Lei»,>,. 3. Juli. Dir V.Lr,t«1aturperiode des deutsche» Reichstages nimmt «orgen ihren Anfang. Zum dritten Male tritt ein Reichs tag zusammen, der einen vor Ablauf seiner gesetzlichen Dauer aufgelösten Vorgänger zu ersetzen hat. In den beiden früheren Fällen bat die Regierung ihren mit der Ausschreibung von Neuwahlen verfolgten Zweck — da» eine Mal den Erlag eine» TocialistengesetzeS, das andere Mal die Verstärkung und Sicherstellung der Wehrmacht — erreicht und auch diesmal dürste rin solcher Erfolg erzielt sein. Ob aber die Acbnlichkeit weitrrreichen wird, ist zweifelhaft. Während mit dem Reichstag von 1878 eine ersprießliche Gesetzgebung auf wirtbschastS- politischem Gebiete vereinbart werden konnte, und der Sep- tenat-reichStag gleichfalls eine vielseitige fruchtbringende Wirksamkeit entfaltete, insbesondere das Invalidität«- und AlterSversickerungSgesetz zu Staude brachte, scheint die Zu sammensetzung des morgen in Tätigkeit tretenden Parla ment« zuversichtliche Hoffnungen auf positive und zugleich willkommene Leistungen kaum zu rechtfertigen. Freilich — und die« ist gewichtiger als seine Zusammensetzung — siebt diesem Reichstag auch eine sehr viel anders geartete Regie rung gegenüber, als eS diejenige war, mit der die 1878 und 1887 gewählte Volksvertretung zusammenwirkte. Schon die Entstehungsgeschichte des neuen Reichstags deutet auf diesen Unterschied. Die Regierung, nickt wie 1887 eine starke intransigente Mebrbeit war es. welche die Situa tion hrrbeiführte, aus der nur die Auflösung einen Aus weg bot. Graf Caprivi hatte bei seinem Amtsantritt «inen Reichstag vorgesunden, dessen Vater der Haß « g « n den alten CurS, gegen den Fürsten i-marck gewesen war. Der neue Kanzler hatte wahrlich nicht« grthan, dieses Gefühl der MebrbeitSparteicn zu ver letzen, er hatte auch sonst jeder dieser Parteien ein vom Standpunct des Nationalstaats oft nickt unbedenkliches Ent gegenkommen bezeigt, er galt ihnen Allen, den Ultramontanen, den Deutschfreisinnigcn und nicht zum wenigsten den Social- demokraten als kostbar, und als er zum ersten Male von ihnen Unterstützung verlangte — wurde sie verweigert. Da die Regierung unter den Gegnern der HeereSresorm nur ,um kleineren Theile starre Doctrinaire und in der Mehrzahl bockst praktische Realpolitiker, die ihr noch überdies wohl wollten, vor sich batte, so verstebt e« sich von selbst, daß der schließlich« Mißerfolg nur durch die Tactik ihres Leiters bcrbei- geführt sein konnte. Graf Caprivi batte sich die oppositionelle Mehrheit Windtborst-Richter-Grillenberger, welche Fürst BiSmarck 1887 vor fand, durch eine verfehlte Diplomatie unter dem Namen Lieber-Nickter-Bebel „zusammenversöhnt", und sich die Notbwendigkeit, den Reichstag auszulösen, selbst geschaffen. Der neue Reichstag zeigt ein wesentlich anderes Bild, als der von 1887, ober auch er wird die Militairvorlage annckmcn. Es könnte die» den neuen Cur» in seiner Selbstgenügsamkeit zu dem Glauben verleiten, dieser Erfolg sei jein Verdienst. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen ist darum der rechte Zeitpunkt, auszusprechen, was, in der Wahlbewegung gesagt, dem angrstrebten nationalen Zweck zuwibergelaufen wäre, daß nämlich da- Gcgentkcil die Wahrheit ist, daß eine Mehrheit für die Militairvorlage nicht dank und nicht wegen der Regierung, sondern trotz dieser Regierung zu Stande gekommen ist. Die nationalgesinnten Elemente der Bevölkerung wählten für die Heeresverstärkung um des Friedens, um der Sicherheit, der Ehre willen. Viele überdies, weil sie der Meinung waren, Handel und Gewerbe erheischten eine rasche Beseitigung dieser Frage. Wenn die Regierung sich von Kennern der Volks stimmung insormircn laßt, so wird sie erfahren, daß gerade in unbedingt nationalen Kreisen betont wird, daß da« Volum für die Militairvorlage nicht zugleich ein Vertrauensvotum für die gegenwärtige Leitung dcS Reiches bedeutet. Auch würden, nebenbei bemerkt, Parteien und einzelne Ab geordnete schwer irren, wenn sie die Unterstützung, die sie bei den Wählern gefunden haben, als eine Billigung ihrer ge- saminten Haltung in der verflossenen Legislaturperiode, be sonders auch in der Angelegenheit des Steckbriefs wider den Fürsten BiSmarck, aufzufasseu sich berechtigt balte» wollten. Die Negierung aber sollte in dem Wablcrgebniß um jo weniger eine» von ihr erfochtcnenSieg erblicken, als sic iin neugc- wäbllcn ReickSiag, wenn man von der Militairvorlage absieut, eine» sckwe reren Sla» d haben wird als im vorige». Und auch binsichtlick der Militairvorlage wird Herr Barth nickt irren, wenn er schreibt: „ES gehört eine sichere und gewandte staatS- männische Hand dazu, die Sacke zum guten Ente zu führen". In allen übrigen Dingen ist der neue Reichstag vorerst unberechenbar. Nicht nur daS Verhältniß der Par teien zu einander ist verschoben, eS kommt auch keine bürgerliche Partei mit demselben Ckarakter zurück, mit dem sie den alten Reichstag verlassen hat. Zwei Parteien befinden sich in einer schweren inneren Krisiö, für alle anderen beginnt eine neue Entwickelungsperiode. DaS Unsichere der Lage wird dadurch vermehrt, daß keiu Staatsmann da ist, der dem Werdenden Gestalt zu geben ver mag, und keine Partcigruppirung, die stark genug wäre, der leitungöbedürftige» Regierung den Weg zu zeigen. Wenigstens keine Gruppirung positiver Parteien. Eine „Cartelmehrhcit", wie sie die demokratische Kurzsichtigkeit noch bei den Stichwahlen als daS Uebel aller Uebel bekämpft Kat, ist nicht vorhanden, dafür aber die Möglichkeit einer ultramontan-conservativ-antisemitischen Mehrheit, die in manchem „Unentwegten" die Sehnsucht »ach einer Cartel- mehrheil erwecken würde. Freudigen Blickes vermag die Nation ihre Vertretung nicht zusaiumcntretcn zu sehen, sie darf aber hoffen, daß das neue Parlament, welches die Klärung der inneren Zustände nickt bringen kann, die Ge sundung anbahnen wird. Zunächst wird daS deutsche Volk sich befriedigt füklen, wenn die Angelegenheit der HecreS- reform mit Würde einem guten Ende entgegcnzesührt ist. Im Lager der Socialdemokratie von Belgien ist, wie dies auch in andern Ländern ja schon vorgekommen sein soll, während der letzten Tage ein Bruderstreit auSgebrockeu, der dazu gcfübrt hat, daß der biSbcr in Belgien einflußreichste Socialistenfübrer Jean VolderS seine Aemter in der Partei und vor Allem die Leitung des SocialistenblatteS „Le Pcuple" aufzugcben sich gezwungen sah. Daß innerhalb der belgischen Socialdcmokralie, die sich stets gern als eine politische Muster- partei verherrlichen ließ. Manches faul ist, war den Kundige» längst bekannt. Hatten, um nur eins hcrvorzuheben, dock allein die AuSständc in de» socialistiscken Cooperativvereine» zu Brüssel und Gent diese faulen Zustände zur Genüge aus gedeckt und allenthalben die llebcrzeugung bervorgernfeii, daß eS mit den socialdcmokratischcn Einrichtungen eben nicht besser bestellt ist, als mit den „bürgerlichen" Einrichtungen. Nun hat der Rücktritt des bedeutendsten Brüsseler Svcialisten- sührerS der Sacke die Krone aufgesetzt. Die Ursachen dieses für die weitere Entwickelung der belgischen Socialdemokratie wichtigen Ereignisses sind folgende Jean VolderS hat sich unter den belgischen Socialistensührern stets durch eine verbältnißmäßige Mäßigung ausgezeichnet und insbesondere die Berührung der socialdemokratischen Partei mit den anderen politischen Parteien des Königreichs für notbwendig erklärt. Während die übrigen socialistiscken Localgrößen ebenso kestig wie unklug für die Abschaffung des Senats in der neuen Verfassung eintrate», erklärte sich VolderS im „Pcuple" im Gegentbeil für die Schaffung eines auf demokratischer Grund lage aufgebauten Senats, in welchem alle Interessen vertreten sein sollten. Dieser vernünftige Gedanke genügte, um einen völligen Bruch zwischen VolderS und dem Generalrath der belgischen Arbeiterpartei herbeizuführen. Der Brüsseler General- rath versammelte sich in aller Eile und forderte den Cbef- rcdactcur de« Parteiorgans aus, seinen Feldzug zu Gunsten der Erhaltung eines Oberhauses in der neuen belgischen Ver fassung aufzugcben. Vvldcr'S weigerte sich, der Aufforderung der zumeist ganz unwissenden Generalrätbe nachzukomme» und legte sofort alle seine Aemter in der socialdemokratischen Partei nieder. Damit hat sich ein Bruck im belgischen Socialistcn-Lager vollzogen. Denn zweifellos besitzt VolderS zahlreiche persönliche Anhänger, die ihm HeereSsolge gegen den Generalratb der Arbeiterpartei leisten werden. Unterdessen ist die belgische Socialdemokratie ihres be» dcutenksten Führers beraubt. Denn VolderS gekört nickt nur zu de» wenigen guten Rednern, über welche der Generalrath der belgischen Arbeiterpartei verfügte, sondern auch zu den populärsten Aposteln der Socialdemokralie. Die bentige Organisation der letzteren in Belgien ist sein aus schließliches Werk. Er hat den „Penple" in« Leben gerufen, und die Thatsacke, daß er jetzt den Laufpaß erhält, beweist, daß die Socialdemokratie gerade diejenige Partei ist, innerhalb welcher jede freie MeinuugS-Aeußerung strengstens untersagt ist. Und eine solche Partei will die Welt beherrschen und spielt sich als die „völkerbefreieute" auf, während sie selber von einer Unduldsamkeit ist, wie cö kaum eine der Bourgeois- Parteien aller Länder zu Wege bringt! Kaum haben sich die Diincn von der Ueberraschung erholt, welche ihnen die agrarische Bewegung bereitet hat — und diese ist noch keineswegs zu Ende, wird vielmehr in diesen Tagen in verschiedenen jütländischen Versammlungen aufs Reue zur Sprache kommen — da ist den „Franzosen dcS Nordens" von Kopenhagen aus bereits eine neue, noch größere Ueberraschung bereitet worden, die ganz danach angetha» ist, als solle durch sie ein wirthschastlicher Krieg in Däne mark bervorgerusen werden. In Kopenhagen ist nämlich unter dem Namen „Nordische HauShaltunaSgesellschast" eine große Actiengescllschaft nach englischen Mustern und mit englischem Capital ergründet worden, die eine Art Consum- vercin sein, den Zwischenhandel überflüssig machen und durch Errichtung von Zweiganstaltcn in ganz Dänemark die Waaren verbilligen will. Gleich nach Belanntwerden der Namen der bisherigen Actionaire, zu denen solche erster Firme» gehören, entstand unter den Groß- und Kleinhändlern aller Art, sowie unter den Handwerkern eine außerordentliche Auf regung, und im Namen des Gedeihens deS Handels ward energisch gefordert, daß die Männer, welche Actio- naire jenes Unternehmens wären, ihr Mandat als Mit glieder deS ComitöS der Grossirersocietat (die Handelskammer) niederlegten,da dieVertrauensmänncrdicserHandelSvcreinigung durch Unterstützung des Unternehmens ihre Pflicht verletzten. Einer der Bürgermeister Kopenha genS ist gleichfalls unter den Actionaire»; eine Adresse deS „Handels- und Handwerker standes" fragte beim Stadirath an, ob er eS für vereinbar mit der Stellung eine« Bürgermeisters finden könne, Mit- stifter eines Unternehmens zu sein, das eine Schädigung des ganzen Handels- und Handwerkerstandes bedeute. Auch in verschiedenen Stätten der Provinz haben bereits Protest-Versammlungen stattgefnnden oder stehe» noch bevor. Im inneren Parteileben Rumäniens bereitet sich gegen wärtig, wie es scheint, eine sowohl auf die Regierungs partei, als auch auf die nationalliberale Opposition sich erstreckende Krisis vor, deren weiterer Verlauf einen ganz bedeutenden Einfluß auf die künftige Gruppirung der Parteien ini Parlamente auSzuüben verspricht. Wie nämlich der „N. Fr. Pr." auS Bukarest vom 20. Juni geschrieben wird, hat sich bei der am Vortage in Berlad stattgehablcn Depntirten-Ersatzwabl ein großer Theil der zur Regierungs partei gehörigen Wähler gegen den Ncp ot ism us aufgelehnt, mit welchem der zum altcvnservativen Flügel der Regierungs anhänger gehörige Präfeet von Berlad seinem eigenen Sohne das Dcputirtenmandat zuzuwenden suchte. Die Folge war die Aufstellung des Iunimisten Ronialo als Gegencandidaten und ein unentschiedener Mahlgang. Wie der Berichterstatter de« betrcffenten Blattes bemerkt, ist in dieser zwiespältigen Wahl der durch das staatsmännische Einverftändniß zwischen L. Catargiu und P. Carp noch keineswegs aus der Welt geschaffte Gegensatz zwischen den beiden, die gegen wärtige Parlaments-Mebrbeit bildenden Compromißgruppeu in so augenscheinlicher Weise zu Tage getreten, daß es nicht zu verwundern wäre, wenn daraus die national liberale Opposition neue Hoffnungen auf die baldige Wieder erlangung der Herrschaft »n Staate schöpfen würde. Doch ist es zum Glück für die gegenwärtige Regierung und für die Durchführung der auf Grund dcS junimistischen Programmes in Angriff genommenen großen Reformen mit der Einigkeit im »ationalliberalen Lager noch weit schlimmer bestellt. Zwölf der angesehensten Iassycr National» liberale, sind aus Verdruß über daS antidnnastische Gebühren eines TheileS der unter nationalliberaler Parteislagge segeln den Lppvsitionöpresse zurückgelreten, während gleichzeitig zwischen Verliesen und Fleva Unterhandlungen zur Bil dung^ einer neuen, von der gegenwärtigen Parteileitung D. Sturdza's unabhängigen, und namentlich in Fragen der äußeren Politik ihre eigenen Wege gehenden liberal«» Fraktion im Zuge sind. Deutsches Reich. u Bcrliu, 2. Juli. Die Vorlage wegen deS Elb«- Trave-CanalS, von welcher in der letzten Sitzung de« Abgeordnetenhauses die Rede war. berührt in noch höherem Maße die Interessen der freien Stadt Lübeck al« di« Preußens. Sie bezweckt, diese Stadt, welche befürchten muß, nach Eröffnung de« Nord-Ostsee Canals einen beträchtlichen Theil ihres Verkehrs nach der Ostsee zu verlieren, gegenüber jener großen Verkehrslinie dadurch concurrenzsähig zu er hallen, daß sic den Entpunct einer Wasserstraße bildet, welche die Elbe auf der kürzesten Linie mit der Ostsee verbindet. Für Preußen hat die Wasserstraße die Bedeutung der Her stellung einer zweiten Verbindung der Elbe mit der Oslse« und demgemäß einer erhöhten Concurrenzsäbigkeit deS Ver- kehrSgebietes der Elbe auf dem scandinaviscken Markte. Diesen Bortheilen entsprechend, ist der Beitrag Preußen« bemesscn, während Lübeck, als die in erster Linie interessirte Stadt, als Bauunternehmern, a»ftrete» will. Mit Rücksicht aus die Bedeutung der geplanten Wasserstraße als Concurren; gegen den Nord-Ostsee Canal legt Lübeck naturgemäß den größte» Werth darauf, ohne Zeitverlust an Len Bau Herangehen zu können, und es ist, nachdem die langwierigen Verhandlungen zwischen beiden Staaten zum Abschluß gebracht waren, von den be- thciligten preußischen RessorlS die Ausarbeitung der Vorlage belmss Einbringung bei dem Landtage thunlichst beschleunigt worben. Trotzdem erscheint eS ganz ausgeschlossen, sie in der lausende» Session zu erledigen. * Berlin, 2. Juli. „So kann eS nicht weiter gehen", das ist daö Tbema, über daö an leitender Stelle in der „Kreuzzlg." ein Altprenße handelt. Ter Verfasser befindet sich in Sükteutschland und nimmt dort wahr, wie sich die Unzufriedenheit und die particularistischc Entfrem dung täglich in erschreckender Weise mehre. Und auf welche Ursachen führt er diese Erscheinung zurück, die nachgerade in einer Weise auSgcbeutet wird, daß Deutschlands Feinde sich die Hände reiben und auf den baldigen Zerfall deS Reiches rechnen müsse»? Auf die Rücksichten, die die FcniUcto»^ lieber Klippen. Ls Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) „Vielleicht noch mehr als auSgcnützt", versetzte der junge Beamte. „Wenn eS sich herausstellt, daß dieser Mann mit Absicht das Vorhandensein der Quellen, zu deren Äenntniß er ohne Fug und Recht gelangt ist, vor Ihrem Gemahl ver heimlicht bat, so bat das Gesetz einen anderen Namen dafür. Und dir festeren Beweise dafür möchte ich eben von Ihnen «rlaagen, Frau Gräfin! Haben Sie oder Ihr Herr Gemahl Kenntniß von den Stahlquellen gehabt? Erinnern Sie sich nicht eines Worte-, einer Andeutung darüber? Vielleicht wußte der Herr Graf davon und hat nur keinen Werth darauf geleat?" Gräfin Satwar bestritt die- mit Entschiedenheit, ja, sie war bereit, einen Eid darauf zu leisten. Laß Keiner von ihrer Familie jemals eine Ahnung davon gehabt habe. Es war niemals mit einer Silbe erwähnt worden, weder von ihnen, noch von der Dienerschaft oder sonst Jemand im Orte; im Gegentheil, jener Strich Lande- wurde als nicht besonder- fruchtbar betrachtet und nur als Weideland benutzt. Sie hatte da« Glück dieses Herrn von SchmertizS stets beneidet, der, kaum in den Besitz gelangt, schon gesunde» und verwertbet, wa« die Familie ihres Manne« Jahrhunderte lang besessen, ohne eine Ahnung davon zu haben. „So wird sich vielleicht der Brief deS Herrn von Sckmertizs an den Herrn Grasen in seinem Nachlasse finden, ebenso der Kauscontract", meinte Perfall. „Cm derartiges Schriftstück muß sich im Besitz beiter Parteien befinden, und da« wäre von unendlichem Werth für uns" Davon wußte wiederum die Gräfin nicktS. Cie batte sich nie um derartige Angelegenheiten ihre« Mannes gekümmert, niemals Verlangen danach gehabt. Und was den Nachlaß betraf, so war ihr zu viel Kummer und Verzweiflung zu Theil geworden, um jemals daran zu denken. Es konnte sein, daß Lory, ihre älteste Tochter, mehr davon wußte; diese interessire sich für alle Documente, welche sich auf de» Vater bezögen, die sie dann wie ein Heiligtbum iraendwo bewahre. Doch sie, di« Gräfin, habe sich nie um diese Dinge gekümmert. Der junge Mann sah sie fast verblüfft an. Welche er schreckende Offenheit und welche Pietätlosigkeit dem tobten Gatten gegenüber! . . . Doch die Gräfin schien keine Ahnung von dem Eindruck ihrer Worte zu haben, sie sab ihn ganz rubig mit ibren großen Kinderaugen an und fragte ihn dann, wa- das Ganze eigent lich bezwecken sollte? Herr von SchmertizS sei einmal Be sitzer vom Schlosse Satwar, und ob er auf redliche oder un redliche Weise dazu gelangt, sei ja Nebensache. Kein Mensch könne e« idm streitig machen; er sei nicht nur der reichste, sondern der angesehenste und mächtigste Mann in der ganzen Gegend. Nun erklärte ihr Perfall, wie durch einen Proceß, den Herr von SchmertizS sicherlich verlieren würde, besonder-, wenn sich die zwei Schriftstücke fänden, sich die ganze An gelegenheit und damit auch ihre Lage verändern würde. Herr von SchmertizS würde gezwungen sein, das Gut nach seinem vollen Werlhe zu bezahlen, was vielleicht mit Einschluß deS StablreichthumS da- Sieben- und Achtfache des Kaufpreises übersteigen würde. Ta sprang die Gräfin auf, ihr zarte- Gefickt glühte, und die matten Augen hatten plötzlich Leben und Ausdruck. „Gott, o Gott!" ries sie wie außer fick und schlug die Hände zu sammen. „Die Armutb und Notb soll ein Enke haben?! Ich werde nickt »icbr in dieser elenden Umgebung lebe», die für den niedrigsten meiner Diener nickt genug gewesen wäre! Ich werde wieder die Gräfin Satwar sein, mit Meinesgleichen verkehren, von Glan; und Ueberfluß umgeben sein!" . . . Tie Frau war ganz fasjungslos, da wurde sie unterbrochen. Ein Jubel» und Lacken draußen, die Tbür wurde ausgerissen, und herein stürmten zwei .Knaben; sic waren wie ein Zwillingspaar anzusehen; dieselben dunkelgebräunte» Gesichter, dieselbe» leb haften Mienen, derselbe Glan; in den dunklen, feurigen Augen und dieselbe Geschmeidigkeit der Gestalten! „Mutter, Terzsa, wir haben sie besiegt! sie waren sechs, wir unser zwei, das waren unsere Waffen!" damit schwangen sie die schlanken Weideugerten in der Luft, doch plötzlich Len Stublrichter erblickend, blieben sie wie nietergrdonnert mitten im Zimmer steken. Ein leises Lackeln glitt über die ernsten Züge dcS jungen ManneS. „Nur näher, Ihr unerschrockenen Helden!" sagte er mit einem freundlichen Blick und streckte ihnen die Hand entgegen. „Zwei gegen seckS, das nenn ich mir ein mutbigeS Stück ArbeitI" Seine Augen streiften wohlgefällig die hübschen Gesichter „Wie heißt Ihr denn?" „Bela und Arzad", versetzten diese, kamen jetzt ebne Ver legenheit auf ihn zu und reichten ihm die Hand. „Und wie alt seid Ihr?" „Bald elf Jabre." „Es sind Zwillinge", erklärte Gräfin Agnes. „Was möchtet Ihr werten?" „Soldaten!" riesen sie lebhaft und wie aus einem Munde. „DaS steckt im Blute, alle Satwars waren Soldaten", meinte die Mutier, und etwas wie Stolz trat in ihre Augen. „Und wie skeht's in der Schule? Lernt Ihr auch brav?" fragte der Sluhlrickter. „Reiten und Kriegspielen ist uns lieber", meinte Bela ganz treuherzig. „Habt Ihr denn ein Reitpferd?" fragte der junge Mann belustigt. Jetzt gestand Arzad nicht minder offen, daß sie die Pferde der Bauern zu reiten pflegte». „Kein Pferd, kein Fülle» ist vor ihnen sicher", klagte die Gräfin. „So, wie sie sind, im Lausen, im Springen, ohne Zaum und Sattel schwingen sie sick wie die Zigeunerbubcn hinauf und jage» stundenlang in den Felder» herum. O, sie sind wild, gar zu wild!" „Wenn Ihr mich besucht, sollt Ihr mein Reitpferd reiten", sagte Perfall; man sah eS ihm an, daß er den hübschen, leb haften Knaben gern eine Freude bereitet hätte. „Tu hast ein eigenes Reitpferd, Herr Stublrichter Perfall?!" fragte Bela, und sab ibn mit seinen große», dunklen Augen verwundert und zugleich treuherzig an. Ein derartiger Besitz erschien ihm als der Inbegriff aller menschlichen Glück seligkeit. Verfall bejahte lächelnd. „Ilnd daS sollen wir reiten?!" fragte >etzt auch Arzad mit einem Ausdruck, als sei dies ein Glück, das nicht so leicht zu fasten war. „Heute, morgen, jeden Tag, wenn Ibr mich besucht." ./Wir kommen, wir kommen, Herr Stuklrickter!" riesen die Beiden und schwangen ihre Mützen hoch in die Lust; dann, einem Winke der Mutter gehorchend und vielleicht noch mehr von dem Drange beseelt, das glückliche ^rcigniß den Kameraden draußen mitzutbcilcn, stürmten sic in derselben lebhaften Weise auS dem Zimmer, wie sie bereingekommen waren. „O, diese wilden, unbändigen Kinder!" rief die Gräfin klagend und faßte sich an die Schläfe», al« empfände sie Schmerz, während das alte, nervöse Zucken über ihr Ge sicht ging. „Nur Einer vermag etwas über sie, nur Einer kann sie bändigen: meine Loru, und ick bin ganz unglücklich, wenn dir Knaben keine Schule haben »nd sie abwesend ist." Perfall aber tbatcn die Knaben leid, die jede- freie Auf- atbmen, jedes Ucberquellen ihrer Kraft mit einer Klage oder einem Vorwurf büßen mußten. Und jetzt sing Gräfin Satwar von ihrer ältesten Tochter zu erzählen an; zum ersten Male vergaß sie ihr Ich darüber. Ja, die Loiy war brav und tüchtig und ibr ganzer Halt in all den Jahren gewesen ein Mann hätte an Opfermut!, nicht mehr leisten können; Alles war Lory. nur — keine Sat war. . . . Sic. die Gräfin, sab ja ei», daß eS so sein mußte, daß ihre Tockter gezwungen war, Lehrerin zu sein, Unterricht zu ertbeilen; daß sie es aber so ruhig that, so ohne Murren, obne jedes Bedauern, daß sie cs als kein Opfer ansab, die« war eS, was sic nickt begreife» konnte und auch niemals begriffen batte. Und sogar die Tockter jenes Mannes, der sie so betrogen, die Tochter de« Herrn von SchmertizS, batte sic jahrelang unterrichtet. Tag für Tag betrete sie die Stätte, wo einst ihre Vorfahren gelebt, wo sie ihre eigene Kindheit in Glanz und Ueberfluß verbracht, aber niemals habe sie irgend ein Bedauern oder nur eine Bemerkung darüber auS ihrem Munde gehört. Persall horchte mit Aufmerksamkeit den Mittbeilungen der Gräfin zu; er wollte und mußt: das Mädchen kennen lernen, daS so mnlbig und tapfer unter Verhältnissen Stand hielt, die manchen Mann entmulbigt hätten. Was die Gräsin betraf, so war der Eindruck, de» sie auf ihn machte, der eine- selbst süchtigen, verwöhnten Kinde«, daS daS Lebe» in keiner Weise gereift batte. Er fragte, warum die Knaben in keiner Cadettenschule untergebrackt seien. Ihrer Veranlagung und auch ihrer Geburt nach wäre das der einzig richtige Ort für sie, außerdem würde cs auch die Last für ihre Tochter bedeutend erleichtern. Die Gräsin versetzte, daß sie wohl schon daran gedacht, aber der Vergangenheit wegen nienialS gewagt hätte, Schritte in dieser Angelegenheit zu tbun, aus Furcht, abgewiesr» zu werben. lFortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite