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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.02.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930217028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893021702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893021702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-02
- Tag 1893-02-17
-
Monat
1893-02
-
Jahr
1893
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Bennigsen, die zweijährige Dienstzeit für die Dauer der festgcstellten Frietenspräsenzstärke gesetzlich sest- rulegen, fand sich eine Mebrbeit, noch für den Antrag Rickert, welcher die Festsetzung der zweijährigen Dienstzeit für die Fußtruppen durch die Verfassung verlangte. Und ebenso wurde die Regierungsvorlage abgelehnk. Da mit ist jedoch das Schicksal des Gesetzes keineswegs ent schieden, auch nicht für die Commission. Tenn diese bat eine zweimalige Beralhung beschlossen, und wenn auch in der ersten Lesung über eine der Mehrheit zusagende Fassung keine Verständigung zu erreichen war, so ist für die zweite Lesung diese Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, >a eS scheinen sich die Aussichten für ein Zustante- j.mmen der Vorlage gebessert zu haben. Freilich gicbt eS dabei noch so viele Klippen zu umschissen, daß schwerlich Jemand als Prophet sich anszuspielcn Neigung empfinden könnte, aber der Eindruck ist doch nicht abzu weisen, daß der Vertreter des EenIrumS in der Eommission in den letzten drei Sitzungen keineswegs mehr so schroff ab lehnend sich verhielt, wie in den ersten Tagen der am IN. Januar eröffnetcn commissarischen Berathungcn, daß er weit entgegenkommender sich zeigte, als eS nach den früheren Reben im Plenum und in Volksversammlungen erwartet werden konnte. Ja, der Abg. vr. Lieber ging gestern bereits so weit, Theile der sogenannten Windthorst'schen Reso lutionen zum Opfer zu bringen, und während der verstorbene ultramontane Führer, gewissermaßen .testamentarisch", die EentrumSmitgliedcr zum Feslbattcn an der jährlichen Be willigung verpflichtete, erklärte sich der Wortsührer des EcntrumS gestern ausdrücklich mit einer fünfjährigen Be- willigungsfrist für die Festsetzung der Frietenspräsenz- slärke einverstanden. Aber wenn auch so die Hoffnung gestiegen ist, daß schließlich eine Auslösung dcö Reichs tages, überhaupt ein „Conflict" sich vermeiden lassen wird, so scheint sich das doch nicht ohne unangenehme Opfer, ebne eine gewisse Dcmüthigung, erreichen zu lassen. Es ist überaus charakteristisch für das Eentrum und für Herrn lw. Lieber, daß dieser vorgestern und gestern erklärte, daß seine Partei weder für die Regierungsvorlage, noch für einen bcr beiden Gegenvorschläge stimmen würde, Laß das Centrum sich einen eigenen Antrag Vorbehalte, daß dieser auch bereits sormulirt sei. daß er aber zunächst noch nicht vorgebracht werden solle. Woraus warten denn die Herren? Hat der Reichstag etwa so viel überflüssige Zeit? Da drängt sich doch wieder die Befürchtung ans, daß ei» Tauschgeschäft in Sicht sei, und man wird besonders auf merksam dadurch, daß die Ultramontanen von Neuem be haupten, der Culturkampf sei noch immer nicht beigelcgt, der Friede sei erst „angebahnt", wie es Herr vr Porsch am 14. d. M. im preußischen Abgeordnetenhause dem wieder holten Widerspruch des CultuSmmister« gegenüber, unter der lebhaftesten Zustimmung der Klerikalen mehrmals wieder holte. Wollen diese die Auslieferung der Schule, oder die Rückberufung der Jesuiten erzwingen? ES ist eine traurige Wahrheit, daß bas Centrum die parlamentarischen Verhält nisse im Reichstag wie im preußischen Landtag beherrscht, was auch äußerlich sich darin zeigt, daß Herr v. Huene die Geschäfte der Buvgetcommission im Reichstag und der Steuer- cominission im Abgeordnetenhause leitet. Aber diese Ueber- macht bcS Centn»»« ist lediglich in der Uneinigkeit der anderen Parteien begründet. Sollte diese Erkenntniß nicht endlich zum Durchbruch gelangen und eS ermög lichen, daß sich auf eine andere Weise eine Mehrheit zusammen- sindet? Da« Centrum muckte in der Militairsrage einen „Prosit" herausschlagcn, eS möchte aber auch noch der Regierung, dem Reichstag und dein Lande gegenüber den Nimbus eine« Retters des Vaterlandes gewinnen. «oerrilS haben wir eine lox Huene, eine Clausula Franckenstein, soll auch noch ein „Paragraph Lieber" dazukommen? Herr Lieder bat, so sagte er gestern, „seine Formulirung bereits in der Tasche". WaS verlangt er für deren Bekanntgebung? — Die Beralhungen der Militaircommission werden Montag fortgesetzt, wo zunächst der finanzielle Antrag Richter erledigt werden soll. Wir möchten wünschen, daß der ganze Ernst der Lage bis dahin auch den Conservativcn klar würde — dann dürfte Herr Lieber die Rechnung ohne die Mehrheit gemacht haben, wenn in zweiter Lesung der Bcnnigsen'sche Vorschlag die verdiente Anerkennung findet. Im Reichstag bat vorgestern der Präsident eine Art Nothschrei ertönen lassen über die ganz ungewöhnliche und unerträgliche Verzögerung und Verschleppung der Verhandlungen. Während man früher dreizehn Sitzungen für drei Etatslesungen gebraucht habe, hätte» jetzt schon elf Sitzungen über diese» Gegenstand statlgcsuiiden und man stehe noch im Anfang der zweiten Lesung. Wenn daS so weiter gehe, worbe man b>S l. April den ReichshanShalt nicht fertigstellenkönnen. Diese Worteverdienendie ernsteste Beachtung. ES ist durch Auswersen aller möglichen Fragen zu bloße» Ägitalionözwccken und rücksichtslose Rebelust eine Ver schleppungstaktik eingeriffen, die nachgerade den ordnungs mäßigen Geschäftsgang in den vernünftige» Zeitgrcnzen ernit- tichst gefährdet. Ebenso wie im Plenum ist eS auch ui der Militaircoiiiinission gegangen. Tieö ist auch der wahre Grund der andauernden Beschlußunfäkigkeit des Reichstages. Wer kann den» wochenlang immer dieselben abgedroschenen Reden mit anhvren ? Vorgestern und gestern beschäftigten sich Reichstag und Abgeordnetenhaus gleichzeitig und keineswegs zum ersten Mal in langstündigen «Litzungen mit agrarischen Klagen gegen die HandclSvertragSpolilik. Dazu kommt noch der deutsche LandwirthschaftSrath, der gestern dasselbe Thema ver handelt hat. Was zu viel ist, daS ist zu viel! Eine bedauerliche Folge dieser parlamentarischen Ueberproductiou ist auch daS natur gemäße Schwinden der Tbeilnahine des großen Publikums an den Vorbantlungen. Die wenigsten Leute haben noch Zeit und Lust, sich auf ein eingehendes Studium dieses writ- schichtiaen Stoffes cinzulasse». Damit schwindet aber ein gutes Stück der nützlichsten Wirksamkeit der Parlamente: de« Anregung und Belehrung über öffentliche Fragen für weit« VolkSkrcise. Die gestern erwähnte ultramontane Kundgebung, die in Wien in Gegenwart niehrercr Minister und der künftigen Kaiserin von Oesterreich zu Gunsten der Wieder herstellung der weltlichen Papstmacht stattgefunden hat, hat begreiflicherweise den entsprechenden Widerhall in Italien gefunden. Wie bereit- im heutigen Morgenblatte aus Rom gemeldet worden ist, hat der Abgeordnete Barzilai eine Ansrage an den Minister deS Aeußer» cinaebracht, worin er'die betreffenden Auslassungen deSWiener Erzbischof« Cardinal Gruscha zur Sprache bringt. Begreiflicherweise erregt eS auch in den dreibundfrcundlichsten politischen Kreisen Italien- daS peinlichste Aufsehen, daß an der Wiener ultramontanen Versammlung die künftige Kaiserin von Oesterreich und zwei active Minister theilgenommen haben. Gras Kalnoky wird nicht geringe Mühe haben, den üblen Eindruck dieses Vor kommnisses auf die öffentliche Meinung in Italien zu ver wischen. Den Italienern kann man das Zcugniß nicht ver sagen. daß sie sich von Tactlvsigkcitcn gegen Oesterreich, die der Versammlung der MichaelSbrüderschasl in Wien an die Seite gestellt werden konnten, seit dem Bestände des Bünd nisses mit Oesterreich sorgsam sernhalten. Nach einer der „Polit. Corr." an- Rom zugebenden Melkung dürsten der am IS. d. M. stattfindenden Jubi- läumSmesse des Papstes nngesäbr 300 Bischöfe beiwobne». Die Zahl der an« diesem Anlasse zu erwartende» Pilger wird aus 20 000 berechnet. In der >L>t. PcterSkirche werden für den Festtag drei Tribünen errichtet: eine für daö diplo matische CorpS, die zweite für die Mitglieder de« römischen PatriciateS, die dritte für die sonstigen eingrladenen Persönlichkeiten. Die WallfabrtSzüge sollen diö zum Monate Mai dauern. Derjenige von Metz, welcher der erste sein sollte, wurde bereit- vergangenen Mittwoch erwartet, jedoch durch unvorhergesehene Uinjtände an der Abreise verhindert. Der irische Pilgerzug wird sich bis 20. d. M in Rom aushalren. der englische unter Führung deü Herzogs von Norfolk wird heute, zu gleicher Zeit wie der schottische Pilgerzug erwartet, welch' letzterer den Erzbischof von Edinburgh an der Spitze haben wird. Die ungarischen Wallfahrer werden am 18. d. eintrcffen, die Pilger auö Oesterreich hingegen erst im April und kurze Zeit darauf die Pole». Die franzö sischen Pilger sollen am IS. d. unter der Führung deS CardinalS Richard, Erzbischofs von Paris, ankoiumen. Der deutsche Pilgerzug langt am 10. April an, der belgische einige Tage später und der niederländische in den ersten Tagen des Mai. Weitere Pilgerzüge sind auS den süd- amerikanischcn Republiken angekündigl. Die italienische Regie rung hat, wie einem deutschen Blatte berichtet wird, den Vatican wissen lassen, daß alle Maßregeln getroffen seien, damit durch den Zustrom der Pilger jede öffentliche Unord nung verbinderl werde. Sie bat zu gleicher Zeit daS OrganisationS-Comits gebeten, die Pilger darauf hiuzulveisen, daß sie sich in einem fremden Lande befanden, wo sie die Gesetze der Gastsreundschast nicht vergessen dürsten. Es ist den Pilgern erlaubt, im Innern deS ValicanS Kundgebungen zu veranstalte», aber außerhalb de« Vaticanö sollen sie daran denken, daß der Souverain in Rom der König Humdert ist. In der französischen Deputirtenkammer bat gestern aus Anlaß der an da- Ministerium Ribot gerichteten Interpellation Leydet über die allgemeine Politik eine sehr erregte Debatte stattgefunden, au- der indeß die Regierung am Ende siegreich hervorgegangen ist. Herr Ribot hat sich dadurch, daß er erklärte, nur mit den Republikanern als solchen, ohne Rücksicht auf besondere Parteischattiruugcn, regieren zu wollen, durch die Klippen hindurch gewunden, die ihm durch die Versuche der verschiedenen repudlikanischen Parteigruppen, ihn in ihr Fahrwasser zu lenken, bereitet wurden. Infolge seiner Erklärung wurde mit 3lü gegen 180 Stimmen eine von ihm gebilligte Tagesordnung an genommen, in der die Kammer der Regierung das Vertrauen auSdrnckt, daß die demokratischen Gesetze aufrecht erhalten werden und eine rein republikanische Politik verfolgt werde. Freilich ist mit diesem Siege die Gefahr für daS Cabinct Ribot noch keineswegs beschworen. Die extremen Parteien von recht- und links werden sich dadurch nickt für geschlagen halten, sondern nur rin um so genehmeres Ziel ihrer subversiven ilinsturz- und VertächtigungSmanövcr haben; sie werden nicht säumen, alsbald die Spitze de- Panamascandal» gegen die Befürworter und Anhänger de« RegicrungSprogrammS zu kehren, sich selbst aber dem allgemeinen Stimmrecht als die einzig uninteressirten Anwälte der Volk-rechte zu rühmen. Unter diesen GesichtSpuncten hat die Interpellation Leydet dem EntwickelungSgange der französischen Dinge einen Stoß versetzt, der den Gesundung--, aber auch den Zersctzungöproceß beschleunigen kann. Nach einer Meldung de« „Journc.! de St. P4terSbourg bat der Zar den türkischen Botschafter HuSni Pascha in längerer Audienz empfangen. Der Vertreter der Hoden Pforte wollte in dieser Audienz den Zaren veranlassen, in der egyptischen Frage Stellung zu nehmen. Auch der pro visorische Leiter de« Auswärtigen Amt-, Geheimratk Schischkin, hat der Unterredung bcigewobnt. Als Ergebniß der Audienz bezeichnet daö genannte Petersburger Blatt, daß Rußland den Protest der Pforte gegen das Vorgcben Englands in Eczypten zu unterstützen, die Initia tive aber der Türkei überlassen wolle. Einstweilen ist auch auS dieser Meldung nicht zu ersehen, ob die Türkei sich ernstlich in der egyptischen Frage cnga^ircn will. Wir zwei feln daran. Daß die Abneigung des «FuItanS gegen England wachse, wie dem „Standard" an- Roin (!) berichtet wird, mag richtig sein Der Wahrheit mag auch die Nachricht entsprechen, Abdul Hamid habe den Großvezir angewiesen, alle Concessionsgesuche von britischer Seite zu verwerfen, indeffen zu einem Bruch mit England wird die Hohe Pforte eS nicht kommen lassen wollen. UcbrigenS meldet heute auch die „Polit. Corresp": „Nach einer uns auS Konstanlinopcl zugebenden Meldung scheint die Piorle von ihrer Absicht, gegen di» Verstärkung der englischen OccupationstriiVvea in Egypten zu protestiren, definitiv abgekom- men zu sein. Wie es heißt, ist man a» maßgebender Stelle nach restlicher Uebcrlegung und nach Einholung verschiedener Mei nungen z» der Ueberzeugung gelangt, daß ein noch io ener gischer Protest der Psorte keinerlei praktischen Erfolg er zielen konnte und in der durch das übereilte Auftreten des jungen tthedivc hcrbrigesührte» Situation keine Aendernng bewirken würde. Zu diesem Ctimniungswechscl auf der Psoric dürste die in der eng- lisch»» Thronrede enthüllen» Versicherung, daß die Verstärkung der Lccopalionslruppeu keinerlei Modifikation der früheren Zusagen Englands bezüglich der Occupatio» EgyptenS zur Folge haben werde, in nicht geringem Maße bcigctragea habe». Deutsche- Reich. * Leipzig, 17. Februar. Als Entgegnung auf den Artikel über die Besetzung deS R e i ch « a e r i ch t s wird der „Nat.-Zlg." auS Thüringen von einem Richter geschrieben: „Wenn di« Vorschläge des Vundesratbes zur Besetzung erledigter Neichsgerichtsrathsslellkn seither nach einem Turnus von den ein zelnen Bundr«regi»rnngcn ousgiagrn. so Kat dieses seinen guten Grund. E« ist zwar da» Lavdesrecht meistens nicht revisibel, aber in Verbindung unt reich», und gemeinrechtlichen Rechts normen führen solid« de« partlcularen öffentlichen und privaten Recht« bei Entscheidungen des Reichsgericht« nicht selten zu Fragen, die ein mit der Praxi« des betreffenden Bundes staate« vertrauter Richter leichter und richtiger handhaben wird al« ein Anderer. Daß der Landgenchtsraih Unger i» Meiningen snm diesen handelt e« sich) noch nicht Oberlondcsgerichtsrath ist, liegt nicht an seiner mangelnden Befähigung dazu, sondern an dem Particulatismu« der Thüringer Regierungen. Er war wegen seiner vorzüglichen Qualifikation dazu bereit« im December 1VS1 al« Nachfolger des in das Reichs gericht derusenen Oberland,«acrichi-ratbs Brückner vom Lbrriandesgericht in Jena einstimmig vvrgeschlagen, und erhielt die Stellt nur deshalb nicht, weil die zum thüringischen Ober- landeSgericht vereinigte» Regierungen an die Stelle de« ab gehenden gothaischen Raide« einen Gotbaer Richter zu setzen für gut fanden. Wir muffen ganz entschieden bestreiten, daß die Stellung eine« Ministerialrat!,es, Landgerichtspräfidenten oder Oberstaatsanwalts geeigneter sei, die sür einen Reich-gerichtsrath nüthigen Fähigkeiten und Leistungen zu Tage treten zu lassen, alS die eine« Londgerieülsrathe», selbst wenn er eine,» »Neinslaat an- gehürt Wir thüringischen Juristen habe» von ber wisienschaftlichen Bedeutung und Unabhängigkeit de« ehemaligen preußischen Ober- trtbuaal« keinesweg« Ane hohe Meinung gehabt, — Es mag zutreffen, daß ei« Landgericht-rath »och nicht in das Reichsgericht berufen ist, und in größeren Staaten ganz richtig fein, die Reich«- gcrichtsräthc vornehmlich aus den OberiaiibcLgerichieräthcil zu nehmen. Hier liegt aber voller Anlaß vor, eine durch die Ver hältnisse gebotene Ausnahme zu machen. Warum der weite Blick, den der Artikel vom 18, aus Leipzig von einem Reichsgcrtchtsrath mit Recht verlangt, bei eine», Landgerichisrath fehle» soll, während er dem Präsidenten und Direclor — auch solche sind schon ins Reichsgkricht berufen worden — desselben Gerichts beigeniesscn wird, ist unverständlich. Was die Lieinhcil der Stadl Meiningen betrifft, des Sitze« des L80 000 Einwohner zählende», Bezirke dreier Staaten umiosjcnden Laudgcrichls Meiningen, so ist in Thüringen Niemand darüber im Zwestci, daß auf einen Landrichter Elemente juristischer Foiillrtsn. Der Londerling. 11s Roman von P. Felsberg. SlachdruS »ertöten. lFortsetzung.) Drüben in Felden sah es traurig aus. Die kümmerlichen Halme lagen gebrochen, geknickt, und jammernd blickten die Armen aus die vernichtete Ernte, die ihnen daS nothwendigste Vrod geben sollte. Eine Hoffnung war vernichtet; aber um so dantbarcr, zuversichtlicher blickten sie binüber zu dem sich lang hinstreckenven Ztegelbau, zu dem kühn emporragenden Schornstein, der eine neue, große Hoffnung für sie barg, dir keine zufällige Wetterunbill ihnen rauben konnte. Günther Schönburg ritt an der Seite von Doctor JustuS aus dem Schloß hinüber gegen Felden, Die Leute auS Felden, die beite sahen, standen sinnend und blickten den Reitern nach. Freunrlich, zutraulich Halle Doctor JustuS sie begrüßt; der junge Gras batte kaum stolz genickt, was ging ihn da« annsetige Volk an! Finster ruhten die Blicke der Weiber aus dem schmucken jungen Mann, der prächtig zu Pferde saß. Len Kovf stolz und koch gehoben, den Blick lässig Uber die Menschen gleiten lastend, die ihn ehrerbietig grüßten. In die neue Zuversicht, in ihre frohe Hoffnung mischte sich ein bitterer WermutbStrovsen. E« befiel sie, die gewohnt waren, mit Angst und Sorgen in die Zukunft zu schauen, ein beklemmendes AbnungSgcsühl, daß sie von dem jungen Grasen, dem niuthmaßliche» Erben von Schönburg, nicht« zu kosten hätten. Seit Jahren war er aus- Schloß gekommen, hatte fröhliche Jagb gehalten und Zechgelage gestiert, von denen man sich Wunderdinge erzählte, aber an Felden, an die Armutb, die dicht bei dem Schloß ihr« Heimath auf geschlagen, hatte er nie gedacht. Er hatte darüber binweg gesehen; was ging e« ihn an, wie die Armen in Felden lebten, die da« Holz auS dem reichen Sckönburgcr Forst stahlen, um nicht zu ersrierru, und manch feisten Reh bock schon erlegt batten, nicht etwa ihn zu braten, sondern um ihn nach der Stadt zu schaffen, damit sie im Winter Schuhe an den Füßen tragen konnten. „Gesindel, Wild- »nd Holzdiebe", nannte er die Feldener, die der schweren, bitteren Nolh gehorchten, der größten Noth, die zum Verbrechen führt. Doctor JustuS glaubte die Gedanken errathen zu können, die sich in den finsteren Mienen auSdrückten, mit denen die Leute in Felden den jungen Grafen an seiner Seite empfingen, in dem sie den Erben de« Grasen Schönburg zu sehen ge wohnt waren. Doctor JustuS suchte Günther Schönburg für den Bau der Fabrik zu intrrrssiren; dieser jedoch hörte nur mit halbem Obr zu und unterdrückte rin Gäbnen, da» beredt genug seine Langweile kund tbat. „Bitte Sie» Doctor, versiebe nicht« davon, will nicht« davon versieben. Erschrecklich nüchtern, solch ein Fabrikbau, der Blick darauf wird mir die Aussicht von der Terrasse in Schönburg verderben. Kommen Sie zu der Baronin, bin begierig, wie die schöne Gertrud mich empfängt." Gertrud Felten sah beide kommen. Doctor JustuS mit dem jungen Grasen. „Ah, Günther Schöndurg", entfuhr eS ihren Lippen, und ein Schein Heller Freude flog über ihr Antlitz. „WaS ist'- mit Günther Schönburg?" fragte Rosa aus ihrer Hängematte und ließ die Arbeit sinken, die sie in Le» Händen hielt. Es war ein grober, grauwollrner, kleiner Strumpf, der ihren zarten, weißen Händen enlglitt; er war sür die Kinder im Dorse bestimmt. Mit große», brennenden Augen blickte sie aus JustuS, wie er sich vom Pferde schwang und langsam, beinahe zögernd, hinter Günther herbeikam, seine Blicke nur aus Gertrud gerichtet, mit einem Ausdruck, der Rosa verrirth, daß zwischen Beiten etwa- vorgegangc» war. Sie legte die Hand auf die Brust und biß sich auf die Lippen, als sie sah, wie auch Gertruds die Stolze, einen Moment die Karbe wechselte beim Händedruck de- Arzte», der ihr, Rosa, länger, viel länger erschien als sonst. Gertrud duldete e« schweigend, sie entzog ihm nicht jäh ihre Hand, sie senkte nur eine Secundr ihre Augenlider und mied den Blick de« Arzte«, der fragend an ihrem Antlitz« hing. Dann batte sie rasch den Ton leichter Conversation gefunden, mit dem sie den Grase» begrüßte. Jetzt erst wandte sich Doctor JustuS an die Kranke, auf deren ausdrucksvollem Gesicht deutlich genug die schmerzliche Erregung sich spiegelte, die ihre Seele bewegte. .Haben Sie Schmerzen, Fräulein Rosa?" begann er zutraulich, sic besorgt und fragend anblickend. Um Nosa'S kleinen, rothen Mnnd zuckle cö; sie konnte sich nicht beherrschen wie Gertrud. Sie kam sich so kindisch vor, und beschämt legte sie die Hand vor die Augen — er sollte die Thräne nicht sehen, er nicht, um den sie dieselbe geweint, weil er über der schönen Schwester sie ganz vergaß „Der dumme Fuß, eine ungeschickte Bewegung", stotterte sie hervor und griff rasch zu ihrem Kinderstrumpf, auS welchem sie in der Hast alle Nadeln zog. Mit sanfter Gewalt nahm JustuS die Arbeit aus Rosa'« Hand. „Sehen Sic mich an, Fräulein Rosa, Sie sind heute in einer seltsamen Stimmung." „Ja, ja, ich bin launenhaft, ich finde eS auch; haben Sie kein Mittel dafür?" Sinnend blickte Doctor Justu« vor sich hin; er schien Rosa'« Worte gar nicht mehr zu bören, er lauschte hinüber zu Gertrud Felden »nd Günther Schönburg, welche tausend intereffante Erinnerungen an da« Leben in der Hauptstadt auffrischten Er batte Gertrud nie so lebhaft sprechen Horen wir jetzt, batte nie ihr Auge so leuchten gesehen. Günther Schönburg konnte zufrieden sein mit dem Empfang, der ihm von ihr geworden. ES zuckte «in bitteres Lächeln um die Mundwinkel de« Mannes, welcher gestern daS schöne Mädchen mit seinem Arm umfangen, VaS heule so meisterhaft sich zu beherrschen verstand, da« jede Befangenheit bei seinem Anblick zu ersticken di« Kraft besaß und jetzt in Erinnerungen an glänzende Fest« schwelgte. Eine wilde Eifersucht flammte auf in JultnS' Brust, eine Eifersucht, dir sich bi« in die Vergangenheit erstreckte. Jäh fuhr er aus, al« Rosa ihn lächelnd fragt«: „Finden Sir kein Mittel für meine üble Laune?" Er strich mit der Hand über di» hob«, weiße Stirn und blickte einen Moment in Rosa« bewegte« Gesichtchen: dann meinte er langsam, al« brauche er unendlich lange Zeit, zu diesem Schluß zu kommen: .Ihr« sonderbare Stimmung scheint nur ganz vorübergehend zu sein. Jetzt lächeln SC schon wieder. Ihr alte«, liebes Lackeln" Wie Balsam wirkte dies kindliche Lächeln Nosa'S auf die Leidenschaften, die in der Brust des Arztcü wogten. Er fühlte den Zauber, den Rosa « reine, edle Seele aus ihn auöübte, er fühlte die Woblthat ihrer Näbe, die beruhigend aus ihn wirkte, aber seine Sinne waren von der Macht Gertrud « bestrickt- Sie erschien ihm nie schöner, nie begehrenswerther, al« in diesem Augenblick, in welchem sie sich in lebbaftcr Untcrbaltnng mit dem Grafen befand. Erst heute, Günther Schönburg gegenüber, schien «S ibr der Milbe wcrth, ihre Vorzüge inö hellste Licht zu stellen. Er fühlte, das; sie gefallen wollte, und aus den leuchtenden Blicken Güntber'S sab er zur Ge nüge, wie sehr sie gefiel Gertrud'« kalte Zurückbaltung, die Nichtachtung, die sie ibm siet« gezeigt, fiel Justus jetzt erst recht auf; eS ward ihm erst jetzt vollkommen klar, welche Schranke ste zwischen sich »nd ibm errichtet hatte, eine Schranke, die er im Sturm nicdergerisscn, und die sie heute, das zeigte sic ihm deutlich, wieder anszubancn bestrebt war, höher und stärker als jemals. Nicht nur sei» Herz, auch sein ManncSslolz bäumte sich auf gegen die Bcbandlnng, die ibm von ihr zu Tbeil wurde. Mehr als je wünschte er, sie demüthig zu sehen, bebend in Furcht vor der Macht, die er über sic besaß. E>» triumpbirendcs Lächeln umspielte JustuS' Lippen, nur jene« einzigen Wortes hätte cs bedurft, unt sie wäre um- aewandelt worden, hätte zu ihm cmporgcblickt. Doch die» Wort wollte er nur sprechen, wenn ihr Her; ibm gehörte, wenn ihr Herz sei» Glück suchte bei ihm, dem einfachen Arzt. Er achtete nicht auf Rosa, aus ihre Blicke, die an ihm hingen mit einer Liebe und Hingebung; wie er sie vergebens bei Gertrud suchte; er vergaß sic ganz, batte nur Auge und Ohr für die, welche absichtlich ihn nicht beachten wollte. „Meine Pflicht ruft mich zu meinen Patienten", begann er plötzlich und reichte flüchtig Rosa die Hand, indem er sich erhob. „Kommen Sir bald wieder", klang e« in rührender kindlicher Bitte an sein Obr; dock er achtete nickt darauf, er ging aus Gertrud zu. um sich zu verabschieden. „Aus Wieder sehen. Baroneß!" Ilana eS förmlich vo» seinen Lippen, doch sem tiefer Blick, sein vedeutungSvoller Händedruck belehrte»
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