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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.07.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930726013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893072601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893072601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-07
- Tag 1893-07-26
-
Monat
1893-07
-
Jahr
1893
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Axtra-Beilagen (gesalzt), uur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug ^l 60.—, mit Postbeforderuug 70,»^^ Aanahmrschlaß für Anzeige»? Abeud.An«gabe: vormittag« 10 ll-L Margen-Auegad«: Nachmittag« 4UHr. Sonn- und Festtag» früh '/,S Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle»» j» «tu, halbe Stund« früher. kniet,«« sind stet« au di» Erbebttiaa zu richten. Druck und Verlag vo» E. Pol» i» Leipzig. ^ 377. Mittwoch den 26. Juli 1893. 87. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanutmachung. Wegen der AsphaltirungSarbetten vor der UniverfitätS- srauentliaik »vird vom SV. viescs Monat» ab Nie Liedigftroke ans der Streck« von der Stephanstratze bi» zur JohanniSallee, während der Dauer der Arbeiten für alle« Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am LS. Juli 1893. IX. 10372. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Stahl. Lekanutmachung. Wegen vorzunehmender Pflasterung wird vom 27. h. MtS. ab die Demmeringstratze in L.-Ltndenau in ihrer Ausdehnung von der Quer- bis zur Merseburger Strotze während der Dauer der Arbeit für alle» Vurchgehenbr« Fähr verkehr gesperrt Leipzig, den 24. Juli 1893. Der Rath der Stadt Leipzig. IX. 10291. vr. Tröndlin. Stahl. Lekanutmachung. Die Leuchtkrast de» städtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom 17. bis 23. Juli ds. Js. im Argandbrenner bei ISO Litern stündlichem Lonsum das I8,9fache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von SO Millimeter Flammenhühe. DaS specifische Gewicht stellt sich im Mittel auf 0,431. Leipzig, am 24. Juli 1893. TcS RathS Deputation zu den Gasanstalten. Lekauntmachung. Sonnabend, den 2S. -ult c., von vormittag» Iv Uhr an, soll im Geschäftszimmer des Proviant-Amtes zu Leipzig, Pleitzen- dura, Thurinhaus 2. Stock, eine Partie Roggenkleie. Kehrmehl, Haserspreu. sowie Heu- und Strohahsälle öffentlich an den Meist bietenden gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, am 26. Juli 1893. Fönigl. Proviant-Amt. Auslassung von Geraer Ltadtanleihe. Bei der am 15. d. Mts. stattgesundeaen fünften AnSloosung Geraer Stadtschuidscheine sind nachstehende Nummern gezogen worden: Abtheilung L.. zu 5000 >ll Nr. 26. . L. - 2000 - . 152 179 226. . 0. . 1000 - - 58 62 123 147 199 246 374 579 769. . v. . 500 .. 36 38 60 106 109 155 275 329 343 350 422 452 546 594 804 809 898 904 995 1011 1056 1060. » L. - 200 - - 67 203 298 537 571 660 707 918 974 1047 1061 1128 1159 1188 1244 1418 1420. Die vorgenannten Schuldverschreibungen werden hiermit den Inhabern zum 1. Januar 1894 gekündigt; die Auszahlung der Capital« erfolgt jedoch schon vom 2l. December d. I. ab gegen Rückgabe der Schuldverschreibungen nebst den Zinsscheinen und den Zinsleisten bei unserer Kämmerci-Hauptcasse, bei der Gewerbebank E. G. und bei den Bankhäuser» Gebr. Oberländer und E. F. Bla»» flitz in Gera, sowie bei dein Dresdner Bankverein in Dresden und dessen Zweiganstalten in Leipzig und Chemnitz. Für fehlende Zins scheine wird der Betrag vom Capital gekürzt. Am 31. December 1893 endigt die Verzinsung der ausgeloosten Schuldverschreibungen. Von früheren Auslooiungen sind noch nicht zur Einlösung gekommen: a. vom 1. Januar 1891: Abthcilung 6. zu 1000 H Nr. 157. - v. - 500 - .225 1127 1129 1247; b. vom I. Januar 1892: Abthcilung v. zu 500 ^l Nr. 178; o. vom 1. Januar 1893: Abtheilung 6. zu 1000 Nr. 12. . v. - 500 - - 344. . L. - 200 - - 86 108 456 865. Dieselben werden von den bezeichnet««! Terminen ab nicht mehr Verzinst. Der Stadtrath zu Gera, den 18. Juli 1893. Ruick, Oberbürgermeister. Reform der Lchankconcession. 42 Wie vor zwei Jahren durch da« Trunksuchtsgesetz, so ist in diesem Sommer durch die vom Reichskanzler angc- ordnelen Ermittelungen über das Schankwesen das deutsche „Nationallaster" aus die Tagesordnung gesetzt worden. Der TrunksuchtSgesetzcntwurs ist bekanntlich ,m Reichstag nicht einmal zur ersten Lesung gelangt; das Gute, da« Noth- wendigc, waS er enthielt, wurde von den beigepackten unnützen Belästigungen der Winhe und de-Publicum« zu Boden gedrückt. Wenn der Entwurf, wie nicht zu leugnen, höchst unpopulär war, so trugen daran eben diese von Unkenntnis des Lebens zeugenden, zum Theil ganz undurchführbaren Bestimmungen die Schuld, der Grundgedanke aber wurde im Allgemeinen beifällig ausgenommen und die hohen Priester der Göttin SguUts, die mit dem Fuselrausch des armen Mannes e»n unveräußerliches Menschenrecht für gefährdet er klärten, hätten ausschließlich sachgemäßen Vorschriften gegenüber weder im Lande, noch im Reichstage Glück gehabt. Daß man im Kreise der Bundesregierungen nicht daraus verzichtet hat, zur Bekämpfung der Trunksucht auch die Gesetzgebung heranzuziehen, beweist die erwähnte An ordnung einer WirthShauSstatistik, deren Zweck nach ofsiciösen Mittheilungcn eine Reform des ConcessionswesenS ist. Zur Zeit kann die Errichtung und Uebernahme von Gast wirthschaften von der Bejahung der Bedürfnißfraae abhängig gemacht werden. Aus dem Laude wird diese Bestimmung ,m Allgemeinen auSgereicht haben und in den Mittelstädten nicht minder. In den großen Städten jedoch hat die Prüfung des Bedürfnisses eine bedenkliche Vermehrung der Schank- wirthschasten nicht zu verhindern vermocht. Steht es nun außer Zweifel, daß die Verminderung der Schankstätten nicht zugleich eine Verminderung des Trinkens be deuten muß, so ist andererseits jene Anschauung noch viel weniger richtig, nach welcher die Gesammtheit und der Einzelne zum Genuß einer bestimmten Menge von Alkohol gewissermaßen prädestinirt, daß häufigere oder sei teuere Gelegenheit und Anlockung ohne Einfluß aus den Ver brauch seien. „Der Buschen winkt", wie man in Süddeutsch land sagt; die Möglichkeit deS Genusses erzeugt sehr häufig die Lust dazu, die ohne die Gelegenheit nicht auf gekeimt wäre. Dazu kommt, daß die Art der — durch die übergroße Coucurrenz erzeugten — Anlockung in dielen Fällen an sich unsittlich und entsittlichend ist. Vergleiche die Animirkneipen, deren Unwesen in Berlin neuerlich strenge Polizeivorschriftcn nickt zu steuern vermochten; der einzige Effect dieser Vorschriften ist das Austauchen eines widerlichen AngeberthumS. Es ist zwecklos, die Gründe zu erörtern, warum die Prüfung deS Bedürfnisses vieler Orten die Vermehrung der WirthShäuser nicht verhindert hat. Die Thatsache besteht und wird sich ohne Acnderung der Gesetzgebung nicht beseitigen lassen. Die Absicht der Regierung geht dahin, da- freie Er messen der zur Prüfung der Bedürfnißfrage Berusencii in der Art einzuschränken, daß ein bestimmtes Vcrhäliniß zwischen der Zahl der Einwohner und der Zahl der Schankftätten estzuhaitcn ist. Selbstverständlich darf die Zahl nicht überall das allein Maßgebende sein. In einer kleineren Stadt z. B., in der häufig Vieh- und Getreidemärkte stattfinden, kann die Zahl der ansässigen Bevölkerung ebensowenig zu Grunde gelegt werden, als etwa in einer Seestadt das Centruin und das Matrosenvicrtel gleichmäßig behandelt werden dürfen. Der artige Einschränkungen der allgemeinen Vorschrift über das Verhältnis der Einwohnerzahl zur Schänkcnzahl gedenkt die Rcichsregierung denn auch zuzulassen. Die allmälige Herabsetzung der unmäßig hohen Zahl überflüssiger Kneipen würde durch diese Modifikation nicht berührt werden. Den oliden Gastwirthen kan» die Fernhaltung einer ungesunden und häufig sehr skrupellosen Coucurrenz nur willkommen sein. Gill es doch jetzt zahllosen Individuen, die kein Gewerbe erlernt haben oder betreiben wollen, als das Nächstliegende, eine Gastwirthschast zu eröffnen. Die vernünftigste Reform deS ConcessionswesenS muß übrigens wirkungslos bleiben oder wenigstens ihren Haupt zweck verfehlen, wenn durch Vertheuerung des Bieres ein wesentlicher Theil der Bevölkerung zum vermehrten Branntwcingenusse förmlich gedrängt werden sollte. Nun hat allerdings am 15. d. M. der Reichskanzler Graf Caprivi im Reichstage eine Erklärung abgegeben, aus der fast allge mein geschlossen worden ist, der Plan, daS Bier mehr „bluten" zu lassen, sei zum Kummer des Schatzsecrctairs v. Maltzabn definitiv ausgegrben. Heute aber begegnen wir in der Münchener „AUgem. Ztg." einer Berliner Correspondenz, in der es befremdlicher Weise heißt: „Die vom Grafen Caprivi in der Reichstagssitzung vom 8. d. M. den Antisemiten ertheilte und am 15. Juli Herrn Nickert gegenüber wiederholte Zusicherung, daß auf eine Besteuerung deS Bieres nicht zurllckgegriffen werden oll, hat nicht nur bei dem SlaatSsecretair v. Mallzahn, onvern im ganzen Bundesrath eine befremdende leberraschung hervorgerufen. Thatsächlich hatte der Reichskanzler weder mit dem Scbatzsecretair, noch mit irgend einem Mitglieds des BundeSraths über den Gegenstand Rücksprache genommen, geschweige denn die Zustimmung LeS BundesrathS zu einer Erklärung von solcher Tragweite eingeholt, einer Erklärung, welche Graf Caprivi doch nicht persönlich, sondern nur Namens der ver bündeten Regierungen abgeben konnte Herr Nickert schien eine Atmung von dem Sachverhalt zu haben, als er in seine Fragestellung an den Reichskanzler den Satz einsügte: „— ich nehme an, daß dies auch Namens der verbündeten Regierungen geschehen sei —Graf Caprivi antwortete in lakonischer Kürze: „Die Auffassung des Herrn Abg. Nickert ist richtig", und damit war die Sache abgelhan. Sicht man sich die Frage de« Herrn Nickert genauer au, mit deren Beant wortung er seine Abstimmung zu motiviren gedachte, so lautet sie dahin, „daß aus eine Erhöhung der Bier- und Brannt weinsteuer zur Deckung derKosten für dieseMilitair- vorlage nicht zurückgegriffen werden soll...." Für diese Militairvorlage werden nun freilich andere DeckungS- mittel aufgefunden werden müssen, aber eS ist durch die Er klärungen deS Grasen Caprivi vom ?., 8. und 15. Juli wohl durchaus nicht ausgeschlossen, daß daS Bier „zur Sanirunz der NeichSfinanzen" in Zukunft doch seinen Steuerbcitrag liefert." Wir hoffen im Interesse deS Herrn Reichskanzlers und seiner am 15. Juli im Reichstage anwesenden BunbcSralhS- collegen, daß diese befremdliche Darlegung nicht unwider sprochen bleibt. Und von dem geistigen Bater der sehnlich erwarteten „Sanirung der ReichSstnanzen" darf man wobt erwarten, daß er nicht aus den Gedanken verfällt» diese Sauirung durch eine höhere Besteuerung des BiercS herbci- zusühren. So verlockend auch der Gedanke sein mag, statt der beweglichen Matricularbeiträge u. A. eine bewegliche Biersteuer einzuführen, die daö Deficit, welches daS Reich nicht haben darf, durch Zuschlagzchntel beseitigen hilft, so abschreckend ist der Gedanke, daß die geplante Reform deS SchankconcessiouSwesenS gekrönt werde durch die Umwandlung zahlreicher Bierschänken in SchnapSkneipeu. Deutsche- Reich. 6. ü. Berlin» 25. Juli. Ter von den „ Unabhängigcn " gegründete „Socialist" ist bekanntlich in das anarchistische Fahrwasser übergegangen. Tie Führer der „Unabhängigen", mit dem bekannten V. Buhr an der Spitze, glaubten, alS sie sich in einem Flugblatt gegen da- Hinllberglcite» der von ihnen hervorgerusenen Bewegung in das anarchistische Fahr wasser wendeten, die Mehrzahl ihrer früheren Freunde hinter sich zu Habens aber sie haben sich gewaltig getäuscht, denn fast keine einzige Hand hat sich für sie erhoben. Die unabhängigen Clubs im Reick hießen den Anschluß an den Anarchismus gut und die „Genossen" in den außerdeutscken Staaten erklärten sich mit seltener Einstimmigkeit gegen Wildberger und Bubr. Tie französischen Freunde sandten eine Art Adresse, in der sie ihrer Freude darüber Ausdruck gaben, „daß man endlich die Kiudcrschube ausgetreten bat und keineswegs länger gesonnen ist, irgend welchen Demagogen HeercSfolge zu leisten." Die alten Unabhängigen haben ver sucht, sich zu sammeln; aber eS sind ihrer so wenige und diese wenigen sind so der Mittel entblößt, baß man heute Wohl sagen kann, die Bewegung der Unabhängigen in Deutsch land habe zu existiren aufgehört. Die nunmehr so verstärkten und in Len Besitz eines Blattes gelangten Anarchisten werden, getreu ihrem Princip, „unabhängig nicht allein von der Socialdcmokratie, sondern von aller und jeder Herrschaft", selbstverständlich Vereine nicht gründe», aber die Bildung von kleinen Cirkcln, nicht über l2 bis 15 Mann stark, mit Eifer betreiben. ES hat in Berlin solcher Cirkel schon eine ganze Anzahl gegeben, die sich nunmehr stark vermehren wird. Aus dem Lichte, daS die Unab hängigen wenigstens nicht meiden, ist also die Bewegung der Extrem-Revolutionaire in daS Dunkel getrieben. Die Volksversammlungen, von denen erst gestern eine stattfand, bilden die Couliffe; sic sollen verdecken, was in den kleinen Cirkcln vergeht und WaS, wie verschiedene Vorgänge gezeigt Laben, ganz anderer Natur ist als daS in den Volks versammlungen Vorgctragene. Die „unabhängige" Bewegung ist, wie gesagt, todt, aber die anarchistische hat starken Zufluß erhalten. Daö war freilich zu erwarten; aber daß eS so schnell geschehen ist, da- übertrifft die Erwartungen der Be sorgtesten. * Berlin, 25. Juli. Zum Conflict innerhalb des CcntrumS bemerkt — ob osficiöS oder nicht, bleibe dahin gestellt — der „Hambg. Corr.": „Mit der Veröffentlichung deS (von uns mitgelheilten. Red. d. „L. T.") kurzen, aber inbaltrcichcn Schreibens, das der Vorsitzende der Cenlrums- sraction, Graf Hompesch, an die „Schles. Volksztg." gerichtet hat, ist die Niederlage Lieber'« besiegelt. Gras Hompesch räumt jetzt ein, daß er durch Lieber über daS Vcr- hältniß zwischen diesem und dem Grafen Ballestrem ge täuscht worden sei, und bittet indirekt diesen um Ent schuldigung. Lieber hatte behauptet, Gras Ballestrem habe ibn, natürlich im alten Reichstage, wegen seiner Rede bei der zweiten Berathung der Militairvorlage beglückwünscht, während sich jetzt herauSslellt, daß Graf Ballcslrem nur seine Be friedigung darüber ausgesprochen bat, daß Lieber die Frage seines Rücktritts von dem Lorsitz in der Fraktion und seine- Ausscheidens auS ihr nicht berührt habe und Laß er, Graf Ballestrcm, deshalb seine Meldung zum Worte zurückgezogen habe. Lieber hat sich also geirrt." Schwerer in die Waagschale aber fällt der durch Herrn v. Schalscha geführte Beweis, daß Lieber sich erlaubt bat, den aus die Militairvorlage bezüglichen Passus dcö Wahlaufrufs deS Centrums, Len der „Germania" zusolge die Fraktion im Wortlaut seslgestelll balle, eigen mächtig in dem Sinne zu ändern, daß der Widerspruch nicht nur gegen die ursprüngliche Regierungsvorlage, sondern auch gegen den Antrag Huene „daS Feldzeichen des CeiitrumS in der Wahlschlachl" sein werde. Dieses dictatorische Vor gehen war nur möglich, weil nach der Auslösung des Reichstags die VvrslandSmilglieder deS CcntrumS zer streut und schließlich bis auf den Freiherr» von Wcudt schwach genug waren, sich mit einer Correctur zu frieden zu geben, damit der Wahlaufruf, dessen Aus bleiben die Partei im Wahlkampf verwirrte, endlich, d. h. am 24. Mai, veröffentlicht werden konnte. Nicht-Vorslands- mitglieder halten von diesem Liebcr'schen Streich keine Ahnung und so konnte in der großen schlesischen Dclegirlenversamm- lung in BreSlau der vielumstrittene Mehrheitsbeschluß gefaßt werden, sich auf den Boden Lcü Wahlaufrufs zu stellen, der nach der Mittheilung von FractionSzenosscii den Candi- daten bei der Wahl freie Hand zu einem Entgegenkommen gegen die Regierung lassen sollte und ursprünglich nach dem FractionSbcschlusse auch ließ, wahrend der von Lieber verbesserte Wahlaufruf jedeö Mitglied des CcntrumS verpflichtete, die Erhöhung der Friebcnspräsenzziffer ab- z»lehnen. Die schlesischen Dclcgirten der Centrumspariei waren also die Geprellten. Trotz dieser Eigenmächtigkeit hat sich Herr Or. Lieber in der kurzen RcichSlagösession in der Führcrrolle der Partei behauptet und mit Hilfe des Würtlembcrger Herrn Groebcr daö Ccntrum in immer schärfere Opposition gegen die Negierung gedrängt. Aber in einem Puncte hat sich Lieber setzt schon fügen müssen, indem er den beiden aus dem alten Reichstage übrig- aebliebenen Jasagern, dem Prinzen Arenberg und Herrn Lender, den Eintritt in die Fraclion gestattete. Ob er nach diesen Enthüllungen die führende Rolle im Centrum be haupten wird, bleibt abzuwarten." * Berti», 25. Juli. Tas Thema: „Der falsche und der wahre Antisemitismus oder der Wolf im Schasskleide" beschäftigte gestern Abend eine bei Buzgen- hagen abgehaltene antisemitische Volksversammlung, über welche der „Magdeb. Ztg." folgender Bericht zugeht: Reichstagsabgeordneter Werner-Cassel äußerte Folgendes: Die Antisemiten haben bei den Wahle» so große Erfolge errungen, weil sie sich aus eigene Füße gestellt und mil keiner anderen Partei einen Loinpromiß geschlossen haben. Die gcsahrlichsien Gegner der Anti semiten seien die Co nservativen. (Beifall und Widerspruch.) Diese Leute könne man mil vollem Recht Wölfe in Schlasskleid er» nennen. sBeisall undWideripruch.) Cs gebe ja einige ehrliche Conjervative, die auch mit anbsemitischcm Leie gesaiblseien.dieParlei imAUgeineine» aber gebe mit Versprechungen, die sie niemals bolle; deshalb iei diese Partei mit grüßler Entschiedenheit zu bekämpfen. «Beifall.) Er habe in seinem Wahlkreise einen Landrath aus dem Felde ge- schlagen (Stürmischer Beifall); er sei der Ansicht, daß in den Reichstag nicht Landräthe, sondern freie, unabhängige Männer gehören. (Lebhafter Beifall.) Die Antisemiten wissen, daß mit der Lösung der Judcnfrage allein die sociale Nolh nicht aus der Weit geschaut werden tonne, sondern daß dazu außerdem gesunde sociale Reformen ersorderlich seien Tie conjervalive Parlei, die viele Jahre eine herrschende Stellung in der Gcjetz- gebung eingenommen, habe den Schlas des Dornröschens gehalle». Diese Partei dünke sich aber zu vornehm, um für das Volk, aus Las sie hochnäsig herabsehc, etwas zu thun. (Lebhafter Beisall.) Zu bedauern sei es, daß Abgeordnete, die auf das aiitisemiiische Programm gewählt worden seien, sich der conservaliven Parici angeschlossen haben. (Ruse: Pfui!) Ein alles sra»- zösischcS Sprichwort sagt: „Wer sich den Juden ergicbt, stirbt", ich süge hinzu: „Wer sich den Conscrvativen crgiebt, stirbl." Die Bezeichnung „Radau-Antisemit" sei bereits ein Ehren name geworden; denn der Lärm, der in der Versammlung der chrisilich.jocialen Partei am vergangenen Freitag gemacht wurde, sei ein sehr gesunder gewesen, (stürmischer Beisall.) Tie Vorgänge in der erwähnten Veriammlung seien ja sehr bedauerlich, das Auftreten Stöcker'S gegen die verschiedenen antisemitische» llandi- daten bei der letzten Wahl habe diese aber provocirt. Er könne nicht begreifen, wie ein evangelischer Geistlicher, ein Prediger der christlichen Nächstenliebe, sagen konnte: er werde Herrn Dr. Böcke! bis aufs Blut bekämpfen. (Ruse: Pfui!) Hosprcdiger Stöcker, den er (Redner) persönlich sehr hoch achte, dürfe sich nicht wundern, wenn die Antisemiten ihn bekämpfen. Stöcker sei aus halbem Wege stehen geblieben. Stöcker sagte: wenn der Jude sich taufen lasse, dann sei er mit den Christen gleichberechtigt, während die Raste-Antisemiten sagen: „Ter Jude bleibt Jude und wenn er sich zehn Mal hat taufen lassen." (Stürmischer Beifall.) Co lang« Hos- Prcbiger Stöcker im Amte war, mußte er vielleicht noch einige Rücksicht übe»; inan Hütte aber erwarten sollen, daß, nachdem er ein Amt guitlirt, er zum Rassen-AntiscmitiSmuS übergehen werde. Im klebrige» sei nicht Stöcker, sondern vr. Ernst Henrici der Vater des Antisemitismus. (Stürmischer Beisall.) Herr Stöcker sei durch seine eigene Tölpelhaftigkeit in Siegen duichgcfalleil. In Neuslettin sei Stöcker als Christlich-So cialer ausgeiretc»; wenn er gewählt worden wäre, hätte er sich doch zweifellos sofort den Conservaliven angeschiossen. Er wünsche, daß Stöcker ebenfalls ein Mandat erhalte. Möge er sich in einem sicheren conservativen Wahlkreise aufsiellen lasten, aber nicht den Antisemiten das Mandat streitig machen. Die Conscrvativen würden ja die Antisemiten als sehr folgsame Kinder betrachten, wenn sie ihnen Heeressolge leisteten. Allein die Antisemiten müsse» den Kampf ebenso heftig gegen die Conservativen, wie gegen die Freisinnigen und Soctaldemokraten führen. Tenn bei der vorigen Wahl habe es sich gezeigt, daß die Conservativen nicht bloS mit allen schmutzigen Mitteln arbeiten, sondern den Katzen gleichen, die vor» lecke» und hinten kratze». Er müsse bekennen, daß ihm ein ehrlicher Gegner wie Eugen Richter lieber sei als ein Conserva tivcr. (Stürmischer Beisall und Wider spruch.) Die Antisemiten haben nunmehr Herrn Hosprcdiger Stöcker nebst der conscrvativen Pariei kennen gelernt und seien genöthigt, Beide als Feinde zu betrachten. (Beifall.) Wenn es uach den Conservativen gegangen wäre, dann würde Las allgemeine, gleiche, directe und geheime Wahlrecht bereits dem Landtags-Wahl recht gleichen. Tie Anlisemilen wollen eine echte Volkspartci sein und niemals vergessen, Laß sie von dem arbeitenden Volke gewählt seien. (Stürmijchcr Beifall.) — Arbeiter Schenker tadelte es, daß die Antisemiten, im Gegensatz zu ihrer frühere» Abstimmung, für die Militairvorlage gestimmt haben, obwohl doch die Teckungsfragenoch keineswegs geregelt sei. — Abg. Werner: Tie Antisemiten haben diesmal für die Vorlage gestimmt, nachdem der Reichskanzler erklärt, daß Bier und Branntwein nicht besteuert werde» solle. — Lehrer Langhcinicke ersuchte, die Streitaxt zu begraben uud das zu betonen, was die Antisemiten und Christlich-Socialen einige, uud nicht, was sie trenne. Abgeordneter Werner erwiderte: Der Vor redner möge seine Mahnung an die Adresse richten, von der der Un friede ausgegangcn sei. Die conscrvative Partei sei eine alte, morsche, abgelebte Partei geworden, das Volk wolle aber eine lebensfähige Partei habe», das seien die Antisemiten. (Stürmischer Beisall.) Ahlwardt habe nicht Unrecht, wenn er die Junker angreife. Es gebe einzelne anständige Junker, wie eS auch einzelne anständige Juden geben möge. (Rufe: Na, na!) Im Allgemeinen seien aber die hochnäsige» Junker gleich den Juden zu be- käiiipscn. (Lebhafter Beifall und Widerspruch.) Hieraus bestieg, von stürmischem Beisall begrüßt, Restaurateur Bodek die Tribüne: Tic Ailliseiniten müssen jede Versöhnungspolilik zurückwcisen. Lange genug baben sich die Antisemiten mil dem conscrvativen und christ- lich-jocialen Ballast umhcrgcjchieppl. Es sei nun Zeit, daß sic diesen Ballast von sich abschütteln, nur dadurch werden sie ihre großen Ziele erreichen können. (Slürmischer Beisall.) Tie Coujervativrn haben sich niemals um die Roth des Volkes bekümmert, mit einer solchen Partei, die nur das Christenthuin im Munde führe, aber nicht im Herzen trage, könne» sich die Antisemiten niemals ver söhnen. Die Antisemiten müssen den Kampf in gleicher Weise gegen die Jude» un,d gegen die Heuchler führen. (Stürmischer Beisall.) Er verkenne keineswegs die Verdienste deS Hofprcdigers Slücker. Tie Anlisemilen beirachlen ihn wie einen General a. D., der die Truppe» bis an de» Rhein geführt habe, als die Truppen nun aber de» Rhein überschreiten und in Feindes land cindringen wollte», sic daran hindern wollt«. Tie Antisemiten rufen dem Hosprcdiger Stöcker zu: „Wenn Tu nicht weiter gehen willst, so hindere uns nicht daran, sondern lege Dich aus Dein Ruhe bett!" (Stürmischer Beiiall.) — Nachdem sich noch mehrere Redner in ähnlichem Sinne geäußert, wurde die Eerjaminiung gegen 12 Uhr NachlS geschlossen. V. vrrlin, 25. Juli. (Telegramm.) Der Aufenthalt des Kaisers in Kiel wird ungefähr zwei Tage dauern. Während dieser Zeit sollen Vorbereitungen für die Reise nach England getroste» und Kohlen sür die Jacht „Hohenzollern" eingenommen werden. Berlin, 25. Juli. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht die Ernennung deS deutschen Ge sandten in Teheran, Scheint zu Schweinsburg, zum Gesandten in Peking. «- Berlin, 25. Juli. (Telegramm.) Zu der Meldung, daß Rußland vom 1. August ab seinen Maximaltarif allen denjenigen Staaten gegenüber in Anwendung bringen werde, die ibm bisher die Meistbegünstigung nickt gewährt baben, bemerkt die „Nat.-Ztg", daß die Einführung des Maximaltarifs de» Abbruch der Verhandlungen mit Deutsch land nicht zur Folge haben werde, wenngleich die Aussicht auf ein positive« Ergebniß jedenfalls durch die russischen Acte zollpolitischcr Feindseligkeit nicht wachse. Rußland will bekanntlich zur Fortsetzung der Verhandlungen Commissarien nach Berlin senden; wenn als Termin ihres Eintreffen- daS nächste Frühjahr bezeichnet wird, so hält die National- Zeilung" das für unzutreffend, es würde wohl beim diesjäbrigen Herbste bleiben.— Der Börs.-Cour." sieht einen Zollkrieg vou längerer Dauer voraus und fürchtet, daß Handel und Industrie schweren Berlustcu auSgesetzt seien. Auch die „Bossische Zeitung" meint, daß mil der Einsührung des MaximaltarisS der ruhige Gang der bisherigen Gerband- lungcn mit Deutschland durchbrochen und die ganze Angc- legcnbeit, d. h. der Handelsvertrag, als gescheitert, wenigstens auf unabsehbare Zeit, anzusehcn sei. Das „Berl. Tagebl." schreibt: So wenig wir sonst Freunde von Repressivmaßregeln sind, so ballen wir eS doch im vorliegenden Falle für ange messen, wenn die deutsche Rcichsregierung, wie dem Ver nehmen nach bereits im Princip beschlossen zu sein scheint» nunmehr die Anwendung deS Zuschlagszolls von 50 Proc. gegen alle russischen Producte verfügen wird. Damit wäre der deutsch-russische Zollkrieg proclamirt, und ein solcher kann »»sercS Erachtens nur die Wirkung haben, daß Rußland etwas mebr als bisher sich de» Abschluß des Handelsvertrags mit Deutschland angelegen sein lasten wird. — Die osficiöse Presse äußert sich über die Angelegenheit noch nicht. ID Bcrlin, 25. Juli. (Telegramm.) Der wegen Fahnenflucht verhaftet gewesene Lieutenant Schmiedeckr, der, wie s. Zl. gemeldet, vor 22 Jahren ohne Erlaubniß nach
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