Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931028029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893102802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893102802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-10
- Tag 1893-10-28
-
Monat
1893-10
-
Jahr
1893
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
SSL —-— «ck di» V«r»et»» erricht»»« U>«. «oeftell« «k-itzolt: vtert»ljtbrltch^«chO, bet »««t»alioer täglich« Zustella»g tu« Hau» » LckL Darch die Post bezogen für Deutschland ,»d Oesterreich: viertel,ährlich Utl S>—. Direct» tägliche -rru-baadiendnag t»t Ausland: monatlich ^ 7ckO. Die Morgni-Un-gob« erscheint täglich '/,7UH^ di» >bend.>n»gab« Wochentag« b Uhr. 8rd«rtio« «,H Lr»e>itt«»: AatznnnrSgatz« 8. Dt» Erpebttio, ist Wochentag« »nnnterbrvche» geöffnet von früh 8 bi« «dach« 7 Uhr. FUlile»; vtt* Me»« « Lortt«. (Vksrrtz Hatz»), Untversitättstrab» l, L»»t« Lösche. Katharine»str. 14, Part, nad Känigsvlatz 7. Abend,Ausgabe. M>Mcr.TWMatt Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeige«-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfß. Sieclamen nnter demZled»ctt»»«strtch («ge spalten) SO vor de» Familirnnachrtcht», (6gespalten) 40^. Arößerr Schriften laut »nserrm P»is- verzcichnib. Tabellarisch« und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-vetlagen (gesalzt), »ne mit d« Morgen-Ausgabe. ohne PostbesSrderang «0.—. mit Postbesorderang ^ 7V.—. ^««ahmeschluß für Aiyeize«: Ab«ad-Au<gab«: Vormittag« 1v Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,S Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je rin» halb« Stund« früher. An«eigen find stet« an dt« Expedition zo richte». Druck nnd Verlag von E. Pol» in Leipzig. ^- 552. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den LS. Oktober, Vormittags nur bis /-S Uhr geöffnet. Lxpeältlou Ü68 I^lpxlxer l'sxedluttes. Politische Tagesschau. * Letprtg, 28. Oktober. Obschon die Reich«steuerreform und die preußschen Landtagswahlen der politischen Erörterung hinlänglich Stoff boien, gehörte das allgemeine Interesse der ablausenkcn Woche einer socialen Erscheinung: dem Protest in Haunavcr. Er bildet den Gegenstand der Unterhaltung in allen Kreisen und ernste Preßorgane beschäftigen sich mir ihm schon jetzt, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, Gerichtsverhandlungen vor ihrem Abschluß unbesprochen zu lassen. DaS, was diesen Proceß brmerkenSwerlh macht, kann auch in der Thal von dem Urtheile de- Gerichte- nicht berührt werden. Wie in Zeilen der Währung au- jedem Vorfälle, suchen die extremen Richtungen auch au- dem Schau spiele, da- sich in Hannover abspiclt, Eapilal zu schlagen, der Antisemitismus auf der einen, der polnische und wirth- schaftllche Radikalismus auf der anderen Seite. Tie Einen finden da- Symptomatische des ProcesseS in dem Umstande, daß die angcklagten Spieler und Betrüger Juden sind, die Andere» in der Thatsache, daß fast ausschließlich adelige junge Leute durch einen unerhörten Leichtsinn sich zu Opfern der Gauner gemacht haben. Nach richtiger Erkcnntniß streben beide Richtungen nicht; es handelt sich für sie nur um ein Behikcl für die Agitation. Dazu kann allerdings bemerkt werden, daß der bannovcrsche Brocken sich für den demokratischen Magen fetter erweisen wird, als für den antisemitischen. Ganz abgesehen davon, daß zwei ehemalige Ojsiciere von Adel die verächtlichste Rolle bei der Umgarnung der Opser gespielt habe», wirb der land läufige Antisemitismus der doheu GcftlljckastSschichten durch die Anklageschrift in ein sehr sonderbares Licht gesetzt. Man kann ohne Bedenken die Behauptung wagen, daß die in dem Proceß als Zeugen auslretenben adeligen Miliiairpersonen zum großen Tdeil, wenn nicht inSgcsamml, eS ablohncn würde», in gesellschaftlichen Berkehr m>l gebildeten, sittlich unantast baren jüdischen jungen Männern aus guter Familie, sagen wir beispielsweise mit Referendaren, zu trete». Dieselben Herren nehmen aber keinen Anstand, sich mit Juden, von denen sie weiter nichlS wußten, als daß sie Geld in der Tasche halten, zum Spiele niederzulassen — vermulhlich immer an- Leidenschaft, aber doch wohl nicht ausnahmslos ohne die Hoffnung, den Zustand der beiderseitigen Taschen zu verändern. Bei diesem Sachverhalt hat der Antisemitis mus weniger Aussicht, mit dem Proceß politische Ge schäfte zu machen, als Diejenigen, welche ihn gegen die — Getreidezölle und da- Branntweinsteucrgcsetz auS- beuten, indem sie sagen, der Schutz der Landwirlbschast diene lediglich dazu, deu adeligen Großgrundbesitzern und ihren Familienmitgliedern rin Leben zu ermöglichen, wie eS die in Hannover als Zeugen auslretenben Herren laut ihren eigenen Aussagen geführt haben. Daß der Proceß die Eignung der östlichen Barone zur Führerschaft in einer deutschen Bauern- Die quade Foelke. Roman aus der EmSgau. Lös Bon F. KUnck-LütrtSbnrg. A-chdnick »erboten. (Fortsetzung.) Der Gedanke an die Möglichkeit einer Begegnung mit Bernd quälte sie unausgesetzt und ließ sie nicht einmal des Nachts zur Ruhe kommen. Dazu kam der Schmerz um den Verlust de« Kinde«, den der Gedanke, daß dessen Gesundheit ihm kaum jemals gestattet haben würde, seinen Anlheil an den Freuden des Lebens zu nehmen, wohl lindern, aber nicht beseitigen konnte. Alle Bemühungen Forlke'S, durch eine Wiederaufnahme der Studien, die sie'manche schwere Stunde batten überwinden helfen, erwiesen sich als vergebliche. Es gelang ihr nicht, ihre Gedanken zu bezwingen, sondern die innere Angst schien in stetem Wachsen begriffen. Die junge Frau sah wirklich leidend aus. Der Arzt, den sie bei ihrem Kinde zu Rathe gezogen und der bei einen. Besuche, den er im Hause machte, gelegentlich nach ihrem Ergehen sich erkundigen wollte, rielh zu einer Badereise. Sie lehnte eS anfangs ab, ihr wahr'-, als könne sie den Ort, wo sie so manchen Schmerz erfahren, und da« kleine Grab nicht verlassen. Erst allmälig begann sie einen Wechsel de- sie Umgebenden in Erwägung zu ziehen und faßte deu Entschluß, dem Rathe de- Arzte- zu folgen. Dieser rielh zu einem Seebad. Er brachte Schrveningen in Vorschlag in der Voraussetzung, daß sie dort am ehesten Zerstreuung finden werde. Aber Foelke lehnte die- ab, sie fürchtete da« Leben und Treiben eine- großen Badeortes, da« sie vor langen Jahren auf Norderney kennen gelernt. Dagegen erklärte sie sich zu einer Reise nach dem holländischen Zandvoort bereit, und nachdem sie einmal diesen Entschluß gefaßt, begann sie auch gleich die Vorbereitungen für ihre Abreise zu treffen. Sie bereute nicht, dem Rath« de« Arzte» gefolgt zu sein. Der Wechsel war eine Notbwendigkeit für sie gewesen. E« gelang ihr, eine hübsche Wobnung cntsernt von dem Strande zu erlangen. Sie atbmete auf, als sie am Abend ihrer Ankunft in Zandvoort am Fenster stand und ihre Lugen über da« Meer schweife» ließ, dessen sanft be- Sonnabeud dm 28. Oktober 1893. bewrguna nicht gerade dartbut, ist allerdings ziizugesteben, aber diese Qualifikation war von jeher mit Grund bestritten und im .Bund der Landwinde" bat man auch ohne Kennt- niß der merkwürdigen Wechselaffairen, die im hannoverschen Gerichtssaal erzäblt werben, sich über die Beniner Oberleitung de« Bunde- klar zu werden begonnen. Die Behauptung, die Spielschulden von ein paar Dutzend au- dem Großgrundbesihstand hervorgegangener leichtsinniger Leute hätten den Beweis erbracht, daß die deutsche Laud- wirthschasl ihrem Schicksale überlassen werden dürft, ist eine grandiose Ungeheuerlichkeit und bekundet eine noch größere Heuchelei. Was sich in Hannover zeigt, sind Symptome einer allgemeinen Krankbeit, und kein Kreis der höheren GesellschastSschichlen bat ein Recht, über die dort Bloß- gestellten da- „Herr Gott, ich danke Dir, daß ich nicht bin wie Diese da" zu rufen. Am allerwenigsten besteht ein solches Reckt dort, wo man im sortgesetzlen Spiele, wenn eS sich nur an der Börse vollziebt, einen legitimen ErwcrbSzweig erblickt und sardanapalische Lebensweise der Spieler nur veruriheilt, wenn zufällig einmal ein Revolver schuß oder die Staatsanwaltschaft da« ängstliche Stillschweigen für eine Weile unmöglich macht. In der abstoßenden Em pörung dieser Elasft von Bcurtbeilcrn de« bannoverschcn ProcefseS mögen sich übrigen- idrc politischen Antipoden spiegeln, die, wenn nicht gerade einer aus ihrem Kreis: die Kosten der moralischen Unterhaltung zu tragen hat, sich ibrcr au- dem orthodoxen Ebristentbum und der conser- vativrn Parteizugehörigkeit fließenden Tugendbastigkeit bc- rllhmcn. t'oeealur extra et intr» — dieses Wort gilt heule mehr als je in dem Deutschland des l!>. Jahrhundert- und erschreckend mebr, als in der Zeit, die unserem nationalen Aufschwung voranzegangcn ist. Jagd nach mühelosem Erwerb und nach Genuß, schwindende» Genügen an der beruflichen Arbeit, Sucht nach leeren Zer streuungen, Verkümmerung de« Innenlebens — tieft Erscheinungen finden sich in allen Schichten der deutschen Gesellschaft und der hannoversche Proceß ist eine Mahnung für Alle. DaS Hauptkunststück des österreichischen Minister präsidenten Grasen Taassr ist von jeher die Taktik mit kleinen Mitteln gewesen. Durch sie spielte er unermüd lich jekr Partei deö Abgeordnetenhauses gegen die andere auS, hetzte sie alle hinter- und durcheinander, so daß es niemals g lingcn wollte, eine sichere ParlanienlSmcbrhcit zu gewinnen. Graf Taasse wußte nur zu gut, daß eine solche das Ende seiner Herrschaft sein würde, und da er seinen Ministcrsiy um keinen Preis verlassen will, so führte er das Schlagwort der .Majorität von Fall zu Fall" ein und maltraitirte dabei die größte Partei, die Vereinigte deutsche Linke, durch Ebikanen aller Art. aber zugleich in einer Weift, daß eS den Deutschen, wenn sie sich nicht in politisches Unrecht sitzen wollten, fast unmöglich war, in schroffe Opposition zu geben. Hierdurch hoffte Graf Taaffe, die Partei vor ihre» immer ungeduldiger wertenden Wäblern zu compromiltiren und idrc Stärke zu brechen. Lock wollte die« nicht gelingen, im Gegentbeil, eS bolle sich schließ lich die Regierung trotz der Gefolgschaft der Polen und der Eonservativcn eine Niederlage nach der andern, und zudem erwies sich die geiiannte Leibgarde auck nicht immer ganz zuverlässig. Da holte Graf Taaffe zu einem Gcwalt- strciche auS, der aber, ganz Taaffe, in seinem Schwünge eine starke Hemmung erhielt. ES wurde mit Hilft de« frommen Katbedersocialisten Or. Steinbach ein Wablresormentwurs auS- gearbritet, der, wie JaworSk, in seiner Absage an die Regie rung sich treffend auStrücktc, als Mittelding zwischen Bureau- kratismus und SocialiSmuS sich erwies. Mil seiner Hilfe wollte wegter Wellenschlag nur wie ein ferne« Murmeln ihr Ohr erreichte. Sic war allein. Außer dem Arzt wußte nur der Rechts anwalt Buddenderg, wohin sie gegangen, nicht einmal da« Mädchen, VaS sie mitgenommen, hatte von dem Endziel der Reift gewußt. Sie würde auch dieses zurückgclasseu haben, da sie der Dienstleistungen desselben nicht bedürftig gewesen wäre, allein Sorge um da« Ergehen der Dienerin, wäbrend der Zeit stirer Abwesenheit, bewog sie, dieselbe mitzunebmen. Die Rübe und die Einsamkeit thaten der jungen Frau unendlich wohl. Schon nach wenigen Tagen fühlte sic sich wohler als seit langer Zeit, und eS kam ihr eine leise Ahnung, alS ob noch einmal Frieden werden könne. ES war ein Glück, daß der Arzt Frau BrunS zu einer Reise bewogen und sie dadurch vor neuen Stürme», denen sie jetzt auSgksctzt gewesen wäre, bewahrt batte. So backte der Rechtsanwalt Buddenderg, als er wenige Tage nach Foelkc's Abreise von der Verhaftung Bernd BrunS und Wei derich Heymann'S wegen wissentlichen Meineids körte. Letztere selbst hatte sich und Bernd angczeigt'. Nicht etwa au» Reue und ebne eine Ahnung von der Große de« verübten Verbrechen», sondern im Zorn über Bernd, den sic nicht hatte zwingen können, und der selbst ibren Drohungen gegenüber kalt geblieben war — sie war ja seine Verbündete, die jeden Angriff auf seine Person mit dem eigenen Verderben würde büßen müssen. Was aber lag Wolberich Heymann daran? Sie hatte Foelke Meinhardi, ihre glückliche Nedenbublerin, gehaßt, weit sie si t> dem Glauben hingegeben, daß diese allein e- gewesen, die Wilhelm Adam« gehindert, sein Herz an sie zu hängen, und auch deren Verbindung mit Bernd Brun- konnte sic nickt versöhnen. Die Vorgänge, welche schließlich Wilhelm znm Pächter LeS Meinhardischen Platze« gemacht, waren nur im Stande, sie noch mehr gegen Foelke zu erbittern, und deren Unglück in der Ehe kalte sie nicht milder gestimmt, sondern nur da« Verlangen, dir Stunde kommen zu fehen, in welcher die Gegnerin vollständig vernichtet sein würde, ge steigert. Nicht einen Augenblick batte sie diesen AuSgang au- den Augen verloren und mit berechnender Schlauheit jede Gelegenheit ergriffen, ein Samenkorn für neue Zwietracht io die Seele Bernds zu senken. Sie fand einen empfänglichen Boden, und nachdem eS ihr erst gelungen war, io dem Hause Bernd'« Aufnahme zu finden, batte sie sich ihrem Ziele nahe gerückt gesehen. Worte, Blicke, Achselzucken reizten oft genug Bernd bi« zur Wuih, es bedurfte ihrerseit« nicht eiamal besonderer Mittel, ihn aus- man den Liberalen, den Polen und den Eonscrvativen die Kölle beiß macken, sich selbst aber durch die Beibehaltung der MantatS- zabl, der Großgrundbesitzer-Curie und de« indirekten Wahl rechte« vor dem Ansturm der „roibcn Gesellen" möglichst cküyen. Man hoffte La« widerborstige Tcutschtbum in der lawisch-socialistischen Hochflntb ersäufen zu lönnen, und ist jetzt im böchstcn Grade erstaunt, daß die Polen unk die Con- servativen, ibrc eigenen, aus das Aeußerstc bedrohten Interesse» schützend, als Kampfgenosse» an die Seite der liberalen Deutschen treten. DaS Cabinct Taaffe ist dadurch in eine böse Klemme geratbcn. Daß idm die Junzczechen und Antisemiten zur Seite springen, sich für seine Wahl- resorl» erkläre» und im gleickcn Atbcmzuge ankündigen, die bureaukratischen Klauseln in Stücke schlagen zu wolle», kann ibm weder angenehm sein, noch als auSrcichcnkc Hilfe er scheinen. Was tblin? .Man" drohte den .bösen" Parteien mit allem Erdenklichen — eS machte keinen Eindruck, vielmebr gewinnt .man" die lleberzeugung, daß im Falle von Neu- wablcn die dreibcinige Opposition noch stärker zurückkcbre» würde, und zudem macht die Prager Ausnahme schwere Sorge. Sie bat das Jungczechenibnm nickt geschwächt, sondern gestärkt, wie die jüngttcn Ergä»z»ngSwable» in Prag zeigen; lehnt nun das Hau« diese Ausnahme auch neck ab, dann ist die Niederlage selbst sür Taaffe eine fast überwäliigcndc. Und so sucht man denn durch allcrband Zwischenspiel die Erledigung des wichtigen Landwebr- gcsryes vor der Bcratbung der Ausnahme berbcizusübre» und will dann den Schluß der Session verkünden. Durch diese- Manöver wäre die AiiSiiabnic sür einige Wcche» ge rettet und der eigene Wahlrcsormciilwurs fiele von selbst unter de» Tisck, wv .inan" idn liegen lassen würde, um den ncu- ciiiberusenen NcichSratk mit einer .verbesserten" Auslage be glücken zu können; vielleicht gelänge eS >n der Zwischenzeit auch, wenigstens mit de» Polen und den Eonservativcn die jetzt zerrissenen Fäden wieder anzukiiüpsc» — fürs Erste wäre dem Grafen Taaffe geholfen und .weiterhin mag dann der liebe Gott Helsen". In der Schweiz finden morgen die Wahlen zum Nationalrath statt, die bekanntlich alle drei Jabre vor- zunehme» sind. Ans je 2" 000 Seelen kommt ein Abgeord neter Stimmberechligi und wählbar ist jeder Schweizer, der da- zwanzigste Allcrsjabr zurückgcleat bat und nach der Ge setzgebung des Wobns.tz Cantons in bürgerlichen Rechten und Ehre» sieht. Die Eruc»crungSwablc» geschehe» diesmal ebne ein Zusammenstößen der polnischen Gegensätze. Das Wabl- aeschast dal demgemäß den Cbaratlcr einer reinen Perft»eusache. um Principicn bewegen sich die Wahlanstrengungcn nicht. Es handelt sich nur darin», die Allen z» bestätigen und hier und dort, wo Tod oder Rücktritt der Sesseliiikabcr eine Lucke ließen, neue Mitglieder zu küre». Um die Wähler zu ködern, wurde» von diesen und fenen Fraciionen politische Programme veröffent licht, die ibren Dienst in der Regel gclban habe», wenn die Parteien mit ibrc» Eaiitidaien durchgedrungen sind. In Personenfragcn geht das Volk der Wädler conieroativc Wege. Gekört Einer »icbrcre Jabre hindurch der Bundesversamm lung an, so hält eS ungemein schwer, ihn heranSzilbringen. Es bedarf sozusagen in de» Cantonen politischer Umwälzung,:», des Sturzes der herrschenden Parteien, biS die Wähler mit den .Allen" brechen. Sind die Abgeordneten im Lause der Jahrzehnte gar bochlelazt geworden, dann werden sie aus Pietät wieder und wieder gewählt und bleiben im Ralbc, bi« sic die Augen schließen oder wegen Versagung der körperlichen Kräfte nickt mebr nach Bern reuen könne». >)», Ganzen inieressiren die Bürger sich viel mebr sür Personensachen als sür GcsetzeS- vorlagcn, nnd doch bat die Annahme oder Ablehnung von Gesetzen eine ganz andere Bedeutung als die Frage, ob Dieser zusiacheln, um einen neuen Auftritt mit Foelke berbcizusübren, der nur durch die Gelassenheit der letztere» überwunden worden war. aber doch den Stachel inneren Grimm- tiefer und tiefer gebobrt balle. Bernd unk Wolberich waren beinahe schweigend Hand in Hand gegangen, als sie Foelke der böswilligen, vorsätzlichen Brandstiftung angeklagt. Ihre Aussagen batten sich gedeckt, ohne daß sie vereinbart worden wären, und unendlich viel leichter als sie sich gedacht, war eS ibnen gelungen, die furcht bare Lage beraus zu beschwören, in welche die junge Frau gc- rathen war. Die Leichtigkeit deS Gelingen« führte Wolberich weiter auf der beschritlenen Baku und rasch zu neuen Entwürfen und Plänen. Sie glaubte Foelke « Schicksal besiegelt. War eS ibr nicht gelungen, Wilhelm Adams zu gewinnen, so sab sie jetzt ein anderes Ziel vor Augen. Für Wilhelm war sie in heißer Leidenschaft entflammt gewesen, die seine Kälte und spätere Abscheu gegen eine ränkesüchtige und lügnerische Person indessen bald genug erstickt batte. War sie auch eitel, so ge stattete doch ibre Klugbeit nicht, daß sie falschen Vorstellungen von einer Zukunft, die ihrer «artete, sich binzegeben hätte. Sie war und blieb da« binter einer Hecke ausgelesene Findel kind, der „Tater". So lange der Schmied und seine Frau lebten, würden Noth und Sorge nicht a» sie herantreten, aber — beide waren alte Leute und würden ihr nicht» hiiitrrlassen; der Verdienst reichte nicht weit und war im Lause der Jahre immer geringer geworden, weil der alte Mann nicht mehr recht vorwärts konnte. Die Schwäche der Pflege- eltrrn batte Wolberich einem Leben voll NichtSthun sich bin- grben lassen, bi« sie, aelangweilt, eine Stelle als Magd sich gesucht, um al» solche, ihrem Charakter entsprechend, zu wirken. Die Verhältnisse führten ihr da» neue Ziel vor Augen, da« zu erreiche», sic fest entschlossen war. Sie hatte Bernd Brun« vollständig in ihrer Gewalt, nicht einen Augenblick beschäftigte er sich mit dem Gedanken, daß ein Wort auS seinem Munde auch ihr Schicksal besiegeln konnte. Eine Ver einigung der beiden Gatten würde nie mehr stattfinden, Bernd war nicht mehr der reiche Mann, der er gewesen, immerhin nannte er noch rin bedeutende- Vermögen sein Eigrntyum, und daß er e« nicht ferner vergeudete, dafür wollte sie Sorge tragen. Der Gedanke an das Laster, dem er sich ergeben, konnte Wolberich Heymann nicht abschrecken. Im Gegentheiil WaS alle Leute sagten, daß Bernd sein Leben verkürze, konnte jede« Kind sehen Er war gerade in letzter Zeit arg verfallen, und sie wußte am besten, wie r« 87. Jahrgang. oder Jener Nationalrath wcrdel Die Arbeiterpartei ist noch nickt stark genug, eine erkleckliche Zahl von Vertreter« in den Nationalrarh zu bringen. In den größeren Städte» icbl man indessen die rübrige und jüngste Partei schnell wachsen. Frische Besen, gleichviel welcher Partei, thaten dem Nationalrath gut. Diesmal laust jedoch, wie gesagt, da« Wablvcrsabren im großen Ganze» aus die Erhaltung de« Besitzstandes der Ultramontanro, der couservativea Prolcsianlcn, der Radikalen, Drmokrateu, Socialdemokratea und Wilden hinan». Wen» man in Frankreich anfänglich ganz allgemein der Meinung Raum gab, daß die russischen Serosficiere de« vom Admiral Aocllan befehligten Geschwader« sämmtlich sein gebildete, der französischen Umgangssprache voll kommen mächtige Leute seien, so ist darin eine große Ent» rausckung ciiigetrcten, wie eS denn überhaupt an nach träglichen Entläuschungen nach keiner Richtung hin fehle» wirk. Da seiner Zeit gemeldet wurde, daß sür den Besuch New-Bork- während der Cvlumbu-seier sowohl Ossiciere wie Mannschaften in Petersburg mit großer Sorgfalt au-gcwäblt seien, und da dasselbe Geschwader, da« im New Yorker Hasen war. nach Toulon gekommen ist, so hätte sich freilich c>warle» lassen, daß dessen Ossiciere ihrem Staude auch gesellschaftlich volle Ehr« gemacht hätten. Ist da« trotzdem nicht der Fall gewesen, so wirst da« eia bezeichnen des Lickt auf den Bildungsgrad der russischen See leute im Allgemeinen. UnS freilich befremdet da« nicht. Einer oder der ankere der Ossiciere deS Avellan'schen Ge schwaders wird schon ei» wirklicher Gentleman gewesen sei» und von diesem hat mau aucb aus seine Kameraden ge schloffen. Dadurch ist dann die erwähnte Enttäuschung beroorgcrusen worden. Man liest nämlich in einem Pariser Bericht: „Die russischen Ossiciere sind zwar keine ungebildeten Leute, aber sie beiragen sich doch mehr als See- oder Eisbären den» gut ist. S>« sprechen nicht scauzosisch, sind unbeholsen, schwee- iallig, verstehen sich gar nicht aus alle jene kleinen Auimerk- iamteiten und Zuvorkommenheiten» aus jene gesellschaftliche» Tugenden, jene» Pciichmen gegen Domen, wodurch dieje iu^ widerslehlich gewänne» werde». Dergleichen halten die Parise rinnen nicht erwartet, die in Ser Meinung groß gezagt» wurden, die Nüssen seien ebrnio gewandt und lteben-wiirdig, wie dir eigenen Landsleute: de-halb wurden dir onsängllch stark liinworbencn Nüsse» schon »och den ersten Voll- und Conceriabrndeu ineiueniveils vernachlässigt, ihrem Sch cksai, Alleinsein nad Laiigerweile, überlassen. Eine Dame, die die Nussenseste in Toulon mitgrmachl hat, versicherte mir, da» dort rdrnialls die Nüssen nur Eiilläuschuiigkii bervorgrruirn hätten. Die Menge aus der Kasse iahrt natürlich sott, ihnen zuzii>»beln, aber sie weih >a nicht immer, was sie thut. Die Nüssen haben ihr Feste, Umzüge, Beleuchtung» Jubel aller Art grbrachi, das genügt ihr." In der serbische« Presse werden die Hetzereien gegen Oesterreich-Ungarn, der. gegen dessen Stellung in Bosnien noch immer fortgesetzt. Nun wurde, wie bereit« gemeldet, im .Odjck" eine Erklärung de- radikalen CcntralauSschnsft« abgegeben, daß nur dieses Blatt als Organ dieser Partei an- juiebc» sei und das; sich andere Blätter unberechtigter Weise sür Organe der Partei auSgebcn. Man weiß, welcher Werth auf solche Erklärungen, besonder« in Serbien, zu legen ist. Ucbigens siebt der „Ldjek" selbst waS die Hetzerei anbelangt, de» ankeren Blättern wenig nach. Bezeichnend ist, daß diese« Blatt die Nachricht, eS hätte der russische Gesandte Persiani der serbischen Regierung Vorstellungen wegen deren Haltung gegenüber Oesterreich Ungarn gemacht, sür unwahr erklärt, wäbrend eS doch nur bieß, Persiani habe zu erkläre« gehabt, daß man in Petersburg die Herausforderungen nicht billige. Seltsam klingt eS besonder«, daß der „Odjek" hinzu- um ibn stand. Sah sie doch von pem kleinen Fenster ihrer Kammer an- ihn de- Morgen« vor 4 Ubr an den Brunnen geben, um große Mengen eiskalten Wasser« zu trinken und den Kops unter dem Strahl zu baden. In der Friibe sah er schleckt genug aus. Sein Gang war unsicher, der Körper schlaff, die Hände zitterten, er machte den Eindruck eine« um viele, viele Jahre älteren Manne«. Bernd BrunS würde voraussichtlich nickt lange leben» aber sie als seine Frau alle» das erreicht haben. waS ibr versagt war, wenn sie allein blieb. Sie wollte Bäuerin weiden, einer großen Wirtksckast vorstcbcn, so wenig sie auch zu dem AnSsüllen eines solchen Platze« befähigt sein mochtec Und um diese Absicht dnrchzusühren, hatte sie ihre Fäden an gelegt. Ganz unoermutbet begegnete sie einen» Widerstand von seiner Seite. Bernd batte mit ihr gemeinsame Sache gemacht, aber nicht mit einem Gedanke» sich ihr dadurch verpflichtet gesüblt. Sic stand bei ibm in Brod und Lohn, beide« mußte er ihr noch auf eine gewisse Zeit gewähre» und dieser Um stand führte ihn wiederholt mit ihr zusammen. Nach einer anderen Seite bin sübllc er bisweilen das Bedürsniß de« AuSsprcchenS, besonders seit der Zeit, als Foelke verhaftet worden war. Er batte (ich keine Vorstellung von den Folgen seines Vorgehens gemacht, von dem Augenblick an, in welchem er in Erfahrung brachte, daß sic eine Gefangene war, wollte ihn der Gedanke an sie nickt zur Ruhe kommen lassen und es bedurfte der ganzen Redekunst Weiderichs Bernd von un überlegten Schritten zurückzubalten Die Sorge uni seine Unzuverlässigkeit batte sie hcimgesübrt. Nur die Angst vor den Folge» des NachgcbenS vo» seiner Seite konnte ibn be stimmen, die Dinge ibren Lauf nebmen zu lassen, aber die Schuld drückte ibn doch schwer in den wenigen lichten Augen blicken, und diese Thalsache ließ ibn immer eifriger durch de» Genuß geistiger Getränke Vergessenheit suchen. Ihm die Folgen seiner Handlungsweise gegen Foelke klar zu machen, wenn die Wahrheit >emalS an« Licht kam, war Wolberick unablässig bcmübt, und Liese» Bcniüben bildete zwischen ibr nnd ibm ein neue- Band. Es kamen Augen blicke, in welchem Bernd von einem Gefübl ergriffen wurde, da» ihm, wenn er Lemsolben nachging, verderblich werden mußte. In solchen Augenblicken flüchtete er sich zu Wolberich, deren Spott ibn mehr berubigle, als wenn sie ihn zu trösten versucht haben würde. Dann kam seine Krankheit, die Folge seiner Hingabe a» ein grauenvolle« Laster. Er täuschte sich nicht darüber, daß
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite