Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921019024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892101902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892101902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-10
- Tag 1892-10-19
-
Monat
1892-10
-
Jahr
1892
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
EüdVNttemkNWpreiA b« Hauptrppedittou oder den tm Stadt» tetirk und den Bororten errichteten Aas- ß-deslellen abgeholt: viertel,ährlich 4.50, bei »weimaltgrr täglicher Zustelloag int haa- -äl bckO. Durch die Post bezogen für Deutschlaud und Oesterreich: vierlet^drlich ^ 6.—. Direct» täglich« ttreozbandjrnduug tu- Ausland: »noaatltch S.— LieMorgea-Au-gab« erscheint täglich'/,? Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags b Uhr. Le-actioa und Lrpeditio«: I»ha«»es,affe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bls Abend- 7 Uhr. Filialen: ttt« >lr«»'« Sortim. (Alfred Hahn), Universitätslrrab, 1, Laut» Lösche. Latharinenstr. 14, part. und Sönkg-platz 7. Abend-Ausgabe. WpMrIGMM Anzeiger. Organ för Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. ZaseetionSprers Die 6 gespaltene Petitzeile 20 E- Reklamen unter dem RedactionSslrich (4ge» spalte») äO ij, vor den Fauiilienuachrichleo (6 gespalten) 40-c-. Gröbere Echristen laut unserem Preis« derzeichaib- Tabellarischer und Zisserajatz nach höherem Toris. Extra-veila-en (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Poslbesörderung Ul).—, mit Poslbesörderung 70.—- Ännahmtschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags sriih V,9 Uhr. Vei deo Filialen und Annahmestellen je eln- halde Stund« seither. Inserat» sind stets au di« Expediti-a zu richten. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 19. Oktober 1892. 81». Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, l9. Oktober. Die nahe bevorstehende Wiedereröffnung der parla mentarischen Versammlungen in Berlin wird Klä rung in so Manches bringen, was dessen in unseren inneren Verhältnissen dringend bedürftig ist, und der politischen Er örterung wieder festen Boden unter den Füßen schaffen. Sic kann das wohl gebrauche», denn sie hat in den letzten Mo naten arg gewildert auf dem Boden willkürlicher Bermutdungen, unerwiefener Behauptung und ost phantastischer Scnsalions- macherei. Auch heute wieder liegt eine Anzahl von Meldungen vor, die der Ausklärung bedürfen und den gewagtesten Ver- muthungen Thür und Thor öffnen. So meldet die „Nat.- Lib. Corr.": „Zur bevorstehenden Reichstagssession erfahren wir aus zuverlässigster Quelle Folgendes: Eine amtliche Veröfsent- lichung über den Inhalt der Militairvorlage erfolgt nicht vor dem Zusammentritt des Reichstags, der den Gesetzentwurf alsbald vorfinden wird. Tie vorgejchlageue Mehraushebung von Recruten beträgt 60000 Mann, worin gegen frühere Projekte bereits eine Ermäßigung enthalten ist. An dem Quinquennat halt die Regierung mit voller Entschiedenheit fest. Sie dürste auch, salls eine Bersländigung über die neue Organisation nicht gelingt, eine Reichstagsauflösung erastlichst in Erwägung ziehen." Das Gleiche wird auch von anderer Seite gemeldet. Da nun früher von ossiciöser Seite versichert worden war, die in der Militairvorlage vorgeschlagene Mehraushebung von Recruten betrage 95 000 Mann, so entsteht natürlich die Frage, wann und in welcher Än stanz die Forderung der Vorlage so wesentlich ermäßigt worden ist. Hier und da ist man geneigt, diese Ermäßigung mit den Besuchen in Zu sammcnhang zu bringen, welche die beiden Centrumsführer von Hucne und Ilr Lieber kürzlich in Berlin, resp. beim Reichskanzler abgestattet baden. Nun schreiben allerdings die „Berliner Politischen Nachrichten": „Die politische Zeichendculercl hat in letzter Zeit einen des Humors nicht entbehrenden Umsang angenommen. Aus der Anwesenheit rinzelner Abgeordneter in Berlin wird jetzt sogar aus da- Schicksal großer, gesetzgeberischer Vorlagen geschlossen. So bringen einig« Blätter die Anwesenheit der Lentrnmtabgeordneten Freiherru von Huene und vr. Lieber init der Militairvorlage in Zusammen- Haag und vrrmuthen hinter dieser Anwesenheit allerlei Abmachungen, bi» für den Berlauf der parlamentarischen Verhandlungen von Be deutung sein könnten. Dabei erklärt sich der Ausenthali der genannten Herren in Berlin sehr einfach Freiherr vonHuen« ist Mitglied der Börsen-Enquete-Lommisston und nimmt al- solche« an den Sommission-sitzungen schon seit dem Wiederbeginn derselben regel- mäßigen Antheil. Und Herr vr. Lieber, der allerdings erst m den letzten Tagen in Berlin eingetrossen ist, ist Vorsitzender de- Preßausschusses für die Weltau-stellung in Chicago. Ta der Letzter« alle vierzehn Tage Sitzungen hat, so stattet Herr l»r. Lieber in höchst aneekennenswerthcr Weise monatlich zweimal der deutschen Hauptstadt seinen Besuch ab und versieht damit sein Ehrenamt mit «iuer Aufopferung, die man nicht überall findet. Die einfachsten Erklärungen Itegra für politische Zeichendeuter stets am fernsten." Aber da man auf officiöse Kundgebungen und „Auf klärungen" heutzutage noch weniger Gewicht legt al« früher, so giebl man sich auck mit dieser Erklärung nickt zufrieden und glaubt aus ihr lediglich zu ersehen, daß der Herr Reichs kanzler «ine den CcntrumSführern gemachte Concessivn als solche nicht bekannt werden lassen wolle. In diesem Sinn schreibt man uns aus Berlin: „Ermäßigung der ursprünglich geplanten Militair- sorderung — so lautet heute das Stichwort auf der ganzen Linie. Wie eS morgen lautet, braucht nicht unsere Sorge zu sein, wir haben nur sestzustellen, daß die ursprünglich geplante Forderung in der Versenkung verschwunden ist und schon io dem Augenblicke ver schwunden war, als die Osficiösen gerade einen veralteten Auftrag nasführten und die Möglichkeit der Versenkung mit hochtrabenden Worten bestritten. Damit ist aber durchaus nicht gesagt, daß nun die neue Vorlage mit den „ermäßigten" Forderungen ein besseres Schicksal haben werde, al- die „ursprünglich geplante". Es handelt sich einstweilen nur um einen erste» Schritt aus der langen SiuckjugSlinie, aus der sich die Rcgierungspolitik dem leitenden und schiebende» Leutrum gegenüber bewegt. Und nicht, daß wir Recht behielten, indem wir bereits vorige Woche das Be» chwinden des August-Entwurss «»kündigten, ist uns ein be- ondcres Moment der Wcrlhschätzung. Was inehr ins Gewicht ällt, ist, daß der unerhörte Hochmulh des Centrums bereits von Erfolg zu Erfolg taumelt, che noch die berufenen gesetz- geberilchen Kreise amtlich mit de» Absichten der Regierung besaß» sind. Herr von Huene »nag »riumvhiren. Wie die Tinge deute liegen, hat er für das Cenlrum schon die Revanche für den 17. März geschaffen. Tie crnslhasleslen, best gemeinten Vorstellungen der niiuelparleilichen Richtungen bat man ii» Recchskaiizlerpalais in dcnWindgrschlagen. Herr v Huene kommt, sieht, siegt; im Handumdrehen werden auS 95 nur 60000 Man», die von derselben Regierung gesordert werden, zu deren Unterstützung soeben noch für die Ablehnung der 95 eine beharrliche, „bis zum Aeußersten" gebende Auslösung des Reichstags ongcdroht wurde; aus den 80 Millionen dauernder Mehrausgaben werden 57' ^ u. s. w. Man Vars billig »ragen, wie weit die Zistern bis Weihnachten »och zusammenjchrumpsen werden. Vielleicht das schon der Bundes- rath, dem morgen die neueste Militairvorlage, sagen wir: der Lctoberentwurs, behändigt wird, an Le» Zistern sei» VerminderungStalent erprobt. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wird Herr von Huene wohl einen zweiten Weg in die Redaktion der „Germania" nicht scheuen und die gesammte Eenlrumspresse wird zum zweite» Male ihr „Unannehmbar" durch die Straßen rufen, daß die Lüste davon widerhallen, und die Folge wird sein, daß in der Rcichstagscoininisjion noch eine Dritteln»,» der 60 000 Mann und der 80 Millionen vollzogen wird, wogegen die Vertreter de- BundesratheS und der Heeresverwaltung sich natürlich „bis zum Aeußersten" sträube», um schließlich auch mit 40000 Mann und 55 Millionen zufrieden z» fein. Vom denkbar blödesten Standpunkte des Steuerzahlers aus be trachtet , könnte man ja ebenso zufrieden damit sein, wenn nur das Staats- und Reichsinteresse nicht vvn höherem Stand« puncte aus zu beurtheile» wäre. Dieser erste und zugleich crosse Fall eines Zurückweichens vor dem Cciitrum auf dem spröden Ge biete der mililairiichea Forderungen schädigt unser Ansehen im Aus lande in einem Maße, das schätzungsweise zu ermitteln, man bester unterläßt. Wir wüßten nichts zu erwidern, wenn die französische Ehauvinislenpreste morgen ihren „Premier Paris" überschneb«: „Deutschlands erste verlorene Schlacht!" Und die Oppo sition gegen alle künftigen, auch die ernsthasteslen Heercsvorlagen ist billig geworden, wie Broinbcerc», seitdem Herr von Huene am Sonntag beim deutschen Reichskanzler war!" Allerdings wäre eS einer sür Tentschland verlorenen Schlacht zu vergleichen, wenn dem Centrum die Macht ein geräumt würde, Gesetzentwürfe der allerwichtigstcn Art ab- zuänder«, noch bevor die einzelnen Regierungen und der BundeSratb ihr Votum abgegeben babe». Aber eben deshalb, weil die Militairvorlage noch de» Berathungen der einzelnen Regierungen unterliegt, die auf Grund dieser Beratbungcn ihre Bevollmächtigten zum Bundesrathe zu instruire» haben, halten wir eS sür geradezu unmöglich, daß der Reichskanzler mit einigen parlamen tarischen Größen Uber Veränderungen an der Vorlage sich verständigt. Hat vollends, wie versichert worden ist, daS preußizchc Ministerium mit der Vorlage sich einverstanden erklärt, so ist der Reichskanzler durch nichts bc rcchtigt, jetzt irgend eine Veränderung vorzunebmen. Ist eine solche in Aussicht, so kann sie nur erfolgen auf Grund des Vorschlages einer Regierung. Nack unserer Vcrmutbung ist die Meldung, daS preußische Ministerium habe die Vorlage unverändert gebilligt, falsch gewesen und bat vielmehr in diesem Ministerium die Forderung der Vorlage eine Ermäßigung erfahre», die auch die Zu stimmung des Königs gefüllte» bat. DaS ist aber, wie ge sagt, nur eine Vcrmuthung. Aufklärung über diese und andere Unklarheiten kann erst die Beratbung im Reichstage schaffen. Und hoffentlich verabsäumen die Führer der Parteien eS nicht, diese Aufklärung zu verlangen. Die auS der ungarischen Hauptstadt eingclroffenen neuesten Nachrichten stellen außer Zweifel, daß daselbst in der Thal eine kirchenpolitische Krisis besteht unk daß der letzte unter dem Vorsitze des Kaisers in der Ofener Burg abgebaltcne Ministerrath die erhoffte Entscheidung noch nickt gebracht bat. Es beißt, daß die Vorschläge des Ministeriums in der kirchenpolitischen Frage mit dem Anschein der vollsten Solidarität der CabinctSmitgliedcr vorgetragen und vom Monarchen zur Kennlniß genommen wurden, rer seinerseits mit seinen Ansichten über die Grenzen in dieser Losung nickt zurückhielt Es wird angenommen, daß während der Dauer des AusciilbalteS des Kaisers in Pest noch ein zweiter Mmistcr- ralh unter dem Vorsitze des Kaiser« abgchalten werten wird. Tie verworrene Lage wird somit noch einige Zeit andaucrn, und man ist auch in sonst bcstunlcrrichtclcn Kreisen ziemlich tesoiicnlirt über die Cbance» der nächsten Zukunft. Es wird immer noch an der Ansicht scstgchalten, daß a» eine Lösung der kirchenpolitischen Frage in illiberalen! Geiste nickt zu denken und daß der gegenwärtige Zustand nicht zu halte» sei. — Der ultramonkaiie „Magnar Allan," droht wieder mit der Opposition des Oberhauses in der kirchenpolitischen Frage und dcricktet über eine Bewegung, welche unter den katholischen Mitgliedern des MagnalenhauseS im Zuge sei. Das ultramentane Blatt will wisse», daß die liberalen Vorschläge der Minister Csakn und Szilagyi im Oberhausc selbst kann zu Falle kämen, wenn eine Fraction deö Episkopats sich auf den Standpunkt des 'l'ulornri z>o*!>o begeben würde. Nach der Auffassung der erwähnten Kreise iönnie dieser Grundsatz nur dann zur Geltung ge langen, wenn vorder jedes moralisch zulässige Mittel ange- wendet worden wäre, um die sür die Kirche anstößigen Vor schläge zu beseitigen, und wen» diese Vorschläge erfolglos geblieben wäre». „Wie beule unsere Sache steht", sagt taö ullramontane Blatt, „kann vorläufig davon leine Rede sei», daß wir irgend etwas dulden müßleii, waö wir zu dulden nicht gewillt sind." ES sei ferner ciiicVewegnng unter den Mitglieder» deS Oberhauses im Zuge, den Ministern Csaky und Sziiagui bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ein Mißtrauens votum zu ertbeileii, aber diese Bewegung babe b,S jetzt »och keine feste» Formen angenommen. Lkne die Mitlbeiluiig de« ultramoutaiicn Blattes i» ihrer Bedeutung irgendwie über schätzen zu wollen, verdient die Sprache desselben unter de» gegebenen Umständen alle Beachtung, »amenilich da dieses Blatt nunmehr als Organ deS Grasen Ferdinand Zichv, de« FübrerS der ultramontanen Magnaten, anzusehen i»t. eines Mannes, der heute größeres politische- Gewicht erlangt hat, als man allgemein annimint. Von gestern zu beute hat sich die Lage in Paris in so fern verändert, al- es iiunmebr gewiß ist, daß die Majorität der französischen Deputirtciikammer eS sür daS Klügste er achtet hat, wegen der Ereignisse inCarmaux baSMi nisterinm Loubet nicht zum Falle zu bringe». Im Verlaus der gestrige» Debatte betonte der Minister der öffentlichen Ar beiten, Vielte, die bestehenden Gesetze gestatteten dem Staate nicht, die Ausdeutung der Bergwerke in Carmaur zu über nehmen. Der Depulirtc Baron Reille, Präsident der Grubengesellschast von Earmaux, erklärte sich hierauf bereit, die Minister Vielte uud Loubet als Schiedsrichter anzuerkciiiicn. I» Folge dieser Erklärungen wurde die Interpellation ohne Annahinc einer Tagesordnung als geschlossen erklärt. Die Kammer beschieß alsdann die Dringlichkeit de« ver einiger Zeit eingebrachle» Antrags aus Revision der Bcrgwerksgeseyc. In parlamentarischen Kreisen verlautete alsbald, Loubet werde da- SchiedSrichteramt zwischen der Grubengesellschast und den Bergarbeitern von Carmaur annclimen, und nach einer soeben eiiigelroffrucn telegraphische» Nachricht bat Loubet in der Thal da« ihm angelragcne SchiedSrichteramt aiigcnomiiicn. Die Existenz des Ministeriums Loubet dürste dadurch auf einige Zeit wieder außer Frage stehen und zwar bis zur Bcrathung deS französisch-schweizerischen Handelsvertrages. In welcher Weise hierbei die Würfel falle» werde», das ist vor der Hand nicht adzuseben. Die englischen Parteien sind eifrig mit den Vor bereitungen für die nächste parlamentarische Tagung beschäftigt. Die Regierung glaubt durch ibr Vor gehen in Irland das Möglichste gctkau zu babcn, das Hauptcvrps der Nationalisten zu versöhnen. Ter andere Flügel dieser Irländer nimmt freilich den Mund jetzt sehr voll, dürste sich jedoch, wenn die Dinge zum Aeußersten kommen, geneigter zeige», aus die Ideen der Regierung cin- zugeben, wenn sie davon auch nicht ganz befriedigt sein cllte. Sie wissen ja. daß, wenn ein Zabinct unter Glad- stone ibnen keine Homcrule verschaffen kann, sic dic- ielde unter einer umonistiscben Regierung, wenn sie Wieder au das Ruder kommt, nickt erhalten. Ucderwiegend herrscht jedoch die Ansicht, daß Gladstonc mit seinem Vorhaben keine» Erfolg haben wird. AuS dem Grunde ist den Mit- tbeilungc» der „Daitu Mail" zu Birmingham über daS von Chamberlaiii dcmliächst in der „Ninetcentb Century" zu veröffentlichende Programm, denen auch sonst Bedeutung bci- zumessen wäre, jetzt um so größere Beachtung zu schenken, und eS wird i» der Thal diese« sociale Re form Programm der unionistischen Partei allerseits mit großer Spannung erwartet. ES ist »nt bleibt eine cigcnthümliche Erscheinung, daß Cbamberlaiii'S Gefolgschaft au« all den Stürmen, welche die unioiiistische Partei »i den letzten Jahren zu bestehen gehabt bat, ungebrochen und unversehrt bervorgegaiigcn ist. Chamberlai» bat sich sociale» Frage» zugcwaiidt, als die »etzigen Führer der uiiionistischcn Partei noch an die Unfehlbarkeit und AuSkömmlichkeil ihrer politischen Roccptrglaubte». Mittlerweile sind seine Gedanke» gereist und auch seine konservativen Freunde müssen cinsebe», daß nur auf dieser Baku die Gegner aus dem glücklichen Besitz zu vertreiben sind. Dieser Umstand bringt c« mit sich, daß der politische Einfluß Chamberlai»'- sich in den nächsten Jahren nur noch steigern kan». Eine Achistundcii-Bill für Bergleute ist nach seiner Meinung das Minimum, wozu sich die unionistische Partei verpflichten'sollte.- Wolle» die Bergleute eines GrubciidistrietcS die Bill nicht, so sollen sie ihr nicht »iilcrworse» werten. Das englische Arbeitshaus entspricht nicht mehr den modernen Anschauungen. Eine staatliche Altersversicherung nach deutschem Vorbilde, aber modisicirt nach englischen Begriffen und Bedürfnissen, ist unumgänglich nölhig. Wird ein Arbeiter i» der Aus übung seines Berufes arbeitsunfähig, so bat der Staat die Pflicht, ,hn gegen Nolb zu schützen. Der Staat soll noch gesetzlich die langen stunden der Ladengeliilsen be schränke». Die Durchführung aber soll den Städte» über tragen werden. Die gesammte» Pläne Chainberlaiii'S gehen überhaupt daraus aus, so viel wie möglich a» die Stelle der gehaßte» Staatseinmischung daS Gebot deS DlstrictS und der Gemeinde zu setzen. Aber Chamberlai» gebt bedeutend weiter: er erkennt da« Reckt auf Arbeit a». Kann Jemand keine Arbeit finden, so soll die Gemeinte sür Beschäftigung sorgen. Man inunkelt schon jetzt, daß der Artikel nicht nur al« eine literarische Federnbung eines geistreichen Manne« zu betrachten ist, sondern daß sich Cbaniberlain vor der Veröffentlichung der Zustimmung einflußreicher Parteifreunde versickert hat, so daß der Aufsatz ein schweres Gewicht in die politische Wag- schale werfen wird. Die chilenische Republik hat den Vorschlag gemacht, daß Peru in die Abtretung der Stadt Mollando cin- willige, daniil aus diesem Ort nebst der von Ckile ab- zulrelcnten Statt Ariea in der Provinz Taeua eine neu iralc Zone zwischen Peru und Chile gebildet werde. Zu diese,» Vorschlag ist Folgende« zu bemerken: Tacna, ehemals peruanisch, wurde, neben der sür iinnier an Chile überlassenen Provinz TarapacL, mit Ariea im Jahre 1884 ans zehn Jahre an Chile abgetreten. Nach Ablauf dieser Zeit, also l89l, sollten die Einwohner sich sür Peru oder Chile entscheide», und derjenige der beide» Staaten, zu dessen Gunsten die Entscheidung auSficle, sollte dein andere» 10 Millionen Dollars zahlen. An die Stelle dieses Abkommens scheint jetzt Chile daö im Vorstehenden zuerst erwähnte setzen zu wollen. Das Wolss'sche Telegramm, welches diese Abficht Chiles meldet, ist, wie ans unserer heutigen Morgenausgabe zu ersehen, indessen nnklar gefaßt und unvollständig, so daß weitere Ausklärung abgcwartct werde» muß. Dämmerungen. Roman kn drei Büchen» von Rudolf von Gottschall. 161 Nachdruck vcrdolen. (Fortsetzung.) Achtes Capitel. E« war ein entscheidender Gang, zu welchem sich Enrico anschickte, indem er den Segen der Mutter mit aus den Weg nahm Sie saß am offenen Fenster, an ihrem Nähtischchen, mit dem Blick auf den Vorgarten; dort spielten die Kinder und mahnende Worte und Zurufe tönten da ost zu ihnen herunter; sie aber sahen hinauf zu dem lieben Antlitz der Mutter und warfen ihr Kußbändchcn zu. Auch eine Blume wollte der Kleinste ihr zuwerfen und er war sehr erstaunt, daß dieselbe wieder so rasch zurücksiel, nachdem sie kaum die Hobe seines Köpfchens erreicht, und daß sie nicht Flügel bekam, um bis zur Mama am Fenster emporzusliegen. Enrico saß zu den Füßen der Mutter aus der Estrade am Fenster. Zu »bren Füße» — eS war ibm ein wohltbuendeS Gefühl, zu ihr emporzusehen wie zu einem Gnadenbild, und sie legte bisweilen die Arbeit in den Schooß und streichelte seine dunkelschimmernten Haare. „Und dem Vater willst Du nickt« sagen?" .Nicht« vorder ... er würde Widerspruch erheben ... er denkt an die Nora." „Es wäre doch ein große« Glück sür un- alle", versetzte die Mutter, „wenn Du sie wählen würdest, ü- ist ein schöne«, gute« Mädchen ..sie ist reich dazu, und wir wären aus lange Zeit vor Sorgen gesichert." „Mutter ... gute Mutter ... Tu weißt, ick liebe sie nicht! Sie bat etwa-Gristerbaste«. wa« mich einschiicktert; sie würde mir ewig fremd bleiben. Ich liebe nur Marie ... in ihrer Räbe atvme ich auf ... sie hat etwas Beglückende- ... eine liebliche Blume! O, keine ist würdiger, Deine Tochter zu werden." „Doch die Eltern sind stolz; man spricht von vornehme". Partien, aus die sie rechnen." „Ich will mein Glück versuchen", versetzte Enrico; „eS ist nicht viel, wa« zu meinen Gunsten spricht, nur da- Eine: Marien s Liebe! Doch kein anderer Bewerber kan» sich der selben rühmen; sic gicbt mir den Mv.tb, um ihre Hank an zubaltcn. Wenn Herr von Senden seine Zustimmung gicbt, daß ick sein Schwiegersohn werde, so wird auch mein Vater sich fügen. Und wen» er nur darauf Gewicht legt .. . eS ist ;a kein armes Mädchen, daS ich ihm zusührcn will. Die Senden sind reich ... reicher als ich wünsche, denn ich will selbst arbeiten und schaffen sür mein Weib und nicht sein Vermögen zu Hilfe nehmen." „Mein lieber Enrico, ich habe ja keinen andern Gedanken als Dein Glück ... als daS Glück meiner Kinder. So geb' mit Gott! Halle den Sonnenschein fest, der Dir strahlt! Wir andern ... o ich fürchte, unser Weg wird sich immer tiefer im Dunkel verlieren." Frau RiSpori küßte de« Sohne« Stirn und drückte dann einen Kuß auf seine Lippe». Wie war sie stolz auf ihren Sobn, als er jetzt hochaufgcrichtct vor ihr stand. Die schlanke Gestalt, die edel» Züge, der feurige Blick ... daS war ja ein SicgcSgott, und wo er wandelte, mußte Erfolg und Glück mit ihm gehen. Mit so gehobener Empfindung sab sie ihn durch den Vorgarten schreite», wo er auch die aus ik» zu- stürzenden Brüder abküßte und sich dann vor dem Gittcr- thor in den Wagen schwang. Auch da- kleine Ilngethum Basilio lauerte im Winkel dc- Garten- hinter einigen Berbcritzcnsträuchern versteckt, gab aber dem jungen Herrn keine Segen-Wünsche luit aus de» Weg. Die schmucke Erscheinung Enrico- war ihm ein Dorn >m Auge und erfüllte ihn mit Neid und Haß . . . warum mußte er selbst stet« wie rin bunter Farbenklcx, den ein Pinsel au-zespritzt, durch- Leben sich kugeln ... immer schmutzig, ungewaschen. Laß die Dirnen ihm nachspotteten! WaS batte er von der Magic, dem Stein der Weisen, diesen ganzen zusammengekockien Chemikalien? Nickt- al-Arbeit — Arbeit bei Tag und Nacht ... Aeracr und Verdruß ... denn Herr RiSpori war oft genug bei übler Laune, wenn ibm sein Werk nicht recht gelang und irgend eine unverhoffte BL-willigkeit widerborstiger Elemente dc» großen Wurf seiner Erfindungen vereitelte und seine Unsterblichkeit in Frage stellte. Und er, der unglückliche Basilio, kam ja nie in einen SonntagSrock wie der schlechteste Knecht deS Hofes ... eö gab überhaupt für ihn keinen Sonntag ... und da er keine Aiiregnng fand, sanftere Gefühle zu hegen, so beschäftigte er sich damit, die andern zu beneiden Enrico fuhr in de» stillen Sonntag hinein, der aus- Acbrengold sein Sonncngold streute. Wie still die Felder ohne den Lärm der Arbeit ... die rasselnden Gespanne, die schiinpscndcn Knechte, die am Ausgang de- Ackers nntcr .zellendem Zürns uingewcndctc» Pflüge . . . auch Sickcl und Sense blinkten nickt an« de» gelichteten Kornäbren, noch waren sic nickt zur Ernte reif. Alles schweigend ringsum, als hätte die Natur ohne Mcnschcubilfe die Hügel und .Lenkungen über zogen mit dem golkschimmeriiden Teppich. Eine feierliche und doch heitere Stimmung athmcte aus dieser Sonntagsruhe der Landschaft — und Enrico S Gcmülh spiegelte de» Frieden der Natur zurück Er war im Begriff, für sein ganze» Leben sich solchen glücklichen Frieden zu sichern ... rin so entscheidender Schritt mußte ihn feierlich stimmen; er wies die Ahnung deS Ungünstigen, Feindselige», die ib» bisweilen beschleichen wollte, von sich. Ein Schwarm von Krähen ließ sich krächzend dicht am Wege auf den Feldern nieder . . . das Lied der Lerche verklang in den Wolke» Und doch borchle seine Seele nur nach oben . . . das Unheil kündende Vogelgesinkel in seiner Nabe beachtete er nick« AIS er in Helmcsbcim angekommcn, bemerkte er eine Reibe von Wagen im Schloßdof, eine lebhafte Unruhe, die besonder« durch die Gespräche der binundbergchrnten Kutscher hervor- zerufen wurde Neuangekommene führten ihre Pferde in den Ltall und begrüßten die Genossen, welche, ibre Pfeifen rauchend, dort berumstailden, mit lärmendem Zuruf. Enrico fürchtete schon, wieder in ei» Fest bineiugeratlien zu sein und den un günstigsten Zeitpunkt gewählt zu habe», um sei» Anliegen vorzudringen; dock ei» Blick aus die Wagen und Kutscher zeigte ibm bald, daß seine Befürchtung unbegründet sei. Da waren keine herrschaftlichen Equipagen, Las waren allerlei Lohnsubrwerke, unter denen auch die stadtübliche Droschke nicht fehlte, auch nicht der einspännige Geschäft-Wagen, in welchem der Handwerker sich selbst und seine Waarcn zu kutschircn pflegte. War Enrico nun auch darüber beruhigt, baß er keine größere geladene Gesellschaft finden würde, so war eS ihm doch peinlich zu sehen, daß da« Schloß von Hclinc-Hcim aus einmal sein vornehmes AuSscbcn verloren und eine bedenkliche Achnlichkeit mit einer Fuhrinannsschciikc angcnoiniiicn zu haben schien. Ihm siel der nngcnirte Don aus, mit welchem fick taAUcS bcr»»nbc>vcgle,sast als handle es sich »in ein vom Feinde eroberte« Schloß. Und als Enrico die brcitc Marinortrcppe hinausgestiegcn und ans dem Vorslur dcö ersten StockcS angckouinicii war, da hörte er au» einem Zimmer seitwärts, dessen Thür offen stand, vcrworrcncs Ltiiiimengcräusch, und a»S diesem Wartcsalon heraus trat ein eleganter Herr, in welchem er alsbald Herrn Abraham erkannte, der mit einem vielsagenden Gruß, aber in gcschäs liger Eile an ihm vorüber die Treppe Hinabstieg. Enrico hatte sich bei Frau von Senden melden lassen; bei der Mutter hoffte er geneigtes Gehör zu sinten, sic hatte ihn stets bevorzugt. Auch wurde er sogleich vvrgclassen und fand die Dame aus einer Causcusc liegend. Mit freunblichcin Gruße winkte sic dev Eiiilrctcntcn näher. „Entschuldigen Sic, Herr Rispori . . . Verordnung de« Arzte« . . . mein verungluckicr Fuß bedarf »och immer der Rübe; doch ich freue mich, Sie zu sehen." Sie streckte ihm die Hand cnlgegcu, aus die er einen Kuß drückte. Es war eine graziöse Dame, die Frau von Senden, und Enrico empfand das Reizvolle ihres Wesens »nd würde eS noch uiehr cnipsinidcn haben, da sie sich uialeriich zu trapircn und alle ihre Vorzüge auch in dieser vom Arzt verordnet«!, Nolhlaze zur Geltung zu bringe» wußte, wen» sein Herz nicht voll gewesen wäre von seiner Liebe zur Tocktcr »nd er sich nicht in der größten Spannung desunten hätte, welche Ausnahme sein Antrag finden würde. Nach einem kurze» glcichgiltigc» Gespräch gestand er den Zweck seine« Besuchs ein und dal die Mutter ui» Marien - Hand. „Ja, ja, ich babe das schon bemerkt", sagte sic lächelnd, „und Siisclte bat mir bereit- erzähl«, warum sic neulich mit einem schwarzen Mund nach Hause kam. Sie konnte nicht-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite