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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896013002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-01
- Tag 1896-01-30
-
Monat
1896-01
-
Jahr
1896
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Nachdem der Reichstag gestern den schon mehrfach eiu- Hebrachten und angenommenen Antrag Rickert auf Ab- andrrung des ReickStagS-Wahlgesetzes zur Siche rung des Wahlrechts (Abgabe der Stimmzettel in Umschlägen, Borrichtungen, damit der Wähler un gesehen den Stimmzettel in den Umschlag zu legen vermag rc.) mit ansehnlicher Mehrheit in erster und zweiter Lesung angenommen hat, wird die Social- demotralie wohl daraus verzichten müssen, das Reichstags- Wahlrecht als bedroht hinzuslellen und dadurch die Masten auszustacheln. Wenn im sächsischen Landtage eine Vorlage aus Einführung des Dreiclassenwahlsystemö eingebracht wird, so hat das mit dem Reichswahlgesetz nicht das Geringste zu schassen und liefert nicht das geringste Symptom für eine Neigung auch nur der sächsischen „Cartellbrüder" im Reichs tage, an dem letzteren Gesetze zu rütteln. Der Abg. Blos erkannte auch ausdrücklich an, daß die Annahme des Antrags Rickert eine Erklärung des Reichstags für das allgemeine gleiche directe und geheime Wahlrecht bedeute. Wenn seine Genessen trotzdem fortsabren, von Attentaten auf das Reichstags-Wahlgesetz zu reden, so wird man sie auf die Erklärung des Abg. Bios zu verweisen haben. Zu bedauern ist, daß gestern die Gelegenheit versäumt wurde, den Gedanken des Wahlzwangs bei den Reichstags wahlen, dem der Staatsminister Herrfurth in formulirten Vorschlägen einen Körper gegeben hat, wenigstens zu streifen. Diese Einrichtung ist, weniger in der Presse als im Publicum, eifrig erörtert und vielfach dringend gewünscht worden und jetzt, da gezeigt worden ist,wic sie imWesent- lichen beschaffen sein müßte, hört sie sichtlich auf, begchrens- werth zu erscheinen. HerrHerrfurthwill jeden Wahlberechtigten verpflichten, am Wahlact theilzunehmen, sei cs durch die Abgabe eines Stimmzettels — daß es ein unbeschriebener sein darf, versteht sich bei der geheimen Wahl von selbst —, sei es, um dem Wahlvorstande zu erklären, daß er sich der Wahl enthalte. Wer ohne genügende Entschuldigung fern bleibt, soll mit 50 gebüßt werden, eine Strafe, die für diejenigen, die weniger als 50 ^ Staatspersonalsteuer jährlich entrichten, auf ihren Antrag auf diesen Jabres- betrag, aber nicht unter 3 ^ herabznsetzcn ist; außerdem sollen die Namen der Bestraften veröffentlicht werden. Nicht formulirt, aber anheimgestellt bat Herr Herrfurth die Zu lassung des Einspruchs gegen die Straffestsetzung des Wahl vorstandes beim Gericht, und dieses Recht würde sich auch als ganz unentbehrlich Herausstellen. Die Einführung der „Er- schemungspsticht" bedeutet also die Heraufbeschwörung von zahllosen Processen nach jeder Wahl. Denn die Bestraften werden in den meisten Fällen im Gegen satz zum Wahlvorstand ihre Entschuldigung als ge nügend angesehen wissen wollen und m der Mehr zahl dieser Fälle wahrscheinlich im guten Glauben. Wie sollte auch der Wahlvorstand beurtheilen können, ob eine wirkliche Abhaltung vorhanden war oder nicht? Wir sind sehr geneigt, einem Schnupfen nicht den Charakter eines Verhinderungsgrundes beizulegcn, aber es giebl Leute, die eine solche Heimsuchung mit einiger Berech tigung als den Vorboten eines Rheumatismus oder eines Bronchialkatarrhs zu regardiren gewohnt sind. Soll da der Wahlvorsiand nachträglich diagnosticireu und proanosticiren? Und wovon soll er, vor die Wahl zwischen Milde und Strenge gestellt, seine Entscheidung beeinflussen lassen? Bon der Erinnerung an die Glaubwürdigkeit, die die Krank- beitSmeldungen seiner goldenen Jugendzeit in den Augen der Mutter besessen haben, oder von dem SkepticiSmuS, den ihnen der Lehrer entgegen getragen hat? Dann die geschäft liche Abhaltung. Auf dem Lande wird man dem Bauer zur Noth „hereinseben", dem Flickschuster wird man aber schon nicht mehr mit Sicherheit sagen können, die und die Arbeit sei aufschiebbar gewesen, und wenn ein Kaufmann nur ab- kommen kann, wenn ihn seine Frau oder ein anderes Fami- lienglieb zu vertreten im Stande ist, so kann der Wabl- vorstand in die Lage geralhen, seine medicinischen Erwägungen auf Personen anszndehnen, die eine „rückständige" Gesetz gebung bei der Schöpfung des Wahlrechts ganz außer Be tracht gelassen hat. In den Städten lassen sich Handhaben für die Beurtheilung der Abkömmlichkeit schon gar nicht finden. Alles aber, was das Gemüth des Wahlvorstandes zu bewegen hätte, würde auch dieGerichte beschäftigen müssen, zahllose klein liche und oft häßliche Dinge würden von den Schöffen zu entscheiden sein — nicht zum Vortheil des nachbarlichen Friedens und sehr zum Nachtheil des Geschäftsganges bei den überbürdeten Gerichten. Eine solche Erweiterung der Zeitungsrubrik „Gerichtliche Nachspiele zu den Reichstags wahlen" wollen wir schon deshalb nicht, weil die Strafen und Processe das Wahlgeschäft in weiten Kreisen verbaßt machen und damit den Zweck des „Erscheinungs zwangs", die Zurückorängung der Svcialdemokratie im Reichs tage, sehr erheblich beeinträchtigen würden. Es ist überhaupt fraglich — und auch Herr Herrfurth ist seiner Sache nicht sicher —, ob die Zahl der socialdemokratischen Mandate bei dem jetzigen Wahlsystem, also ohne Zusammenrechnung der im Reiche oder doch in größeren Gruppen von Wahl kreisen abgegebenen Stimmen, erreicht würde. Sicher ist, daß das Verhältnis der Gesammtzahl der bürgerlichen Wähler zu dem der sociatdemokralischen sich günstiger gestalten, die Socialvemokratie mithin auch de« Schein der Berechtigung, sich die stärkste Partei des Reiches zu nennen, verlieren würde. Aber dieser moralische Erfolg müßte durch die Ausstellung von Candidaten in fast alle» Wahlkreisen von Seiten fast aller bürger lichen Parteien zu tbeuer, weil mit großerKräftczersplitterung, be zahlt werden. Was die Veröffentlichung der Namen der bei der Wahl nicht Erschienenen anlangt, so gilt hinsichtlich ihrer Feststellung Alles, was gegen die Bestrafung cingcwcndet werden mußte. Ueberdics versprechen wir uns von einer „Brandmarkung" der Wähler sehr wenig in einer Zeit, wo selbst die Gewählten de» Tadel der durch Fernbleiben von den Reichstagssitzungen bekundeten Pflichtvergessenheit, wie er ja in ihren heimischen Blättern nicht selten ausgesprochen wird, mit großem Gleichmuth über sich ergehe« lassen. Uebermorgen ist der 1. Februar, bis zu welchem Tage Herr Stöcker laut Forderung des Elfcr-AuSschnsses der Eonservativen seine unzweideutige Erklärung über seine Stellung zum „Volk" öffentlich abgegeben baden soll, und noch ist das durchaus nicht der Fall. Es müßte denn sein, daß die konservative Parteileitung sich von dem hätte befriedigen lassen, was Herr Stöcker in der „D. Ev. Kirchenzeitung" gesagt, aber nicht „erklärt" bat. Dies enthält aber von alledem nichts, was gefordert worden war, keine Verurtbeilung der bisherigen Haltung des „Volk" und keinen Aufschluß über die künftige Stellung Stöcker's zu ihm. Unzweideutig ist nur Eins, die Erklärung des Blattes, sich der eonservativen Partei nicht fügen zu wollen: „wir bleiben die Alten", und zu Gunsten deS Fortbestehens deS Verhältnisses zwischen Herrn Stöcker und „Volk" muß der Umstand auögelegt werden, daß das Blatt seinem Unwillen darüber Ausdruck giebt, daß seinem Begründer durch Schluß der Etatsdebatte im preußischen Abgeordnetenhaus« die Möglichkeit abgeschnitten worden sei, „den anfechtbaren Ausführungen des Grafen Limburg (über die „Jungen") entgegenzutreten und überhaupt sein Verkältniß zu den Eonservativen klarzulegen". Wenn trotzdem die Parteileitung zufriedengeslellt ist, dann war ihr mit allen gegen 2 Stimmen gefaßter Beschluß eine Farce. Mit echt englischer Zähigkeit wird, wie wir schon gestern erwähnten, in Transvaal weiter gehetzt, um dort einen Umsturz der kaum wieder hergestellten Ordnung, ein Drunter und Drüber herbcizuführen, das schließlich ein Einschreiten der Capregierung zum „Schutz" der britischen Unterthanen recht fertigen soll. Um das Letztere vorzuberciten, wird schon jetzt durch neue an die Adresse Englands gerichtete „Nolhschreie" aus der Republik versucht Stimmung zu machen. Wir skizzirten bereits kur; den Inhalt deS Telegramms der die „Times", der berüchtigten Helferin und Gcsinnungsgenossin Cent RhodeS' und Jameson's, aber es ist zu charakteristisch, als daß wir aus den Abdruck des jetzt vorliegenden Wortlautes verzichten sollten. Die von den „Times" natürlich bestellte, mit „britische Einwohner" Unterzeichnete Arbeit lautet: „In einer von uns veranstalteten öffentlichen Versammlung wurde die Redefreiheit, die nur für verfassungsrechtliche Er örterungen benutzt werden sollte, scharf unterdrückt. Wir müssen daher collectiv telegraphiren. Die Gefahr ist groß. Die Truppen der Boeren benehmen sich anmaßend und diktatorisch gegenüber ihrer eigenen Regierung nnd zeigen sich den dringend nöthigen Reformen entschieden abgeneigt. Sie sind noch immer hier herum concentrirt. Die Mitglieder der Regierung wählen jetzt mit einem deutschen Sachverständigen eine Stelle für ein Fort aus. Unsere Frauen (?) werden durch die ihnen erwiesenen Beleidigungen zum Wahnsinn getrieben. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt täglich zu. Tie allgemeine Stimmung wird übcrschäumcn, wenn die Briten nicht von ihrer gegenwärtigen, der Leibeigenschaft gleichen Stellung erlöst werden. Alle Grubenarbeit aus Robinson ist stundenlang unterbrochen gewesen, um den Boeren zu ermöglichen, zum dritten Mal nach angeblich verborgenen Waffen zu suchen. Die den Eng ländern gehörigen privaten Ackergüter werden von Feld- Cornets geplündert, dabei wird viel Vieh weggenommen. Ein Unglück kann nur durch sofortige Maßregeln abgewendet werden, was wir England bitten etnzusehen." Dieses Telegramm ist so perfide wie möglich. Danach befände sich Transvaal bereits im Zustand der Revolution, d:e Regierung wäre zu schwach, um die Ordnung ausrecht zu Hallen und die schlimmsten Barbareien an den Ausländern zu verhüten, schon lehnten sich die eigenen Truppen gegen die selbe auf und man stehe am Vorabend einer Militairdictatur, die Las Aergste für die schon jetzt wie Leibeigene behandelten Nicht-Boeren befürchten lasse. Natürlich sind deutsche Hände im Spiel dabei, weil eS angeblich gilt, den eng lischen Einfluß in Transvaal zu vernichten. Es ist zu erwarten, daß die TranSvaalregierunz die Verfertiger dieses bochver- rätherischen Telegramms, das England direct zum Einschreiten mahnt, energisch Lügen strafen und mit den strengsten Mitteln jeden Versuch einer Conspiration unterdrücken wird. Erfreu licherweise hat Präsident Krüger bereits einen Anfang damit gemacht. Ich Bezug auf die Behauptung des Telegramms, die Zahl der Arbeitslosen nehme täglich zu, weil die Minen besitzer die Gruben schlössen, meldet das „Reuter'sche Bureau" unterm 27. d. M. auS Pretoria: „Im Hinblick auf die Absichten verschiedener Gesellschasien. im Rand ihre Mine» zu schließen, erließ heute Präsident Krüge r eine Proklamation des Inhalts, es lägen genügende Gründe zu dem Verdachte vor, daß die beabsichtigte Schließung der Minen Len fortdauernd ungesetzlichen Bemühungen, welche in letzter Zei: Platz gegriffen hätten, zur Last zu legen sei. Eine so willkürliche Schließung der Minen müsse den Inhabern der Actien Schaden znsügeu nnd hindere die Entwickelung der Minen-Jndustrie. Deshalb er- kläre er, daß die Regierung wie früher nachdrücklich fortfahren werde, eine friedliche Entwickelung der Minen.Industrie sicher- zu st eilen. Ein Jeder, der versuchen werde, diese Entwickelung zu stören, werde der schärfsten gesetzlichen Strafe verfalle»; Jeder, der sich des Aufruhrs oder des ungesetzlichen Wide r- standeS gegen die Regierung in den Goldfeldern schuldig mach.-, werde außerdem seiner Rechte und seiner Habe verlustig gehen. Die Regierung sei vorbereitet, den Ersatz an Arbeitskräfte > in den Goldfeldern durch eingeborene Arbeiter zu erleichtern." Nach dieser Krüger'schen Proklamation ist cs klar, daß d e Schließung der Mine» lediglich ein Agitationsmittel gegen die Regierung ist. Man will auch durch sie glauben machen, das: in Transvaal ein Willkürregiment sondergleichen Kerrsche, daß durch ewiges Nachspüren nach verborgenen Waffen in den Gruben der Betrieb gestört, die Arbeiter vexirt und vertrieben würden, daß eine geordnete, friedliche Jndustrieentwickclung nicht mehr möglich sei, kurz, man will daS Einschreiten Eng längs um jeden Preis erzwingen. Die Sprache, die Präsiden i Krüger diesen vcrrätherischen Ausstreuungen und indirekten neuen Putschversuchen gegenüber führt, ist eine sehr scharfe, und man darf hoffen, daß er dem energischen Wort auch die energische Tbat wird folgen lassen. Aber wirr die Transvaalregierung den englischen Wühlereien auf die Dauer gewachsen sein, wird nicht doch über kurz oder lang die selbst durch die Bankettreveu der englischen Minister g«i- schürte revolutivnaire Bewegung zu jenem Durcheinander führen, auf welches man am Cap nur lauert, um seine Hand ans Transvaal zu legen? Wir können nicht vcr hehlen, daß wir unS ernsten Besorgnissen in dieser Beziehung hingebrn, und die Leiter unserer auswärtigen Politik werden fortgesetzt ein sehr scharfes und wachsames Auge auf die Bo: gängc in der südafrikanischen Republik haben müssen. In Abessinien drängt alles auf eine Enscheidungs- sch lacht hin, denn nach dem ganzen Verhalten Menelü c- ist nicht daran zu denken, daß er auf die Forderungen Italiens eingeben wird. Die letzte Nachricht vom Kriegs schauplatz lautet: * Rom, 29. Januar. Wie die „Agenzia Stesani" aus Ada - gahamus meldet, hat General Baratieri den Lieutenant Fetter nach dem Lager RaS Makonnen's zurückgesandt. Letztere: dürfte heute in Haussen eintreffen. Es bestätigt sich. Laß die ganze ffchvan ische Armee aus dem Marsche Agula-Abrutia-Azak nach Haussen vorrückt. Obrrstlieutenant Galliano und seine Leute werden gut behandelt. Galliano schrieb an Baratieri, Alle befänden sich wohl. Konnte man anfangs noch zweifelhaft sein, daß Menelik von Agula statt weiter nach Nordosten AdagahamuS zu zu marschire», nach Nortwesten abschwenken würde, da dieSpecialkarten keine» Weg von Agnla nach Häuften und Arna, dem mutbmaßlichcn Ziele deS NeguS verzeichnen, so behebt diese Meldung jeden Feirrlletsi«. Annalise's Pflegemutter. 84j Roman von L. Haidheim. Nachdruck verboten. Sie gingen weiter. Frau von Linowitz betrat ihrer Schwester Schwelle nicht mehr und Adele Jwanowna ver langte auch offenbar nicht danach, dachte aber nicht im Traume daran, abzureisen, und konnte es auch schon nicht mehr. Marsa pflegte ihnen zu berichten, welche Scenen cS wieder drüben bei ihrer Herrin gegeben batte, Scenen, in welchen der StaatSrath immer Sieger blieb, die jedoch in französischer Sprache geführt wurden, welche die Kammer frau nicht verstand und die allemal mit einem Wechsel formular endeten, welches Adele Jwanowna ganz erschöpft unterschrieb. Und was sie dabei litt!! Wie sie Nächte hindurch weinte und seufzte um den Mammon, den sie, nachdem sie ihn eben mühsam zusammen gescharrt hatte, wieder hingeben mußte! Mit welckem Mittel erzwang sich der feine Cavalier, der nie ein scharfes oder lautes Wort sich entschlüpfen ließ, diese Fügsamkeit? Er holte gewiß beute wieder Geld! Oder wollte er sie wieder drängen, zu seinen Gunsten ihr Testament zu machen? Bis jetzt halte sie gegen dies Aeußerste sich noch gewehrt. Mutter und Tochter kamen im Auf- nnd Abgehen wieder an daS Gartenpförtcken. Da nahte abermals ein Wagen, sie kannte dies offene Gefährt, eS gehörte dem Notar der Baronin. Er saß richtig darauf. Neben dem Kutscher der Depeschenbote des Tele- grapbenamtS, aber den beachteten sie nicht. Also dort drüben sollte richtig eine neue Teufelei gegen sie auSgefübrt werden? „Nach Recht und Gesetz käme mir doch das Geld zu!" schluchzte die ganz gebrochene Frau von Linowitz. „Wir müssen betteln gehen, wenn sie —!" „Weine nicht, Mutter!" rief Carola stolz aufblühend. „ES steht so schlimm um uns, daß. wenn nickt jetzt die rettende Hand — —. Mutter, wir könnten freiwillig — Die entsetzte Frau laS in der Tochter Augen den schreck lichen Gedanken längst zu Ende. Sie wußte wohl, Carola trug lange schon finstere Pläne, ihr bangte vor dem eigenen Kinde, noch mehr um dieses selbst. Darüber bemerkten sie nicht, daß der Depeschenbote nach dem Pavillon gegangen war; jetzt kam eine Magd und führte ihn zu ihnen. Ein Telegramm! ES war an die Mutter gerichtet. Sie rissen es auf, fast hätten sie es in ihrem Eifer zerrissen. Carola stand zitternd daneben. Sie batten schon so manches Telegramm diese Zeit erhalten, jedesmal mit derselben uner träglichen Aufregung geöffnet nnd immer eine Enttäuschung erfahren, bitter wie der Tod. Aber — jetzt — dies! „Komme mit dem Abendzuge. Wagen zur Bahn! Linowitz." Sie sahen sich in sprachloser Ueberrasckmng und Freude a». Unzählige Male schickte er vor seiner Rückkunft ähnliche Telegramme; ahnte er denn gar nicht, welche Folterqualen sie ausgestanden hatten? Carola ries schon die Magd zurück. „Lina! Lina! Laufen Sie zum Herrn Obervcrwalter, hier, die Depesche geben Sie ihm; der gnädige Herr will den Wagen zur Bahn haben, er kehrt zurück." „Der Junker, gnädiges Fräulein?" rief daS Mädchen und wurde roth und blaß; denn sie hatte mit gegen Joachim gezeugt, aber mit unzähligen Thränen die Folgen beweint. „Nein, mein Vater! Mein Vater kommt! Laufen Sie nur, Lina!" „Ach, gnädiges Fräulein, in der Rüche ist die Küchenfrau aus der Stadt, die hat heute Mittag Len Junker über die Straße gehen sehen, angezogen wie ein Herr und wie er hier immer ging. Sonst haben sie ja da" — sie machte eine vielsagende Handbewegung — „immer Jacken an." „Lina! Schämt sie sich nichl?" schrie Carola auf. „Ach Gott, ach Gott, gnädiges Fräulein Carola, 'S ist nur, weil er frei sein soll, und ich bin so selig darüber, und der Herr GerichtSratb ist bei ihm gegangen und auf der anderen Seite der Herr Assessor, und die Leute haben sich zugerusen, sie hätten jetzt den Richtigen." „Mutter! WaS bedeutet das?" Frau von Linowitz war auf die alte Steinbank am Gartenpsörtchen gesunken. Es war zu viel! Sie kämpfte mit einer Ohnmacht, rang sie aber nach einigen Minuten nieder, so daß Carola mit der Eau de Cologne, da- sie eiligst holte, zu spät kam. „Gieb Marsa Bescheid! Vielleicht daß dies meine Schwester anderen Sinnes macht! Lieber doch alles Geld an Annalist! Adele hat letzthin wieder öfter von ihr geredet, und am Ende —!" „Keinen Schritt, Mutter! GotteS Wille geschehe! Wir wollen daS Letzte, was uns bleibt, unseren gerechten Stolz, nicht auf den Mammonsaltar legen. O, Mutter! Jetzt wird sich Alles, Alles wenden! Ich wußte es wohl, ick habe mir immer gesagt: Wenn uns die Wasser bis an die Seele gehen, wird Gott uns erretten!" Es sprack ein tiefer, glühender Enthusiasmus aus des verblühten Mäk-ckens Stimme. Vielleicht war Carola in ihren besten Momenten nie so schön gewesen, wie in diesem Aufflammen. * 4- Wie ein Lauffeuer gingS über den ganzen Hof: Der gnädige Herr lebt! Er kommt heute Abend wieder. Einer rief es dem Andern zu, voll Freude, voll Erleichterung. Die Verwalter kamen zur Frau von Linowitz gestürzt: „Gott sei Dank, gnädige Frau, er ist nicht lobt! Wir hatten so große Angst, daß er ermordet sei. Alles Andere wird sich finden!" „Was schreien denn die Leute?" fragte Adele Jwanowna, daS Verlesen deö Schriftstücks unterbrechend, welches der Notar ihr dann zur Unterschrift vorlegen wollte, und horchte auf. Dieser nnd der Staatsrath saßen vor ihr, an einem Tischchen; sie hatten allerlei Schriften verfaßt; die Kranke, der es beute besser ging als seit Tagen, hörte nur unauf merksam zu, und um den Mund bildete sich wieder der bekannte eigensinnige Zug. „Der gnädige Herr hat depesckirt! Kommt beute Abend mit dem Berliner Courierzugc!" rief einer der Knechte ihr ins offene Fenster hinein und lief mit der Freudenbotschaft weiter. »Fassen Sie daS! Ich höre nicht- von dem ganzen Zeug mehr. Begreifen Sie nicht, daß ich jetzt nicht mehr in der Stimmung bin?" rief sie. „Aber ich bin in der Lage, Sie um Vollzug bitten zu müssen, tbeure Adele, ich muß um sieben Uhr mit dem Zuge zurück." „Reisen Sie doch, Excellenz, ich — ich möchte aber doch erst wissen wer, ob der Alle oder der Junge —. Marfa! Marsa!" Diese stürzte lebhafter, al- man sie wohl je gesehen, herein. „Gnädigste! Der Herr Schwager kommen! Herr von Linowitz leben! Haben selbst deveschirt!" Ein fieberhaftes Frösteln schüttelte die Kranke. Keine Möglichkeit, sie für das weitere Anhören des Schriftstücks zu gewinnen. Als der StaatSrath dann ärgerlich sagte: „Sie kennen ja den Inhalt, so unterschreiben Sie wenigstens. Sie haben es mir versprochen!" lachte sie höhnisch auf und ant wortete ihm keine Silbe; aber in ihrem Blick lag um so mehr. „Kommen Sie, Herr Notar, wir wollen meiner lieben Schwiegertochter Zeit gebe», sich zu beruhigen, machen wir einstweilen einen kleinen Spaziergang. Hernach wird unsere liebe Baronin sich gesammelt haben und mich nicht länger hier festbaltcn wollen." „AK — durckauS nicht, durchaus nicht, Excellenz!" murmelte sie spöttisch. Kaum waren sie zur Thür hinaus, als sie Marfa beran- winkte. „Höre zu!" befahl sie mit einem Rest der alten Energie. „Ich fühle, daß es mit mir viel bester geht, mir wird die Reise nicht schaden. Bestelle telegraphisch einen durchgehenden Wagen erster Classc auf morgen Mittag, sage keinem Mensche» etwas davon. Ich bin viel kräftiger jetzt; ich will diesem excellenten Blutsauger entgehen. Wir werden ihn überlisten, mir ist ein vortrefflicher Gedanke gekommen, nnd in Warja ist es jetzt so schön! Nachts habe ich in letzter Zeit immer nur in Warja zu sein geglaubt und ich war noch inng. Anna- lise spielte in« kurzen Kleidchen um mich herum. Annalise soll mit! Du kannst sie auf dem Wege zur Station gleich milbriiigen. Sage ihr, sie solle meine llniversalcrbin werden, wenn sie zurückkommt. Ick will sie nicht zwingen, GlogowSky zu heirathen, sie soll nur bei mir bleiben. Wenn ich erst ganz wieder gesund bin, wollen wir drei sehr vergnügt sein; ich fühle deutlich, es geht jetzt endlich wieder bergauf mit mir. Schließe daS Fenster nicht, die Luft ist so schön, ich hätte fast Lust, selbst bmzusabren und Annalise zurückzubolen. Eile Dich! Ich habe Verlangen nach frischem Geplauder. Die Langeweile erstickt mich noch. Rufe die Gärtncrfrau, sie mag bei mir bleiben, bi« Du mir das Mädchen bringst. Ich habe eine solche Wuth aus diesen Alfred, daß er mir immer den alten Sünder auf den Hals schickt! Und, am Ende, ein Graf GlobowSky kann andere Partien machen; er ist in seinen Briefen an mich merkwürdig kühl jetzt, und die- Drängen um sein Geld —! Aber wa- geschrieben ist, steht geschrieben, über eia Jahr steht mir noch die Verwaltung
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