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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960317028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-03
- Tag 1896-03-17
-
Monat
1896-03
-
Jahr
1896
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Abend-Ausgabe WpMr TaMM Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Jahrgang. Dienstag den 17. März 1896. An 1) die als Ile Morgen-NuSgabe erscheint nm '/,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. esrreiru > I»1cdc. los so lssso 178^0 154,26 94.2L 169,36 217,2 s o,m> ». »IS 30 »14.10 218,60 87,30 108,90 206,30 187,7b 144,-- 119,— 182,10 121,— »98,- »08.— Sb,— ISS,- Ivo,— 8S0', S3« SIS Stetix. 1b>!, S7 i'l. V<. 81-, 84 64^ 26'2 99-.-, 114,— 108,40 103.60 99.30 88,10 »2,— 6976 63,- 83,20 77,80 so,— 7b,4V 128 4V 92 SO 118 90 SO,- 142,00 106,50 120.00 160,30 121,10 9.58 145,— 248,— SS,30 8 S45 83,90 184,— 99.65 »9.02-j, 130,7b «7.87^ 9.57-, >9,02-^ 1,28 115,— 282,— a» uni Feuilleton. 152, — 153, — «73,— 119,— 118,— 10«,7S »70,— 70,— 71 — 103,— 98,— 127,— 17S, «04, 12L, j68, Redaclion und Erpedition: JehanneSgasse 8. HeExpedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. 596 80 62,93 471,— 19,37-, 26,31 1°!. Filialen: klto Nlemm'S Sortim. (Alfred Hahn», Universitatsstraste 1, LoniS Lösche, srlharinenstr. 14, part. und Königsplatz 7. Gottbegnadet. Roman von Konrad Telman». Nachdruck verboten. .01,25 96.60 .02,50 04.60 96,50 .02,50 97L0 .03,25 121.2V 74,- 87,— >10,— «81,— 178,— 108.— 144.— 106^0 15280 182 — 153.90 161.M 1092b 5 82.90 1 — > »17,— » 1,4 25 >. 103,VO ° so,- O — 63.10 ?«k p«r 122,00 4 eignen Verbeirathung her. Erst Seufzer und Thränen und dann drückt man's doch durch. Aber um deinetwillen fand ich's schrecklich. Du und in ein — zwei Jahren Großmutter! Nein, höre, mir wird ganz schleckt bei dem Gedanken. Was bleibt denn am letzten Ende vom Dasein übrig? Es ist ja grauenhaft!" „Enkel zu haben? Nein, darnach sehn' ich mich sogar. Ich kann mir gar nichts Herrlicheres denken, als noch einmal wieder solche kleinen Weltwunder — eigentlich die größten, die es giebt — aufwachsen und gedeihen zu sehen. Es wird mich wieder jung machen — grade da«. Ihr kinderlosen Frauen wißt gar nicht, was ihr entbehrt!" Asta war aufgestanden. „Na, ich danke", sagte sie, sich schüttelnd. „Wäre gar nicht mein Fall. Ueber Windelnwaschen und Kindergeschrei ginge einem das bischen Amüsement im Leben verloren. Und waS hat man schließlich davon? Wenn die Kinder groß sind, laufen sie einem davon, die Töchter heirathen, ohne auf die Eltern zu hören, — bab's ja auck nicht anders gemacht — nein, nein, ist schon besser so. Und wenn ich mich noch mal entschließen sollte, wieder zu heirathen — aber wir haben uns wahrhaftig noch einmal wieder festgeschwatzt, nachdem ich schon vor 'ner halben Stunde fort wollte. Ist ja auch die höchste Zeit zur tadle ä'lioto bei Lindemann. Und deine Thea bekomm ich doch nicht mehr zu sehen, scheint's. Wer weiß, wo die umherschwärmt? Wahrscheinlich Geibel'S Gedichte in der Tasche, was? Oder ist sie ein bischen für's Moderne? Heutzutage haben ja die Jüngsten schon keine Sentimentalität mebr. Na, überhaupt, wenn ich auf das Thema komme, — wie ist sie kenn eigent lich, deine Thea? Nock ganz Kind? Oder schon gehörig naseweis? Ich habe sie ja furchtbar lange nicht gesehen — grade in den entscheidenden Jahren nicht. Ist sie eigentlich hübsch geworden? Sie versprach so waS —" „Sie ist ein liebes, gute- Kind und noch ganz Kind, Gott sei Dank!" „Na, damit ist wenig gesagt, Liebste! Und das giebt sich, weißt du. Aber du bist heute nun mal in solcher hausbackener Stimmung, daß einem vor deiner Ebepusseligkeit ganz bange werden kann. Ich muß dich erst mal wieder ein bischen aufmöbeln — WaS denn in den nächsten Wochen hier auch gründlichst geschehen soll. Du bist mir offenbar etwa« ver spießbürgert in deinem gesegneten Stettin. Man kann ja eigentlich auch nirgend- ander- mehr leben als bei uns m Berlin, weißt du — na, nun geb ich aber wirklich, ängstige dich nicht, zum dritten Mal bleib ich nicht kleben. E- wär Bezugs-Preis I, der Hauptexpedition oder den im Stadt- httirk und den Vororten errichteten Aus- Gestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, I« zweimaliger täglicher Zustellung ins X 5.50. Durch die Post bezogen für Teutschland und Oesterreich: viertel>ährlich ^1 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.50. Genüge die Maske englischer Selbstlosigkeit. Nach dem Unglück von Akua konnte die Londoner Presse Italien nicht dringend genug rathen, die Politik colonialer Abenteuer in Abessinien auszugeben und auf die Fortsetzung eines Krieges zu verzichten, welcher das Land ruiniren müsse. Statt dessen beute der Appell an die Waffenebre Italiens! Heute, wo der Feldzug gehen den Mahdi beschlossene Sache ist, liegt den englischen Machthabern daran, daß die Aufmerksamkeit und die Haupt- Action der Derwische aus Kassala gerichtet bleibt, während dessen sie es aus den Vorstoß gegen Cbartum nur mit einem Tbeil der mahdistischen Macht zu thun bekommen. Curzon hat, gestützt auf den Dienst, welchen England mit seinem, wenn auch von egyptiscken Gelde bezahlten Sudanzuge immerhin tbatsächlich den Italienern leister, die eS bei Kassala nun eben falls nicht mit der gesummten Macht des Mahdi zu thun haben werden, ostentativ als die „wahren Bundesgenossen Englands" angesprochen und ihnen zu verstehen gegeben, daß England es sei, welches dem am Boden liegenden Italien wieder aus die Füße Helse. Auch das ist wieder ein Versuch der Deutschlands Interessen mit tödtlichstem Hasse verfolgenden Diplomatie Albion's, Italien dem Dreibund zu ent fremden und es seinen „wahren" Freunden jenseits des Canals zuzufübren. Es sind ja, wenn auch vergeblich, in gleicher Weise in Wien Versuche gemacht worden, Zwietracht zu säen und den letzten Zweck der englischen Politik zu erreichen: nämlich England aus seiner Jsolirung zu erlösen und dafür Deutschland zu isoliren. Zweifellos haben England und Italien mancherlei gemeinsame Interessen und es wäre unvorsichtig, wollte man die Gefahr, welche dem Dreibund von dieser Seite her droht, völlig ignoriren. Daß Italien bei jedem Geschäft mit England schließlich der Ukbervortheilte ist, kommt vorläufig nicht in Betracht, wo noch die verlockenden Per spectiven einer hilfsbereiten englischen Freundschaft die Calcu- lation beherrschen. will er sich auch nur ausruhen. Aber, bitte, kläre mich auf. Also: dieser Herr von Sennfeldt ist der Löwe der diesmaligen Saison?" „Unbedingt! Obgleich ich ja erst leit gestern hier bin, giebt es für mich gar keinen Zweifel darüber. Asten, Bodenhausen, der lange Krakow, — alles nichts dagegen. Selbst Prinz Schönburg imponirt gar nicht, — der ist freilich ein bischen albern — Sennfeldt hat im Umsehen alle Welt bezaubert. DaS kann übrigens auck Niemand Wundern, der ihn kennt." „Du kennst ihn also schon?" „Aber natürlich! Schon von Berlin her. Wer wird denn den nicht kennen? Ich bitte Dich: diese Stimme! Und ich gehe beute Abend mit Frau von Sennfeldt zum Concert. Die ckaperonnirt mich." „Er ist also verbeirathet?" Asta warf sich hintenüber vor Lachen. „Verzeih! Aber es ist zu komisch, wenn man sich Harry Sennfeldt verbeirathet denkt. Er hat so gar nichts an sich, was ihn zum Ehemann qualificiren würde, man kann ihn sich absolut nichl so vor stellen. Nein, nein, er ist gänzlich nnverheirathet. Ich be zweifle auch, daß er sonst die Rolle spielen würde, die er thatsächlich spielt. Und das ganze Kerlchen wird wohl erst seine fünfundzwanzig Jahre haben. Aber daß du Sennfeldt gar nicht kennst! Die Menschen reißen sich ja darum, ihn kennen zu lernen und ihn singen zu hören. Und du wolltest nicht einmal hingeben, wo sich dir die Gelegenheit bietet! Es ist unglaublich. Ich bin fest überzeugt, daß so und so viele expreß aus Berlin berüberkommcn, um ibn beute hier zu hören. Die Menschen sind ja ganz verrückt nach ihm, besonders natürlich die Frauenzimmer, und nicht blos dir jungen, im Gegrntheil: die alten sind noch viel schlimmer. Na, es ist aber auch was Phänomenales. Alle-, was wahr ist. Und alle Tage kriegt man ihn nicht zu hören, er weiß sich rar zu machen." Frau Marcella konnte eine leichte Regung von Ungeduld nicht ganz unterdrücken. Auch sie hatte sich der Besucherin gegenüber noch einmal wieder in einen der drahtgeflochtenen Sessel geworfen, welche die von wildem Wein umrankte Veranda des kleinen, aus rothen Backsteinen zierlich und geschmackvoll errichteten Landhauses barg, und spielte mit den Ringen ihrer schlanken, Weißen Finger. „Er ist also nickt Sänger von Beruf?" fragte sie ohne alles tiefere Interesse. Frau Asta von Flügge fand auch diese Frage ihrer Cousine wieder überan- amüsant. „Nein, wie köstlich naiv! Wenn man Sennfeldt kennt! Ter ist mit seinem Singen so spar in den Rahmen dieser Berathung fallende praktische Frage der t-ntschcivnng von Zollstrcitigkeitc» zu erörtern und den Regierungen keinen Zweifel darüber zu lassen, daß daS von ihnen selbst schon vor zehn Jahren anerkannte Bedürfniß einer Aenderung des bestehenden Verfahrens nichts an seiner Dringlichkeit eingebüßt hat. Heute herrscht auf diesem Gebiete ein Zustand der Rechtslosigkcit. Die Rechtsgiltigkeit von Anordnungen wird von derselben Behörde, die die Anord nungen erlassen hat, entschieden. Und obendrein: sobald eine gemeine Rechtsfrage mit einer Zollrechtssrage zusammen hängt, so ist die Verwaltungsbehörde für beide zu ständig. So ist es vorgekommen, daß die Zollbehörde ent schied, der frühere Inhaber einer seinen Namen tragenden Firma habe den Zoll für Waare zu entrichten, die sein Nach folger empfangen hatte. Unter der Rubrik „Zollcuriosa", werden oft sehr spaßhafte Geschichten erzählt. Weniger er heiternd aber ist es, daß es bei den curiosen Verfügungen der unteren Organe nicht selten sein Bewenden hat. Und wenn auch nicht, so läßt die endgiltige Entscheidung doch regelmäßig das vermissen, was für den Handel zumeist daS Wichtigste ist: eine rasche Erledigung der Streitsache. Der Reichstag bat die Uebelststänte schon wiederholt zum Gegen stand von Beschlüssen gemacht und gefordert, daß entweder ein Reichszolltarifaml als oberste verwaltungsgerichtliche Behörde für die Entscheidung von Zollstreitigkeiten ein gesetzt oder diese Sachen ans dem Rechtswege oder im ver- waltungsgericktlichen Verfahren entschieden werden. Dem ersteren Verlangen, das auf einheitliche Zollrechtssprechung abzielt, hat die Regierung bundesrechtliche Bedenken entgegen gesetzt, deren Ueberwintung wohl nicht zu den Unmöglichkeiten gehören würde; gegen die Anwendung des gewöhnlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist eingewenvet worden, daß ein solches Verfahren nicht überall in Deutschland, z. B. in Sachsen nicht, existirt. Jedenfalls hat die Re gierung kein Recht, Zustände, die, ohne daß sie Widerspruch erhoben hätte, im Reichstage „himmelschreiende" genannt worden sind, wegen der ihrer Beseitigung sich entgegen stellenden formalen Schwierigkeiten fortbestehen zu lassen. Extra-Veilasen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es RaUjes und Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Die Politik des Ministeriums Rudini-Nicotti läßt sich begreiflicherweise von dem Streben leiten, eine mittlere Ver- hallungslinie einzuschlagen, die daS Land weder zu tief in coloniale Schwierigkeiten verwickelt, noch auch ihm die Te- mütbigung auferlegt, vor dem Negus und den europäischen Secundanten des abessinischen Herrschers bedingungslos zu capituliren. Aber die Lösung dieser Aufgabe ist eine äußerst schwierige. Um sie zu erreichen, müßte das Ministerium Rudini - Ricotti die Zauberformel zur Bei söhnnng zweier einander grundsätzlich auSschlicßendcr poli tischer Systeme finden, deren eins Italien auf das Niveau eines Staates untergeordneten Ranges im Schlepptau Frankreichs zurückschrauben will, während das andere Italien, dem gleichberechtigten Theilnehmcr am Dreibunde, seinen Platz als ebenbürtigem Factor im Nathe der Mächte garantirt. Es ist sehr leicht möglich, daß das neue Ministerium über diese Aufgabe strauchelt, noch bevor es recht festen Fuß gefaßt bat, zumal da es auch in der innern Politik mit einer Maßregel debutirt hat, die als eine ungemein gewagte bezeichnet werden muß. Die Amnestirung so ausgesprochen regierungs- und staatsfeindlicher Elemente, wie man sie in dem anarchistischen Deputirten Defelice und Genossen kennen gelernt bat, soll nach den Intentionen des Marchese di Rudini zur Beruhigung der Gemüther beitragen. Die Erfahrung lehrt indessen, daß jedes Entgegenkommen den Umsturzparteien gegenüber von diesen nichl als Act der Großmuth, sondern als ein Zeichen des KleinmutbS, der Schwäche, des mangelnden Selbstvertrauens aufgefaßt wird und zu einer Steigerung der Anmaßlichkeit und deS Trotzes m jenen Kreisen führt. Die begnadigten Socialistenführer 1. Frau Marcella Lindheim begleitete ihre Besucherin bis an die oberste Stufe der Verandetreppe, von wo diese durch den kleinen Vorgarten die nahe Strandpromenade wieder erreichen konnte. „Auf Wiedersehen also, liebe Asta!" „Ja", sagte die junge, blonde Dame, die noch an ihrem langen, schwedischen Handschuh nestelte, „und zwar jedenfalls schon beute Abend, nicht? Beim Wohlthätigkeitsconcert." „Offen gestanden", erwiderte Frau Marcella, „ich habe nicht die Absicht, mit Thea hinzugehen. Billette haben wir natürlich genommen des guten Zwecks willen. Aber daß wir diese gutgemeinten Dilettantenleistungen nun auch wirklich mit an deren, wird ja Wohl nickt verlangt. Wir büren im Winter vdnedieö so viel Musik, daß wir die paar Wochen hier ganz gern einmal davon ausruhen. Wenn ich dich nickt etwa chaperonniren soll —" Frau Asta von Flügge lachte hell auf. Ihre prachtvollen Zähne kamen dabei zum Vorschein. „Nein, nein, danke, Liebste. Ich bin versorgt. Aber mir scheint wirklich, daß ihr bier einigermaßen außerhalb der Welt lebt. Gutgemeinte Dilettantenleistungen! Nun ja, das mag auf einen oder andern der Mitwirkenden ja wohl passen. Du weißt aber Wohl gar nicht, daß Sennfeldt singt!" „Sennfeldt?" fragte Frau Marcella. „Wer ist das?" „Du weißt von Sennfeldt nicht-? Du kennst Sennfeldt nicht?" — Frau Asta mußte sich noch einmal wieder setzen. — „Aber da hört ja Alles auf. Liebste. Wie lange seid ihr denn eigentlich schon hier? Und wo habt ihr eure Augen und Ohren bi- jetzt gehabt? Von Harry von Sennfeldt weißt du nichts? Aber ganz Heringsdorf spricht ja eigentlich nur von ihm, — ich meine natürlich: Alles, WaS sich so mit dazu rechnen darf." Frau Marcella lächelte. „Dann dürfen wir uns eben Wohl nicht mit d'azu rechnen, denn ich habe wahr und wirklich noch nichts von ihm gehört. Wir leben allerdings ganz für unS, muß ich hinzusetzen. Dazu sind wir ja hier. Gesellschaft haben wir zu Hause genug. Und wenn Ernst Sonntags kommt, Anzeigen-PreiS . die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reelamen unter dem Redaction-strick (-ge spalten) 50»Z, vor den Famtliennochrlchten (6 gespalten) 40 4. Größere Schriften laut unserem Prei-- verzelchnlß. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. Aussöhnung mit der Republik: sie wollen Trennung von Kircke und Staat durch Abschaffung des Concordats. Im Allgemeinen wird übrigens angenommen, vaß Poubelle, falls er nach Rom gebt, seiner Aufgabe gewachsen sei; er ist ein höflicher und fähiger Mann von versöhnlicher Gemüthsart und steht durchaus nicht im Gerüche des Antiklerikalismus. Unsere Auffassung der Absichten, welche die italienische Negierung bei dem Eintritt in Friedensverbandlungen mit König Meneltt geleitet haben, findet eine Bestätigung in folgendem Telegramm der „Köln. Ztg." aus Rom: Das Cabinet denkt nicht daran, Frieden mit Menelik um jeden Preis zu schließen. Man bedient sich jedoch gern der Gelegenheit, die durch die von Crispi angeordnete Entsendung des Majors Salsa ins feindliche Lager geboten ist, um Zeit zu gewinnen und die Absichten des Negus kennen zu lernen. Der Grund für den Wunsch, Zeit zu gewinnen, ist vor Allem der Bericht Baldissera's über den Zustand dec Colonie. Baidissera erklärt, sein Vorgänger habe die Verwaltung iu unbeschreiblicher Verwirrung hinter lassen, und zwar derart, daß die Mängel des Verpflegungs dienstes es sogar unmöglich machen, alle Truppen in Asmara zu halten; ein Theil mußte nach Ghinda zurückoerlegt werden. Es müsse in der Colonie ungefähr Alles von vorn angefangen werden. Zuerst müsse der geniale Schlendrian Baratieri's — so drückt sich Rudini aus — wieder gutgemacht werden, bevor man mit Aus sicht aus Erfolg Krieg führen könne. Daher hat man Salsa jetzt wieder zum Negus gesandt, um ihm mitzutheilen, daß Italien keine Bedingungen annehmen kann, die seine Actionssreiheit innerhalb der Colonie beschränken. Diese Sendung Hal nur den Zweck, Zeit zu gewinnen, um inzwischen die militairische Lage Italiens zu ver bessern. Die englisch-egyptischeExpeditionnachDongola mit dem Ziele Cbartum wird dem italienischen Oberst- commandirenden in Zrytbräa, General Baldissera, zweifellos zu statten kommen, daß sie aber zu diesem Zwecke unter nommen worden sei, ist natürlich lediglich englische Phrase, die auch iu den ministeriellen Auslassungen in der gestrigen Sitzung des englischen Unterhauses eine große Rolle spielte. Es liegt uns darüber folgende Meldung vor: * London, 16. März. Unterparlamentssecretair des Auswär tigen, Curzon, erklärte, Harcourt habe angefragt, durch welche Thatsachen und zu welchem Zwecke der schleunige Vormarsch der egypiischen Truppen im Nilthal veranlaßt sei. Er erwidere darauf, daß vor einigen Wochen Gerüchte von einem beab sichtigten Vormarsche der Derwische eingelaufen seien (Ruse bei den Irländern: Ohl Oh!) Dieser Vormarsch bedrohte drei verschiedene Puncte der Muraoquellen und des Brunnen Kokreb. Ferner habe die Regierung gehört, daß Osman Digma (Rufe: Ohl bei den Irländern) mit einer bedeutenden Streitmacht gegen Kassala vorrücke, und gleichzeitig sei aus Kairo die Nachricht eingetroffen, daß große Verstärkungen nach Tongola gingen. Diese Nachrichten seien der Regierung Ende Februar zugegangen. Die Militair- behörden in Egypten und England hätten aus diesen Nachrichten auf einen ernsten Vormarsch der Derwische geschlossen, dessen un mittelbares Ziel wahrscheinlich Kassala sei. Die Gefahr müsse aber schließlich auf Egypten eine Rückwirkung ausüben. Tie Besorgniß sei um so größer, als damals schon die Italiener großen Schwierig, keiten an der Westküste des Rothen Meeres begegnet seien; dann seien die unglücklichen Ereignisse von Adua gekommen; er sei überzeugt, daß es Keinen im Parlamente oder im Lande gebe, der nicht mit aufrichtigem Bedauern (Rufe auf den irischen Bänken: Nein, nein!) — ein Bedauern, das durch einige abfällige Stimmen im Hause nicht gestört wird — (Beifall bei den Ministeriellen) des Unglückes gedenke, das so brave Sol- baten und die wahren Bundesgenossen Englands be troffen habe. (Neuer stürmischer Beifall.) „Ich spreche von den Italienern und bin gewiß, wir Alle glauben an die sich wieder belebende Kraft und den Muth der italienischen Truppen; wir hegen die Hoffnung, daß sie sich von dem Unglücke erheben und die Ehre der italienischen Fahne Herstellen werden." (Beifall.) Diese letzte Aeußerung des UnterstaatSsecrekairs lüftet zur Für den französischen Botschafter beim Vatikan scheint der Seinepräfect Poubelle ausersehen zu sein. Bourgeois möchte ihn gern in der Präfectur, wo er ihm zu gemäßigt ist, los sein, obwohl er es vortrefflich versteht, den unbot mäßigen Stadtrath im Zaum zu halten, und schickt ihn nach dem Vatikan, wo er sich allerdings erst noch seine diplomatischen Sporen zu verdienen hat. Indessen soll ihm bas bei dein Cabinet zur Empfeblung gereichen, damit gelegentliche Schnitzer im Verkehr mit dem heiligen Stuhle als Ausflüsse seiner Unerfahrenheit ausgelegt werden können. Für den Papst kann die Wahl eines diplomatischen Neulings, der überdies als verhältnißmäßig Gemäßigter nicht einmal das volle Vertrauen seiner radikalen Regierung besitzt, nickt gerade schmeichelhaft sein. Aber der bisherige Botschafter Lesebre de Behaine war nun einmal nicht mebr zu halten. Thatsächlich scheint er während der dreizehn Jahre, die er beim Papste verbracht hat, das Maß seiner Verwendungsfähigkeit erschöpft zu haben. Auch werden von allen Seiten Steine auf ihn geworfen. Die Reactionairen halten ihm vor, im Verein mit Rampolla und dem NuntiuS Ferrata den Papst eingeschläfert zu haben, so daß er sein Mißtrauen gegen die gottlose freimaurerische Republik ein stellte; andere beschuldigen ihn der Hinneigung zu Deutsch land, weil er als Nachfolger des Papstes den Cardinal Battaalini, einen angeblichen Feind Frankreichs, unterstütze. Den Radikalen paßt er wieder nicht als der Urheber der sam, als ob jedes Lied aus seiner Keble ein kleines Vermögen wäre. Na, wie gesagt: es ist auch etwas Extraordinaires: es könnte einen ganz Anderen schon eitel machen als ihn. Und er soll überdies nicht ganz tactfest sein und muß sich schonen. Ick glaube: er tritt zum ersten Male öffentlich auf, sonst immer nur im „Wagner-Verein" und in Privat-Soir^en. Aber wer ibn gekört hat, ist stets ganz weg vor Entzücken. Er ist nämlich auch noch bildhübsch und der liebenswürdigste Mensch von der Welt. Man braucht wirklich nicht seine Mutter zu sein, um ihn zu vergöttern." „Man kann zum Beispiel auch Asta von Flügge sein!" „Ach, jetzt wirst du boshaft. Na, lern' ihn kennen. Vor Allem: hör' ihn! Und dann wollen wir uns wieder sprechen. Du bist trotz deiner grauen Haare ja selbst noch unglaublich jung und warst immer sehr begeisterungSfähig. — Na, na, laß nur gut sein! Alles in Ehren, versteht sich. Wer dir was nachsagen könnte, müßte noch erst geboren werden. Und sei froh, daß Thea noch em Backfisch ist! Du könntest auch an der was erleben. Ich habe noch kein Mädchen gesehen, daS sich in den Menschen nicht verliebt hätte." „Ein Backfisch von bald siebzehn Jahren", sagte Marcella lächelnd. „Herrgott!" Asta schlug die kleinen Hände zusammen. „Wahrhaftig? Na, daS ist stark. Da kommt man sich ja selber mit seinen vierundzwanzig uralt vor. Freilich, so eine arme Wittwe — Ehejahre zählen immer doppelt, wie Kriegsjahre. Dieses Quark schon siebzehn! Na, cs stimmt ja: du hast selber mit siebzehn geheirathet und bist jetzt fünfunddreißig, — man darf noch davon sprechen. Also eine erwachsene Tochter! Herrgott! da« kann man sich nun doch gar nickt denken. Du, das muß dir aber furchtbar komisch sein und — Verstellung bei Seite! — auch ein bischen gönant, nicht?" „Aber ganz und gar nicht. Ich bin herzlich froh darüber. Meine Tochter ist jetzt zugleich meine beste Freundin." „Ist daS möglich? Nein, hör' mal, da muß ich doch sagen — ich wäre außer mir! Mit füofunddreißig Jahren so ganz zum alten Eisen geworfen — brr! Was hat man denn schließlich vom Leben? Und wenn nun Thea auf denselben verrückten Gedanke» kommt, wie du damals, und auch mit siebzehn heirathet? WaS?" „Das kann ich freilich nicht wünschen", sagte Marcella ernst. „Um ihretwillen nicht." „Ja, du lieber Gott! Da kehren sich diese jungen Dinger auch grade dran, WaS die Mütter wünschen! Weiß ich von meiner Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. März. Wenn es einen Augenblick scheinen konnte, als ob die Aus beutung der Verfehlungen Wehlan's und die Beschuldigungen gegen Ör.Peters, die sich die Socialdemokratie im Reichs tage angelegen sein ließ, weitere Kreise der Bevölkerung in cclonialfeindjichem Sinne beeinflussen könnte, so bat der dritte Tag der Colontaldcbatte diese Besorgniß zerstreut, diesem sind Vernunft und Billigkeit wieder zu Ebren ge kommen und haben Diejenigen die Oberhand behalten, in der deutschen Colonialpolitik etwas Anderes erblicken, eine Gelegenheit, Gewaltthätigkeiten zu verüben, und für die „Colonialbeamter" und „Scheusal" nicht identische Begriffe sind. Cs wäre traurig gewesen, wenn diese Verhandlung anders geendet hätte, und das deutsche Volk würde sich ein Zeugniß politischer Unreife ausstellen, wenn es der Verwirrung des iktbeils über die Colonialpolitik, die die Socialdemokratie um sichtig vorbereitet und keck versucht halte, zum Opfer fallen würde. Was die Socialdemokraten und Demokraten vorbrachten, waren, bis auf eine Thatsache, längst offenkundige Dinge, denen mau durch die Gruppirung den Reiz einer neuen Erscheinung zu geben trachtete. Auch die Bezichtigung des Or. Peters war nicht neu, neu ist nur die Behauptung, daß er in einem Briefe an einen englischen Missionsbischof eine Ent schuldigung vorgebracht haben soll, die ein Bekenntniß in sich begreift. Die Existenz dieses Briefes ist nichl erwiesen, sie ist von dem Beschuldigten bestritten, und die Demokratie in beiderlei Gestalten Hal sich, indem sie Peters unbedingt verurtheilte, mit dem Or. Lieber, der als Ultramontaner dazu wenigstens eine gewisse histo rische Berechtigung mitbringt, als Anhängerin des „allen, geschwinden Rechtes" des Mittelalters gezeigt. Die anderen Parteien haben sich von dieser Ungerechtigkeit fern gehalten und ciu Verdammungsurtheil nur für denFall gesprochen, daß die fürchterliche Anklage begründet sein sollte. Daß diese bedingungS- weise Verurtheilung nicht ausblieb, verlangte das Reckts- gefühl mit unwiderstehlicher Gewalt. Wir haben in Deutsch land Stanley den ihm gebührenden Namen gegeben und wir wollen und dürfen ihn auch im Interesse der Volksthümlichkeit der colonialen Bestrebungen dem Deutschen nicht vorenthalten, wenn er wie ein Stanley gewüthet hat. Gerade weil die Deutschen gewöhnt werden sollen, den Maßstab der auf einer mehr tausendjährigen Ordnung aufgebauten und von den natürlichen Verhältnissen unseres Welttheils begründeten Sittlichkeit an daS Leben in Afrika anzulegen, gerade deshalb darf der Glaube nicht' anfkommen, als ob mit der afrikanischen Moral sich Ruchlosigkeiten wie die im Reichstag behaupteten vereinbaren ließen. Mit jener Verurtheilung ist dem I)r. PeterS nichts Anderes widerfahren, als was ange sichts einer schweren Unthat geschieht: die Handlung ist gekennzeichnet worden, Peters trifft die Charakteristik nur dann, wenn er sie verübt hat. Es ist nunmehr eine Unter suchung gegen ibn eingeleitet, der Reichskanzler ist so einem dahin gehenden Wunsche zuvorgekommen, und bis das Er- gebniß vorliegt, werden sich anständige Naturen mit der Sache mir befassen, wenn die Versuche, eine Behauptung als eine die Colonialpolitik compromittirende Thatsache auszuschreien, fortgesetzt werden sollten. Die socialdemokratische Partei hat bekanntlich im Reichstage zur zweiten Berathung des Etats der Zölle und Verbrauchssteuern einen Antrag auf Aufhebung der Salzsteuer eingebracht. Dieser Agitationsstoff wirb dem Reichstage hoffentlich Zeit genug übrig lassen, um die
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