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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980221018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898022101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898022101
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-02
- Tag 1898-02-21
-
Monat
1898-02
-
Jahr
1898
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Tcb«llanscher «nd Ztsfernfap nach höhere« Darts. Extra-Peilaaen (gefalzt), uur mit der Margen-Ausgabe, ohne Postbefürderung ^l M.—, mit Postbesürdernug ?0.—. Annadmrschlnß fLr Anzeigen: Abend-Ausgab«: Bormittags 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. vei d«u Filiale» und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 82. Montag den 21. Februar 1898. - 82. Jahrgang. Ltädteüil-er aus Lachsen. Nachdruck verboten. Reichenbach t. B. -ck Es giebt wenige Städte innerhalb unseres Vaterlandes, die auf eine so bedeutsame Geschichte zurückblicken können, wie die alte betriebsame Fabrik- und Handelsstadt Reichenbach im Vogtlande. Die Geschicke des Vogtlandes sind mit der Ge schichte der Stadt Reichenbach auf das Innigste verknüpft. Die vielen und schweren Schläge in Kriegs- und Friedenszeiten haben die Bewohner Reichenbachs durch erstaunliche Thatkraft, durch Umsicht und löblichen Gemttnsinn in Verbindung mit einer weit- und umsichtigen Stadtverwaltung siegreich überwunden. Oft drohte der schwer hrimgesuchten Stadt Verödung, Ver armung und gänzlicher Verfall, doch die vorerwähnten rühmlichen Eigenschaften ihrer Bewohner und ihrer Verwaltung, sowie die landesväterliche Fürsorge ließen aus den Ruinen immer wieder neues Leben, eine schönere Stadt, ein besser auSgebautes Ge meinwesen mit neuen Industriezweigen und neuen Handels beziehungen entstehen. Eine durch solche Verhältnisse gestählte Bürgerschaft und Verwaltung bieten die beste Gewähr dafür, daß an die blühende Gegenwart die Zukunft sich vielversprechend an schließen wird. Die älteste Geschichte der Stadt Reichenbach verliert sich, wie daS ja bei den meisten Städten unseres geliebten Vaterlandes ist, in daS Gebiet der Sage. Der Sage nach verdantt Reichen bach seinen Ursprung den Goldwäschereien, die an dem früher Gold führenden Reichenbacher Bache bestanden haben sollen, und soll daher auch seinen Namen erhalten haben. Die erste aktenkundige Nachricht über Reichenbach stammt aus dem Jahre 1080, um welche Zeit unter dem Bischof Günther von Naumburg in Reichenbach die erste Kirch« errichtet ward. Um 1140 wird Reichenbach in einer Stiftungsurkunde des Bischofs Uto von Naumburg als „Stadt" aufgefiihrt. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts (1212) belehnte Kaiser Friedrich ll. den König Ottokar von Böhmen mit der Landschaft Mylau mit Reichenbach. Als böhmisches Lehen scheint Reichenbach später unter die Herrschaft der Vögte von Plauen gekommen zu sein; denn um 1265 übte der Vogt Heinrich der Äeltere von Plauen das Patronatsrecht über Reichenbach aus und eignete es dem deutschen Orden zu. Um 1323 ward Heinrich der Jüngere von Plauen mit dem Schlosse Mylau und der Stadt Reichenbach durch Kaiser Ludwig den Baier belehnt, durch den vogtländischen Krieg von 1354 bis 1359 kam Reichenbach mit Mylau wieder unter böhmische Hoheit; 1364 kam die Landschaft Mylau und Reichenbach definitiv an di« Krone von Böhmen, Kaiser Karl IV. kaufte sie in diesem Jahre von Heinrich den Arlteren von Greiz um 1010 Schock (60 000 Prägen Groschen). Kaiser Karl weilte ost auf dem Mylauer Schlosse, das ihm als Jagdschloß diente. Er verlieh 1367 mittels eines zu Mylau ausgestellten Gnaden- briefeS der Stadt Reichenbach besondere Privilegien. Diese Privilegien bezogen sich auf die Gerichtsbarkeit der Stadt Reichenbach, cmf den Verzicht des Kaisers auf die Erb schaftssteuer, auf die gesetzlichen Bestimmungen, nach welchen Diejenigen, die die Stadt Reichenbach umgingen, und nicht die Straße, die durch HartmannSgrün nach Reichenbach führte, benutzten, bestraft werden sollten, endlich enthält der Gnadenbrief die Bestätigung aller Privilegien, die die Stadt bis 1367 empfangen hat. Während der Hussitenkriege ist wahrscheinlich Mylau mit Reichenbach an das Haus Wettin gekommen; denn 1441 verpfän den Herzog Friedrich und Herzog Wilhelm die Landschaft an die Herren von Wolfersdorf, 1460 ober belehnte Friedrich der Sanftmüthige Cunrath Metzsch mit derselben; derselbe bestätigte der Stadt Reichenbach im Jahre 1464 „ihr alt Herkommen, Frei heit und Gewohnheit" und es ertheilten hierzu Kurfürst Ernst als Landesfürst und Herzog Albrecht die Bestätigung. Nach der unglücklichen Schlacht bei Mühlberg a. E. 1547 kam Reichenbach an daS reußische Haus, durch Kauf kam es 1569 abermals an das Haus Wettin. Di« Ritter vom deutschen Orden hatten sich schon zeitig im Vogtlande festgesetzt, in Reichenbach erhielten sie von Heinrich dem Aelteren zu Plauen 1265 das Patronatsrecht über die Kirche zu Reichenbach. Nach und nach erlangten die Deutsch-Ritter in und um Reichenbach ansehnlichen Besitz, der, als 1526 in Reichenbach die Reformation Eingang fand, nach manchen Wech selfällen an die Herren von Metzsch fiel. Dies geschah am 2. Juni 1659. Seit dieser Zeit blieb das deutsche Haus im Besitze der Herren von Metzsch; diese waren noch bis 1894 verpflichtet, die OrdenSzinsen an die Kirchen zu Reichenbach und Waldkirchen zu zahlen und daS Reichenbacher Pfarrhaus in baulichem Stande zu erhalten und im Brandfalle neu aufrubauen. Dafür übten sie in Gemeinschaft mit dem Stadtrathe zu Reichenbach das Collaturrecht über die geistlichen Stellen zu Reichenbach aus. Laut Vertrag vom 4. April 1894 haben die Besitzer des Ritter gutes Reichenbach mit Friesen auf dieses Recht verzichtet, so daß von diesem Zeitpunkte ab der Stadtrath zu Reichenbach alleiniger Inhaber deS Collaturrechts Ist. Als Gegenleistung hat die Stadt gemeinde die jährlich 432,84 Mark betragenden Ordenszinsen übernommen, welche von den Besitzern des Rittergutes Reichenbach als ehemaligen Inhabern des Deutschen Hauses an die Kirchen gemeinden zu Reichenbach und Waldkirchen und an die Schul- casse zu Reichenbach zu entrichten waren. Ferner ist laut Ver trages vom 28. April 1894 das Pfarrgebäude (das Deutsche Haus genannt) von den Besitzern des Rittergutes Reichenbach unter Zugabe von 6000 Mark an die Kirchgemeinde als Pfarr lehn abgetreten worden. In Folge dessen hat nunmehr die Kirch gemeinde die Verpflichtung, die Pfarrwohnung in baulichem Wesen zu erhalten und eintretenden Falls neu aufzubauen. Das Letztere ist inzwischen geschehen, da daS zeithrrige Gebäude den jetzigen Verhältnissen nicht mehr entsprach und sich in baufälligem Zustande befand. Soviel von der äußeren Geschichte der Stadt stieichenbach, an welche sich nun die Entwicklungsgeschich^ dersell>ei» anschließen soll. Ursprünglich lag die Stadt Reichenbach an der Vereinigung der Mila und des Seifenbaches, diese führen jetzt den Namen Rttchenbach-Mylauer Dach und Oberreichenbacher Bach. Der Sage nach verdankt die Stadt ihre Entstehung den Goldwäsche reien, die sich an diesen Bächen fanden. In der Umgebung gab es früher auch Eisengruben, dieser wird um 1534 noch gedacht. Den Inhabern des Deutschen Hauses sollte das Recht zustehen, die Eisengrubrn zu verleihen und den Zehnten davon zu erheben. Jetzt noch sind Zeugen für den ehemaligen Bergbau in den noch vorhandenen Stellen da. Neben dem Bergbau waren der Ackerbau und die Viehzucht die hauptsächlichsten Nahrungszweige der Reichenbacher Bürger; um die Viehtriften entstanden im 14. und 15. Jahrhunderte wiederholt Streitigkeiten zwischen dem deutschen Orden und den Bürgern Reichenbachs, sowie den Bewohnern des Dorfes Ober reichenbach. Die aufstrebende Stadt traf während des Hussiten krieges ein herber Schlag. In den Weihnachtsfeiertagen 1429 zerstörten die Hussiten die ganze Stadt und tödteten 300 Ein wohner, nach anderen Angaben 500. Während deS Schmalkaldischen Krieges hatte di« Stadt außer Durchmärschen nichts weiter zu leiden, desto schlimmer aber er ging es ihr im 17. Jahrhundert. Große Schadenfeuer suchten die Stadt wiederholt heim. Im Jahre 1613 ward der größte Theil der Stadt durch ein« Feuersbrunst verheert, 1625 gingen 34 Häuser und 1626 wieder 21 Häuser in Flammen auf. Durch die Holt'schen Schaaren ivard 1632 Reichenbach schrecklich ver wüstet. Die Mehrzahl der Einwohner rettete sich durch eiligste Flucht in die nahen großen Wälder, aber der Schaden, den die Stadt an Hab und Gut hatte, war unberechenbar. Kaum hatte sich Reichenbach von den Drangsalen des großen Krieges einigermaßen erholt, so traf es um 1681 ein neues schweres Brandunglück, abermals wurden 135 Häuser ein Raub der Flammen. Trotz ver schweren UngluckSsaUe schernt sich Reichenbach zu Ende des 17. Jahrhunderts rasch entwickelt zu haben. An Stelle des verfallenden Bergbaues hatte man schon im 15. Jahrhundert sich anderen Industriezweigen zugewandt. Aus der Ackerbau- und Bergstadt begann sich eine Industriestadt zu entwickeln, besonders blühte die Fabrikation wollener Waaren. Zum Aufblühen dieser Industrie trug Johann Nicolaus Schmidt aus Dortrecht wesentlich bei. Von Gera aus verpflanzte er die Kenntniß der Schönfärberei und die Herstellung wollener Zeuge in die hiesige Gegend. Adam Meier aus Reichenbach, der in Amsterdam die Bereitung der Scharlachfarbe hatte kennen lernen, führte die Scharlachfärberei auch in Reichenbach ein. Zu Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts stand die Reichenbacher Industrie schon in hoher Blüthe, gegen 500 selbstständige Tuchmachermeister befaßten sich mit der Herstellung der Zeuge, außerdem bestanden viele Schönfärbereien. Die in Reichenbach gewirkten und gefärbten Stoffe wurden durch eine ansehnliche Zahl von Handelsleuten in die angrenzenden Länder und bis nach Italien und Frankreich vertrieben. Reichenbach galt um diese Zeit als eine der besten Städte im Lande, die zahl reichen Menschen Unterhalt und guten Verdienst bot. Diesem erfreulichen Aufstreben ward am 10. August 1720 ein jähes Ende bereitet. Um 11 Uhr Vormittags brach eine Feuersbrunst aus, welche so rakck> um sich griff, daß bis Nach mittags 5 Uhr alle öffentlichen Gebäude, 502 der besten Bürger häuser und 88 mit Getreide gefüllte Scheunen niederbrannten, nur 200 meist minderwerthige ^litten blieben stehen. Für Reichenbach war diese Feuersbrunst äußerst verhängniß- voll. Bei der durch ihr hervorgerufenen Wohnungsnoth mußten oft 4 bis 6 Familien in einem engen Häuschen wohnen, wodurch Krankheiten entstandet. Die mit Brandbriefen zausgest rtteten Bewohner zogen in die-Ferne, um Gabe zum Aufbau ihrer Häuser zu erbitten, und kehrten oft krank nach Hause zurück. Der größte Schaden aber ward dadurch hervorgerufen, daß gerade von dem Brandunglück die wohlhabendsten Meister, die der Bevölkerung Arbeit gaben, betroffen worden waren. Die Händler konnten nun von Reichenbach keine Wirkwaaren mehr beziehen und blieben daher aus, während ihre Absatzgebiete von der Concurrenz ein genommen wurden. Wie tief traurig es damals um Reichenbach stand, erkennt man daraus, daß von 1735 bis 1742 die städtischen Einnahmen wegen einer Forderung der Erben des Magisters Müller der Sequestration unterlagen, Um aus dieser Nothlage herauszukommen, mußte 1742 der Rath die Rathsmühle ver kaufen. Durch diesen schrecklichen Brand sank die Reichenbacher Industrie ungemein rasch. Die Zahl der Tuchmachermeister, die zu Anfang des Jahrhunderts 500 betragen hatte, sank auf 200 herab. Schwere Heimsuchungen brachte der Siebenjährige Krieg über Reichenbach und Umgegend. Bald hausten hier die Preußen, bald die Reichsarmee, bald Sachsen, bald Kroaten. Alle wollten Quartier und Verpflegung. Die fortwährende Einquartierung erzeugte Theuerung und Hungersnoth rings umher. Im Jahre 1762 stieg der Scheffel Korn auf 15 Thaler, der Hafer auf 7 Thaler. Der Werth der Naturallieferungen, Contributionen u. s. w., welche Reichenbach in diesem Kriege zu leisten hatte, wird von dem Reichenbacher Chronisten Böhm auf 100000 Thaler geschätzt. Die Fabrikation von Flanell und Köpersommertuch ward 1769 in Reichenbach eingeführt, wodurch sich die Erwerbsverhält nisse wesentlich besserten? Um 1773 verheerte abermals ein mach tiges Schadenfeuer 278 Häuser, unter diesen befanden sich 1l Commungebäude. Als neuer Erwerbszweig ward die Baum Wollweberei eingeführt, mit welcher sich 1780 in Reichenbach 80 Meister befaßten. Die Kriegsjahre von 1806 bis 1813 brachten über Reichenbach auch manches Ungemach, doch standen diese Drangsale in keinem Verhältniß zu dem, was in dieser Beziehung Reichenbach vordem erlebt hatte. Mitten in diesen Kriegsjahren fand die Herstellung von Merinowaaren Eingang, an welche Fabrikation die Woll kümmeret sich naturgemäß anschloß. Noch einmal, am 2. Juni 1833, wurde die Stadt Reichenbach durch eine schreckliche Feuersbrunst heimgesucht, binnen fünf Stunden wurden 308 Häuser, das Gerichtsgebäude, das Rath haus und 3 Scheunen vernichtet. Seit dieser Zeit hob sich die Stadt in erfreulicher Weise, namentlich durch den Bau der sächsisch-bayerischen Staatsbahn und die Eröffnung der Tele graphenverbindung im Jahre 1854. An der patriotischen Er hebung1870 nahm die Bürgerschaft Reichenbachs thätigen Antheil, indem sie eine Verpflegungsstation für durchgehende Truppen errichtete und eine Jnvalidenlotterie veranstaltete. Aus dem Ueberschusse derselben entstand eine Stiftung, aus welcher heute noch würdige und bedürftige Invaliden unterstützt werden. Nach dem großen Brande von 1833 erstand aus den Ruinen eine schönere Stadt, namentlich nach dem Bahnhofe zu sind schöne Bauten, neue Stadttheile, neue umfangreiche Fabrikanlagen und Etablissements entstanden und heute ist Reichenbach eine der be deutendsten Industriestädte des Vogtlandes, in welcher sich be sonders in den letzten 60 Jahren eine vielseitige und äußerst leistungsfähige Wollwaarenindustrie mit ihren Nebenbranchen entwickelt hat. Von der Reichenbacher gegenwärtigen Industrie soll nun in. Nachstehenden ein Bild gegeben werden. Die Wolle, wie sie vom Schaf kommt, ist stark mit Staub, Schmutz und Wollschweiß durchsetzt. Vor dem Verspinnen muß die Wolle von dem Schmutze befreit werden, das geschieht in den Wollwäschereien, solche Woll Wäschereien giebt es in Reichenbach und Umgegend z. B. in Friesen und Unterheinsdorf. Mit der Wollwäscherei steht die Wollkäm merei in innigster Verbindung. Bis 1843 war die Woll kämmerei Handwollkämmerei, die vielfach als Hausindustrie bc trieben wurde; 1831 entstand mit Unterstützung des Staates in Reichenbach dafür ein geschloffenes Etablissement; jetzt wird di: Wolle auf mechanischem Wege gekämmt, 1854 ward in Reichen bach die erste mechanische Kämmmaschine eingeführt. Für di: Kammgarnspinnerei ist Reichenbach noch immer der Hauptplatz im Vogtlandc. Die Kammgarnweberci von Reichenbach reich: zurück bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts, um diese Zeit Lrai sie als Schafwollzeug- oder Merinofabrikation, auch Wollzeug manufactur oder kurz „Zeugwirkcrei" genannt, im Vogtlande aus und ersetzte die mehr und mehr in Verfall kommende Tuch macherei. Ein Nebenzweig der Reichenbacher Kammgarnweberci ist die Fabrikation von Tüchern und Shawls. Mit der Woll industrie ist die Färberei innig verknüpft, ebenso die Appretur von Streichqarnwaaren. In Reichenbach besteht hierfür eine größere Anstalt, die Färberei und Appreturanstalt von Georg Schieber, A.-G., zu Reichenbach, die mit einem Aktienkapital von 3 500 000 Mark arbeitet. Die Firma Georg Schieber hat kürzlich das 50jährige Gc schäftsjubiläum gefeiert und aus Anlaß desselben sind von den Inhabern bedeutende Stiftungen für die Arbeiter dieses Eta Feuilleton. Ländliche Fastnachlsseier in der Ättmark. Von Herma»» Robolsky. Nachdruck verbot«». Trotz aller Versuche hat eS bisher nicht gelingen wollen, die namentlich im südlicheren Deutschland so hoch geschätzten Car- nevalS- oder Faschingsvergnügungen auch in den nörd lichen Städten des Reiche« zu hervorragenderer Bedeutung und größerer Popularität zu bringen. Berlin, Hamburg u. s. w. nahmen in dieser Beziehung schon oft einen energischen Anlauf; — man schuf auch von Zeit zu Zeit ganz Gelungenes, aber eS fehlt dort nun einmal der leichtfrohe südländische DolkS-Charakter und daS thatsächliche Ueberschäumen der Lebenslust, — da» vollständige Aufgehen in die tolle kar nevalistische Zeit. — Hervorragend unter den norddeutschen Städten ist im Feiern schon Leipzig. Dagegen wird die Fast- nachtSfeirr in manchen kleineren Städten und hauptsächlich in vielen Dörfern deS nördlichen Deutschlands auf urwüchsig« und echt gemüthliche Weis« begangen. So steht der „Fasselawend"*) im Kreise Salzwedel bei den Landleuten in hohem Ansehen. Zwei Tage lang wird da in den Dörfern überaus üppig ge schmaust und brav getrunken. Und zwischendurch ergötzt sich die Jugend bi» spät in die Nacht hinein am lustigen Tanz. Ich kenne ehrsame Gewerk-meister aut der Stadt Ealzwedel, welche daS ganze Jahr hindurch sehr wenig in» WirthShau» gehen; aber „Fastnacht", am echten „Fest der Handwerker", machen sie eine Ausnahme. Und da sitzen sie denn, die dampfend«, mit roth- seidenen Bändchen gezierte Kalkpfeife im Munde, am Biertisch und besprechen untereinander da« dunkle Thema de« RathhauS- brandeS**) oder andere wichtige Dinge, die ihr Metier scharf berühren. Nirgend» haben sich übrigen» Getränke und Eigenthümlich- keiten au» alter, selbst der tzeidenzeit, so lange erhalten, wie in dem Stammlande der preußischen Monarchie, der Altmark. Wer bat wohl nicht schon von der seltsamen Sitte de» .Braut- hahnsitzens" gehört oder gelesen- ES ist da» eine Absonderlich keit, die bei ländlichen Hochzeiten im Kreise Salzwedel vielfach *) Fastnachrr.Nbend **) Tas mSchttge, mehrere -ohrhundert alt« Sal,webttrr tzkath- bauSgebSude itt tn einer ftrUhsahr»nachl tsiSL wt«l abgebrannt. Noch heut» weiß Niemand, wir da» geutr damal» entstand. noch heute zur Geltung kommt. Die krause Bezeichnung ist aber mit der Verrichtung schlecht in Einklang zu bringen. Sitzen nämlich die HochzeitSgäste beim Frühstück, so wird ein sauberer Teller herumgereicht, auf den die Festgenossen Geld- od«r richtiger Goldstücke legen, di« dann dem jungen Paare als Ge schenk gegeben werden. Das heißt man „Brauthahnsitzen". — DaS.Brautlicht" ist jetzt ganz verschwunden. So nannte man einen wohl zwei Fuß langen grünen Strauß, an dem Lichter brannten. Mit dieser Leuchte in der Hand, mußte die junge Frau dir ersten Tänze beim Hochzeitsfeste tanzen. Sie forderte aber die Herren selber auf, und diese hatten dafür wieder einen OboluS an die Musiker zu entrichten. Wie schwer mag diese Pflicht dem armen Weibe oft geworden sein! Damals dauerten die ländlichen Hochzeitsfeste auch noch acht Tage. Drei- bi» vierhundert Gäste fanden sich nicht selten dazu ein. Kam aber eia Fremder in das Dorf, so ging et ohne Umstände nach dem Festhof, setzte sich an den ersten besten der gedeckten Tisch« und atz und trank nach Belieben. Niemand fragte ihn, wer er sei und woher er ge kommen. — Die gute alte Zeit schwand aber auch immer mehr und mehr. Nirgend» ist die Sitte der Osterfeuer so verbreitet, als in der Altmark. Und mit welcher Zähigkeit halt der Landmann auf die Feier seines „DeergodendeelS" oder Erntefestes, da» der mit der wild« Jagd durch die Lüft« fahren den Frau Holle gewidmet ist. Wa» mag sich mancher Uneingeweihte bei dem Worte .HanSjochenwiakel", wie ein Distrikt tn der Altmark genannt wird, denken? Ein sachverständiger Forscher, Wilhelm Meyer au» Markan, lätzt sich über den sonderbaren Namen so auS: .Al« die Königin Luise mit ihrem Gemahl einst ein Potsdamer Garde-Regiment besichtigte, fielen ihr darin mehrere hohe breitschultrige Ge stalten auf. Sie fragte den Flügelmann nach Namen und Heimath und erhielt die Antwort: „HanSjochen (Han» Joachim) Pollehn auS Bonese bei Salzwedel!" De» Zweiten Antwort auf dieselbe Frag« lautete: „HanSjochen Giffey au» Rustenbeck bei Salzwrdrl!" D«» Dritten: „Han»jochen Meyer au» Schnnlia bei Salzwedrl!" Und so ging e» fort. Wohl ein Dutzend dieser vierschrötigen .unflämischen Kerle" hörten auf den Namen .Han»jochen". Da konnte die hohe Frau die scherzende Bemerkung nicht unterdrücken: .Da» mutz dort um Salzwedel herum ja der wahre .HanSjochenwinkel" sein!" — Aber auch da» Wendland ist noch reich an alten, zum Theil patriarchalisch eigrnthümlichen Sitten. Doch ich kam ganz von meiner ländlichen Fasinachtifeier ab. Deshalb noch rin paar Worte darüber! Der dem Montag voravf-ehende Sonntag Nachmittag findet fast das ganze Dorf im „Kruge" beisammen. Während die alten Väter in den Gastzimmern sitzen und „karten", schwingt im Saal die junge Welt vergnügt und lustig das Tanzbein. Rings herum auf den Bänken haben die Frauen Platz genommen und schauen, wohl der eigenen Jugendzeit gedenkend, dem heiteren Treiben zu. Auch an Gästen von auswärts fehlts dabei in den Familien nicht. Abends zerstreut sich die Gesellschaft auf die Höfe zum reichlichen Nachtmahl. Da giebt's denn ein paar Sorten Braten mit Reis, Pflaumen, Kartoffeln und weißen Bohnen. Die altmärkischen Hülsenfrüchte stehen bekanntlich in ausgezeichnetem Renommbe. Wer kalte Küche oorzieht, mag sich an geräucherter Gänsebrust, Schinken, Wurst, Käse mit Butter- brod u. s. w. delectiren. Als Getränk kommt der echte Korn branntwein auf den Tisch. Maa ist aber in seinem Gebrauch nicht unmäßig. Nach Beendigung der Mahlzeit zieht Alles wieder in das Gasthaus, und dort dauert der Tanz in der Regel bis zum frühen Morgen. — Manchmal sind um die Fastnachtszeit die ländlichen Musikkapellen derart in Anspruch genommen, daß sie sich theilen müssen. Ist dann zum Baßstreichen kein Mann übrig, so hilft ein „Laie" damit auS. Irgend ein lahmer oder sonst nicht tanzkundiger Mensch au» dem Dorfe tritt in die Capelle ein. Noten bekommt dieser stellvertretende Jünger de» Apoll nicht, weil er einfach keine braucht und auch leine kennt. Dagegen weiß er gehörrrcht den Tack der vorkommenven Tänze, und diesem hält er inne. Im klebrigen „greift" er auch nicht und unterstützt nur die anderen Instrumente mit richtig eingesetztem „Schrumm! — Schrumm!" sehr tüchtig. Die lustige Gesellschaft hat einen fachtechnischen Namen für diesen wichtigen Mann, er lautet: „Paßtrecker!" Seltsam ist die Sitte, daß die jungen Männer am Sonntage das Recht haben, die Mädchen und Frauen zu stäupen! („stüpen", auch „stäken"). Die Burschen binden sich zu diesem Zwecke Birkrnruthen, die sie unter der Jacke oder dem Rock verbergen und plötzlich beim Nahen einer erwachsenen weiblichen Person hervorziehen. Die Männer üben aber ihres Recht» tn sehr decenter Form. Sie fassen nur den Kleidrrsaum der sich Sträubenden zusammen und richten rin paar gelinde Streiche auf die Fersen der Ueberfallenen. Natürlich geht daS Spiel nicht ohne Umherjagen und Lbermüthige» Gejauchte ab. Ich glaube, man kann den Brauch de» „Stäupen»" auf die Geiße lung der Frauen im Mittelalter zurückkührrn. Am Montage kriegen nun die Männer von den Mädchen ^hrr Keile". Ich habe vor Jahren einmal in einem Dorf« btt Salzwedel eine solche FasinachtSfeier mitgemacht und mich, da ich der plattdeutschen Sprache mächtig bin, köstlich amüsirk. Höher noch al» der Sonntag steht den Landleuten der „Fast nachts-Montag". Da versammelt sich gegen 10 Uhr Vormittags wieder Alt und Jung im Dorfkruge, und, die Musik an der Spitze, geht's von Hof zu Hof. Ueberall finden die Festgenosscn eine reich gedeckte Tafel vor. Jeder ißt und trinkt, so viel er Lust hat. Natürlich spielt die Capelle dazu ihre lustigen Weisen. Die jungen Paare, die gern tanzen, wiegen sich im Walzer oder „Dreitritt" auf der Dreschtenne, von der aus man in den alt sächsischen Häusern direkt in die Wohnstube gelangt. Nachmittags pilgert Alles wieder nach dem Kruge: die alten Väter spielen, wie Tags vorher, Karten und die junge Welt tanz'. — Manchmal kommt es auch vor, daß ein anstelliger Burscb die Genossen während der Tanzpausen durch allerlei Kurzweil im Saal unterhält. So sah ich, wie ein „Hofsohn" einem Hüt. jungen unter den gelungensten Pantomimen mittels eimc mächtigen Zange einen Zahn auSzog. Der junge Mensch machte das Possenspiel ganz gewandt. Schließlich wurde d-c aus einer Kohlrübe geschnitzte , wie ein Bierseidel große Back zahn zur Ansicht herumgereicht und ob seiner Schmerz-Der dächtigkeit angesiaunt. Dergleichen Späße bringen die jungen Leute meist auS ihrer Militairzeit mit. Um Mitternacht pflegt die Feier ihr Ende zu erreichen. Bringt doch der Dienstag wieder Arbeit in Hülle und Fülle Großes Interesse für die Altmark und ihre Eigentümlich leiten hat der König Friedrich Wilhelm IV. btt seiner Huldigungs reise dorthin im Jahre 1840 an den Tag gelegt. Die Städte und ländlichen Ortschaften, welche der Landesherr berührte, hatten alle ein äußerst festliches Gewand angethan; namentlich ging eS in der alte,' Markgrafenstadt hoch her. Der ganze Ort prangte im Fahnen- und Guirlandenschmuck. Im Gasthause „Zum schwarzen Adler" kostete der König von dem seit jener Zeit berühmt ge wordenen Salzwrdeler Baumkuchen und ließ sich auch ein Glas des einheimischen BiereS munden. Daß natürlich die jetzt leider in Verfallgeratende Burg Albrechts deS Bären, die v. d. Schulen burg'schr Propstei und die St. Manenkirche eines Besuches gewürdigt wurden, braucht kaum erwähnt zu werden. — Aul dieser Reise berührte Friedrich Wilhelm auch daS kleine, derzeit noch hannoversche Städtchen Bergen a. d. D. Dienstfertig sprang der damalige Posthalter des OertchenS an den Extrapostwaoen heran, in welchem der hohe Fahrgast saß, öffnete den Schlag, reichte dem HerauSstttgenden die Hand und sagte gemüthlicki: „Guten Tag, Majestät! Wie a«ht'» denn noch?" — Den König amäflrtr da» patriarchalische Auftreten de» alten Manne» und lachend entgegnete er: „Gott sei Dank! Man schlägt sich so durch!"
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