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Größer« Schriften laut unserem Preis, verzeichniß. Dabellarische« und Ztffernfatz nach höher«'» Tarif. Grlra-«Klage» tkfal»»), nu» mü d« Vioraen.Uutanb», ohne Poschei-rderunz ^li SO.—, mit Posldesörderung 70.—. ^«nahmeschluß siir Anzeige«: Abend-Nu-gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgea-Au-gob«: Nachmittag» »Uhr. vet de» Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stund» früher. vntei«e» sind stet» a» di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» ia Lelvsig SV. Jahrgang Mittwoch den 15. Juli 1896. Bestellungen auf Neiseabonnements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus älv LxpvMIou Äv8 L.e1pLl8vr l'LStzdlattvs, Johannisgasse 8. Das französische Lteuerproblem. 6. Paris, ir. Juli. „Entschlossen, die Reform der direkten Steuern weiter »u verfolgen, beschließt die Kammer, so bald als möglich m einer außerordentlichen Session die Prüfung des zur Ver handlung siebenden Projektes wieder aufzunehmen." Mit diesem schönen Beschluss« sind di« französischen Deputirten am Donnerstag Abend auSeinandergcgangen. Etwas weniger schwungvoll ausgedrückt würde daS ungefähr heißen: Da wir jetzt doch nicht im Stande sind, etwas Gescheckte« zuwege zu bringen, wollen wir in die Sommerfrische gehen; vielleicht kommt mit der Erholung dann auch Vie Erleuchtung. Sie sind also vergebens gewesen die heißen Redeschlachten, vergebens die wundervollen Reden der Herren Rouvier und Ribot gegen die Rentensteuer, nutzlos aber auch die heißen Bemühungen des Finanzministers, sein System zu retten, und seine mit schwachen Wahrheiten davon getragenen Siege über die Anträge seiner Gegner. Wer sehr optimistisch denkt, der schiebt dir Schuld an dem be trübenden Resultate auf die drückende Hitze, die allerdings in den letzten Tage den Aufenthalt in Palais Bourbon zur Hölle machte. Allein die Gründe liegen viel tiefer. Mit dem Rentensteuerproject war eigentlich Niemand recht zu frieden. Aber was sollte man thun? Bereitete man den Ministern eine entscheidende Niederlage, so war eS um sie geschehen» und da in Frankreich wie auf Ebbe Fluth, auf eine gemäßigte Regierung unfehlbar eine radikale folgt, stand «in neues Ministerium Bourgeois in Sicht. Verhalf man ihnen dagegen zum Siege, so mußte man gegen seine Ueberzeugung stimmen und kam obendrein in heikle Verwickelungen mit seinen Wählern. Da man nun zwischen Scylla und CbarybdiS hindurch keinen Ausweg fand und es nicht jedes Abgeordneten Sache ist, von zwei Nebeln beherzt daS kleinere zu wählen, so beschloß die Mehrheit, lieher gar nicht weiter zu segeln, sondern da« Schifflein hübsch vor Anker zu legen. So kam die Vertagung zu Stande. Da die Frage über kurz oder lang wieder zur Ver handlung gelangen wird und einschneidende Veränderungen in der murren Wirtschaftspolitik in Frankreich wohl noch eine Zeit lang immer wieder hinauSgeschoben werden, aber auf die Dauer dem Lande dock nicht erspart bleiben können, lohnt eS sich, die Sache noch einmal kurz klarzulegen. E» herrscht hier bekanntlich eine ganz vorsündfluthliche Art der Besteuerung. Die wichtigsten Steuern sind die Grundsteuer» die Berufs- oder Patentsteuer, endlich die coutributiou personellv-modiliörs, zu deutsch Mieth- steuer. Ich habe in Deutschland oft von der „unsittlichen" Thür- und Fenstersteuer sprechen gehört als der schlimmsten von allen; aber die ist so gering, daß man sie kaum merkt, und wird obendrein noch meist freiwillig vom Ver mieter bezahlt. Alle übrigen Staatseinkünfte stammen auS Verbrauch»- und Luxussteuern, von den OctroiS bis zu den Steuern auf Pferde, Billards und die 320 000 Fahr räder, mit denen Frankreich gesegnet ist. Man sieht: der Untertan wird nicht nach dem besteuert, was er hat, sondern nach dem, was er zu haben scheint, nach dem „farbigen Ab glanz" seines Leben«. Zu welchen Ungerechtigkeiten das führen muß, liegt auf der Hand. Zunächst wird damit die Kinderlosigkeit prämnrt. Bei un« wird es von vielen schon als unbillig angesehen, daß ein Familienvater ebensoviel Steuern bezahlen muß wie ein Junggeselle. Hier muß ein Beamter, der Haupt einer zahlreichen Familie ist, noch un endlich viel mehr an Staats- und Verbrauchssteuern ent richten, al» sein gleichgestellter unverheiratheter College. Dann aber: Ein reicher Mann, der ein großes Hau» macht, Wagen und Pferde hält, „Geld unter die Leute bringt", um volkstümlich zu reden, lädt eine ungeheure Steuerlast auf sich, sein Nachbar, der in ungesundester Weise Zins auf Zinsen häuft, geht so gut wie leer aus. Man fragt sich, wie in dem fortgeschrittenen Frankreich solche Zu stände möglich sind, während in den Nachbarländern income- tax und Einkommensteuer längst eingeführt sind. Der Grund liegt in einem Umstande, der in Deutschland viel zu wenig gewürdigt wird. Frankreich, daS in vieler Hinsicht fortge schrittenste Land von allen, ist zugleich dasconservativste. Hier gediehen Impressionismus und PleinairiSmuS zuerst, aber wehe Dem, der an den Ruhm eines Poussin oder Lebrun zu tasten wagtl Hier eroberten die modernen Theaterstücke zu erst Bühne und Publicum, aber auch der naturalistische Dichter lauscht noch mit Andacht den Alexandrinern Cor neille'». Man fürchtet, da» Vaterland in den Augen der anderen Völker hrrabzusetzen, wenn man an die Ruhmestitel der Vergangenheit rührt. Und wa« Poussin und Corneille auf dem Gebiet« der Kunst, ist dir groß« Revolution auf dem der Politik. Durch die Besreiungsthat des vorigen Jahr hunderts glaubt sich der Franzose an die Spitz« aller übrigen Nationen gesetzt; aber anstatt auf ihrer Grundlage rüstig weiter zu bauen, hält mau ängstlich an Einzelheiten, selbst an längst überlebten, fest. Man weiß nicht, daß der Ausländer verwundert mit dem Kopf schüttelt, wenn er über einem wichtigen Steuergesetze den stolzen Titel: Lwi äu 3 tiimalis an VII liest. Selten und schwer entschließt man sich zu kleinen Ver besserungen, fast nie zu durchgreifenden Veränderungen. Aller dings sind anfangs der 30 er Jahre und auch neuerdings unter der dritten Republik Modifikationen der alten Steuer gesetze beantragt und zum Theil auch durchgesetzt worden, aber welche Schildbürgerstücklein sind da mit untergelaufen! Die Thür- und Fenstersteuer sollte nach einem Gesetze vom 18. Juli 1802 mit Anfang deS IahreS 1804 außer Kraft treten, aber kaum nahte der große Tag heran, da stieß man daS gefährliche Gesetz wieder um; so besteht sie lustig fort. Außerordentlich lehrreich in dieser Beziehung ist eS, die großen Reden zu lesen, die vorige Woche in der Steuerdebatte gehalten worden sind. Fast alle Argumente sind Mirabeau, Robespierre oder anderen großen Helden der Revolution entnommen. Man bekämpft die Einkommensteuer, weil das Privatleben der Bürger dann nicht mehr vor der Einmischnng der Regierung sicher sei, weil sie also dem Princip der Freiheit zuwider laufe, man bekämpft die progressiven Steuern, weil dadurch angeblich die von der Revolution abgeschafften Classen wieder eingefübrt werden, weil also die Gleichheit in Gefahr sei. Das hindert aber nicht, daß man sonst ganz fröhlich von Classengegensätzen und Classenkampf spricht. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß der Finanzminister Do um er am Anfang dieses Jahres mit seinem Entwurf eines Einkommensteuergesetzes nicht durch zudringen vermochte, und daß die Freunde dieses Projektes auch jetzt wieder in der Minorität geblieben sind. Der Gesetz entwurf des gegenwärtigen Ministers ist, wie bekannt, weit weniger tief einschneidend. Es handelt sich hauptsächlich um eine Mehrbelastung des bebauten Grund und BodenS zu Gunsten deS unbebauten, also um eine Entlastung deS ländlichen Besitzes, und um eine Besteuerung der Wertb- papiere. Die Fluth der Angriffe ergoß sich säst ausschließlich auf den letzteren Punkt. Es ist an dieser Stelle schon darauf hingewiesen worden, wie schwerwiegende Bedenken sich gegen diese einseitige Besteuerung erheben; indeß die Gründe, die im Palais Bourbon bisher vorgebracht worden sind, sind zum allergrößten Theile nicht stichhaltig. Es sind herrliche Tiraden gehalten worden über die Pflichten desStaates: der Staat habe die Unverletzlichkeit der Rente garantirt, alles Vertrauen zu ihm werde schwinden, wenn er sein Wort nicht einlöse; alle großen Geister der Vergangenheit sind heraufbeschworen worden, besonders Mirabeau und ThierS haben schier unzählige Male herbalten müssen. >'aetus e»t rickioulus wur: die oben citirte schöne Resolution. Tas End- urtheil über den Entwurf Cochery's ist damit allerdings noch nicht gesprochen, er ist nur vorläufig unschädlich gemacht worden. Aber es ist wohl anzunehmen, daß, wenn die Kammer wieder zusammentritt, daS Ministerium die her gebrachte Lebensdauer erreicht haben und ohne Skrupel be graben werden wird. Vielleicht aber faßt man auch dann wieder eine Resolution. Der Lchiedsvertrag wegen der lippeschen Erbfolgefrnge liegt nunmehr in seinem Wortlaute vor. Die „Kreuzztg." ist in die Lage versetzt worden, ihn zu veröffentlichen. DaS in mancher Hinsicht interessante Aktenstück lautet: Die Unterzeichneten, nämlich: Se. Dnrchl. der Fürst Stephan Albrecht Georg zu Schaumburg. Lippe als Chef der Linie Schaumdurg-L. de» ursprünglichen lippeschen Gesammthause», Se. Erlaucht Ernst Easimir Friedrich Karl Eberhard Bros und Edler Herr zur Lippe-Biesterfeld al» Chef der Linie Lippe-Biesterfeld des ursprünglichen lippeschen GesammlhauseS und Se. Erlaucht Ferdinand Graf und Edler Herr zur Lippe- Diesterfeld-Weißenseld al» Chef der Linie Lippe-Biesterfeld-Weißen» selb des ursprünglichen lippeschen Gefammthauses, schließen für sich und die Linien, deren Chef- sie sind, folgenden Vertrag: I. Die Frage, wer nach Erledigung des zur Zeit von Tr. Durch laucht dem Fürsten Karl Alexander zur Lippe innegehabtcn Thrones zur Regierungsnachfolge im Fürstenthuin Lippe berechtigt und be- rufen ist, soll zur Vermeidung von künftigen Zweifeln und Streitig- ketten schon jetzt durch den Spruch eines Schiedsgerichts entschieden werde». II. Ta» Schiedsgericht soll bestehen aus Sr. Majestät dem Könige Albert von Sachsen, Allerhvchstwrlcher um Uebernahme dieser Function gebührend angegangen wird, und sechs von allerhöchst- dcmselben nach feiner freien Wahl zu berufenden Mitgliedern des Reichsgerichts. III. Der Vorsitz im Schiedsgericht steht Sr. Majestät dem Könige Albert von Sachsen zu. Es bleibt jedoch Allerhöchstdemselben über lassen, für die der Endentscheidung voraufgehendcn Entscheidungen und die Verhandlungen darüber den Vorsitz dem im Range ältesten der aus dem Reichsgericht berufenen Mitglieder zu übertragen. Die Entscheidungen des Schiedsgerichts werden mit einfacher Stimmen mehrheit getroffen. Im Uebrigen bleibt die Bestimmung darüber, ob und inwieweit zu einzelnen der Endentscheidung voraufgehenden Entscheidungen und den Verhandlungen darüber die Mitwirkung aller oder nur eine» TheileS der Mitglieder erforderlich, insbesondere, ob und in wieweit mit der bloßen Proceßleitung nur ein Mitglied zu beauf tragen sei, dem Schiedsgerichte überlassen, jedoch mit der Maßgabe, daß die Zahl der bei einer Entscheidung Mitwirkenden stets eine ungerade sein muß. Für den Verkehr zwischen dem Schiedsgericht und den Bethciligten, sowie für die etwa sonst in dem Verfahren erforderlich werdenden nichtcichterlichen Geschäfte wird in Leipzig von dem Herrn Vor sitzenden des Schiedsgerichts nach Allerhvchstdessen näherer Be- stunmung eine Geschäftsstelle errichtet. IV. Das Schiedsgericht fällt feinen Spruch nach voraufgeheuder Prüsung der in Betracht kommenden Recht»- und Tbatfraaen auf Grund seiner Recht-Überzeugung und ohne dabei an die Anträge der Parteien gebunden zu sein. ES bestimmt selbst über die Normen seines Verfahrens, jedoch mit nachstehenden Maßgaben: Bor der Fällung der Endentscheidung ist den Parteien oder ihren legitimirlen Vertretern aus Antrag Gelegenheit zu geben, ihre An sprüche vor dein Schiedsgericht in contradictorischer mündlicher Ver handlung zu begründen. Der Schiedsspruch ist schriftlich abzusassen und mit einer, die wesentlichsten thatsächlichen und rechtlichen Feststellungen de» Schieds gerichts wiedergebenden schriftlichen Begründung zu versehen. Eine von Sr. Majestät dem Könige Albert von Sachsen und sämmtlichcn aus dem Reichsgericht berufenen Mitgliedern de» Schiedsgerichts vollzogene Ausfertigung des Schiedssprüche» ist jeder der Parteien mitzutheilen. V. Die Parteien verpflichten sich, die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Beweismittel dem Schiedsgericht auf Er fordern vorzulegen, sowie auch dem Schiedsgericht oder einzelnen aus dessen Mitte committirten Mitgliedern die Einsicht ihrer Haus und Familienarchive zu gestatten. VI. Der Spruch des Schiedsgerichts ist unanfechtbar und für alle Parteien verbindlich. Seine Wirkung erstreckt sich auch auf die dem Throninbaber im Fürstenthuin Lippe als solchem zustehenden Vermögensrechte. VII. Für den Fall, daß in der Zeit zwischen dem Abschlüsse dieses Vertrages und der Fällung des Schiedsspruches irgend welche Umstände eintreten sollten, durch welche Se. Maj. der König Albert von Sachsen verhindert wird, die Allerhöchstihm in diesem Vertrage zugedachten Functionen wahrzunehmen, werden sich die Parteien über einen anderen deutschen Bundesfürsten einigen, den sie um Ueber nahme, bez. Fortführung der erwähnten Functionen angehen wollen. Das Verfahren soll in diesem Falle in derjenigen Lage weitergesührt werden, in der cs sich zur Zeit des Eintrittes des Hindernisses bc- findet. In gleicher Weise bleiben die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages dabei mit der Maßgabe verbindlich, daß die darin Sr. Majestät dem König Albert von Sachsen zugcdachten Befugnisse auf den an Allerhöchst Seine Stelle tretenden Buudrsfürsten über gehen. Sollte ia dem gleichen Zeitraum «ine- der au» dem Reichs gericht berufenen Mitglieder an der Mitwirkung oder der ferneren Mitwirkung bei dem Verfahren verhindert werden, so wird Se. Mas. der König Albert von Sachsen gebeten, an dessen Stelle ein anderes Mitglied des Reichsgericht» zum Mitglied« des Schiedsgerichts zu erwählen. VIII. Tie bei der gemäß Punct III zu errichtenden Geschäfts- stelle entstehenden Auslagen au Porto, Schreibgebühren und dergl. werden von den drei Vertragschließenden zu gleichen Theilen ge- tragen. Da- Gleiche gilt von den Reisekosten, welche für die dem Reichsgericht angehörigen Mitglieder etwa entstehen. Dieselben werden nach den für Dienstreisen beim Reichsgericht geltenden Bestimmungen berechnet. IX. Der gegenwärtig Vertrag tritt in Kraft, sobald Se. Majestät der König Albert von Sachsen auf Grund deS nach Punct II an Allerhöchstdeuselben von Len Vertragschließenden zu richtenden An suchens die Uebernahme de» SchiedSrichteramt» nach Maßgabe dieses Vertrages erklärt hat. Dunkel bleibt, wie die „Kreuzzeitung" dazu kommt, diesen „SchiedSvertrag" so, wie geschehen, zu veröffentlichen. Der Abdruck erfolgt in Form einer amtlichen Bekanntmachung, ohne jeden Zusatz, aber auch ohne die Unterschriften der drei Vertragschließenden. Auch ist nicht hinzugefügt, ob König Albert von Sachsen überhaupt schon um die Uebernahme deS Schieds- richteramtcs angegangen ist und eventuell ob er seine Be reitwilligkeit zur Uebernahme erklärt hat. Vielleicht ist die Veröffentlichung von einem der drei Chef» der concnrrirendcn Linien veranlaßt worden, um die Angelegenheit in Fluß zu bringen. Deutsches Reich. * Berlin, 11. Juli. Bekanntlich bat ein Gewährsmann der „Staatsbürger-Ztg." ein« Unterredung mit dem früheren Handelsminister v. Berlepsch gebabt und über diese Unter redung u. A. berichtet, Herr v. Berlepsch habe als einzigen Grund für seinen Rücktritt „Meinungsverschiedenheiten mit den entscheidenden Stellen in der Gesammtauffassung der socialpolitischen Fragen, insbesondere der Arbeiterfrage" gelten lassen und ausdrücklich erklärt, er halte nach wie vor Berufs-Organisationen mit mög lichst weitgehenden Rechten für nölbig und erwarte hiervon, „daß di« Arbeiterbewegung wie in England ihres revolu tionären Charakter» entkleidet, von der gegenwärtigen ver derblichen Führung der socialdcmokratischen Fraktion losgelöst und so zu einer fruchtbaren organischen Mitarbeit in Staat und Gesellschaft gewonnen werke." Daß der neue Handels minister, Herr Brefeld, diese Erwartung nicht theilt, scheint auS einen! Artikel der officiösen „Berl. Polit. Nachr." hervor zugehen , der sich direct gegen Herrn v. Berlepsch wendet. Er lautet: „Wenn die Erwartung ausgesprochen wird, daß in einer mit weitgehenden Rechten auSgestatteten Berufs organisation der Arbeiter rin sicheres Schutzmittel gegen die Socialdemokratie liege, und dabei auf englische Erfahrung Bezug genommen wird, so wird in der social - demokratischen Presse mit Recht erwidert, daß die deutsche Socialdemokratie sich mit einer solchen Organisation schon abzufinden wissen werde und daß die englischen Erfahrungen, auf welche man sich beruft, einer älteren Zeit angehören und von der neueren Entwickelung längst überholt sind. In der That wird von Denen, welche mit Vorliebe auf englische Verhältnisse und Er fahrungen sich für die bei uns zu befolgende Social politik berufen, die Verschiedenheit unserer heutigen Verhältnisse mit den englischen zu jener Zeit, in welcher von einer den Classcnstreit mildernden und den wirthschast- lichen Frieden fördernden Wirkung der Sondervrganisaliou von Arbeitern und Arbeitgebern die Rede sein konnte, nur zu sehr übersehen. Insbesondere wird nicht beachtet, daß im Gegensatz zu den damaligen englischen Arbeiterschaften, welche ausschließlich wirthschaftliche Ziele verfolgten, aber die Arbeiterorganisation von der Politik frei hielten, in Deutsch land zur Zeit das Streben nach politischer Macht in erster Linie steht und die wirtbscbasilichen Bestrebungen sich dieser unterordnen müssen. Die Ursache dieser Er scheinung liegt neben der Verschiedenheit der Veranlagung der englischen und der deutschen Arbeiter namentlich darin, daß die deutschen Arbeiter fick bewußt sind, welchen gewaltigen Hebel sie in dein allgemeinen und gleichen Wahlrecht bei ge heimer Stimmabgabe zur Erlangung der politischen Macht haben. Die Socialdemokrati« spiegelt ihnen, fußend auf diesem Bewußtsein» die Aussicht auf die Herrschaft des Proletariats vor, vermöge deren ihnen dann die in den Fruilletsn. Ernst Curlius s Einen neuen schweren Verlust bat die deutsche Wissen schaft, speciell die deutsche Geschichtsschreibung, erlitten: sie trauern am Grabe eines ihrer ersten und glücklichsten Förderer. Aber auch da» ganz« deutsche Volk trauert um Ernst CurtiuS, denn er war eine Zierde unserer Nation und mit ihm ist einer der Großen hingegangen, die daS Zeitalter der Begründung deS Reiche» zugleich zu einer Blüthezeit de» deutschen Geistes stempeln. Er war im Jahr« 18l4 geboren, ragt« also noch in dir Zeiten der Befreiungskrieg« hinein. Er gehörte zu jenen Glücklichen, denen e» vergönnt war, zugleich die Ernied rigung und dann den glänzenden Aufschwung unseres Vater landes zu erleben, zu jenen, deren Jugend in die Zeit der Erwartung, de» SehnenS fiel, deren ManneSalter die Er füllung sah; er wurzelt in einer Zeit, di« noch politische Ideale hatte, um die zu kämpfen e» sich verlohnte, und der darum vielleicht auch eine so große Fülle reicher und kräftiger Talente entsproßten. Wie Emanuel Geibel, der Nachbars- sohn und Gespiele seiner Jugend, der Freund seiner Mannes jahre, stammte er aus Lübeck, wo sein Vater Senator war. Frühzeitig schon nahm daS Kind der alten Hansastadt Eindrücke mittelalterlicher Kunst in sich aus. Die Erziehung im Hause war sorgfältig. Eifrig waren die Eltern darauf bedacht, jegliche Aulabe in ihren Kindern ausbilden und aus reifen zu lassen. Tie Studentenjahrr führten CurtiuS zuerst nack Bonn zu Brandi», dann nach Göttingen zu Haccb Grimm, Dahlmann und Ottfried Müller und zuletzt nach Berlin zu Boeckh, Lachmann, Bopp, Ritter. Ein eigener Zauber muß den Jüngling umfangen haben; nicht nur daß er unter den Studiengenossen leicht Freunde fand, auch seiner Lehrer Schätzung und Zutrauen gewann CurtiuS schnell und für alle Zeit. So kam es, daß Brandi«' Wahl auf CurtiuS fiel, als der Bonner Professor 1837 von dem König Otto von Griechenland nach Athen berufen wurde, um dem Könige Borträge zu halten und an der auf hellenischem Boden wieder auflebenden wissenschaftlichen Arbeit theilzunehmen. Der vierjährige griechische Aufenthalt war entscheidend für CurtiuS' inneres und äußeres Leben. Iugendfrisch nahm er auf den steten Wanderungen ein lebensvolle» Bild von dem modernen Griechenland in sich auf. Dabei innia ver traut mit den Geschicken deS alten Hellas, ein trefflicher Kenner der klassischen Ueberlieferungen von Land unk Leuten, verknüpfte er im Geiste da« Einst und das Jetzt. Anschaulich sah er rückblickend die Geschichte de« Hellenenvolke« vor sich in seiner Abhängigkeit von dem Boden, der Bodenaeslaltung, von Lust und Licht, die da« Geschick dem Volke vesckieden. WaS er damals lernte, trug ihm alle Zeit seine« Leben reiche Frucht, von daher war er geradezu an Griechenland gebannt, ihm galt all seine Arbeit und sein Trachten und dorthin kehrte er immer wieder zurück. Ein Wermuth«- trovfen siel in den Freudenbecher de« ersten griechischen Aufenthaltes. 1840 kam Ottfried Müller nach Griechen land. Cursin« wurde de- LcbrerS Führer auf sciucr griechischen Fahrt, Müller aber hatte sich zu viel zugetraut, er hielt den Strapazen nicht Stand, ein Fieber raffte ihn dahin, und CurtiuS mußte dem Lehrer da« Grab bereiten. An den langen griechischen Aufenthalt schloß der junge Gelehrte eine kurze Reise durch Italien, dann kehrte er nach Berlin zurück, denn eS galt jetzt die üblichen Prüfungen ab zulegen. Für den ersten Ertrag topographischer Studien in Griechenland, für die Studie „ve portubug ^tbsvaium" er- theilte 1841 die Universität Halle CurtiuS den Doctortitel. Nachdem er die Staatsprüfung abgelegt, wurde er Lehrer am Französischen Gymnasium, trat von dort er an daSIoachims- thalscke Gymnasium über und wurde 1843 Docent an der Universität. Die „^uecäota Oelpluca^, die ^Inoriptioues ^tticas äuoäecim" und vor allem da« Buch „Tie Akro polis von Athen" befestigten CuriiuS' Stellung in der Wissenschaft. Da führte ihn der Zufall einer neuen Aufgabe zu. Der Zoologe Lichtenstein batte eine Vortragsreihe ein gerichtet, er forderie auch CurtiuS zu einem Vortrage auf. CurtiuS sprach über die Akropolis und dem Vortrage wohute auch Vie Prinzessin Augusta bei. Sie sand Gefallen a» CurtiuS Art und warb ihn, nicht ohne zunächst auf Widerspruch zu stoßen, al« Erzieber für ihren Sohn, den Prinzen Friedrich Wilhelm, spateren Kaiser Friedrich, an. Fünf Jahre waltet« CurtiuS seines Amtes im Hause de« Prinzen Wilhelm und innige Freundschaft verband bald Erzieher und Zögling und auch de« Prinzen Wilhelm Zeineigung ward ihm ^u Tbeil. Dem FreundschaftSbunde mit seinem Schuler hat CurtiuS in seinem Nachruf ans den Kaiser Friekrick ciu bleibende- Denkmal ge setzt. 1850 kehrte CurtiuS wieder zu seiner akademischen Lehrtätigkeit zurück. Eine Berufung nach Göttingen machte ihn 1856 Berlin abwendig, aber 1863 kehrte er wieder zurück. CurtiuS entfaltete hier eine überaus reiche Tkätigkeit. Zu seiner vorzüglichen wissenschaftlichen Befähigung gesellte sich bei ihm eine schöne poetische Begabung. Dazu kam ein stets vor haltender Drang zum Schaffen und «in reges Verständniß, Arbeit im Großen zu organisiren. Darüber ist nicht zu ver gessen, daß eS ihm leicht wurde, der Menschen Herzen für sich zu gewinnen. Das Nächste für CurtiuS war die weitere Verarbeitung de« Ertrage« seine« ersten griechischen Aufent haltes. So entstanden nock die Schritten „NaxoS" und „Olympia" und vor Allem sein erstes größere- Werk „P e l o p o n n e s o s", eine historisch-geographische Be schreibung der Halbinsel" (l851 und 1852). In der Folge war eS geraume Zeit hindurch die griechische Geschickte, auf die CurtiuS seine Arbeit verwandte. Die Frucht davon ist CurtiuS' „Griechische Geschichte", eine« seiner Haupt werke. Da« Werk hat einen unbestrittenen Erfolg gehabt, obwohl gegen mancherlei die Kritik birweilen sogar heftigen Einspruch erhob. AnSgesetzt wird daran, daß CurtiuS seiner Phantasie allzuviel Spielraum läßt, wo e« ihm gilt, Lücken in der Uebrrlirferung auszufüllen und Details auSzumalen. An gefochten werden auch die Hypothesen,aufkie CuriiuS seine Dar stellung der ältesten Geschichte der vorhelleniscken und hellenischen Stämme und deren Verhältniß zu den Völkern des Orients stützt. Hingegen sind unbestritten glanzende Vorzüge des Werke« die Anschaulichkeit der Schilderung, die Lebendigkeit der Erzählung, die gleichmäßige Kennzeichnung des inneren und äußeren Leben« der Griechen, die treffliche Grupvirung