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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961204012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896120401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896120401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-12
- Tag 1896-12-04
-
Monat
1896-12
-
Jahr
1896
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M Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/«^ Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Re-action und Erpe-itio«: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bt» Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» Klcmm's Lortim. (Alfred Hah»), Univrrsitättstrahe 8 (Paulinum), Lottis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und Königsplatz 7. BezugS«Prei- i» der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^l4L0, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS ^aus X b.S0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich ^l . Direkte tägliche Nreuzbandsendung tu» Ausland: monatlich 7.Ü0. Morgen-Ausgabe. rMger TagMatt Aazeigen-PreiL Ue 6 gespaltene Petttzeile S0 Pszjf. Reklamen unter dem RedaetionSstrich Ego spalten) KO/H, vor den Famtliennachriätten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unsere« Preis- verzetchniß. Labellarischer und Ziffrrnsatz »ach höherem Tarif. ff'rtra-Btilageu (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. »— Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Aalhes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 4. Dccember 1896. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig. Annahmeschiriß sirr Anzeigen: Ab end-Ausgabe: DormittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». SV. Jahrgang: Das Begnadigungsrecht. Im Reichstag wie in der gesammten Presse ist neuer dings wieder einmal das Begnadigungsrecht der Sonveraine Gegenstand der Erörterung gewesen. Den Anlaß dazu boten einige BeanadignngSfälle in Preußen, an denen Kritik geübt wurde. Eine derartige Kritik ist jedoch überaus unfruchtbar, ja, es fehlt dem Volke nach der ganzen rechtlichen Natur der Begnadigungsbefugniß an der Zuständigkeit zu solcher Kritik. Wir wollen daher auch auf die Fälle, welche den Anlaß ge geben haben, nicht näher eingeben, sondern unS nur mit der rechtlichen Natur der Begnadigung selbst beschäftigen. Es hat schon früher nicht an erbitterten Gegnern des kiMUtianäi jus gefehlt. Kant war ein entschiedener Feind desselben und Zächariä, Grolman, Pastoret, de Dompiörc, Vafalli u. s. w. haben eS aufs Schärfste bekämpft. Einzelne Staat-verfassungen, wie die belgische, die preußische und die württembergische, beschränkten denn auch das SouverainitätS- recht insoweit, als sie die Abolition, d. b. das Recht, ein Strafverfahren im Gnadenwege niederzuschlagen, ehe ein Unheil gefällt ist, beseitigten. In Sachsen besteht diese Abolition, welche auch vor eingeleitetem Verfahren erfolgen kann, neben der eigentlichen Begnadigung oder dem Erlaß der rechtskräftig erkannten Strafe noch zu Recht, wird aber, soweit unsere Wahrnehmungen reichen, in äußerst subtiler Weise, nur in ganz besonderen Fällen zur Anwendung gebracht, so daß sie bislang nur segensreich gewirkt und keinerlei Anlaß zu Bekämpfungen gegeben hat. Die Begnadigung, welche Straf freiheit oder Strafmilderung, mitigatio poeuae ex capitv ^rrttiae, berbeiführen kann, ist begründet durch die Forderung der Gerechtigkeit, denn sie soll da eingreifen, wo ein irr- thümlicheS Urtheil gefällt wurde, daS sich processual nicht wieder aufheben läßt. Sie ist begründet durch dir Liebe und landesherrliche Müde, die den schönsten Schmuck der Monarchen bildet. Sie, die über ihrem Volke thronen, die selbst dem Arm der Justiz unerreichbar sind, müssen von ihrer Höhe herab „Gnade für Recht" ergehen lassen können. Diese alte rechtöphilosophische Begründung des BegnabigungrechteS, die hier nicht weiter aus geführt werden soll, hat die meiste Anfechtung erfahren, wird aber heute noch von verschiedenen RechtSlekrern vcr- lheidigt. Schließlich aber können auch politische Rücksichten Gnade erheischen. Der Monarch kann auS Gründen der SlaatSklugbeit genötbigt sein, dem ergangenen Urtheil keine Folge geben zu lasten, oder eS überhaupt zu keinem Urtheil kommen zu lassen. AuS letzterem Grunde ist eS auch ein Mißgriff, wenn Verfassungen, wie z. B. die norwegische, dem Verbrecher gestatten, die Begnadigung zurückzuweisen. Schon aus der öffentlich rechtlichen Natur, welche das Be gnadigungsrecht mit dem Strafrecht tbeilt, ergiebt sich über dies das Widersinnige eines solchen Verzichts auf Gnade. Man hat das Begnadigungsrecht hauptsächlich deshalb für bedenklich erachtet, weil es bei dem Gnadenact an jeder Ver antwortlichkeit für denselben fehle. DaS Begnadigungsrecht ist nun allerdings ein Hoheitsrecht, welches vom Souverain ausgeübt wird, ohne daß ibn dabei eine andere Verantwort lichkeit träfe, als die moralische, die er hinsichtlich aller seiner Handlungen hat und die ein weiser und gerechter Herrscher so im Auge behalten wird, als ob sie eine rechtliche wäre. Aber es entsteht die Frage, ob nicht für die Begnadigungs handlung der Minister des Monarchen verantwortlich gemacht werden kann. Diese Ministerverantwortlichkeit bat, im Hinblick auf das Begnadigungsrecht,Professor vr. Edgar Loening in Halle jetzt in einem Artikel der „Deutschen Juristen-Zeitung" eingehend behandelt. Loening gebt von preußischen Verhält nissen auS. DaS Begnadigungsrecht ist ein Regicrungsact des Königs, der wie alle Regierungsacre nach Artikel 44 der preußischen Verfassung der Gegenzeichnung eines Minister- zu seiner Giltigkeit bedarf. Uebernimmt nun der Minister durch diese Contrasignatur eine Verantwortlichkeit für den Inhalt des contrafignirten Schriftstückes? Diese Frage ist vielfach mit Nein beantwortet worden und ist auch heute noch eine sehr bestrittene. Professor Or. Loening ist für eine Be jahung. Die gegentheilige Ansicht geht nach französischem Vorbilde dahin, daß im Falle eines äroit purewont ro^nl die Gegenzeichnung des Minister- nur formelle Bedeutung habe, aus der eine Verantwortlichkeit des Ministers nicht zu folgern sei. Diesen Standpunkt vertraten in Deutschland Mittermaier, Köstlin, Plochmann, Lueder, von Rönne u. s. w Der Letztere spricht sich dahin auS, daß die Gegenzeichnung des Ministers nur den Zweck habe, die Gewißheit des königl. Willens und der königl. Unterschrift zu beglaubigen. Auf demselben Standpuncte steht auch der Staatsrechtslehrer Georg Meyer. Anders Loening. Er sagt: „Die preußische Verfassung erklärt unzweideutig: Durch die Gegenzeichnung übernimmt der Minister die Verantwortlichkeit für den Negierungsact des Königs; er übernimmt dafür die Verant wortlichkeit in demselben Umfange, als wenn der RegierungS- act des Monarchen die eigene Amtshandlung des Minister- wäre. Gerade deshalb ist der Minister zwar ver pflichtet, so lange er im Amte ist, den Befehlen de- Monarchen zu gehorchen, aber berechtigt, jederzeit die Ent- l-ssung auS dem Amte zu nehmen, wie der Monarch den Minister jederzeit auS dem Amte zu entlassen berechtigt ist. Die Verantwortlichkeit für den von ihm gegengezeichneten Regierungsact übernimmt der Minister sowohl gegenüber der Krone, wie gegenüber dem Landtag. — Hiernach ist ein Minister, der einen NegicrungSact de- Königs gegenzeichnet, zunächst dafür verantwortlich, daß der Act Verfassung-- und gesetzmäßig ist. Eine jede Begnadigung aber ist gesetzmäßig, die sich in den Schranken des Reichs- und Lanbesrechls hält. Die Verantwortlichkeit eines Ministers aber geht weiter. Ist er für den Regierungsact de- König« ebenso verant wortlich, al- wenn er ihn selbst al- Amtshandlung vor genommen hätte, so ist er auch dafür verantwortlich, daß der Regierung-act dem Wohle und dem Interesse des Staate- förderlich ist. Der Regierung-act des Königs wird dadurch nicht zu einem Act deS Ministers. Der König ist es, dem allein die vollziehende Gewalt zustebt, der persönlich die Staatsgewalt auSübt. Aber verantwortlich ist nicht der König, sondern der Minister, der in der Gegen zeichnung dem königl. Regierung-act zugestimmt hat. — Zn der Ertheilung der Gnade ist der König frei und nur seinem Gewissen und Gott verantwortlich, und eben deshalb ent scheidet er sich nur auf Grund eingehendster Prüfung. Aber auch der Minister, der den Act gegenzeichnet, ist in sofern frei, als er nur seine Gegenzeichnung geben darf, wenn er die Verantwortlichkeit für die Begna digung glaubt tragen zu können." Soweit die Ausführungen Loening'S. Die von ihm ver tretene Ansicht hat auch dcr Leipziger Universitätöprofessor ttr. Binding in seinem Handbuch des Strafrechts ausge sprochen: „Die Eontrasignatur überträgt dem Minister nicht nur die Verantwortlichkeit für die Innehaltung der Be- gnadigungScompetenz, sondern für den Gnadenact selbst". Dem Landtage steht dem Minister gegenüber, waS seine Gegenzeichnung anlangt, freilich nickt« weiter als daS Reckt der Interpellation und Kritik zu. Er kann in einer Adresse an den König oder in einem Beschlüsse seiner Mißbilligung über das Verhalten des Ministers Ausdruck verleihen. Damit sind seine Machtmittel erschöpft. Pflickt des Landtags würde es nach Loening'S Darlegungen sein, gegen die Begnadigungen zu protestiren, wenn bei bestimmten Kategorien von straf baren Handlungen regelmäßig oder fast regelmäßig der ge richtlichen Verurtheilung die Begnadigung auf dem Fuße folgte. Dadurch würde die Gefahr entstehen, daß durch die Ausübung des Begnadigungsrecht- da- Ansehen des Gesetzes und der Gerichte geschädigt und da- NechtSbewußlsein des Volkes verwirrt würde. Es fragt sich nun, inwieweit diese Ausführungen auf unsere sächsischen Verhältnisse passen. Der König ist nach der Verfassungsurkunde deS Königreich- Sachsen vom 4. September l83l das souveraine Oberhaupt de- Staates, da- in sich alle Rechte der Staatsgewalt vereinigt. H 52 der Verfassung sagt weiter: „Der König hat in strafrechtlichen Fällen bas Recht der Abolition, sowie der Verwandlung, Minderung oder des Erlasses der Strafe, kann aber zuerkannle Strafen nicht schärfen." Dieser Begnadigungsacl ist nun zweifellos eine Verfügung in RegierungSangelegenheiten, und diese bedürfen nach tz 43 der Verfassungsurkunbe der Contra signatur des Vorstandes eines Ministerialdeparlements, welcher bei der Befchtußnahme wirksam gewesen ist. Das ist nicht- Formelles, denn die sächsische Verfassungsurkunde spricht eS in H 43 deutlich au», daß es geschehe „zum Zeichen seiner Verantwortlichkeit für die Zweckmäßigkeit und in Uedereinstimmung der Ver fügung mit dem Gesetze und der Verfassung des Landes", und weiter heißt eS in Abs. II: „Eine solche mit der erforderlichen Contrasignatur nicht bezeichnete Verfügung ist als erschlichen zu betrachten und daher unverbindlich." Nach tz 42 der Verfassung sind „alle StaatSdiener für ihre Dienstleistungen verantwortlich." Die Verhältnisse sind also in Sachsen im Wesentlichen dieselben wie in Preußen. Auch in Sachsen stehen den Ständen andere Mittel nicht zu Gebote, als das Petition-recht und daö Recht eines Miß- billigunasvotumS. Das Recht der Beschwerde beschränkt sich auf Mißstände in der Anwendung der Gesetze in der Landes verwaltung und Rechtspflege, sowie auf eine Verletzung der Gewähr der Verfassung. Auch die förmliche Ministeranklage vor dem Staatsgerichtshof beschränkt sich auf Verletzungen der Verfassung. Deutsches Reich. * Leipzig, 4. December. Wie schon mitgetheilt wurde, bat neuerdings auf Vorschlag des BnndeSratheS der Kaiser für die ausscheidenden Herren Näthc MeweS und Meischeider zwei preußische Landgerichts-Präsidenten zu ReichSgericktS- Rätheu ernannt. Dcr bi-kerige Vorstand des Landgerichts Gleiwitz, Helf, bat seinen Sitz im vierten Civistenat schon eingenommen. Der Landgerichts-Präsident Hesse auS Liegnitz aber wird vom l. Januar 1897 ab dem vierten Strafsenat des Reichsgerichts angebören. ff Berlin, 3. Dccember. Ende dieser Woche erscheint bei der Deutschen BerlagSaustalt in Stuttgart ein neues Werk von G- v. Poschinger: Fürst Bismarck und der Bundes rath sl. Band. Der Bundesrath des norddeutschen Bundes (1867—1870)j. Hiermit schließt sich der Ring der großen BiSmarck-Biographie des bekannten Verfassers um ein be deutendes Stück enger zusammen. Hat er uns früher Bismarck als BundcStagSgesandken in Frankfurt a. M., als Volkswirt!', als Redner, im Verkehr mit den Parlamentariern, endlich als gast lichen Hausherrn geschildert, so zeigt er in seinem neuen Werke den großen Kanzler von einer bisher nicht so sehr beachteten Seite. Die Darstellung beschränkt sich aber nicht bloS auf BiS- marck's Wirksamkeit un Bundesrath, sie gebt über diesen Rahmen hinaus, indem sie un» gleichzeitig einen Einblick in die gesammte Tbäligkcil deS BundeSraths von der Zeit seiner Entstehung ab gewährt. Es ist der erste Versuch einer Ge schichte deS BundesratheS, wobei der seit zwanzig Jahren dem BundeSrath nicht fern stehende Verfasser alle über diese Institution bandelnden Quellen, soweit dieselben irgendwie xudlici juri8 sind, gesammelt und systematisch ver arbeitet hat. Im Anschluß hieran erkält der Leser Sil houetten von allen politisch bedeutsameren Mitgliedern des BundeSratheS von l867—1890. Der Werth dieses bio graphischen Thciles springt in die Auge», wenn man er wägt, daß seit Gründung deS norddeutschen Bundes die ersten Kräfte aller Bundesstaaten zeitweilig dem BundeSrathe an gekört haben und daß diese, bezw. ihre Hinterlassenen, fast alle daS Buch durch Originalbeiträge zu unterstützen die Güte hatten. An einem Beispiel mag daS Vcrbältniß be leuchtet werden. Als dcr Präsident deS BunveS-Oberhandels gerichl« Vr. Pape bei Umwandlung desselben in daS Reichs gericht durch Simson ersetzt wurde, verlautete vielfach, Pape'S Uebergekung sei erfolgt, weil er im Culturkampf einen der Regierung feindseligen Standvunct eingenommen und in Folge davon bei Bismarck in Ungnade gefallen sei. Diese Annahme findet in dem Werke eine acienmäßige Wider legung. Noch im Jahre 1888, kurz vor dem Hinscheidcu Pape'S, hat Bismarck ihm sein fortdauerndes Wohlwollen und Vertrauen zu erkennen gegeben, indem er ibn aufsorderte, da» SchiedSrichteramt in dem Eisenbahnstreit des Barons Hirsch mit der türkischen Negiernng zu übernehmen. Pape hatte Lust, abzulehnen, wegen seines Vor sitzes in der GesetzgebungScommission. Auf eine Anfrage bei FeniHrtsir. Vom Peh und seiner Geschichte. Bon Alfred Neumann. StaLdruck verboten. Zum Winter gehört der Pelz, und unter dem mancherlei Gemüthlicken, da» der strenge Herr der dunklen Monate unS bringt, steht der Pelz sicher nicht in letzter Linie. DaS hat auch die Mode anerkannt, und nach längerem Schmollen hat sie den Pelz wieder in vollen Ehren ausgenommen und begünstigt ibn gegenwärtig in allen Gestalten und zu den verschiedensten Zwecken mit ausgesprochener Vorliebe. Sie erweist da nur Ehre, wem Ehre gebührt. Denn der Pelz ist von altem Adel, er blickt auf eine imponirende Geschichte zurück. Um ibn wurden Kriege geführt, um ihn die gefähr lichsten Unternehmungen gewagt; er war da» Ehrenabzeichen von Koben Staatsbeamten, und selbst die Krone des mächtigen Herrschers aller Reußen war ursprünglich nichts Anderes, al» ein mit einem Goldreif geschmückter Pelzhut. Schon da» Buch der Bücher gedenkt de» Pelze», dem Esau verdankte, daß er „rauh wie ein Fell" aussah. Im Tabernakel der Hebräer hingen Dachs- und Widdcrfelle als Schmuck. Ja, die Geschichte de« Pelze- gebt noch um viele Tausend Jahre weiter zurück, — in China nämlich, wo seit Urzeiten der Pelz überaus hochgeschätzt war und vom Amur der in großen Mengen eingefübrt wurde. Dock da die Jahrtausende chinesischer Geschichte in t'efeS Dunkel gehüllt sind, so versetzen wir un lieber in die freundliche Helle der antiken Cultur. Da finden wir denn freilich den Pelz in einigem Mißkredit. Unter dem blauen Himmel Griechenland» und Italien- kam er nur bei Hirten, Landleuten und Sklaven insofern zu Edren, als sie gegen Regen ober Kälte wohl Ziegen- oder Schafpelze be nutzten. Der LuxuSpelz aber war unbekauut; und al» die Athener und die Sikyonier während der Herrschaft der Tyrannen ein pelzbesctzteS Gewand tragen mußten, da blieb ihnen von dieser eutebrenden Tracht lauge ein Spitzname. Indrß aber stand der Pelz bei den Völkern de» Norden» in höchstem Ansehen. Di« Urwälder Germanien» und di« Ruß land« behrrbergten die reichste Fülle von Pelztdierrn, und der Pelz gekörte unzertrennlich zur Kleidung. Cäsar sand die Germanen in Nennthierprlzen. Au» den pontischen Ländern wahrscheinlich wurde der Pelz eine» kleinen, schön behaarten Thierchen» in großer Menge nack Armenien ein geführt, da« davon den Namen de» „Armenier«" oder Hermelin«" erhielt. Al« die Römer mit den Völkern de« Norden« in enge verübrung traten, da lernte ihr luxu«- gewöhnter verzärtelter Sinn da« Pelzwerk schätzen. Marder, Luch», Grauwerk, Hermelin wanderten nun über die Alpen und schmückten die üppigen Schönheiten Rom-, für die die Feldherren und die Gesandten die kostbaren Pelze durch Güt« oder Gewalt von den Barbaren erwarben. So verband gewissermaßen die Pelzmode Anfang und Ende der römischen Geickichte wie mit einem svmbolischen Ringe: al» pelz gekleidete Hirten hatten die Romer in ältester Zeit begonnen, in die Pelze der unterworfenen Barbarenländer schmiegten sich wollüstig die Römerinnen, und vergeben- eiferten die Sittenprediger und die Kirchenväter gegen die- Zeichen de« Niederganges. Die Geschichte verlegt ihren Schwerpunkt nach Norden, und der Pelz tritt eine wahre Herrschaft in Europa an. Kleider und Mäntel, Handschuhe, Stiefeln, Kragen und Mützen waren au« Pelz oder mit Pelz gefüttert. Selbst di« Bettdecken Warrn pelzgefüttert; unter Decken von Hermelin und schwarzem Zobel schlummerten di« Damen de» Nibelungen liede», und wenn sie ausstande«, dann warfen sie einen Pelz um den Leib, bevor sie sich an die Toilette machten, — waS unS an Helene Fourment, die Gattin Ruben-', erinnert, die ihr Gemahl nur mit einem Pelz« bekleidet dargestellt hat. Die große Beliebtheit de» PelzwerkeS im Mittelalter veranlaßte, daß Deutschland damal» trotz de» Pelz- reichthum« seiner eigenen Wälder noch importiren mußte. Rußland und Polen lieferten den Feh, den Zobel u. s. w. Allmählich stieg der Pelzluxu« so hoch, daß gegen ihn Maß- regeln ergriffen wurden. Zuerst wurde e« den Kreuz- sahrern verboten, einen Ueberfluß an üppigem Pelzwerk auf die fromme Fahrt mitzunebmen. Dann wurden die Verbote verallgemeinert, und e« wurden die kostbarsten Pelze, wie Hermelin, Zobel, ungarische- Grauwerk rc, für die Könige, Fürsten, Adligen und Reichen Vorbehalten. Nur wer 100 Pfd. Jahreseinkommen besaß, durfte im England de» 14. Jahr hundert- überhaupt P.lzwerk tragen. So wurde der Petz da« Abzeichen de» Adels und Reichthum» und ging daher auch in zahlreiche Wappen über. Ludwig XI. von Frankreich brauchte nicht weniger al» 74Ü Hermeline zum Besätze eine« Rockes, was „manic pfund" kostete. Aber auch die Patrizier der reickgcwordeneu Städte und ihre Frauen brauchten kost- bare Pelze, und noch beut erkennen wir de» ehrsamen Hiero- nymu» Holtzschuber « Wohlhabenheit aus Dürer » unsterblichem Eonterfri au seinem reichen Pelzkraarn. Allmählich fingen Deutschland« Wälder sich zu erschöpfen an. Da öffnete sich aber erst der ganze Pettreichtdum de« Ostens. Schon Marco Polo hatte märchenhafte Kunde ge bracht von dem Cban der Tartaren, dessen Zelt mit kostbaren Pelzen „au< dem Lande der Yinsterniß" bedeckt und behängt gewesen sei. Da» Land der Finstrrmß war Sibirien, und allmählich begann sich seine yinsternik zu erhrllru Der russische Kaufmann Michael Ttrogonoff war der Erste, der, al» er gesehen batte, zu welch' niedrigen Preisen di« Ein geborenen die Pelze ihre« Lande» aus die russischen Märkte brachten, eigene HandrlSexpeditionen nach Sibirien unternahm, um das kostbare Pelzwerk zu holen. Von diesem Augenblicke an war e« der Pelz, der die Russen über den Ural lockte, der sie vom Ob zum Jenissei und zur Lena führte, bis sie schließlich Kamtschat'a erreicht hatten, die Aleuten entdeckten und nach Alaska übersetzten. ES war der Pelz, den die Zaren und Großfürsten als Tribut von den unterworfenen Stämmen forderten. Ihnen wurden fortab die erlesensten Pelze reservirt, und da« russische Kaiserhaus verfügt seitdem über einen einzigen Schatz an köstlichem Pelzwerk. Heute verarbeitet die kaiserliche Cabinelskürschocrei in Petersburg oft die schönsten Zobelpelze für den Gebrauch der kaiserlichen Familie. Die Königin von Württemberg, Schwester Alexander'- H., besaß ein Zobelsutter im Werthe von 8000 Tbalern. Alexander IN. verehrte der Erzherzogin Marie Valerie von Oesterreich zu ihrer Hochzeit eine Garnitur von blauem Fucks, die man auf 50000 schätzt. Doch ist der Pelzluxu», seitdem Sibirien dem russischen Scepter unter worfen ist, im ganzen russischen Volke sehr hoch entwickelt. Selbst minder Begüterte halten eS für unumgänglich, mehrere Pelze zu besitzen, und zur Ausstattung einer vor nehmen Dame gehören 4—5 Pelze, nämlich ze einer von Schwarz- oder Kreuzfüchsen, von Blau- oder Rotkfüchsen, von Zovel oder Marder und von Feh. Aerst wurde in Sibirien «in wüster Raubfang getrieben, durch den der Bestand mehrerer Arte» von Pelzthieren ge fährde» oder arg vermindert worden ist. Später wurden einschränkende Maßregeln getroffen. Die Eingeborenen be dienen sich noch heute der primitivsten Methoden; wenn sie dann ihren Fang zur Marktstation bringen, dann entwickelt sich rin gar merkwürdige» Schauspiel. Eine weit« Schnee ebene, ein griechischer Kirchthurm ragt einsam daraus auf, rin paar Holzgebäude umgeben sie und darum eine Zeltstadt, in der pelzvermummte Eingeborene und Händler eifrig feilschend die Gaffen füllen. Ein solcher Markt findet nach E. Müller z. B. in ObvorSk in der Nähe der Mündung de« Ob, etwa 500 Wegstunden von Tobolsk, statt. Der Pelz handel nach China hat seinen Markt in Kiachta, wo die sibirischen Pelze gegen den chinesischen The« eingrtauscht werden, und wo da» ganze Leben und Denken von diesen zwei Dingen — Pelz und Thee — souverain beherrscht wird. Dock noch^u einem anderen Prlzmarktr müssen wir den Leser führen: von der schneeverküllte» öden Tundra Sibirien» in die düsteren Wälder Nordwrst-Amerika«, wo «ine einsame Station der Jäger und ihrer Beute harrt. Hier entfaltete sich da» Leben besonder« eigruthümlich in den 50er und «Oer Jahren unsere« Jahrhundert», al« die HudsonSbai-Compagnie in Prinz-RupertS-Land noch den Alleinbetrieb besaß und da» Land noch in völliger Einsamkeit abgelegen war. Durch weite Landstrecken zogen die Indianer mit ihren Pelzen, bald auf leichten Booten über Sern und Flüsse setzend, bald die Boote und die Daaren zusammen tragend, dem Fort der Gesellschaft zu. Hatten sie e- erreicht, so öffnete sich da- Tbor nur für den Häuptling und wenige seiner Leute, denn die meisten dieser Pelzjägerstämme waren tückisch und treu loS, und hinter Brücke und Wall wurde der Handel ab geschloffen. DaS Geld war verboten, «in fester Tauschtaris bestand, nach dem z. B. eine Flinte für 20 Biber- oder 60 Zobelpelze gegeben wurde, während der rothe Mann für l Biber- oder 3 Zobelfelle nach Belieben ein Maß Rum, eine Unze rothe Farbe, ein Tuch, 6 Unzen Tabak, einen kleinen Spiegel, eia Scalpirmesser oder einen Hornkamni eintauschen konnte. Um den Pelzreichthum Amerika« sind schwere Kämpfe geführt worden. Die ersten, die auf ihn Jagd machten, waren die Franzosen: und ZUj rosiur et ass triplsr circu pectus erat" kann man wohl mit Horaz von Jenem sagen, der zuerst als vovageur oder eoureur ao bois in diese un durchdringlichen Wälder unter wildblickende Rotbbäute sich wagte. Doch Vie Franzosen verstanden eS ausgezeichnet, die Eingeborenen zugleich nachsichtig und energisch zu behandeln, mit ibnrn auszukommen und die begehrten Pelze von ihnen zu erkalten. Dann träte» die Holländer — von Neu- Amsterdam au« — und die Engländer al» Concurrrnten auf den Plan. Es bildete sich ein halbwildes Geschlecht von europäischen Trappers (»Fallenstellern), die den Bäumen des Walde« ähnlich zu sein schienen, rauh, ungeschlacht, unmäßig, in hartem Kampfe mit den Thieren des Walde», deren Pelze sie dann zur Station brachten, um den Erlös, bei dessen Berechnung die Compagnie sie fast immer betrog, in wenigen Stunden zu vergeuden und wieder im Dunkel deS Urwaldes zu verschwinden. Jndeß entschied die Geschichte über die Herrschaft de-westlichen Pelzlauve»: Holländer und Franzosen mußten den Engländern weichen, die nach der LoSreißung der Freistaaten wieder in den Amerikanern Mitbewerber erhielten. Besonder» war eS I. I. Astor, ein geborener Deutscher, der mit großartiger Initiative und Energie den amerikanischen Pelzbandel in Schwung bracht«. Erst in der jüngsten Zen sind all« Monopole und Privilegien gefallen, und frei durch streicht dcr eingeborene wie der Weiße Jäger die Wälder Alaska«, frei tauscht und handelt der Einzelkaufmann neben den alten Compagnien. So war r«, wie man sieht, die Begierde nach dem Pelze, die Rußland nach Asien geführt, die die europäischen Nationen iu den Kampf um die dunkeln Länder an den großen Binnenseen getrieben haben. Heute sind diese Kämpfe und Wagnisse beendet, das Schicksal der beiden großen Pelz länder im Osten nnd Westen ist entschieden. Auf der Tundra muß der dürftige Tunause seine Falle stellen, der Indianer in der Finsterniß der Wälder von Prinz-Rupert«-8and dem Wilde nachjaaen, damit das Biber- oder Zobel-, da» Nerz oder Bärenfell nach Leipzig gelang« und von dort weiter an dir freundliche Leserin abgeführt werde. E« haben ihr« Geschicke — die PelzboaS und Pelzmäntel!
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