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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896121001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896121001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-12
- Tag 1896-12-10
-
Monat
1896-12
-
Jahr
1896
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Die »Voss- Ztg." bemerkt, „es wäre vielleicht aus politischen Gründen nützlich gewesen, gleich reinen Tisch zu machen und alles'das aufzuklären, was der Aufklärung noch bedurfte". Dieses Fortschrittsblatt will danach nicht gerade heranssagen, aber es deutet an, daß die Politik das Recht hätte beugen müssen, um mehr auszuhellen, als aufgebellt worden ist. Die „Freis. Ztg." — wir halten uns geflissent lich an ausschließlich kritisch gerichtetete Organe — die Zeitung des Herrn Richter also gebt weiter und erkennt unumwunden an, daß vom Gericht gehandelt wurde, wie es dem Gesetz entsprach. Sie schreibt: „Wir haben den Ein druck, daß, wenn es möglich gewesen wäre, die Ver handlung sofort auch gegen Tausch weiter zu führen, die Geschlossenheit des Ringes Tausch-Lützow-Leckert zuletzt auf das Schärfste hervorgetreten wäre". Rach der Strasproceß- ordnung, die jedem Angeklagten Vertheidigung, Vorunter suchung, Zustellung einer schriftlichen Anklage und andere Sicherungsmittel zugesteht, war eö eben nicht möglich. An der Bemerkung der ^Freis. Ztg." ist noch sehr beachtenß- werth, daß sie sich von einer sofortigen Wetterführung der Verhandlung gegen Tausch die Aufhellung der Preß- und sonstigen Treibereien dieses Beamten verspricht, nicht aber die Vermuthung wagt, daß „Hintermänner", da» heißt hoch st eh ende Hintermänner, ans Licht gezogen worden wären. Diese Annahme nimmt der sonst nicht blöde Herr Richter bezeichnender Weise nicht auf seine Kappe. Er schreibt nur: „Es giebt noch immer Leute, sie an besondere Hintermänner des Tausch glauben." Deren scheint es allerdings zu geben, und wir habe« gestern betont, daß es dem Publicum zu viel zumuthen hieße, den Glauben an die Hintermänner ohne Weiteres aufzugebcn. Herr v. Tausch hat zu lange eine übergroße Macht üben dürfen, als daß nun Jedermann sofort sich über zeugen könnte, eS habe dies nicht seine besonderen Gründe gehabt. Nun geht ja seine Angelegenheit weiter und sie bringt die Möglichkeit zur Aufdeckung hoch politischer Machinationen, wenn solche getrieben worden sind. Tausch soll bei seiner Abführung zu den Umstehenden bemerkt haben: „Nun werde ich Alles sagen", aber diese An kündigung des schwer Beschuldigten beweist selbstverständlich gar nichts. Der Mann wird Vieles wissen, dessen Bekannt werden Vielen nicht lieb ist; aber ob sich seine Wissenschaft auf Intriguen von Ministern gegen Minister erstreckt, muß sich erst Herausstellen. Die Art, wie der Proceß geführt worden ist, scheint nicht für das Vorhandensein der Sorge vor compromittirenden Angaben zu sprechen. Wir wenigstens — wir lassen uns gerne belehren, wenn wir irren sollten — haben den Eindruck, daß das Material der Strafsache Leckert sich so hätte gruppiren lassen, daß Tausch vielleicht gar nicht in die Lage gekommen wäre, gegen die schwere Be schuldigung des Meineids sich seiner Haut zu wehren, sondern daß er als Mitschuldiger Leckert'S und Lüyow'S in die nunmehr abgeschlossene Verhandlung hätte bineingezogen werden können. Man denke nur an die Hinausschiebung der Vernehmung deS Zeugen Arthur Levysohn, dessen Tausch der Beleidigung des Auswärtigen Amtes überführende Be kundung Freiherr v. Marschall nach dessen eigener Aussage mit größter Wahrscheinlichkeit hätte voraussehen können. Wie dem aber auch sei, jedenfalls bleibt neben dem vollen Erfolg des Auswärtigen Amtes das hier schon vor der Urtheilsfällung ausgesprochene tiefe Bedauern darüber be stehen, daß die Negierung nur durch einen Strafprozeß, einen thatsächlich gegen jene Behörde gerichteten Strafproceß, erreichen konnte, was ihr auf dem normalen Wege des Gebrauchs ihrer ad ln in istra tiven Machtmittel hätte gelingen müssen. Es klänge unglaublich, wenn eS nicht.durch Herrn v. Marschall selbst bezeugt wäre: seit vierIahren hatdasAuSwärtigeAml.ohneZweifel die wichtigste Behörde, die bei der Handhabung der politischen Polizei in Betracht kommt, Verdacht gegen eben diese politische Polizei. Vor mehr als Jahresfrist wird bei der Verhetzung Bronsart'S gegen Köller dieser Verdacht auf eine erschreckende Weise verstärkt und, für Herrn v. Marschall wenigstens, zur Gewißheit. Dennoch kann dieser energische Beamte dem bekannten Urheber, dem Untergebenen eines Ministercollegen, nicht zu Leibe, er muß auf eine Gelegenheit lauern, wo der im Amte schuldig gewordene Regierungs beamte mittels der ordentlichen Gerichte zn entlarven ist. Die Disciplinargewalt des Staates hat Herrn ».Tausch gegenüber geruht. DaS ist eine schlimme Wahrnehmung, die die Nothwendigkeit von Reformen nicht nur an und in der politischen Polizei anzeigt. Selbst die gerichtliche Auf hellung stößt ans einen räthsclbaften Widerstand bei dem Polizeipräsidenten, der sich zuerst weigert, eine ganz obscure Persönlichkeit als den Gewährsmann für die irrefüh renden Angaben über den Urheber eines gegen Vas Auswärtige Amt ausgebeuteten Zeitungsartikels nennen zu lassen! Vollkommen fungirt aber der disciplinarische Apparat auch nicht im Auswärtigen Amte. Der Polizeiagent Gin- aold-Stärk soll unter keinen Umständen von Mitgliedern dieser Behörde empfangen werden. Er ist aber zähe und setzt eS durch, von zwei Herren Informationen zu erhalten. Und der Ebes des Amtes ist der Wirksamkeit semeS Verbotes bei der Gesammtbeit seiner Beamten so wenig sicher, daß er sich seiner eigenen Aussage zufolge dadurch sichert, daß er dem „betreffenden Diener den stricken Befehl" giebt, Herrn Staerk bei Niemand anzumelden. Auch dieser Hergang entbehrt nicht ganz der symptomatischen Bedeutung. Daß schließlich der Proceß tiefe Schäden unseres Ze itung»- wesen» bloßlegt, ist unverkennbar und von unS schon hervor gehoben wordeu. Die zeitungSverlegenden und zeitungS- jchreibenden Speculanten auf die schlechten Leidenschaften ge winnen überall in Deutschland an Boden, ein Zeichen, daß das, was unsere Zeit unvortheilhaft von der Periode nach der Reichsgründung unterscheidet, keineswegs allein den poli tischen Factoren zur Last fällt. Die „Münchener Allg. Ztg." knüpft an eine Erörterung deS ProcesseS und deS sinkenden Ernstes deS gebildeten zeitungslesenden PublicumS den Wunsch: „Möchten diese Kreise die Gelegenheit benutzen, ihre Gewährs männer einmal kennen zu lernen." Vieler Orten ist dieser Wunsch schon in Erfüllung gegangen, ältere Proccsse haben wichtige Mitarbeiter von bestimmten Zeitungen als gesinnungs lose, für Jedermann käufliche Soldschreiber entlarvt. Da diese Menschen aber pikant, weil unbeirrt durch Rücksichten auf die Wahrheit und das Gemeinwohl schreiben, so ist man ihnen auch in solchen Kreisen treu geblieben, die aus Gustav Freytag'S Aufsätzen über die Ursachen de» französischen Zu sammenbruchs von 1870 erkennen konnten, welche Schuld Gebildete auf sich laden, wenn sie sich dem Banne einer ehr losen Presse gefangen geben. Deutsches Reich. * Leipzig, 9. December. Die „Berl. N. Nachr." forschen den Gründen nach, aus denen die Berliner politische Polizei gegen den StaatSsecretair v. Marschall Stellung genommen hat, und kommen zu dem Resultate, einer dieser Gründe liege in der Veränderung der Svcialpolitik seit 1890. Mit diesem jähen Umschwünge habe sich selbst verständlich das Berliner Polizeipräsidium, das bis dahin im Kampfe gegen die Socialdemokratie im Vordergründe ge standen batte, nicht befreunden können. Es sei daher psycho logisch erklärlich, daß die Beamten des Berliner Polizei- PräsidiumS in eine „oppositionelle Richtung" gelangt seien. Eine weitere Ursache der Verstimmung, die sich der Berliner Polizei bemächtigt habe, sei in der durch die neue gewerbepolitische Gesetzgebung vermehrten Arbeitslast zu suchen. — Nun ist es allerdings nicht unmöglich, daß Herr v. Tausch und einige seiner Berliner College» Uber die Veränderung der Socialpolitik sich ebenso geärgert haben, wie über den ihnen durch die neue gewerbe politische Gesetzgebung verursachten Arbeitsznwachs. Aber mit diesem Aerger stehen die betreffenden Berliner Herren wahrscheinlich allein, wenigstens hat unseres Wissens noch in keiner anderen Stadt des Reiches ein Polizeibeamter solchem Aerger irgendwelchen Ausdruck verliehen, am aller wenigsten durch Intriguen gegen das Auswärtige Amt. Ueberall sind sich eben die Organe der Polizei bewußt, daß sie weder Politik und Gesetze zu machen, noch die Politik der Regierung zu kritisiren, geschweige denn zu durchkreuzen, sondern lediglich an ihrem Theile über die Respectirung der Gesetze zu Wacken und die Uebertreter zur Rechenschaft zu ziehen haben. Haben also wirklich Herr v. Tausch und Ge nosse» aus den von den „Berl. N. Nachr." angeführten Gründen gegen den StaatSsecretair v. Marschall Stellung ge nommen, so gereicht ihnen das nicht im Geringsten zur Ent schuldigung, sondern beweist lediglich, daß die Herren ihre Stellung und ihre Aufgabe vollständig verkannten und in eine Anmaßung sich verstiegen hatten, die allein genügen würde, sie „anderweit zu verwenden." U Berlin, 9. December. DaS Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt bekanntlich, daß das letztere am 1. Januar 1900 gleichzeitig mit einem Gesetze, betreffend die Aenderung des GerichtSverfassungSgesetzeS, der Civilproceßordnung und der EoncurSordnung, einem Gesetz über die Zwangs Versteigerung und die Zwangsverwaltung, einer Grundbuchordnung und einem Gesetz über die Angelegenheiten der frei willigen Gerichtsbarkeit in Kraft treten soll. Alle diese Gesetze müssen also in den nächsten Reichstagstagungen erledigt werden. Einige davon liegen bereits seit längerer Zeit dem BundeSrathe vor. So gelangten die Entwürfe wegen Aenderung des GerichtSverfassungSgesetzeS, der Eivilproceß- ordnung und der EoncurSordnung und gleichzeitig mit ihnen Entwürfe über EinführungSgesctze zur Eivilproceß- und Eon- curSordnung schon bei Beginn deS laufenden Jahres an den BundeSrath. Dieser überwies in der Sitzung vom 27. Februar alle diese Gesetze an den zuständigen Ausschuß, und der Aus schuß beräkh seit jener Zeit eifrig an den Entwürfen. Bei dem großem Umfange und der Schwierigkeit der zu behandelnden Materien ist eS natürlich, daß die Be- rathungen sich in die Länge ziehen. Es wird übrigens immer noch an der Erwartung festgehalten, daß wenigstens die neue EoncurSordnung, nachdem sie vom BundeS rath sestgestellt ist, der Oeffentlichkeit eher zur Krilik unter breitet wird, als sie an den Reichstag gelangt, damit die detheiligten Kreise in weitestem Umfange ihr Urtbeil abgeben können. Etwas später ist dem BundeSrath der Gesetzentwurf Uber die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, sowie der zugehörige Entwurf eines Einführungögesetzes zugegangen. Indessen war der BundeSrath bereits in seiner Sitzung vom 15. März in der Lage, auch diese Entwürfe dem Ausschuß für Iustizwcsen zur Vorberathung zu überweisen. Nunmehr soll dem BundeSrathe auch der Entwurf zur Grundbuchordnung zugegangen sein. Bestätigt sich die Nachricht, so wird es nicht mehr lange dauern, bis auch dieser Entwurf vom Ausschuß für Justizwesen in Vor berathung genommen sein wird. Dann würde nur noch der Gesetzentwurf über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge richtsbarkeit ausstehen und sämmtliche mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche am 1. Januar 1900 gleichzeitig in Kraft tretenden Gesetze hätten den Weg der legislatorischen Erledigung be treten. Jedenfalls ist heute schon zweifellos, daß alle diese Gesetze längere Zeit vor ihrem Geltungsanfange sich werden fertig stellen lassen. * Berlin, 9. December. Die deutsche Negierung hat bekanntlich gegen die Verfügung des Präsidenten der Ver einigten Staaten über die Tonnenabgaben deutscher Schiffe Einspruch erhoben. Nach dem amerikanischen Gesetz vom 4. April 1888 dürfen Tonnengelder nur von solchen Schiffen erhoben werden, deren HeimathshLfen von amcri konischen Schiffen staatliche Tonnengelder erheben. DaS thut aber Deutschland nicht. Hamburg und Bremen erbeben freilich von Staats wegen nach Tonnengehalt bemessene Abgaben, allein nur als Gebühren für die Benutzung solcher Anstalten, die in Amerika in Privatbesitz sind; solche Gebühren werden in Amerika noch neben den Tonnengeldern erhoben. So ist denn auch acht Jahre lang den deutschen Schisse» keine Tonnenabgabe abgenoinmcn worden. Jetzt wird sie, ohne daß sich irgend etwas verändert hätte, wieder eingefiibrt. Ohne Zweifel will Präsident Eleveland damit den „Jingos" einen Gefallen thun. Dazu kommt bas Gelkinteresse; die Bereinigten Staaten würden von deutschen Schiffen jährlich etwa 60 000 Dollars erheben. Weiter tritt ein Umstand hinzu, der vielleicht die größte Wirksamkeit gehabt hat: das Hetzen der amerikanischen und englischen Nhedereien. Die letzteren sind nicht abgabefrei. V. Berlin, 9. December. (Telegramm.) Der Kaiser nahm gestern um 4 Uhr im Neuen Palais den Vortrag des StaatSsecretairs des Innern 0r. von B »etlicher entgegen und empfing bald darauf den Bildhauer Schott. Um 7 Uhr Abends sprach der Kaiser den Polizeipräsidenten von Windheim. Zur Abcndtafel waren die Prinzessin Victoria zu Schleswig - Holstein und deren Bruder Prinz Albert geladen. Heute Vormittag hörte der Kaiser von 9 Uhr ab den Vortrag deS stellvertretenden Ebefs des Ge Heimen Civil - CabinetS, Geheimen Ober - Regierungs - Nalbs Scheller, empfing um 10 Uhr den KriegSminister von Goßler und um 11 Uhr den StaatSsecretair des Reichs Marine-Amteö Holl mann zum Vortrage. Abends gedenke» der Kaiser und die Kaiserin der Vorstellung im Opernhause beizuwohnen. (Theilwcise wiederholt.) (-) Berlin, 9. December. (Telegramms Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht die Ernennung des Obersten Lieber! zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika an Stelle des einstweilen in den Ruhestand versetzten Major o. Wissmann. K Berlin, 9. December. (Telegramm.) Der Bot schafler Graf Eulenburg ist heute nach Wien zurückgereist. Berlin, 9. December. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." theilt mit, daß nach einem von der deutschen Colonie in Lorenzo Marqnez ihr zugcgangencn Telegramme von gestern an einem Nachmittag der holländische Eon- sul angegriffen und verwundet, außerdem eine englische Flagge zerrissen und auf das deutsche Consulat ein Sturm veranstaltet worden ist. L» Berlin, 9. December. (Telegramm.) Die Lehrcr- VesolSungs-voutNiissiou deS Abgeordnetenhauses »ahn, den tz 11 Anrechnung der Dienstzeit an Privatschulen und 8 27 Staatsleistungen nach der Vorlage an. Die frei- Feuilleton. Martin Greif, i. GesammtauSgaben der Werke eine» Dichter» sind nicht blos für den Literarhistoriker von Werth, nicht bloß für das zusammenfassende und sichtende Urtbeil der Nachwelt: sie müssen auch den Zeitgenossen willkommen sein, um so mehr, als bei der Ueberproductio» der Gegenwart und der grenzen losen Zersplitterung des Interesses auf dem literarischen Markt auch den Literaturfreunden von einzelnen Dichtern oft nur einzelne Werke in die Hände kommen, dir ihnen mehr oder weniger sympathisch sein mögen, aber doch kein Urtbeil über die Bedeutung der dichterische» Persönlichkeit gestatten. Dies gilt namentlich von vielseitigen Poeten, und nur so läßt sich auch die erstaunliche Einseitigkeit des Urtheil» in manchen Literaturgeschichten erklären, deren Verfasser einen Dichter nach einem oder zwei Werken beurtheilen und in ihrenRudrikrn unter bringen, ohne eine Ahnung davon zu haben, daß da» Urtbeil auf viele anderen Schöpfungen de» Poeten, dir ihnen unbekannt geblieben sind, wie die Faust aufs Auge paßt. Man nehme z. B. etwa« heutzutage ganz Unmögliche» an! der Dramatiker Goethe werde blo» nach dem Götz von Berlichingen be- nrtheilt; der Kritiker kenne den Tasso und die Iphigenie nicht — wie würde sein Urtheil sich selbst parodiren für alle Diejenigen, welche diese Meisterwerke harmonischer Kunst kennen, während der Kritiker die Formlosigkeit und Roh heit als Goethe« charakteristisch« Eigenjchaft binstellen würde? Dergleichen passtrt heutzutage manchen Dichtern, die freilich! kein Goethe sind. Bor solchen einseitig zu tappenden kritischen Machtsprüchen schützt einen Dichter von reicher Entwickelung, der mehr als eine Saite auf seiner Lyra hat, eine GesammtauSgabe seiner Werke. Eine solche kann freilich! auch manche Poeten in ein ungünstiges Lickt setzen. Es giebt Dichter, die durch einen einzigen Treffer Mode und berühmt geworden sind. Eine GesammtauSgabe ihrer Werke ist vielleicht eine Sammlung von lauter Nieten, die sich um dies« Treffer gruppiren und den Werth desselben in bedauerlicher Weise beeinträchtigen. Zu diesen Bemerkungen geben unS die soeben er schienenen Gesammelten Werke von Martin Greif (3 Bde., Leipzig, C. F. Amelang'S Verlag) Anlaß. Zu den glücklichen Mobepoeten gehört der Dichter durchaus nickt, auch nicht zu den erfolgreichen Dramatikern, deren Stücke über alle Bühnen gehn; doch er gehört zu den Dichtern, deren Bedeutung wächst, wenn wir die Summe ihrer schöpferischen Tbätigkeit in» Auge fassen. Und diese wird durch eine GesammtauSgabe allen Denjenigen näber gerückt, welche durch rin hübsche», innig «mpsundeneS Lied, durch ein hier oder dort auf der Bühne gesehenes Drama Sympathie für den Dichter gewonnen haben. Ebenso wird aber auch eine unbefangene Kritik in di« Lage gesetzt zu entscheiden, wo der Sckwerpunct eine» dichterischen Talentes liegt und wo neben dem Erstrebten, das ja bei regsamen Begabungen stet« interessiren wird, auch da» Erreichte zu suchen ist, das dem Autor gesicherten Ruhm und eine Stelle in der Literatur verbürgt. Und da möchten wir vorgreifend feststellen, daß Martin Greif als Liederdichter und auf dem Gebiet« volks- thümlicher Dramatik, da« er sich von Stück zu Stück mehr erschlossen hat, in erster Reihe stebt. Die Goethe'sche Lyrik ist das Vorbild, welchem der Dichter nachstrebt; er hat ihr da» Knappe, da« Hingehauchte ab gesehen; doch e« ist nicht bloße Nachahmung: die Eigenart der Greif'schen Muse hat «inen verwandten Zug. In der ersten Ausgabe der Gedickt«, welche 1868 erschien, beschränkt sich Greif fast ausschließlich aus di« Liederdichtung; in den späteren Auflagen und in der jetzigen GesammtauSgabe schlägt er mannigfach« Töne an; er »irht da« Situationsbild, die Ballade, in ihren Bereich. Freilich bleibt da« Lied gleichsam die OperationSbafl« für alle diese lyrischen Evolutionen und Diversionen. Die Vorzüge der Greif'schen Lieder und d«r Naturbilder, welche meisten» einen liederartigen Ebarakter tragen, sind Prägnanz und Innigkeit; e« sind theil« hingehaucht« Weisen, welche dir musikalische Fassung hrrauSzufordern scheinen, theil« plastische Gemmen, auf denen ein scharfbegrenzte» Bild hervor tritt. Eigen ist diesen Klängen die intensive Empfindung. Das ist das Geheimniß deS angeborenen Talentes aus diesem Gebiete: Vielsagendes, welches durch einen gewissen Hauch der Weihe ergreift, welches ein lebhaftes Nackempsinden weckt, in knapper Form., Ohne Frage bat Martin Greif einige Lieder gedichtet, welche Wohl verdienen, in den Hausschatz unserer Literatur ausgenommen zu werden. Zum Beispiel da« stimmungsvolle Lied „Juninächte": Junlnüchte, sternenlose, In dem Blüthenmond d«r Rosek Ta da- bange Herz dazu Lieb' durchstürmt« ohne R»h. Blitzgezück und Wetterleuchten Und die Nachtigall in feuchtem lbaub,netzten Busche tief Wunderbar« Lieder rief. Hatten un« so viel zu sagen, Ließen hoch die Wolken lagen, Blickten in drn Lonne »schein Wir t« tiefen Traum hinein. Und „trübe Blicke": Wie mich ost so tief erschreckt Schon der Gtundenschlag, Jede« Abrndroth bedeckt Einen tobten Tag. Jeder nahm mit sich dahin Etwa» unverhofft, Wa« ich Morgen« sah rrblühn, lyelkte Abend« oft. Nimmer, nimmer wünsch' ich mir Neuer Liebe Glück, Morgen giebt mein Herz j, doch Ihr den Schwur zurück. DaS glücklich treffrnde Beiwort, in welchem ein Haupt vorzug der Goethe'sckrn Liederdichtung besteht, ist auch dieser goethifirenden Lyrik eigen: Wohl, es währt nicht allzulange Und der Sturm hat ausgetost; Im gewog'nrn Schickjalsgangr Zeigst du den geheimen Trost. Wir verwandeln alle» Trübe In gelösten Widerstreit, Daß ich denke nur der Liebe Glücklicher Vergangenheit. Durch diese Liederdichtung geht ein Wechsel der Stim mungen, welche sich indeß nie ins Extreme verlieren. Freude am Leben wechselt mit Melancholie. Nur einmal, wo der Dichter sich mit dem Kranz der Belladonna schmückt, greift er in den Bereich der Weltschmerzpoesie über. Gleiches Lob verdienen die Naturbilder, in denen sich bis weilen Hymnen in reimloser Rhythmik finden; die vier Jahres zeiten werden in kleineren und größeren stimmungsvollen Ge dichten behandelt. Darauf folgen Alpenbilder, welche durch daS schöne Gedickt „Reise in die Berge" eingeleitet werden. Die AnfangSstrophe desselben lautet: Dunkler schon die Berge blauen, Rascher wird der Büche Laus; Jedem überraschten Schauen Gehen neue Wunder auf. Und die Schlußstrophe: Stündlich neue Frrngesichte Zeigt idr bi« zum Abendglühn, Traut in heiterm Sonnenlichte, Ernsthaft, wann die Wolken ziehn. Und doch seid ihr starr» Male, Und die Zeit berührt euch nicht, Bi» di» vergr gehn zu Thal» Und der Bau der Erd« bricht. Alpenseebilder, Meergesänge lösen sich ab; dann folgen Veduten, wie „Venedig", „Grab der Metena" u. a. Auch diesen Naturbildern fehlt nicht die stimmungsvolle Beleuch tung. Freilich, wenn der Wurf dieser Lieder und Bilder einmal dem Poeten feblschlägt, so steht neben dem Schlichten al» gefährlicher Grenznachbar da« Platte. Man könnte die Lyrik ohne Pointe die abgestumpfte Lvrik nennen, und dafür fehlt r« nicht an Proben in den Greif'schen Liedern.
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