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4.8eilW WÄiMiÄBKtt mi> AHeiMR.8^1, Wmch, B.Ielmbn Mk. stiorgen-AWbk.) Äus der Liefe des Sternhimmels. Die mächtig aufblühende Zweigwissenschaft der Astronomie, die Astrophysik, die heute mit aller Exaktheit in ein ihr bisher verschlossenes Gebiet der Doppelsternastronomie forschend und klärend eingedrungen ist, hat einen neuen Erfolg errungen: die spektroskopische Entdeckung eines dunklen Begleiters deS im Lacaille'schen Katalog mit Nr.3l05 bezeichneten veränderlichen Sternes 5. Größe, der der südlichen Hemisphäre «»gehört und am westlichen Saume deS Hintertheiles deS Schiffes steht. Der Director deS mit der Harvard-Universität verbundenen astrophysikalischen Institutes zu Cambridge in Nordamerika, Professor Pickering, der bekannte hervorragende Gelehrte auf dem Gebiete spektraler Forschung ist der Entdecker. Er giebt die Unilausszeit der beiden Körper um ihren gemeinschaftlichen Schwerpunkt zu 3 Tagen, 2 Stnnden und 46 Minuten an. DaS ist eine so kurze Zeit, daß der Abstand beider Körper von einander ein sehr geringer sein muh und nicht viel über den hundertsten Theil einer Bogensecunde betragen wird. Eine Bogensecunde aber entspricht dem winzig kleinen Winkel, unter dem eine Haarbreite in 100 in Entfernung erscheint. Dieser dann wieder in hundert Theile gespalten, würde dasjenige Tbeilstück ergeben, welches etwa rem Ab stand deS neuentdeckten Begleiters von seinem Hauplstronie entspräche. Kein Niesensernrohr der Neuzeit mir den kräf tigsten Vergrößerungen vermag so winzige Weiten zu trennen — ein unscheinbares Instrument, daS Spektroskop in Ver bindung mit der photographischen Platte, hat hier neues Licht entzündet und in die geheimnißvollsten Regionen der Himmelstiefen uns eingeführt. DaS Verfahren beruht auf dem nach seinem Entdecker genannten Doppler'schen Principe, dessen Erklärung sehr schwierig ist. Die Wahrheit dieses übrigens durchaus nicht neuen Princips zu beweisen, ist experi mentell schon vor Jahren gelungen, und zwar zum ersten Male Professor Vogel in Potsdam durch Beobachtungen an der Sonne, während ein einwurfssreier mathematischer Be weis für dasselbe noch nicht bekannt ist. Das Spectroskop zerlegt das weiße Licht eines Sternes in daS Siebensarbenband des Negenbogens roth, orange, gelb, grün, blan, indigo und violett, und das Licht besteht auf Grund der Wellentheorie aus außerordentlich rasch ver kaufenden Schwingungen des Aethers, wobei die Farbe des Lichtes abhängig ist von der Länge der Wellen. Sendet nun eine Lichtquelle, wie ein Stern, Strahlen von einer bestimmten Wellenlänge aus und entfernt sich die Lichtquelle mit einer gewissen Geschwindigkeit von uns, so wird die Anzahl der uns treffenden Lichtwellen eine kleinere, und die Farbe der Strahlen und scheinbar auch die der Lichtquelle nähert sich mehr dem Roth. Die Acnderung der Farbe ist um so stärker, je rascher die Fortbewegung der Lichtquelle ist. Nähert sich uns dagegen die Lichtquelle, so findet genau das Umgekehrte statt, die Farbe gehl mehr nach dem Violett über. Wenn nnn ein Stern mit veränderlichem Lichte sich um einen außerhalb gelegenen Schwerpunkt in einer Bahn bewegt, so muß im Laufe des Lichtwechsels seine Bahngeschwindigkeit in der Gesichtslinie wechseln und diese Acnderung der Ge schwindigkeit muß un Spektroskope als wechselnde Verschiebung der Spectrallinie des Sternes bemerkbar werden. Es kommt im Wesentlichen nur auf die Genauigkeit in der Messung der Linienverschiebung an. Diese Genauigkeit aber ist in hohem Grade erreicht durch die im Jahre 1888 zum ersten Male von Vogel und Sckeiner in Potsdam angewandte spectro- graphische Methode, die zunächst zur Entdeckung der Doppel sternnatur des bekannten veränderlichen Sternes Algol im Perseus führte. Es erwies sich unzweifelhaft, daß ein dunkler Begleiter den Algol in der unglaublich kurzen Zeit von 2 Tagen 20 Stunden und 49 Minuten umkreist und durch den Vorüber gang desselben vor dem Hauptstern, der 9 Stunden 45 Min. in Anspruch nimmt, die seit Anfang des vorigen Jahrhunderts schon bekannte Lichtveränderlichkeit des Algol verursacht. Daß der Hauptstern mit einer Geschwindigkeit von 5,7 Meilen und der dunkle Begleiter von 12 Meilen in der Secunde um den gemeinsamen Schwerpunkt läuft und außerdem das ganze System noch eine Geschwindigkeit in seiner Bewegung von 0,5 Meilen aus uns zu besitzt, wurde gleichzeitig mit großer Zuverlässigkeit ermittelt. Hieraus war es nun wieder möglich, die Abstände und die Dimensionen der beiden Körper abzuleiten, und es wurden für den Durchmesser des Algol 230 000 Meilen, für den dunklen Begleiter 180 000 Meilen und für die Massen der zwei Körper */« und -/» der Sonnen masse berechnet. Ebenso wie der obengemeldete Neuentdeckte steht auch der Algolbegleiter seinem Hauptstern außerordentlich nahe. Würde man vergleichsweise Algol als unsere Sonne betrachten, so müßte sich nach den wahren Dimensionen unsere Erde in 2,7 Meter Entfernung befinden und der Erddurchmesser würde dann nur 0,2 Millimeter, etwa eine Stecknadelspitze groß sein. Seit jener epochemachenden glücklichen Lösung des Algol- problems sind nur wenige Toppelsterne auf demselben spectro- metrischen Wege entdeckt worden. Es sind dies Spica, der hellste Stern im Sternbilde der Jungfrau mit einer Umlaufs zeit von 4 Tagen, gleichfalls von Professor Vogel in Potsdam erkannt, ferner die von Professor Pickering in Cambridge (Vereinigten Staaten) aufgefundenen engen Doppelsterne Zeta, der mittelste der 3 Schweifsterne im großen Bären mit einer Umlaufszeit von 105 Tagen und Beta im Fuhrmann, dessen Begleiter in 4 Tagen einen Umlauf vollendet. Dann ist in neuester Zeit von dem russischen Beobachter Belopolsky in Pulkowa ein dunkler Begleiter im bekannten Doppelstern-System des Castor entdeckt worden, der unter vorläufiger Annahme einer Kreisbahn eine Umlaufszeit von 2,98 Tagen hat. Castor, der nördliche Stern der Zwillinge, leuchtet grünlich zweiter bis dritter Größe, und sein schon sehr früh entdeckter und nur eine Größenclafse schwächerer Stern glänzt in ähnlichem Lichte. Beide Helle Sterne vollenden ihren Umlauf um den gemeinsamen Schwerpunkt in ungefähr 1000 Jahren. Der Schwerpunkt des HauptsystemS bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von einer geographischen Meile in der Secunde von der Sonne weg, während sich jeder von beiden Sternen desselben um den andern mit einer Geschwindigkeit von 4>/r Meilen schwingt. Auch der durch Argelander's klassische Arbeiten berühmt gewordene veränderliche Stern Beta in der Leyer, der zu den interessantesten Objecten am nördlichen Himmel gehört, ist mit aller nur erdenklichen Anstrengung und Hingebung von den hervorragendsten Spectroskopikern untersucht worden. Am eingehendsten von Professor Vogel in Potsdam in Ver einigung mit Professor Wilsing, dann im Laufe von vier Jahren von Professor Pickering in Cambridge, von Keeler auf dem Lickobservatorium und in sehr vollständiger Weise von Pelopolsky auf der russischen Hauptsternwarte zu Pulkowa. Dieser Stern Beta gehört zu den regelmäßigsten ver änderlichen Sternen, die wir kennen. Der Lichtwechsel, der nur innerhalb einer Größenklasse schwankt, vollzieht sich in nicht ganr 13 Tagen und zeigt zwei ziemlich ganz gleiche Maxima (größte Helligkeiten) und zwei sehr verschieden tiefe Minima (geringste Helligkeiten) auf. Es sind dies complicirte Erscheinungen, die eine einigermaßen erschöpfende Erklärung trotz deS gewonnenen großen Beobachtungsmaterials noch nicht zulassen. Unbestreitbar nachgewiesen ist durch die spektroskopischen BcobachtungSmetboden, daß hier sehr enge Doppelslerne existiren und daß der cigcnthümliche Lichtwechsel durch einen nahen Vorübergang zweier Himmelskörper, von denen der eine weniger leuchtet als der andere, sich erklären läßt. Nach Vogel tritt das Hauptminimum ein, wenn der weniger leuchtende Körper den helleren tbeilweise bedeckt, und die beiden gleichgroßen Maxima ereigne» sich, wenn die Ver bindungslinie der Körper rechtwinklig zur Gesichtslinie steht. Das zweite Minimum würde dann erfolgen, wenn der Helle Körper den weniger leuchtenden theilweise verdeckt. Anderer seits könnten sich nach demselben Gelehrten die Beobachtungen auch durch den Umlauf zweier Körper erklären lassen, von denen der eine ein Spectrum mit Hellen Linien, der andere ein Absorptionsspektrum besitzt, wenn die Bahn stark von der Kreisbahn abweicht und die große Achse derselben einen beträchtlichen Winkel mit der GesichtSlinie bildet. Beide Erscheinungen unter einer Voraussetzung zusammenzufassen, ist jedoch nicht gelungen. Soweit ist bis heute der weltendurchfliegende menschliche Geist mittels der modernsten Distanzmessung am Himmels raume in das unendlich reiche Gebiet der variablen Sterne vorgedrnngen. Die zeitweisen wiederholten photographischen Aufnahmen bestimmter Himmelsgegenden helfen fortlaufend das begonnene Werk unterstützen und fördern, und die große Lichtempsindlichkeit der jetzigen photographischen Platten verräth eS, wenn die Scheibchen eines und desselben Sternes auf den Platten zu verschiedenen Zeiten ungleiche Durchmesser haben. Es wird dadurch möglich, dieDeränderlichkeit schwächerer, der Beobachtung mit dem Fernrohr nicht mehr zugänglichen Sterne feststellcn zu können. So haben in allerneuester Zeit auf diesem Wege der Astronom Kapteyn und Ännes auf der Kapsternwarte bei der Ausmessung photographischer Sternaufnahmen des südlichen Sternhimmels acht Objecte entdeckt, die zu verschiedener Zeit verschiedene Durchmesser besitzen, also dementsprechend variable Sterne sein müssen. Diese neuen Variablen sanden sich in den Sternbildern Centaurus, Skorpion, Mikroskop, Pendel uhr, Segel des Schiffes, im Schützen und Fernrohr und variiren zwischen siebenter bis zehnter Größenklasse in den Farben orange, gelb, weiß und roth. Auf gleiche Weise sind auch vor wenig Tagen von zwei amerikanischen Damen, MrS. Flemming und Miß Wells in Cambridge, Massachusett, zwei Sterne mit veränderlichem Lichte im südlichen Kreuz und Schwan aus photographischen Aufnahmen gesunden worden, von denen der letztere aber schon am 12. November 1869 in Bonn gelegentlich der Zonen beobachtungen beobachtet ist. Der Dienst der Himmels photographie ist übrigens in Amerika außergewöhnlich gut organisirt. Es besteht dort unter der Leitung des Professors Pickering am Harvard College Observatory eine besondere als „Henry Draper Memorial" bekannte und von ihrem verstorbenen Begründer DraperbenannteAbtheilung, inder über 40Assistenten, darunter 17 Frauen, beschäftigt sind. Die Photographien, welche auf der Harvard Universitäts-Sternwarte in Cambridge und einer 2454 m hoch über dem Meere neu angelegten Hilssstation bei Arequipa in den peruanischen Anden ausgenommen sind, werden von den weiblichen Assistenten katalogisirt, mit Stern karten verglichen, sorgfältig geordnet und dann zur Be stimmung der Lichtveränderlichkeit der Sterne und zu andern interessanten Untersuchungen benutzt. So wurde z. B. für den neuen Veränderlichen im Kreuz aus 57 Platten die photographische Größe im Maximum zu 13,2 bestimmt und die Periode zu reichlich einem Jahre Zeitdauer ermittelt. Bei dem zweiten Stern im Schwan dagegen wurde für die Periode nur 40 Tage gefunden und die (sterngröße zwischen 7,2 und 11,2 variabel angegeben. Auf ähnliche Weise ent deckte unlängst der Astronom Baily, der auf der vorstehend genannten Höbenstatiou bei Arequipa in Peru beobachtet, aus 52 Photographien die Doppelstern-Natur deS Sternes Mi eins im Skorpion, für welchen er eine Periode von 34 Stun den 42,5 Minuten ableitete. Im Ganzen kennt man jetzt die Bahnen von nur 42 Sternpaaren, deren Berechnungen auf ein Bogenstück von mehr als 80 Grad gegründet sind, aber weit über 7000 Sterne sind bekannt, an deren Duplicität nicht zu zweifeln ist und die in der Tbat Sternsysteme bilden. Der durch Sehschärfe und Geschick wie kein Anderer vor ibm befähigte Amerikaner Burnham hat allein 1274 solcher Doppelsterne entdeckt, darunter 123, die weniger als 0,5 Bogensecunden Abstand vom Hauptkörper haben. Derartige licktschwache Lichtpunkte in der Nähe Heller Sterne direkt durchs Fernrohr zu trennen, kann nur unter ausnahmsweise günstigen Ver hältnissen möglich sein: reinste ruhige Luft, hohe Lage des Observatoriums, bestes Fernrohr und — persönliche Ge schicklichkeit sind hierfür Bedingung. Nur so konnte auch die Entdeckung des längst durch Rechnung festgestellten und seit 1844 vergebens gesuchten Begleiters des Procyon am 15. November dieses Jahres gelingen, den der Astronom Schäberle auf der hochgelegenen Licksternwarte als kleinen Stern 13. Größe in einem Abstande von 4,6 Bogensecunden durch die Macht des RiesrnrefractorS an das Tageslicht zog. Und der vortrefflichen Lage jenes in 2210 m Höhe von einem Liebhaber der Astronomie Mr. Percival Lowell auf dem Ge birge deS amerikanischen Staates Arizona angelegten Obser vatoriums ist es wieder zu danken, daß in allerneuester Zeit in dem interessanten Sternbilde des Scorpion ein neuer schwacher Doppelstern entdeckt wurde. Der Astronom See, derselbe, dem die Wiederentdeckung deS SiriuSbegleiterS im September d. IS. glückte, fand ihn nahe beim Stern Theta als Sternchen 13. Größe in einer Distanz von 4,5 Bogen secunden. Wer daS Sternbild deS ScorpionS kennt, der wird auch oft schon den feuerrothen AntareS, daS Herz deS Scor pionS, bewundert haben, in seiner Nähe in etwa 3 Secunden Abstand befindet sich ein Begleiter 7. bis 9. Größe in bläu licher Farbe und auch der zweitbellste Stern, Beta im Kopf des Skorpions, ist ein Doppelstern. Der Hauptstern ist 2., der Begleiter 6. Größe und die Distanz beträgt 13,5 Bogen secunden. Der neuentdeckte Begleiter von Theta im Scorpion zeigt sich im grünlichen Lichte, während der Helle Hauptstern in hebbastem Roth glänzt. Wir haben also aus neuester Zeit durch die drei gegebenen Methoden: Speclralanalyse, Photographie und directe Beob achtung durchs Fernrohr sehr befriedigende und bemerkens- werthe Ergebnisse erhalten. Eine vierte Methode, welche an die Geschwindigkeitsmessungen mit Hilfe deS SpectrometerS anknüpft, wird in kürzester Zeit Vortheilhaft hinzutreten, um die Entfernungen der Doppelsterne, für welche fpectrometrische Beobachtungen und Babnbestimmungen vorliegen, mit Sicher heit bestimmen zu können. Blh. Vermischtes. --- Berlin, 19. December. Der jetzt vom Landtage be schlossene Gesetzentwurf über die Besteuerung des Ge werbebetriebes im Umherziehen scheint ein hervor ragendes Muster moderner GesetzcSmacherei zu werden und dürste in der praktischen Anwendung noch zu manchen recht bedenklichen und seltsamen Schlußfolgerungen führen. In einer Hinsicht ist er jedenfalls unerreicht, in der geistreichen, sich fast zu dichterischer Höhe emporschwingenden Be gründung, die ihm im Abgeordnelenhause einer der hervor ragendsten und maßgebendsten jüngeren Führer der kon servativen Partei, der Landrath v. Brockhausen-Dramburg, in der Sitzung vom 14. December hat zu Theil werden lassen. Er erläuterte die selbst für altbewährte preußische Steuergenies nicht ganz durchsichtigen Bestimmungen des neuen Gesetzes durch folgende Beispiele: „Ich setze den Fall, ich wohnte in Schöneberg oder Friedenau, hätte Kinder und bezöge von Bolle meine Milch. Dann würde ich an Herrn Bolle einen Brief etwa folgendermaßen schreiben: „Herrn E. Bolle, Berlin, Alt-Moabit 99. Ich fordere Sie hiermit auf, mir vom 1. Januar ab weiter Milch zu schicken und mich jedes mal durch Ihren jungen Mann aufsuchen zu lassen, um etwanige weitere Bestellungen von mir anzunehmen." In diesem Falle würde Herr Bolle keinen Wandergewerbeschein brauchen. Er würde mir die Milch übersenden, und mein Dienstmädchen oder mein Diener, je nach meinen Verhält nissen, würde hereinkommen und sagen: Herr Landrath, Bolle mit der Milck ist da! Ich würde antworten: Es ist gut, ich weiß es ja. Bezahle ihn, da hast Du Geld, ich hab' bei Bolle Milch bestellt; — und ich kann dann ruhig weiter arbeiten, vielleicht über den Antrag Sattler und Zedlitz oder daS Lehrerbesvldungsgesetz u. s. w. Es klingelt demnächst — der Dienstbote kommt mit einer Karte, die etwa lautet: Wilhelm Müller, Berlin, und be richtet, der Herr wollte mich dringend sprechen. Nun, dann würde ich ihm vielleicht sagen lassen, ich wäre sehr be schäftigt und hätte keine Zeik; er würde erwidern, es wäre sehr dringend, würde sich entschuldigen, daß er mich störe, und dann schließlich sagen: Ich habe die Ehre, Reisender eines MilchhauseS, sagen wir Vallenlin, zu sein. Ich würbe ihn fragen, ob er einen Wandergewerbeschein habe, und er würde antworten: Ja. Ich würde dann aber ganz kurz sagen können: Meine Zeit ist mir Geld, ich habe meine Milch schon bei Bolle bestellt — und ihn dringend ersuchen, mich zu verlasse». Das würde das Verfahren sein." Wem nun nicht von den Lesern die Lehre vom Wandergewerbeschein sonnenklar ist, dem ist nicht zu helfen. Schade nur, daß Herr v. Meyer - Arnswalde nicht mehr lebt; wie würde er seine Freude über diese neue großartige Entdeckung dich terischen Genies in der conservativen Fraction des Abgeord netenhauses haben! V. Erfurt, 21. December. Gestern Nachmittag tagte hier eine Conferenz von Vertretern der Kreis-Krieger verbände des Regierungsbezirks Erfurt, um die Bildung eines Regierungsbezirks-Kriegerverbandes ins Werk zu setzen. Bekanntlich soll nun auch für das Königreich Preußen nach dem Muster der übrigen deutschen Staaten ein Landes-Kriegerverband gebildet und dieser letztere in Regierungsbezirks - llnterverbände gegliedert werben. Die Berathungen, denen u. A. der 1. stellvertretende Vor sitzende des deutschen Kriegerbundes Professor vr. Westphal beiwohnte, gipfelten in der einmüthigen Zustimmung zn dem Anträge auf Bildung eines Regierungsbezirks- Kriegerverbandes. In den Vorstand wurden gewählt die seitherigen Leiter des Thüringer Central-Kriegerverbandcs, der sich nun in einen Kreisverband Erfurt umgestaltet, sowie die Vorsitzenden der einzelnen Kreisverbände. Zum Ehren vorsitzenden des neuen Bundes wurde der Generallieutenant z. D. v. Przychowski, und zwar auf Lebenszeit, ernannt. Prof. vr. Westphal machte interessante Miltheilungen über den enormen Aufschwung deS deutschen Kriegervereinswesens (der deutsche Kriegerbund z. B. ist in einigen Jahren — von 1890 bis jetzt — von 400 000 auf 900 000 Mitglieder gewachsen). v-a. Rauchverbot. Die dem Ratbe der Stadt Leipzig unterstehenden Dörfer Eutritzsch (angekauft am 3. Slugust 1381), Lindenau (10. Februar 1519), Reudnitz (18. August. 1525), Leutzsch, Barneck und Schönau (1539), Cunersdsrf- und Panitzsch (28. August 1607) erhielten bald nach dem dreißigjährigen Kriege Artikel, „wie sich ein ieder Nachtbar, in eines Erbaren Raths der Stadt Leipzig Dorffschaft ver halten sol". Nach dem Verbote des Vogelstcllens während der Predigt, des Fluchens und Lästerns, des Beherbergens „unbekandter Rentier und Fußknechte" u. a. m. folgt ein Verbot — des Tabakrauchens oder „Tabaktrinkens", wie man eS damals nannte. Schwedische Soldaten führten gegen das Ende des dreißigjährigen Krieges diesen Brauch in Leipzig und dessen Umgebung ein, und bald war das Tabak rauchen so verbreitet, daß der Leipziger Rath wenigstens in Betreff der mit Schindeln oder Strob gedeckten, leichtgebauten Häuser auf den ihm gehörenden Dörfern dagegen Stellung nahm. Das Verbot aber lautet wie folgt: „Vnd demnach bey diesen erbärmlichen Kriegsläufften, mit Einreißung vieler anderer Bntugenden, auch das schädliche Tabactrincken, in Eines E. Raths Dorffschaften häusfig eingeschiichen, wordurch dann die Untertbanen und Einwohner fich nicht allein an ihrer Gesundheit geschadet, sondern auch bey solches trinckung, Wil Unvorsichtigkeit deS FewerS und brennenden Lunden viel und grosse Feuersbrünsten verursachet, und dadurch mancher in unwiderbringlichen Schaden gesetzet worden. — Als (also) mit E. E. Rath und befiehlet hiermit allen Bnterthanen in gemein, daß sie von dergleichen so wol für sich als ihr Gesinde abstehen, in Verbleibuna aber dessen und da einer betreten wird, sol selbiger der Nachbarschafft zum besten 5 Groschen, Einem E. Rath aber zur Straff 20 Groschen erlegen, worbey dem Richter und Schöppen iebeS OrtS wie auch dem Nachbarn in gemein auff solche Tabac- trincker ein fleißiges Auge zu haben, ernstlich anbefohlen wird, in Fall aber da solches nicht geschieht, sollen sie die Richter und Schöppen, wie auch ein ieder es sey Mann oder Weibes Person, so eS siebet und nicht «»zeiget, ins gemein in die Straffe ebengedachter 20 Groschen verfallen seyn." Literatur. Tie deutschen Meere und ihre Bewohner von ve. pbu. William Marshall, a. o. Professor an der Universität Leipzig. Leipzig. Verlag von A. Twietmeyer. 2 Bände. Broch. 24 ./L, geb. 28 — Eine liebevolle Vertiefung in das vorliegende hoch ¬ bedeutende Studienwerk des bekannten und gewährten Autors, in welchem, anher dem einschlägigen Material aus nicht weniger als 137 Quellenschriften, auch die Resultate eigener zahlreicher und sorg fältiger Beobachtungen und Forschungen niedergelegt worden sind, bewog den unterzeichneten Referenten, aus seiner Bibliothek einen dicken, verstäubten Folianten in Schweinsleder hervorzusuchen, um wieder einmal in seinem Gedächtniß ausznsrischen, was der alte Tbierkundige, der „hochgeleerte herre I). Cünrat Gegner" in seinem „Thierbuch, das ist ein kurtze beschreybung aller vienüssigen Thieren, so aufs der erde vnd in wassern wonen. rc. re. re. Getruckl zn Zürych bei Chistosfel Froschower im Jar als man zalt Zl. O.1^X111., also vor nunmehr 388 Jahren über die Meeresbewohner erfahren und in Wort und rohen Holzschnitten veröffentlicht hat. Es ist wahrlich eine wunderliche Gesellschaft von Meeresbewohnern, die uns da im „zwölfften teil" seines Buches entgegentritt, namentlich die See» ungethüme in Menschengestalt! — „Ein Meer-mensch" — „Ein Mensch-fisch". Und ich möchte den Leser sehen, der beim An blicke seines „Rinocer-wall", seiner „Meer-kü", seines „Süff-wall", des phantastischen „Mcermünch", „Meerbischoss" (OI1II, Xi.', <!V), des „Meersröuwle", des „Mecrteüsel" (VV1), des „Meerlöuw", „Meer- psärve" vnd der „grausammen siebcnköpsfigen Wasserschlange" nicht in ein herzhaftes Lachen ausbricht. Welchen gewaltigen Fortschritt aus dem Gebiete der Meeresersorschung umschließt nicht der Zeitraum zwischen dem Erscheinen des dickleibigen Folianten und der hocheleganten Bände, gegen die das Aeußere des voluminösen alten Buches ebenso wunderlich absticht, wie sein Inhalt. Erst vom Ende des vorigen Jahrhunderts an datirt die neue Acra zoologischer, zootomischer und zoographischcr Forschung hinsichtlich der Lebewesen europäischer und fremder Meere. Mit der Erforschung einzelner Meeresgebiete und Küsten begann zugleich die minutiöse Beobachtung und Untersuchung der Meeresorganismen von Seiten berufener Zoologen. Welche Verdienste sich namentlich deutsche Forscher, wie Professor Müller, Häckel, Leuckart, Küllicker, durch endgiltige Lösung so mancher ent- wickelungsgeschichtlichen Frage, andere, wie Professor Dohrn, durch Errichtung nnd Leitung zoologischer Stationen auf dem Gebiete der Höchste- und Tiefsee-Forschuug erworben haben, ist jedem Naturwissenschaftler hinjänglich bekannt. Von Tag zu Tag mehrt sich die Fülle werthvoller Publicationen, die uns mit den Ergeb nissen kleinerer und größerer Expeditionen und den Resultaten ein gehender exactcr Forschung der geheimnißvollen Meerestiefe be kannt machen, und diese Resultate, insoweit sie unsere deutschen Meere, Nord- und Ostsee, betreffen, finden wir indem dankens- werthen Werke Prof. W. Marshall's niedergelegt. Wir freuen uns um so mehr über diese literarische Gabe aus berufener Feder, weil sie unseren Blick nach den deutschen Küstcnlanden, die uns Binnenland- bewohner bei einem Sommeraufenthalt am Strande täglich mit neuen Wundern überrascht; und diese Wunder, die uns an Strand und Düne, am Wellensaum, über den Wogen und in der dämmrigen Tiefe des ruhelosen Meeres entgegentreten, lehrt uns das Werk, als getreuer zuverlässiger Mentor, erkennen und verstehen. Ter größte Vorzug des Buches beruht darin, daß es der Autor meisterhaft ver standen hat, selbst die schwierigsten Materien gemeinverständlich und klar darzulegen und bemüht gewesen ist, seinem fesselnden Vorträge die feuilletonistische Form zu wahren. — Der Inhalt des Werkes zerfällt in 18 Capitel, die uns im genetischen Ausbau nicht nur mit der Entstehungsgeschichte, Formation und den ununterbrochenen ver schiedenen Veränderungen der Strandlinicn und Dünen der Nord- und Ostjeeküste, sondern auch mit der Pflanzen- und Thierwelt der Watten und Dünen und der Pflanzen- und Thierwelt des Meeres — und zwar in der Thierwelt von Urthierchen bis zu den Sauge- thieren aussteigend — bekannt macht. Die dem Texte eingestreuten zahlreichen Illustrationen und eingelegten prachtvollen Farbentafeln befördern in anschaulicher Weise das Berständniß des Gebotenen nnd erhöhen den Reiz der Lectüre. Interessant für jeden Ge ¬ bildeten sind in den ersten Abschnitten die Untersuchungen über die Topographie und den Salzgehalt des Wassers der Nord- und Ostsee, über die Watten-Fauna und Flora, unter deren Repräsen tanten namentlich die durch ihre biologischen Verhältnisse merkwürdige Strand-Aster fester ll'ripollum) und der Glas schmalz (8uliooria kerbaaea) floriren. In dem Abschnitte „Dünen" intcrejsirt uns nicht nur die Bildungsgeschichte und ihre Variebilität als sogenannte Wanderdüne, sondern auch die ver schiedenen Methoden der Strand» und Dünenbefestigung, die eigen artige Romantik derselben und ihre Pflanzen- und Thierwelt. Eine eingehende Betrachtung ist den Meeresalgen, ihrer Morphologie und Fructification und ihren Nutzen gewivmet; zugleich wird dem Naturfreund Anleitung gegeben, Algen zu sammeln und für die Dauer zu präpariren. Unter den Urthierchen erwecken vor allen die das Meeresleuchten hervorbringenden Noctilicn unsere Aufmerk samkeit. Unter den Hohlthicren sind es die Spongicn, Polypen und Quallen, unter den Stachelhäutern die Seeigel, deren Bau und Entwickelungsgeschichte eine ebenso reiche Fülle über raschender Momente liefert, wie die so mancher Würmer, Gliedersüßer und Weichthiere. Die Fortpslanzungsverhältnisse der Nereiden, so manche merkwürdige Form der Röhrenwürmer, die Kenntniß der Lebensgeschichte zahlreicher Krustaceen und Molusken, die uns auf unseren Strandwanderungen entgegen treten, wird den Genuß des Aufenthaltes an der See bedeutend erhöhen. Anziehende Plaudereien über Fische, Vögel und Säugethiere füllen so ziemlich den zweiten starken Band des Werkes, dem auch zwei besondere Capitel: über die Sesselität der Thiere und den Bernstein eingefügt worden sind. Ein Berzeichniß der citirten Autoren und ein genaues, ausführliches Sachregister erleichtern das Nachschlagen in dem über aus inhaltreichen Werke, das bald genug Gemeingut wissenschaftlicher und Familienbibliotheken werden wird. Wer seine Ferien am deutschen Seestrande zu verleben gedenkt, vergesse nicht die beiden Bände in den Reisekoffer zu schließen! Franz Woenig. * -!- * Wollen und Werden. Roman von Leo Hildeck. Preis 3^6 Dresden, Heinrich Minden. Psychologisch interessant wie originell erfunden, entspricht auch diese Arbeit wieder der scharf ausgeprägten Begabung der Schriftstellerin, die sich hinter dem Pseudonym Leo Hildeck birgt. Ihr ist es nie darum zu thun, den Leser durch eine romantisch ausgebaute Handlung in Spannung zu versetzen, sondern sie übt ihre Feinspürigkeit und ihr Darstellungs vermögen an dem Erforschen und Klarlegen solcher Erscheinungen, die von typischer Bedeutung für unsere Zeit sind. So schildert sie hier einen jungen Künstler, einen Maler, der zn „denen gehört, die da meinen, es müsse ohne Ochserei abgehen, und die das Mühsame des Studiums als eine beleidigende Zumuthung von sich abjchütteln möchten". Er verloddert auch in Folge dessen, trotz aller genialen Veranlagung und sinkt schließlich so tief, daß er im Actsaale, statt mit seinen College» zn zeichnen, sich diesen zum Modell hergiebt. Das Alles, der Wandel- und Niedergang dieses Künstlerlebens ist sehr eingehend und mit großer Sicherheit geschildert; auf Schritt und Tritt merkt man, daß sich die Verfasserin aus dem festen Boden genauester Sachkenntniß bewegt. Minder zusagen wollte uns das Motiv der erzwungenen Eheschließung; solche romantischen Ideen, wie die Trauung auf dem Sterbelager, reifen nicht in dem Kopse eines Dienstmädchens, und sicherlich fänden sie auch keine Unterstützung von Seiten eines Geistlichen. Daß wir trotzdem dem Buche einen größeren Umfang wünschen, noch mehr von des Helden weiteren Schicksalen erfahren möchten, spricht für seine sonstig» fesselnde Wirkung. Z. °' Wmleiner 8kil!knmb8l'ki „I.o1re", Noken8i. ! Hoflieferant Ihrer Kgl. Hoheit der Aran «rastherrogin von Sachsen, Lbrer Hoheit der regierenden Bevor man andrr-wo kauft, verlange man Muster der Ara» Herzogin von Anhalt. Kakkei- unll laschen - feine helleewssken - ^Hinterstem, Musst« S. Illaatrtrt«