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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980223012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898022301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898022301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-02
- Tag 1898-02-23
-
Monat
1898-02
-
Jahr
1898
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»402 8600 ^l, burLschnitNich 8000 104 V»r«aunssssstnten 1600 bi« 2400 ^i, durchschnittlich 2000 ^l; 70 Erpedienten nicht über 1500 ^l, durchschnittlich 1300 ^l, Copislen nicht über 1100 ^l-°--56l200 Hiernach ist dir Summe der Ausgaben dein, Abschluß mit 1552800^4 «inzustellrn, während der erforderliche Zuschuß sich auf 1227 920 ^4 erhöht. Es wird beantragt: 1) Cap. 44 nach der Vorlage, jedoch unter Berücksichtigung vor bezeichneter Abänderungen in den Einnahmen mit 324 880 ^l zu genehmigen, in den Ausgaben mit 1552 800 zu bewilligen; 2) die oben bezeichneten drei Petitionen durch die gesagten Be schlüsse für erledigt zu erklären. Abg. Tteiger-Leutewitz (cons.) wünscht, daß die Gehalte der Diener bei den, Amishauptmannschasten in ähnlicher Weise geregelt werden möchten, wie bei den Amts- und Landgerichten. Er be dauere, daß man aus eine solche Regelung nicht schon im jetzigen Etat zugekommen sei, und bitte, das jedenfalls für den nächsten Landtag nachzuholen. RegirrungSrath Apkl bemerkt, daß die Regierung sich sehr wohl mit der Frage beschäsiigt habe, aber zu der Auffassung gelangt sei, nicht bei einer Dienerclasse einseitig vorzugehen, sondern alle aus derselben Stufe stehenden Classen zusammenzusassen. Es stehe für Len nächsten Landtag eine generelle Vorlage zu erwarten. Abg. FrätzSors-Mickten (Soc.): Der Herr Minister habe gestern das Flugblattvertheilen an sich nicht als groben Unfug bezeichnet. Er begrüße das und wolle nur wünschen, daß diese Auffassung im Lande eine allgemeine werde. Bei der Amtshauptmannschast Pirna werde diese Auffassung jedenfalls nicht getheilt, wie Redner durch Verlesung eines Strafmandats dieser Amtshauptmannfchast dar- zutbun sucht. Wenn die in diesem Mandate bekundete Auffassung richtig wäre, dann würden die Conflicte bei den kommenden Reichs- tagswahlen nicht ausbleiben. Er räume aber auch ein, daß ihm von der Amtshauptmannfchast in einem anderen Falle Recht gegeben sei. Ihm sei in einer antisemitischen Ver- fammlung in Stolpen vom Bürgermeister das Wort ent zogen. Auf seine Beschwerde sei der Bürgermeister rectificirt worden. Sie sehen also, Herr Minister, daß ich auch gerecht bin. (Heiterkeit.) Redner beschwert sich sodann über das Vorgehen der Amtshauptmannfchast Dresden-Altstadt gegen den Wirth des Deutschen Hauses in Deuben und über die Verfügung einer Polizei stunde auf 12 Uhr Nachts von Seiten der Amtshauvtmannschasten Drcsden-Alistadt und Neustadt. Dazu liege doch gar keine Ver anlassung vor, die Wlrthe würden geschädigt und die Verordnung fei nicht zu rechtfertigen. Er frage aber den Minister, was er zu thun gedenke, wenn in einem solchen Local eine Verjammlung nicht um 12 Uhr ihr Ende findet? Er hoffe doch, daß das Vrrjamm« lungsrechl über einer solchen Bersügung stehe und man die Ver sammlung auch über l2 Uhr zu Ende sühren könne. Staatsminisier von Mctzfch: Er wolle zunächst seine Genug- thunng ausjprechen, daß der Abg. Fräßdors bestrebt gewesen fei, ihm mit dem Stolpener Fall eine Freude zu bereiten. Er danke ihm dafür besonders. (Heiterkeit.) Was nun di» Strafverfügung der Amtshauptniannschast Pirna anlange, so habe dieselbe zweifelr- ohne nicht die Beeinflussung oder Beschränkung der politischen Frei heit zum Ausgangspunkt genommen, sondern eine Belästigung in dem unaufgeforderten Eindringen in die Wohnungen gefunden. Daß eine solche Auffassung zu Recht besiehe, darüber lägen Urlheile des Oberlandesgerichtes vor. Abg. Fräßdors habe sich sodann über die Einführung der Pol!zesstundr durch Ver fügung der Amtshauptmanlljchaslen Dresden-Alt- und -Neustadt beschwert. Nach 88 des Sonntagsgesetzes von 1870 sei die Einführung einer Polizeistunde überhaupt gestattet und bestehe also zu Recht. An und für sich bestehe auch ein Verbot der Abhaltung von Ber- sammlungen und der Flugblättervertheilung vor dem Gottesdienste. Wenn also eine Versammlung am Sonnabend Abend bis nach 12 Uhr Mitternachts ausgedehnt werde, falle sie in den Sonntag hinein und unter dieses Verbot. Abg. Stolle-Meerane (Soc.) verbreitet sich in längeren Ausfüh rungen über die Regulative deS Tanzwejens, durch deren reactionäre Bestimmungen die Wirthe verschiedenartig chicanirt und behandelt würden. Redner führt verschiedene Bestimmungen solcher Regulative an, die von der 'Amtshauptmannschaft Glauchau für Glauchau, Meerane und Umgegend und ebenlo von der Amtshauptmannfchast Chemnitz sür den dortigen Bezirk erlassen seien. Er kommt zu Lein Schluß, daß die herrschenden Classen und Behörden mit diesen Regulativen zu erreichen versuchten, was sie durch da» Bereinsgejetz allein Nicht erreichen könnten, nämlich die Wirthe zu drangsaliren. Er bitt» das Ministerium, hier Abhilfe zu schaffen. Abg. Grünbcrg-Harlya (Soc.) knüpft an die gestrigen Reden der Abgg. vr. Mehnert und Niethammer an, denen es augenschein lich leid gethan habe, daß kein Ausnahmegesetz gegen die Social- demokratie bestehe. Vom Präsidenten zur Sache gerufen, verbreitet sich der Redner deS Längeren in abfälliger Weise über die Thätig- kett der Gemeindevorstände und Bürgermeister. ES sei nicht zu verwundern, wenn dieser Thätigkeit gegenüber sich der Arbeiter sage, daß diesen Bestrebungen der Behörden ein Damm entgegengesetzt werden müsse. Allerdings werde die Absicht diejcs Entgegentretens durch Erschwerung der Er werbung des Bürgerrechtes nach Möglichkeit gehindert. Redner führt hierfür verschiedene Beispiele an und bemerkt, daß der Bürger meister in Hariha nicht rin Vertreter der Bürgerschaft, sondern ein Gehilfe der Staatsanwaltschaft sei. (Unruhe.) In keinem Staate Deutschlands gehe es toller ber und in keinem herrsche eine größere Rechtsunsicherheit alS in Sachsen. (Gelächter.) Sie lachen, denn Ihnen passirt ja nichts, Ihnen werden alle Wünsche erfüllt. Ihre Habsucht und Ihr Ehrgeiz (Unruhe) gehen ja so weit, daß Sie die Arbeiter aus Allem hinauewerfen wollen. Präsident vr. Ackermann ruft den Redner wegen der letzten Bemerkung zur Ordnung. Abg. Dieterich-Helsenberg (cons.) bemerkt zu der Art und Weise der Flugdlattvertheilung, daß er vor 10 Jahren in seinem eigenen Hause einen Mann getroffen habe, der socialdemokratijche Flugblätter vertbeilte. Er hab» ihn nach seinen Namen gefragt und als Antwort die gemeinsten Schtmpfworte zu hören bekommen. Er habe sich deS Mannes energisch erwehrt, glaube aber, daß em Schutz sür solche, dir das nicht verständen, am Platze sei. Die Belästigung und Gefahr läge weniger im Bertheilen der Blätter, sondern in den mündlichen Mittheilungen, dir damit verbunden würden. Abg. Hähtttl« Kuppritz (cons.) wendet sich gegen die AnS- führungrn der Abgg. Grünberg und Stolle und deren Art und Weise, ihre Beschwerden vorzubrtngrn. So lange sie diese nicht bei der richtigen Instanz im Landtage anhängig machten, so daß man sie vorprüsrn und dazu Stellung nehmen könne, seien sie für eine ernsthafte Beurtheilung werthloS. Abg. Steiger-Leutewitz (cons.): Wenn der Abg. Stolle eine Aus dehnung der Concessionen zu Tanzbelusttgungen wolle, so sei er gerade entgegengesetzter Ansicht. Diese Erlaubntß ginge ihm viel zu weit. Wenn man nicht blind in der Welt herumliefe, so müsse man sehen, daß diese Tanzerlaubniß wirthschaftlich ruinoS wirke Was früher in die Sparkasse geflossen sei, verschwinde jetzt in der Kneipe. (Sehr richtig I) Er gönn» Jedem sein Vergnügen, jedem Wirthe seinen Verdienst. Aber hier gehe Alles zu weit. (Bravol) Abg. Richter bringt einen Antrag auf Schluß der Debatte rin, der zahlreich unterstützt und nach einem Widerspruch de» Ab,,. Goldstein gegen 13 Stimmen angenommen wird. Nach persönlichen Bemerkungen der Abg. Letthold, Nudelt, Stolle und Grünberg nimmt da- Schlußwort al» Berichterstatter Abg. vr. Mehnert: Der Abg. Grimberg habe gesagt, daß Sachsen al» rückständiges Land gleich hinter Mecklenburg marschirr. Er erinnere sich au» der Zeit, al» er noch im Reichs tage gewesen, verschiedener Aeußerungrn de» Reich-tag-abgeordneten Auer, der ihm gegenüber wiederholt versichert habe, daß Mecklen burg der beste Siaat und e» ihm nirgends besser ergangen sei al» dort. Wenn also Sachsen gleich hinter Mecklenburg raugirt würde, io habe er nach dieser Charokterisirung dagegen nicht» emzuwendrn (Sehr gut.) Wenn aber derselbe Abgeordnete gesagt habe, daß es in keinem Staate toller zugehe al» in Lachsen, so habe er unbedingt Recht. Denn in keinem Staate sei do» Treiben der Socialdemo- kratie, ihre KampseSweise, ihre Verhetzung und ihre unbewiesenen Behauptungen toller al» in Sachsen. (Sehr richtig, lebhafter Beifall.) Hieraus wird Capitel 44 einstimmig genehmigt. ES werden ferner dir Cap. 45 (Kunstakademie und Kunstgewrrbe- schule zu Leipzig), Cap 45» (Kunsigewerbeschnle mit Vorschule und Kunstgewerbemuseum zu Dresden), Cap. 45d (Technische Lehranstalten zu Chemnitz), Cap. 4So (Baugewerkenschulen zu Dresden, Leipzig, Plauen i. Bogtl. und Zittau mit Tief bauschule in Zittau), Cap. 45ä (Industrieschule zu Plauen, Cap. 45e (Lonvwirtdschastliche, gewerbliche und Handelsschulen), Cap. 45k (Gratifikationen und Unterstützungen, ivwie Beiiräge zur Pensionscosse sür landwirthschoflliche und gewerbliche Beamte und Lehrer), Cap. 45 g (Allgemein» Ausgaben sür Gewerbe und Land- wirthschast), Cop. 46 (Landslallamt Moritzburg), Cap. 47 (Bota nischer Garten und die Berfuch-station zu Dresden und Tharandt) einstimmig genehmigt. Bei Lav 47 n (Lanbwirthjchaflliche Bei n P-- station zo Möckern) ist zu erwähnen, daß da» Ministerium de« Innern nachlräglich eine Erhöhung de» Gehalt» de» Director» von 0000 ^4 aus 7200 angeregt hat. Dir Deputation hat zugestimmt und r» wird mit der entsprechenden Abänderung diese» Capitel gr- ««hmigt. Cap. 47d (Meteorologtsch,» Institut), wird bewilligt. Capitel 48 (Aufsicht über Gewerbe« uud Dampskeffelankaf.tn). Im Hinblick auf die beim letzten Landtage der königl. StaatS- regierung zur Krnntnißnadme überwiesenen Anträge auf 1) Trennung der Dampskrsselinsprction von der Gewerbe- iusprction, 2) Vermehrung der Bewerbeinspectoreo beziehentlich Anstellung von Assistenten au» Arbeiterkreisen und 3) Anstellung von weiblichen Hilfskräften bei drr Gewerbeinspeetion erklärte die königliche Etaat-regierong auf Befragen, daß sie zunächst auf dem beim letzten Landtage von ihr gekennzeichneten ablehnenden Standpunct stehen bleiben müsse, drr beregtrn Frage aber nach wie vor ihre besondere Aufmerksamkeit schenken werde Die Deputation ließ es bei dieser Erklärung zur Zeit be wenden und beantragte: die Einnahmen mit 98000 zu ge nehmigen, di- Ausgaben mit 234 420 zu bewilligen. Abg. GolLstetii-Zwickau (Soc.) führt aus, daß die Anzahl der unternommenen Gewerbeinspectionen eine zu geringe gewesen sei. Sveciell sei der Zwickauer Bezirk schlecht wrgg,kommen. Gründliche Abhilfe lei nur von einer genügenden Vermehrung der Fabrik- inspectoren zu erwarten. Durch Citate au» einem Vortrage de» Lehrer- Burkhardt in Chemnitz über die Kinderarbeit sucht Redner nach- zuweijen, daß sowohl durch den Kleinbetrieb wie den Großbetrieb, der die Hausindustrie zu Hilfe nehme, die Kinder in der un erhörtesten Weise ausgebeutet würden. Die Heiligkeit des Familien lebens werde durch eine solche Ueberarbrit der Kinder nicht ge- ördert. Der Bericht der Gewerbe «Jnspectoren enthalte nur wenig Material sür die Ueberarbeitung der Arbeiterinnen an Sonntagen. Hier seien die Uebertretungen im Zwickauer und Plauenschen Bezirk außerordentlich häufig. Eine Firma in Mylau habe ihre Arveiterinnen Sonnabends oft bis '/«6 Uhr beschäftigt. Auch werde die SonntagSarbeit ohne Genehmigung zu oft be- trieben und die Frauen zu zeitig nach ihrer Entbindung wieder beschäftigt. Ausfällig sei in den Berichten die große Zahl von Ueberstunden, besonders in der Textilindustrie. Dir Fabrikinspectoren müßten über den Parteien stehen. Sie dürften wohl die Berather der Unternehmer sein, aber nicht ihre Freunde und ihre Cumpanr, die mit ihnen kneipen. Es sei vorgekommen, daß zuvor ein Frühstück bereit gestanden hätte, um den Inspektor in dir nöthige Stimmung sür seine Thätigkeit zu verletzen. Die Arbeitersecretariate bemühten sich, regulirend und beschwichtigend einzugreifen, und die Negierung sollte mehr Vertrauen haben zu den gewerkschaftlichen Verbindungen. Der badische Fabrikinspector WöriS« Höfer habe sich ein sehr beachtliches Uriheil über die Gewerbeinspection peciell über die weiblichen Jnspectoren gebildet, rin ganz anderes Urtkeil wie Herr von Stumm und leider auch Abg. Niethammer. Redner schließt mit der Forderung, endlich anstatt des Maximal- arbeitstageS den Normalarbeitstag zu geben. Geh. Reg.-Rarh Morgenstern: Es sei nicht zu verkennen, daß nach Erlaß der Novelle von 1891 zur Gewerbeordnung, durch welche die Beschäftigung der Kinder in den Fabriken eingeschränkt wurde, die Zunahme der Beschäftigung von Kindern im Hause hervortrete. Im ganzen Reiche sei gegenwärtig eine Erhebung im Gange, in welchem Umfange und für welche Betriebe dies geschehe. Das Ergebniß sei ab zuwarten. So lange nicht Nachweise beigebracht würden, wo der Fabrikinspector durch ein Frübstück in die richtige Stimmung versetzt worden sei, müsse er diese Behaup- tung als unzutreffend energisch zurückweisen. (Beisall.) Abg. Arätzvorf-Mickten (soc.) constatirt mit Befriedigung, daß sich zwei neuere Erlasse des Ministerium» des Innern mit einem erweiterten Schutz der Bauarbeiter beschäftigen. Leider aber genügten diese Erlasse nicht, wiewohl sie sehr gut gemeint seien, weil keine Ausiührungsbehörde vorhanden sei, die ihn-n Geltung verschaffe. Er bitte eine von Bauarbeitern vorgelegw Petition wohlwollend zu prüfen und den 8 854, 4 der Gewerbeordnung auch auf die Arbeiter des BauhandwerkS auszudehnen. Abg. Tiktcrich-Helsenberg (cons.): Die Begründung der For derung nach Anstellung weiblicher Fabrikinspectorsn von foc-dem. Seite ist stets »ine mangelhafte gewesen. Welcher Art die discreten Dinge sind, welche angeblich die Arbeiterinnen einem Inspektor nicht anvertrauen können, erfahre man von Niemandem. Gäbe es wirklich welche, so würden dann die weiblichen Jnspectoren mit ihrer Schamhaftigkeit dem Fabrikinspector gegenüber uud bei ihrem schriftlichen Bericht in dieselbe Verlegenheit kommen. SS würde daun die Stelle de» Chefs in der Gewerbeinspection auch mit einer Dame besetzt werden müssen. Auch die KreiShauptmann- schast und da- Ministerium müßten dann mit Damen besetzt werden, um daS Schamgefühl zu retten. (Abg. Goldstein ruft: Da» wäre auch kein Fehler» Schließlich werden wir auch noch hinausgesteckt, es entsteht dann rinW-iberregimrnt und wirMänner werden pensionirt. (Bravo auf der Linken.) Es werde immer auf England rxemplificirt. Der dort gemachte Versuch könne jedoch als kein glücklicher bezeichnet werd n. Dort seien fünf Damen für 4—500000 Arbeilerinnen da, weil sich eine sehr gut verheirathet habe. Diese fünf Damen klagten aber dennoch über Mangel an Beschäftigung, da es eben keine discreten Dinge mitzutheileu gebe. Die Damen begegneten bei den Arbeiterinnen einem viel geringeren Respect alS dir männlichen Jnspectoren und suchten diesen Mangel zu ersetzen, indem sie mit ungewöhnlicher Härte und Schärfe vorgingen. Ferner hätten die Damen die Arbeiterinnen politisch zu beeinflussen ver sucht. Die Anstellung weiblicher Jnspectoren wäre nur dann geboten, wenn die Damen die Revisionen besser und nutz bringender auSsühren könnten als die Männer. Da ¬ sei aber nicht möglich, weil ihnen die technische Bildung abgehe. Zur Einführung neuer Revision sei absolut kein Anlaß. Tie technischeu Fabriken litten bereits unter einer Unzahl Re visionen. Nicht innerhalb, sondern außerhalb der Fabriken lauerten die Gefahren für die Arbeiterinnen, welche hier ins Auge gefaßt worden seien. Wo die größer« Bewegungsfreiheit mit ihren Gefahren eintritt, dort möchten die Herren Socialdemokraten ihre Agitation einsetzen. (Beisall.) Gegen einen vom Abg. Wehner eingebrachten Antrag auf Schluß derDebatte wendet sichAbgR-ethammer-Krirbstein (nat.-lib.). Der Antrag wird jedoch mit großer Mehrheit angenommen und Cap. 48 einstimmig genehmigt. Sodann werben Cap. 50 (Ober-Aichungscommission) mit 750 X in Einnahme und 7580 ^l in Ausgabe; Cap. 50a (Staatsaichömter) mit 105 700 >l in Einnahme und Ausgabe; Cap. 51 (Technische Deputation) mit 900 ^l Einnahmen und 13900 ^tl Ausgaben; Cap. 52 (Unfall-, Invalidität»- uud AlierSvrrsicherung) mit 50 Einnahmen und 41150 X Ausgaben, sowie Cap. 53 (Gendarmerie- anstatt) mit 13 650 ^l Einnahmen und 966 909 Au-gaben ein stimmig bewilligt. Zu Cap. 50» (Staatsämter) stellt Abg. Reisimann-Kamenz das Ersuchen an die Regierung, die Nachaichungsgebührrn entweder ganz in Wegfall zu bringen oder wenigstens eine Herabminderung derselben herbeizusübren. Abg. Horst-Cölln schließt sich den Ausführungen deS Vorredners an und bemerkt, daß die Gebühren bi- zu 100 ^l jährlich sehr schwer aus den Gemeindecaffen kleinerer Gemeinden lasten. Ueberdie» halte er dir Nachaichung durchaus sür nicht so nöthig. Cap. 54 (Polizridirrction zu Dresden). Die nicht unwesentlichen Mrhreinstellungen gaben der Deputation zu besondere» Bemerkungen keinen Anlaß. Dageg-n wurde im Hinblick auf da» durch den Landtag 1889/90 gebilligte Uebereinkoinmen, nach welchem die Stadt Dre-den, so lauge die Einwohnerzahl von 260 000 nicht überschritten wird, 90000 zu den Kosten der Sicherheitspolizei beizutragen hat und im sicheren Hinblick auf die Möglichkeit der Einverleibung von 6 Ortschaften, die königliche Staat-regierung ersucht, „diesen Verhältnissen besondere Aufmerksamkeit zu schenkeu und vor Ge- nehmigung der Einverleibung jener Ortschaften eveutl. mit der Stadt Dresden in Verhandlungen wegen entsprechender Aenderung des jetzt bestehenden Abkommen» einzutieten." Die könig liche Regierung sicherte Erwägung dieser Angelegenheit zu. Weiter kam noch die von den entlasse»»» Wächtern drr königliche» Poltzeidirection a» die Ständeversammlung gerichtete Petition um fortlaufende lebenslängliche Unterstützung aus Staats mitteln zur Sprache. Die Wächter sind angestellt gewesen mit einem Nachtlohn voo 1 ^l 70 welche sür jede Nacht wrgzufallen hatten, io der Dienst nicht gethan wurde. Irgend eine Ver pflichtung de« Staate», diesen in täglichem Lohn stehenden Personen gegenüber, eiae leben«läagltche Unterstützung zu gewähren, läßt lsich nicht begründen. E» wird beantragt: 1) Cap. 54 nach der Vorlage mit 433 3M ^tl io den Einnahmen zo genehmigen, in den Ausgaben mit 1707 418 ^l zu bewilligen und schließlich 2) die Petition der entlassenen Wächter der Polizeidirectioo Dre-den auf sich beruhen za lassen. Abg. Behrcns-DreSdrn (cons.) nimmt Bezug aus da» der Polizeidirection früher augegliederte Nachtwächterinstitut, wrlche» der Auslösung verfallen ist. Im vorigen Landtag sei erklärt worden, daß sür die älteren Leute des Institut» hinreichend gesorgt werden würde. Wie die Unterstützung jetzt au-gesallen, damit seien dir Leute nicht einverstanden. Dieselben hätten eiae lebenslänglich» Unterstützung erwartet. Er sei drr Meinung, daß mehr hätte ge- schehen können. Leute, dir zur Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten 20—30 Jahre im Dienste gestanden, würden voo der Industrie ganz ander» für ihre alte» Lage honorirt. Er erwarte, daß di» Regierung, ganz besonder« dann, wenn e» sich um Fälle besonderer Bedürftigkeit bandelt, unterstützend ringreisra werde. Abg. ArAßtzors-Micktrn (Soc.) bezeichnet die Regirruug-unter- stützong an die Nachtwächter al» ei» magere« Almoseu und wünscht, daß »la gttßerer Betrag hierfür auSgeworfeg, werde. — Da er ein mal da« Wort habe, glaub« er gleich hier noch seine Anschauungen über di« Handhabung der Polizeigewalt in Sachsen bekannt geben zu dürfen. Die für dir Vermehrung ber Polizei auSgeworieuen Summen seien gar nicht nothwendig. Wenn man allerdings bet einem unschuldigen Verein-Vergnügen 5—6 Beamte zur Ueberwachnng derselben commandire, im Neben saale noch rin» Anzahl Beamte bereit halte und verschiedene nicht in Uniform befindliche io drr Menschenmasse vorhanden gewesen seien, dann müsse man allerdings viele Beamten haben. Uud dabei geht r» bei allen unseren Versammlungen mustrrgiltig zu. Nach seinem Dafürhalten habe man der Menge nur zeigen wollen, wie gefährlich die Veranstaltung sei. Weun man nicht so viel Polizei mannschaft brauche, so könne man dieselbe zur Gewerbeinspecuo» abconimandircei. — Bei drr Maifeier werde ein ungeheuer große» Aufgebot entfaltet, um alle Ausschreitungen, die ober doch nur in harmlosen Vergnügungen beständen, zu verhindern, bei den bürger lichen Festen und den Kinderfesten mache man eS anders. Um sich zu erholen, nehme der Arbeiter Frau und Kind mit zu feinen Festen, di» Besitzenden gingen weit von ihrer Familie fort, um sich ungestört zu amüsirrn. Ebenso weite er auf die Dresdner Vogel wiese hin, welche die Polizei erlaube, ebenso auf die Copitzer und Kötzschenbrodaer. Nach einer Abschweifung über das Verhalten der Besitzenden in Kiel rc. bei der Einweihung des Nordostseecanals charakterisirt er das Keglrrsest in Dresden mit seinen rigenthüm- lichen Nebenerscheinungen. Der Vorstand drr Kegelklub- habe sich zwar gegen die von seiner Partei ^gemachten Anschuldigungen ver- wahrt, auch eine amtliche Veröffentlichung seitens der Polizeidirection sei erfolgt und trotzdem habe die Polizei gewisse Einrichtungen Dresdens protrgirt. (Eine Menge der vorgesührten Anschuldigungen lassen sich durch dir Presst nicht gut wiedergeben.) Staatsmioister Von Mctzfch wendet sich zunächst gegen die Ausführungen des Abgeordneten Fräßdors uud stellt fest, daß der ruhige Verlauf drr socialdemokratischen Beranstaltungen eben der Gegenwart der Polizeiorgan, zuzujchreiben sei. Bezüglich des Verhaltens der Regierung den Schulfesten gegenüber verweise er auf seine Ausführungen im vorigen Landtage. Die mit dem Keglerfeste in Parallele gestellte Maifeier habe aus Grund der amtlichen Auskünfte seine Erledigung gesunden, es sei ihm ansymvathi'ch, darauf hier noch näher einzugehen. — Gegen die kategorische Form, welche der Herr Abgeordnete Fräßdors seine Wünsche in Bezug auf die Ueberwachung der Maifeier gekleidet, müsse er sich verwahren, er bedürfe einer Belehrung über die Hand habung der Gesetze nicht. Abg. Grünberg-Hartha (Soc.) erklärt, die Ausführungen seiner Partei seien nur da»u, um dem Herrn Minister wissen zu lassen, daß sie sich elue ungleich« Behandlung vor d«m Gesetz nicht ferner gefallen lassen würden. Abg. vr. Metzuert-DreSden (Cons.) verwahrt sich gegen die Vorwürfe, die man dem Dresdner Volksfest, der sogenannten „Vogelwiese", von socialdrinokratischer Seite gemacht und fordert ihn auf, ihm nach der Sitzung Fälle namhaft zu machen, welche ihn zu dem vordammrnden Urtheil geführt. Er solle es aber nicht so machen, wie drr Abg. Goldstein, den er auch zum Nachweise ver schiedener Behauptungen aufgrfordert, drr ihm aber bi» heute noch nicht dieselben gegeben. — Wa» die Befehle oder Drohungen an lange, die drr Abg. Fraßdorf dem Herrn Minister ins Gesicht ge- schleudert, hoffe er, daß der Herr Minister festhalten werde an seinen Grundsätzen und niemals davon adwcichen werde. Abg. Frätzvorf-Mickten (Soc.) erklärt, daß er durchaus keine Veranlassung habe, dem Herrn Abg. Mehnert den Beweis für seine Behauptungen zu geben, er möge sich nur bei drr Polizeidirection erkundigen. Damit schließt dir Debatte und Tapitel 54 wurde einstimmig nach der Vorlage bewilligt. Endlich wurden Capitel 55 (Antheilige Kosten des Leipziger Pollzeiamle») mit 86000 ^l Ausgaben; Capitel 56 (Lebens rettungen und Auffindung von Leichnamen) mit 3000 Aus gaben; Capitel 57 (Sicherheit-- uud Preßpolizeiangelegenbeiten) mit 8100 Ausgaben uud Capitel 58 (SchubtranSportkosten) mit 6000 Ausgaben ohne Debatte und rinstimmig bewilligt. Dann wurden die Verhandlungen auf Donnerstag, den 24. Februar, Vormittag- 10 Uhr vertagt. Tagesordnung: Capitel 59 bis 69», 71 und 72 de» Staatshaushalt» (Departement de» Jnnern). Deutscher Reichstag. Berlin, 22. Februar. Die Herren von Kardorff und Singer sind unter den Ersten im Saale anwesend, nachdem sie schon von 10 bi» 2 Uhr in der Budgetcommission, deren Vorsitzender von Kardorff ist, an demselben Tische „beratben" haben. Beide scheinen sich nach den gestrigen kräftigen „Aus einandersetzungen" beruhigt zu haben. Aber die „Genossen" fahren im Uebrigen fort, die Erledigung des Militairelats ru stören. Herr Kunert versucht den Reichstag zu einer Revisionsinstariz für militairische Vergehen zu machen, die im Königreich Sachsin abgeurlheilt sind. Kurzer Hand wird er aber unter der Zustimmung der Mehrheit durch den Grafen Vitzthum abgefertigt. Der freisinnige Rector Kopsch im Bunde mit Bebel wünschen eingehendere Untersuchung,der einzustellenben Recruten in Bezug auf ibre geistige Nor malität. Und wie in der Eommission, wird auch beute wieder von dem Letzteren bebauptet, daß der Mangel an Militaircirzten durch die Zurückweisung jüdischer Bewerber veranlaßt sei. Der Minister von Goßler weist diese Behauptung abermals al» unwahr zurück. Die übrige Debatte verlief ausnahmsweise sachlich und ruhig. Hervorzubeben ist nur noch, daß die Anfrage Richter'S, die neuerdings von Ahlwardt colportirte Behauptung, eS seien Löwe'sche Gewehre al» unbrauchbar erkannt und als altes Eisen verkauft worden, von der Militairverwaltung als durchaus unwahr bezeichnet wurde. DaS Ordinarium wurde erledigt. Morgen beginnt die Berathung deS Extra» ordinarium- de» Militairetal». 47. Sitzung vom 22. Februar. Das Haus ist schwach besetzt. Der Präsident eröffnet die Sitzung um 2 Uhr. Am Bundesrathstische: KriegSminister General von Goßler, Staatssecretair Frhr. v. Thirlmann. Eingegangen ist die Postvorlage. Die Berathung deS Militairetats wird fortgesetzt. BeimCapitel18„Militairjustiz«bringt Abg. kunert (Soc.-Dem.) nochmals den Fall der Sonntagsarbeit in dem sächsischen Militair- gefängniß zur Sprache und fragt an, welch« Strafen die schuldigen Militairs getroffen haben. Sodann schildert Redner die vielfache Bestrafung eines Soldaten aus Annaberg, die durch sogenannte Zulagen sich auf 19 Jahre Gefängniß ausdehnte. Schließlich sei aber Begnadigung erfolgt. Redner bemängelt dann die Art des Proceßganges, die keine Zusammenziehung drr Strafen ermöglichte. ES wäre besser, keine Gnade, sondern Recht walten zu lassen. Sächs. BundesrathSbevollmächtigter Gras VttzthUM V. EckftäVt: Der Fall sei militoirgerichtlich abgeurlheilt und erledigt worden, eine höhere Instanz könne hier im Reichstag nicht etablirt werden, lieber die Bestrafung der betr. MilitairS könne er nicht« sagen. DaS Capitel wird nach einigen weiteren Bemerkungen des Abg. kunert bewilligt. Beim Capitel „Militairärzte" bemängelt Abg. Kapsch (fr. Dg.) di« jetzige Art der Untersuchung der neueinzuftellenden Recruten, welche eS nicht ermöglicht, Uber die geistige Beschaffenheit derselben ei» sicheres Urtheil zu gewinnen. Auf diese Weise kämen viel Geistesschwache in die Armee, die nachher den gestellten Anforde rungen nicht genügen können, und den Unterofficieren eine schwere Last seien. Ferner kämen in Betracht die psychopathisch Minder jährigen, die ckn Einbildungen und mangelnder Willenskraft leiden. Dann komme e« leicht zu Fällen, wie dem beabsichtigten Einbruch in den JulinSthurm oder zu schweren Verletzungen der Disciplin. KriegSminister ». Gotzler: Er werde die Anregung benutzen und dieser Frage näher treten. Der Vorwurf gegen die Militair- ärztr sei unbegründet. Die Zahl drr Schwachsinnigen sei sehr ge ring in der Armee. Die Militairärzte erhalten psychiatrische Aus bildung. Abg. Bebet (Soc.-Dem.): Er stimme mit dem Abg. kopsch darin überein, daß die Untersuchung auf die geistige Beschaffenheit der Recruten eine ungenügende sei. ES gebe Leute, die wegen geistiger Defecte absolut nicht den an sie gestellten Anforderungen entsprechen können. Tie erste Untersuchung könne nicht ausschlaggebend sein, weil auch die besten Aerzte hierbei nicht gleich den Defekt zu er kennen vermögen. ES scheine überhaupt Mangel an Militair- ärzten zu sein, was wohl daran liege, daß keine jüdischen Aerzte angenommen werden. Hier müffe Abhilfe eintreten. Kriegsminister ». Gssiler: ES sei ja danken-Werth, «veno Herr Vebrl der Armeeverwaltung Vorschläge zu Verbesserungen mach« (Heiterkeit), er möge aber die Verhältnisse studiren, dann entfielen schon viele vrfchw«rd«». Di« Recrut«» würden «ingehend körprrlich und geistig untersucht. Dem Mangel an Aerzte« werde abgeholfid, wobei er auf die dem Etat beigegebene Denkschrift über da» Avance ment der Militairärzte verweist. Es gäbe kein« Bestimmung, wonach jüdische Aerzte au» der Armee ausgeschlossen feien. Lhatsächlich gäbe es zahlreiche höher» Militairärzte jüdischer Confessio». Abg. kspsch hält seine Ansicht aufrecht. Abg. Bebel: Er glaube schon, daß es keine Bestimmung über den Ausschluß jüdischer Aerzte gebe. So etwa- regle man nach einem stillen Uebereinkoinmen, ebenso wie den Ausschluß der Juden vom Richteramt und au» der Verwaltung. KriegSminister tt. Göhler: Die Militairärzte werden nicht »ach der Confessio», sondern nach drr Tüchtigkeit ausgesucht. Abg. Jskraut: Der Geist in der Armee sei nicht der der jüdischen Aerzte, deshalb halten sich dieselben von der Laufbahn als Militairarzt fern. Wenn aber die wirthschaftliche Stellung der Militairärzte verbessert werden sollte, werden auch mehr Juden sich drr Corriöre zuwenden. Abg. vr. Lieber (Centr.): Der Zudrang auch der christliche« Aerzte zur Militaircarrisrr sei gering, es bestehe ein Manco von 67 Proc. gegenüber dem EtatSloll an Aerzten. Die Erklärung deS KriegSminister- bezüglich der Parität in der Anstellung drr Aerzte begrüße er dankend, mögen auch andere Verwaltungen so paritätisch verfahren. Dir wirthschaftliche Lage der Militairärzte bedürfe der Aufbesserung. Abg. Bebel: ES sei auffallend, daß so wenig jüdische Militoir- ärzte vorhanden seien, während im bürgerlichen Leben die jüdischen Aerzte wegen ihrer Tüchtigkeit sehr gejucht seien. Abg. Jskraut (Antjs.): Der Gegensatz zu jüdische« Aerzten seien die deutschen Aerzte, ebenso wie drr Gegensatz zu jüdisch deutsch sei. Abg. Richter (srtis. Bg.): Nach einer Statistik seien im Kriege 1870/71 eine unverhältnißmäßig große Zahl eiserne kreuze aus jüdische Soldaten und jüdische Aerzte gesallrn. Beim Capitel „Militairmusiker" theilt der Referent der Militair- commsssion Graf Roan mit, daß die Lage drr Slabstrompetrr jetzt aufgebessert worden sei. Abg. Schultz-Lupitz (Rv.) spricht seinen Dank au», daß eS endlich gelungen sei, diese wichtige Besoldnngsausbesserung durchzusühreu. Beim Capitel „Naturalverpflegung" weist Abg. Haase (Soc.) auf die Steigerung der Flcischpreise und den Rückgang de» Fleisch, consums in der Armee hin. Selbst höhere Beamt- hätten, nament lich in Ostpreußen, unter den hohen Fleischpreisen zu leiden. Unter diesen Umständen müßte auf eine vermehrte Schweinezufuhr und zeitweise Eröffnung der Grenzen, die jetzt wegen Seuchen abgesperrt seien, hingewirkt werden. Generallieutenant Freiherr b. Gcmmingrn: Daß die Fleisch- preise im Osten gestiegen stien, sei richtig, »ine Erschwerniß in der Truppenverpflegung trete aber dadurch nicht rin. Abg. Jskraut (Antis.): Was der Abg. Haase vor- gebracht, stelle die thatsächlichen Verhältnisse aus den Kopf. Die Ergebnisse der Untersuchung drr Landwirthjchaftskammrr in Königsberg seien ganz anderer Art. Die Fleischproduction in Ostpreußen habe danach zugenommcn und die Erhöhung der Fleischpreise sei keine Folge der Grenzsperre. In Königsberg bestehe ein Consortium von fünf Viehhändlern, das daran ein Interesse habe, die Fleischpreise dort hochzuhalten, und deshalb alle gute Vieh nach Berlin schaffe. An eine Ocsfnung der Grenze sei aus Gesund heitsrücksichten nicht zu denken. Abg. Rettich (cons.): England habe sich gegen seuchenverdächtige Länder völlig abgeschlossen, z. B. gegen Deutschland, und beziehe lebendes Vieh nur aus Eanada. Abg. Haas« (Soc.-Tcm.): Die Fleischvertheuerung sei nicht auf den Zwischenhandel und das Consortium zurückzufiihren, sonst würde die Militairverwaltung nicht die hohen Fleischpreise zahlen. Warum waren die Fleischpreise niedriger, als die Grenzen offen waren? Tas Consortium bestand auch damals schon. Referent Abg. Graf Roon weist auf die erhebliche Verbesserung der Manuschaftkost hin, für die jährlich über 8 Millionen Mark mehr eingestellt seien, was auf den Kopf bei 500 000 Mann 16 Pfg. aus mache. Tie warme Abendkost sei jetzt erreicht. Bei dem Capitel „Garnison-Bauwesen" wird der Antrag der Budgetcommission angenommen, bei den Hilfsarbeiter- und Stell- vertretungskoften 29 375 Mark abzusetzen (von 175 590 Mark auf 146 215 Marck). Entsprechende Absetzungen werden bei dem säch sischen und württembcrgischen Etat vorgenommen. Beim Capitel „Remontedepots» beantragt Abg. vr. Lieder, eine neueingestellte Zulage von 1080 Mark für den Vorstand des neu errichteten württembergischen Remonte- depotS in Breithülen zu streichen. Der Antrag wird angenommen. Bei dem Capitel „Kleinfeuer- und Handwaffen- fragt Abg. Richter an, was seitens der Militairbehörde auf die Denunciation des Abg. Ahlwardt bezüglich der „Judenflinlen- rrsolgte sei. General V. d. Bökht Die Militairbehörde habe die Sache genau untersucht und Folgendes festgestellt: Die Firma Herz in Metz habe die alten Waffentheile von Gewehren, frühere Modelle, angekauft und dann nach Görde verkauft. Tort seien sie alsdann einge schmolzen worden. Von den jetzt in Gebrauch befindlichen Gewehren, Modell 1888, sei überhaupt noch nichts verkauft worden. Im Uebri- gcn hätten sich die Gewehre von Ludwig Löwe ebenso bewährt, wie die aus anderen Fabriken bezogenen. Abg. Richter: Tann stelle er fest, daß die Behauptungen des Abg. Ahlwardt in diesem Falle ebensowenig der Wahrheit entsprochen hätten, wie die früheren. Bei dem Capitel „Bau und Unterhaltung der Festungen" wünscht Abg. Rickert (fr. Ver.) die Beseitigung des innern Festungs walles in Danzig, damit die Stadt sich besser entwickeln könne. Kriegsminister V. Goßler: Er erkenne an, daß Danzig in einer schwierigen Lage sei, aber mit dem Vorschläge Rickert sei der Stadt auchnochnichtgehclfen. Danzig müsse sich erweitern nach der See hin, und vor Allem einen festen Erweiterung-plan aufstellen und dem Kriegsminifterium einreichen. Er bitte den Abg. Rickert, in diesem Sinne zu wirken. Damit ist das Ordinarium des Militairetats erledigt. Nächste Sitzung Mittwoch, 2 Uhr: Extraordinarium des Militairetats. Schluß 5V. Uhr. AuS den Lommisflonc». ' 88 Berlin, 22. Februar. (P r i v a t - T e l e g r a m m.) In der Budgetcommission de- Reichstags wurde heute die Berathung des Extraordinariums des Militairelats fortgesetzt. Die For derung für ein Dienstwohnungs-Gebäude für den Militairgeistlichen in Straßburg i. Els. wird abgelehnt, nachdem sich die Abg. Gröber und vr. Lieber dagegen erklärt haben. Die selben führen aus, daß diese Bewilligung eine ganze Reihe ähnlicher Forderungen nach sich ziehen könnte. Keine Garnison würde Zurück bleiben wollen und sür jede Garnisonkirche auch ein Dienstwoh- nungsgebäude für den Geistlichen fordern. Für den Umbau einer Jnfanteriekaserne und für den Neubau einer Cavalleriekaserne in Metz werden je 10 000 und 25 000 Mark al- erste Rate gefordert. Auf Anregung des Abg. Gröber sagt Kriegsminister v. Goßler zu, daß der Kasernenneubau auf dem durch die Beseitigung der Um wallung frei werdenden Terrain errichtet werden soll. Der Kriegs minister hebt hierbei hervor, daß die FestungSstädte nicht dauernd beengt bleiben könnten; die engen Nmwallungen hätten keinen mili- tairischen Werth mehr und hinderten nur daS Gedeihen der Städte. Abg. vr. Lieber (Centr.) sieht in dieser Erklärung des Kriegs ministers einen Beweis für die Fürsorge, die die Heeresverwaltung für da- Wohl der FestungSstädte zeige. Diese Fürsorge werde auch auf die Gesinnung der Bevölkerung von Metz von vorzüglicher Wir kung sein. Eine freundliche Behandlung der ReichSlande sei über haupt da- beste Mittel, sie zu germanifiren. — Die beiden Forde rungen werden hierauf bewilligt, ebenso die Titel 142, 143 und 144, die kleinere Festungsausbauten betreffen. KriegSminister v. Goß - l e r theilt hierbei mit, daß auch die Umwallung von Posen dem nächst fallen soll. Abg. Müller- Sagan (frs. V.) wünscht auch den Fall der Umwallungen von Glogau. KriegSminister v. Goßler erwidert, daß dies zur Zeit noch nicht möglich ist, da die finanziellen Mittel dafür noch nicht verfügbar find. — Ter Rest deS Extraordinariums sürPreußen passirt ohne wesentlich« Debatte. Beim Extraordinarium für Sachsen werden von der Forderung für den UebungSplatz in Zeithain 150 000 Mark abgesetzt und nur 100 000 Mark bewilligt, ebenso wird die Forderung für eine Kaserne in Kamenz um 130 000 Mark gekürzt und nur 200 000 Mark bewilligt. Vom Etat für W ü r t t e m b e r g wurden von dec Forderung „zur Errichtung eines Remontedepots, letzte Rate 250 000 Mark" 71 500 Mark (für Straßenherstellung und Wohngebäude) gestrichen. In Uebrigen wird Alles unverändert genehmigt. — Da mit ist die Berathung des Militairetats erledigt. Die nächste Sitzung der Budgetcommission ist auf Donnerstag, den 24. Februar, anberaumt. Zur Berathung steht die Flotten« Vorlage in Verbindung mit dem Marineetat. MM. Leipzig, 23. Februar. Zum zweite« Kirchen» coucert de» Bachverein«. Unter der großen Anzahl der musikalischen Todtenmessen steht da« berühmte Reauiem in Lwoll von Luigi Ehrrubini, mit dem der Bach»
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