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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950124024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895012402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895012402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-01
- Tag 1895-01-24
-
Monat
1895-01
-
Jahr
1895
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582 ß arbung zurückruführra war; e- Ware gut, -ei den in Betracht kommenden Bestimmungen über daS Gebeimmittelunwesen diesem Beispiele zu folgen. Die reichsgesetzliche Regelung siebt allem Anscheine nach doch noch in weiter Ferne. Um so mehr Beranlassmig hätten die Einzelstaaten, hier einzugreifen. * Berlin, 23. Januar. Herr Postassistent Otto Sommer burg in Qualenbrück so»den als Mitglied des Ausschusses vom »Wartburgbund", dem die etwa 3000 Mitglieder starken »Deutschen Jugendbund.Vereine" angchören, die uichtalademische Jugend zu einer würdigen Feier des 80. Geburtstages Bismarcks auf. Herr Sommerburg ruft dem Jugendbunde zu: »Laßt «ns nicht umsonst seit einem Jahrzehnt die Ansicht ver treten haben, daß die Hoffnung für die Zukunft unseres Vaterlandes auf den Gesinnungen der ganzen patriotischen Jugend beruht; laßt uns nicht vergeblich betont habe», daß die festen Stützen von Thron und Reich in der treuen Liebe aller Bevölkcrungsclassen zu suchen sind und darum die fortdauernde Bethätigung de- geisterter Vaterlandsliebe von Seiten der Jugend aller Stände und Berufszwrige olme Unterschied allein eine sichere Gewähr für dir Erbaltung und gedeihliche Entwickelung gesunder und geordneter Verhältnisse bietet — Seit der 70jährigen GeburtS- tagssrier des Fürsten Bismarck, bei der dir deutsche Jugend, wir bei allen bisherigen nationale» Kundgebungen, nur durch die Studenten schaft vertreten war, hat sich innerhalb der nichtstudentischen jungen Männerwelt Deutschlands Vieles zum Besseren gewendet. Nicht als ob in ihren Gesinnungen erst seitdem eine Aendrrung eingetreten wäre, nein, diese ist der der deutschgesinnten Jugend aller Kreise seit den großen Togen von 1870/71 immer dieselbe gewesen, und die Söhne des Mittelstandes wie auch manches brave» Arbeiters baden Lenen der begüterten Classen in ihrem Patriotismus und idealer Begeisterung niemals nachgestanden l Aber in der Möglichkeit einer offenkundigen Bethätigung solcher Gesinnungen ist auf Seiten jener ein grober Schritt vorwärts arthan, seit auch sie zu nationalen Vereinigungen sich zusammengeschlossen haben." Herr Sommerburg schlägt vor, folgenden Beschluß zu fassen: „Der Ausschuß des WartburgbundeS, als die gewählte Vertretung der gesammten deutschen Jugendbundbewegung, veranstaltet eine gemeinsame Feier deS 1. April 1895 für die nichtakademische deutsche Jugend durch eine vereinte Huldigung des Fürsten Bismarck! " Zweifellos wird diese An regung nickt bloS bei den Mitgliedern der deutschen Jugend- bünde volle Zustimmung, sondern auch in der Studenten schaft Verständnis und neidlose Unterstützung finden. — Zu dem Diner, welches anläßlich deS Geburtstages deS Kaisers der Reichskanzler Hiebt, sind die Chefs der fremden Missionen am Berliner Hofe, die Mitglieder deS Auswärtigen Amtes und des ReickSkanzleramts bis zum Vor tragenden Ratb, und vom preußischen Staatsministerium die entsprechenden Beamtenkategorien geladen. — Freiherr v. Schorlcmcr-Alst hatte nach der „M. Z." am Montag eine Audienz beim Kaiser, die längere Zeit dauerte. — Das „Volk" erhält von einem hier lebenden Fran zosen, der angeblich sehr gute Beziehungen hat, folgende Mit- rheilungen, die er dem Blatte als verbürgt bezeichnet: „Als der Kaiser die Nachricht von Casimir-Pcrier's Abdankung erhalten hatte, begab er sich bekanntlich sofort zu dem französischen Botschafter Herberte; es war 9 Uhr Morgens. Herbette war noch nicht lange aufgestanden und befand sich, als ihm zu seinem nicht geringen Schrecken der hohe Besuch gemeldet wurde, im ersten Anfang der Toilette. Der Kaiser befahl, als ihm dies noth- gedrungen gemeldet werde» mutzte, in liebenswürdigster Weise, Herbette solle keine Umstände machen und kommen, wie er gerade wäre. Er erschien im Sckffasrock und mutzte sich zunächst einige Scherze über sein Frühaufsteben gefallen lassen. Dann fragte der Kaiser ernst, was er zu Len übcrraichenden Neuigkeiten gesagt hätte. „Zu welchen?" entgegnete H. erstaunt. „Nun. zu denen aus Paris." — „Ich habe die Depeschen noch nicht geöffnet und habe von bedeutenden Neuigkeiten nichts vernommen." Sein Ent- setzen war groß, als ibm der Kaiser von Casimir-Perier's Abdankung erzählte und die Pariser Depeschen sie bestätigten. Als der Kaiser sich verabschiedete und Herbette ihm das Geleit gab, fuhr er beim Leffnen der Thür erschreckt zurück, denn draußen im Borzimmer befanden sich nicht nur einige Herren, sondern auch mehrere Damen, denen sich Herbette unmöglich in seinem fragwürdige» Anzug prüfen- tiren konnte. Der Kaiser lächelte und meinte: „Ja, ja, den deutschen Kaiser können Sie im Schlasrock empfangen, bei Leu Damen ist das natürlich eiue andere Sache." — In nächster Zeit wird der vom Colonialratb ein gesetzte Ausschuß zur Berathung der sog. Land frage wieder zusammcntreten. Er bat die erste Lesung vor Weihnachten noch nicht ganz abgeschlossen. Zn den schwierigsten Problemen gehört, bestimmte Grundsätze aufzustellen über die Eintheilung der Colonien in RegieruugSland und in sog. Reservationen für die Eingeborenen; ebenso über Preis und Größe der an die Weißen zu veräußernden Grundstücke. Der Gouverneur von Ostafrika, Frhr. v. Schele, hat bekanntlich eine Ver ordnung darüber erlassen, die trotz ihrer gutgemeinten Ab sichten allgemeinen Widerspruch fand. — Der neu ernannte russische Botschafter Fürst Lobanofs wird, nachdem er in Wien sein Abberufungs schreiben überreicht hat, sich zunächst nach Petersburg begeben, um sich dem Zaren vorzustellen und neue Instructionen zu holen. Die Ankunft in Berlin dürfte vor Mitte März nicht erfolgen. — Im Anschluß an die Verfügung deS Justizministers, betreffend die Beschleunigung aller Strafsachen, erläßt jetzt auch Landrath von Waldow in Nieder- »Bitte sehr um Vergebung, Sie bei der Toilette zu stören, Herr Graf. Der Portier wies mich ohne Einschränkung an Ihr Zimmer!" bob Gras Adam mit seiner gewinnenden Höf lichkeit an, und machte eine artige RllckwärtSbeweauog. »Durchaus nicht ? Durchaus nicht! Bitte, bitte Herr Graf! Aeußerst angenebm, und nichts zu entschuldigen. Haben Sie die Gewogenbeit, Platz zu nebmen. Ich bin ausnehmend erfreut, Sie wieder zu sehen. Wir sind unS ja noch nicht nach der böseu Affaire, die Sie zu meinem schmerzlichen Leidwesen betroffen, begegnet! Bitte, bitte, hier" — „Nein, nein, ich danke. Ich ziehe einen Strohsessel vor." „Darf ich Ihnen, lieber Herr Graf, irgend etwas anbieten? So — so — Sie kommen mir übrigens in Ihrer Güte zuvor! Ick, wollte Ihnen gerade beute Mittag meine Aufwartung machen. Mir schrieb Comtesse Eva, daß Sie hier seien. Und nun zuerst. Wie gebt'S? Ich hoffe, besser, als man denken darf, und hoffentlich führt Sie Gutes her —" So sprach Graf von der Drede rasch und liebenswürdig, wenn auch nicht mit der einschmeigelnden Unterordnung im Ton, deren er sich an jenem Tage bedient batte, als er Graf Adam seine Wünsche vorgetragen. Er hatte erreicht, was er gewollt. Er brauchte Adam nickt mehr. Auch war Graf Jarl heute nichts anderes, als ein verarmter Edelmann, der außer dem noch im Begriff stand, die Familie stark zu compromittiren. »Nein. Gutes führt mich leider nicht zu Ihnen, Herr Gras. DaS beißt, mir fehlt nichts und ich habe nicht die geringsten Bedürfnisse. Ich will das gleich betonen. Ich habe bereit- genügend Unterricht zu ertheilen, der mir hinreichend gewährt, waS ich brauche." „Hm — hm — Ist da- also wirklich von Ihnen inscenirt, bester Graf, und war denn daS nothwendig?" Mit einem rauhen, kurzen »Ja" begegnete Graf Adam dem nervös tadelnd gesprochenen Satz. Abermals eia durchaus äußerlicher Mensch! Jarl konnte den Aerger nicht mehr unterdrücken. Dann aber fuhr er mit veränderter Miene fort: »Was mich zu Jbnen führt, Herr Graf, betrifft meine Nichte, Comtesse Eva." Da Jarl das Gespräch in so wenig ermunternder Weise eingeleitet batte, erschien in deS Grafen Brede Angesicht ein Ausdruck sehr starker Enttäuschung. Auch reizte ihn das knapp-unbösliche Ja, da« er eben vernommen hatte. Er schob den scharf geschnittenen Ukukops zwischen die Vater mörder und ließ eine Toppelkinnsalte erscheinen. Auch nahm der Oberkörper eine sehr steife Haltung an. weilte etwa »/« Stunden auf dem Balle und zeichnete viele der Anwesenden, darunter den deutschen Botschafter, Grafen zu E nlenburg, durch Ansprachen aus. Frankreich. * Paris, 23. Januar. Nack dem Empfange im Elys6e hatte Bourgeois eine Besprechung mit denjenigen Persön lichkeiten, welche in erster Linie als Mitglieder deS neuen CabinetS in Frage kommen. ES wurde beschlossen, daß Bourgeois neben dem Präsidium daS Finanzministerium über- nebmen solle; Hanoteaux solle die auswärtigen Angelegen beiten bebalten, Cavaianac das Kriegsministerium und Senator CombeS das Marineministerium übernebmen. Es gewinnt den Anschein, daß die CabinetSbildung heute Abend zur Erledigung kommt. * Paris, 23. Januar. Bourgeois hatte in der Nacht mit den in Aussicht genommene» Ministern eine abermalige Unterredung, deren Ergebniß noch unbekannt ist. Belgien. * Brüssel, 23. Januar. Die AbdaukungSabsichten des Königs besitzen einen tbatjächlichen Hintergrund. König Leopold äußerte gegenüber einflutzreichen Parlamentariern» er müßte die Verwerfung der Congovorlage ohne vorherige Prüfung alS eine persönliche Beleidigung ausfasi'en und daraus die nüthigen Folgen ziehen. (Mgdb. Ztg.) Spanien. ^ Madrid, 23. Januar. In der Regierungspartei ist wieder in Folge der Kornzölle ein Zwiespalt auS- gcbrochen, der den Bestand des Ministeriums Sagasta ge fährdet. Sagasta beabsichtigt, die CorteS aufzulösen. Großbritannien. * London, 23. Januar. Die Besserung in dem Befinden des Herzogs von Argyll schreitet fort; die Ausgabe von Bulletins ist eingestellt. — Bei Lord Randolph Churchill ist Bewußtlosigkeit eingetreten. * London, 23. Januar. Heute fand in Evesham die Parlamcntsersatzwabl für den verstorbenen konser vativen Abgeordneten Sir E. Lechmerc statt. Der con- servative Candidat Oberst Long wurde mit 4760 Stimmen gewählt gegen 3585 Stimmen, welche auf den liberalen Candidaten fielen. Bei der letzten Wahl hatte die konservative Majorität 580 Stimmen betragen. * London, 24. Januar. (Telegramm.) Der Schatz kanzler Sir W. Harcourt hielt gestern in Derby eine Rede, in der er ausführte, nie sei der europäische Friede mehr gesichert gewesen als gegenwärtig. Falsche Gerüchte seien auSgestreut worden, um Zwietracht in die Reihen der Liberalen zu säen. Wenn die Partei so einig wäre wie daS Cabinet, so wäre Alles aufs Beste bestellt. * London, 24. Januar. (Telegramm.) Lord Randolph Churchill ist beute früh 6 Uhr gestorben. Churchill, jüngerer Sohn des 7. Herzogs von Marlborough, geb. 13. Februar 1849, stndirle in Oxford und trat 1874 ins Unter- Haus. Ent nach dem Tode Beaconsfield's 1881 begann er sich geltend zu machen, indem er einen förmlichen Cultus mit diesem trieb und eine heftige Opposition gegen Gladstone damit verband. Durch Gewandtheit, Schlagfcrtigkeit und große Rücksichtslosigkeit wußte er sich in de» Vordergrund zu stellen, und in Nachahmungen von Bcaconsfield's „Jung-England" gründete er die conjervalive Gruppe der sog. „Vierten Partei" und 1884 den sog. „Primeln bund", der die Lieblingsblume Beaconsfield's als Symbol führt und alle conservativen Elemente zur Förderung der Parteiintereffrn vereinen sollte. Er solgle Beaconsfield auch in der Vertretung der Grundsätze einer Torydemokratie, welche die liberale Regierung in Allem anscindete, aber ebenso den strengeren Tories rin Greuel war. Seine Stellung im Parlament verschaffte ihm im ersten Cabinrt Salis» bury's (Juni 1885 bis Januar l88tt) das Ministerium für Indien und thatsächlich besaß er auch bereits die Führung des Unterhauses. Dem kurzen dritten Ministerium Gladstone's (1886) machte er die heftigste Opposition; unter Salisbury wurde er im August 1886 zum Schatzkanzler ernannt. Seine Person stand im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Ganz unerwartet legte er am 23. De- cember 1886 sein Amt nieder, rin Schritt, der die vollständige Um- Wandlung des Cabinets zur Folge hatte. Seitdem trat Curchill bei verschiedenen Gelegenheiten hervor; in einer Versammlung zu Bir mingham im Juli 1889 trat er scharf gegen die egyptische Politi! Salisbury's auf. wie er sich denn überhaupt ganz unberechenbar in seinem politischen Vorgehen gezeigt hat. Im Juli 1892 wurde er wieder ins Parlament gewählt. 1891 unternahm er eine Reise nach Südafrika und veröffentlichte darüber ,.Ken, miues rmck »uimals in 8outll Atrien" (London 1892). Seine Reden (1880—1888) erschienen gesammelt in 2 Bänden (London 1889). Rußland. * Petersburg» 23. Januar. Der Zar ordnete die Schließung deS Palastes in Gatschina an; der Palast bleibt unbewohnt. Alle Meldungen über bevorstehende Aus landsreisen des Kaisers sind unbegründet. Vor Be endigung des Trauerjahres unternimmt der Zar keine Aus landsreise. (Magdeb. Ztg.) * Petersburg, 23. Januar. An Stelle des verstorbenen Sabottinwird demnächst Woronzow-Weljaminowin Warschau zum Chef des Militair-Geniewesens ernannt werden. (B. L.-A.) Orient. ' Athen, 23. Januar. Das neue Cabinet wird vorauS- ichtlich, wie folgt, sich zusaiiniieiisetzen: Nicola DelijanniS früher Botschafter in Paris) Präsidium und Auswärtiges, Oberst Papadiamantopulos Krieg, BlachoS CultuS, SchissScapitain Kriesis Marine, KontostavloS Innere« und DrimeziS Finanzen. Die Lösung wird morgen erwartet. * Belgrad, 23. Januar. Nicola Christitsch, der Sohn des CabinelSchesS, ist zum serbischen Gesandten in Bukarest und Tjcheda Myatowitsch, früher Gesandter in Bukarest, zum Gc- ändten in London ernannt. * Sofia, 23. Januar. Prinzessin Maria Louise ist heute Nacht in Begleitung des Prinzen Ferdinand hierher znrückgrkehrt. Asien. * London, 23. Januar. Nach einer Meldung des ameri kanischen Gesandten in China werden sich die chinesischen Gesandten am 28. Januar nach Japan begeben. (?) Afrika. * Rom. 23. Januar. Die „Ngenzia Stefani" meldet an« Tanger: Der italienische Dampfer „Liguria" ist ans der Fahrt nach Brasilien in Tanger ringelaufeo. Amerika. * Washington, 23. Januar. Der Staatssecretair des Auswärtigen, Gre sh am, benachrichtigte den Congreß, daß er den zur Erfüllung der Verbindlichkeiten der Gereinigten Staaten auf Samoa erforderlichen Betrag auf 6000 Dollars schätze. * BnenoS-AhreS, 23. Januar. DaS Ministerium ist definitiv wie folgt zusammengesetzt. Zorilla Inneres, Römers Finanzen, Bermijo Justiz. Amancio Alcorta Auswärtiges, Oberst Bolza Krieg. Manne. * Berlin» 23. Januar. Laut telegraphischer Meldung an das Ober-Commando der Marine ist S. M. S. „Gneisenau", Kom mandant Corvetten-Capitain da Fonsecu-Wollheim, am 22. Januar in Neapel eingrtrossen und beabsichtigt am 28. d. M. nach Port Mahon in See zu gehen. Preußischer Landtag. Q Berlin, 23. Januar. Im Abgeordaetenhause wurde heute die erste Etatsberathung zu Ende geführt. Nachdem alle Parteien bis auf die Polen ihren Standpunci bereits durch FractionS- redner kundgethan hatten, schloß heute der Abg. Motty (Pole) die Reihe der varteiofficiellen Redner; er zeigte sich hauptsächlich über den neuen Verein für das Tenksckithnm im Osten erregt, im Urbrigen meldete er nur längst bekannte Wünsche an. Sodann sprachen noch dir Abgg. von Eynern (nat.-lib?, Gothein (sreij. Bereinig.), Wallbrecht (nat.-lib.), Schwarze und l>r. Bachem (Centr.) und vr. Friedberg (nat.-lib.) und die Minister Dr. Miquel, Or. Bosse und Thielen. Der Abg. v. Eynern wies zunächst den polnischen Angriff auf dir deutsche Jnieressenbewegung zurück und legte dann nochmals mit nachdrücklicher Betonung das Bedürsniß einer sicheren Grenzregnlirung der Reichs» und Landesfinanzen dar. insbesondere im Hinblick aus die Noth der Gemeinden, denen er vor Allem das Recht einer höbere» Belastung des Bieres reclamirte. Im Rückblick auf die durchgesührtr Steuerreform rügte er. Laß dir Steuererklärungen nichts weniger als geheim gehalten würden. Dann stellte er di« klerikalen und nicht minder die hoch- conservativen Machenschaften in rin sehr scharfes Licht und wies zum Schluß ebenfalls auf die Gefahr eines preußischen Par- ticularismus hin, falls der Reichstag den lebhaften Appell an seine Pflicht nicht verstehen sollte. Minister 0r. Miguel stellte einige dieser Ausführungen richtig und verfehlte nicht, die weitere Ausnutzung des Bieres als Steuerobjects zunächst für Staat und Reich vorzubehalten. Ans den sonstigen Reden ist nur etwa noch hervorzuheben, wie Minister vr. Bosje zwar dem Centruin gegenüber versicherte, daß er seine Räthe an- weise, nicht von ihnen dirigirt werde, demnächst aber in viel be merkter Weise dem Centrum seine weitreichende Geneigtheit zu ver« trauensvoller Verständigung bekundete. Ein Lehrrrbesoldnngs- gesetz ist nach der Erklärung des Ministers soweit vorbereitet, daß es noch vor Ostern an den Landtag kommen dürste. Skizzen aus Leipzigs Lriminalgeschichte. Bei dem diesjährigen ersten Vortragsabend, welchen der Verein für die Geschichte Leipzigs Mittwoch am 16. Januar unter Vorsitz Herrn Eduard Mangner's im Thüringer Hofe abhielt, wurden zunächst Anmeldungen von neuen Mitgliedern und Schenkungen für die Bereinssammlunge» entgegengenommen. Dem folgten Be sprechungen über innere Verhältnisse. Ten Vortrag, „Skizzen aus Leipzigs Crimiualgeschichte", hatte Otto Mojer über nommen. Eine wichtige Errungenschaft hatte dem Rothe der Stadt Leipzig das Jahr 1434 gebracht, wo Kursürst Friedrich und sein Bruder Herzog Siegismund ihm di« nn Weichbild« der Stadt gelegenen Obergerichte wieder käuflich für 3000 Gülden überließ. Um dir gleiche Summe trat Herzog Georg der Bärtige im Jahre 1508 die Lbergerichte der Stadt für alle Zeiten ad, doch wurden von dieser Gerichtsbarkeit die landesherrlichen Beamten und die Universitäts- Mitglieder ausgenommen. Kaum hatte die Stadt die Obergerichtsbarkeit erlangt, so war man auch beflissen, di« äußeren Zeichen derselben, einen Rabenstein und einen Galgen, aufzubauen. Elfterer stand auf dem jetzigen Barnim folgende Bekanntmachung: »Da einige Wahr nehmungen die Annahme nahe gelegt haben, daß auch von den Polizeibehörden bei der Bearbeitung dieser Sachen nicht überall mit der wllnschenSwerthen Schnelligkeit verfahren wird, so werden die städtischen und ländlichen Polizeibehörden auf die Nothwendigkeit einer raschen Er ledigung der bezeichnten Sachen, insbesondere der von den Staatsanwaltschaften und den Strafgerichten an sie gerichteten Ersuchen hierdurch hingewiesen." — Die „Kölnische Zeitung" bedauert die Jnteresse- und Theilnahmlosigkeit, die wieder bei der Berathung des Gesetzentwurfs zur Abänderung der Strasproceß- ordnung bervorgetreten sei: „Da redet man seit einem Jahrzehnt von einer mächtigen Be wegung in der Bevölkerung zum Zwecke der Wiederzulasiung der Berufung und der Entschädigung sür unschuldig Berurtheilte, und bei der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, der dieser Bewegung Rechnung trägt, ist in dem Sitzungsjaale deS Reichstags noch nicht ein halbes Hundert Mitglieder zur Stelle! Man hat gut reden, daß die große Mehrheit des Hauses an den juristischen Einzelheiten des Entwurfs kein Interesse besitze und sich auch an der Berathung derselben mit Erfolg nicht brtheiligrn könne. In der Vollversammlung werden bekanntlich keine Einzelheiten erörtert, hier handelt es sich nur nm die großen, leitenden Gesichtspunkte, und wir meinen doch, daß diese auch für dir Nichtjuristen Interesse haben sollten, sonst wäre Alles, was über die politische und sociale Bedeutung dieser Reformen gesagt und geschrieben wurde, lediglich als der reinen Wahrheit entbehrende Redensart zu betrachten. Im klebrigen darf aus Grund der Verhandlungen sestgestellt werden, daß die ver bündeten Regierungen die Vorlage keineswegs als ein in den Einzel heiten nicht abzuänderndes Werk betrachten, sondern bereit sind, über diesen und jenen Pnnct mit sich reden z» taffen, insbesondere auch über die viel angrseindete Bestimmung bezüglich der Geschästs- verthellung bei den Gerichten, die, wir heute schon sestgestellt werden kann, nicht die geringste Aussicht aus Annahme besitzt." — Der Provinziallandtag der Provinz Brandenburg ist zum 17. Februar nach Berlin berufen worden. Bekanntlich pflegt der Kaiser an dem der Eröffnung folgenden Festmahl theilzunehmen. — Der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha wird Sonn abend zur Feier des Geburtstages des Kaisers hier eintrrfsen. — Der kaiserliche Botschafter in Paris Gras zu Münster hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen. — Landeshauptmann vr. W. Schmidt, der unlängst nach einer dreivierteljährigen Reise von den Marjchall-Jnseln zurückkehrte, ist seinem vor einem Jahre von Jatuit aus gestellten Antrag gemäß zur Disposition gestellt worden. Sein Befinden hat sich seit dem erheblich gebessert. ' Schleswig» 23. Januar. Zum Landesdirector der Provinz Schleswig-Holstein wurde auf die Zeitdauer von 6 Jahren der Landrath von Graba in Kiel gewählt. — Dem bisherigen LandeS- dirrctor v. Ahle seid ist der Charakter als Wirklicher Geheimer Rath mit dem Prädicate Exeellenz verliehen worden. * Mülheim a. d. Ruhr, 22. Januar. Das Gewerbegericht sprach sich einstimmig für die Errichtung einer Centr al- Arbeitsnachweisstelle aus und hielt cs für zweckmäßig, daß dieselbe nicht nur auf gewerbliche, sondern auch auf landwirthschaftliche Arbeiter, sowie aus kaufmännische Gehilfen, Gesinde und Lehrlinge sich erstrecke. Die Benutzung deS Nachweises soll für die Arbeitnehmer kostenfrei sein, da gegen haben die Arbeitgeber eine geringe Gebühr zu bezahlen. * Schmalkalden, 23. Januar. Der Wahltermin für die Reichstagsersatzwahl ist nunmehr auf den 28. Februar festgesetzt. (M. Z.) * Wiesbaden. 2l. Januar. Heute Nachmittag */r2 Uhr wurden auf Befehl des Obersten und RegiinenlscommandeurS die Tbore der diesigen Jnfanterie-Caserne geschlossen und hierauf wurde sofort in den Mannschaftszimmern eine eingehende Untersuchung nach etwa vorhandenen social- demokratischen Schriften vorgenommen. Man hat aber solche Schriften nicht gefunden. — Einen Tag später fanden in den Casernen von Mainz Nachforschungen nach social- demokratischen Schriften statt. Wie die „F. Z." vernimmt, wurde bei einem Soldaten ein socialistischeS Flugblatt ausgefunden. Der Soldat wurde zu einer mehrtägigen Arreststrafe veiurtyeilt und wird nach deren Verbüßung in eine andere Garnison versetzt werden. * Darmstadt, 22. Januar. Dem Pfarrer Wenck, der in der von Pfarrer Naumann herausgegebenen „Hilfe" einen Artikel über Voll mar veröffentlichte, ist vom hessischen Oberconsistorium nahe- grlegt worden, von seiner Reijetdütigkrit nn Großherzogthum vorerst «ud bis er durch die literarische Darlegung seiner von der Social demokratie abweichenden Meinung den „übelrn Eindruck" seines Artikels einigermaßen beseitigte, adzusehen. * Mannheim, 23. Januar. Der antisemitische „Volks bote" wurde wegen eines Artikels „Sang an Abram" confiScirt. * Stuttgart, 23. Januar. Auch die Deutschconserva- tiven stellten, laut dem „B. T.", einen eigenen Candidaten für die Landtagswahl im hiesigen Stadtbezirk auf, der nun fünf Candidaten hat. Die Uneinigkeit der bürgerlichen Parteien macht den Sieg des socialdemokratischen Can- didaten Kloß wahrscheinlich. Oesterreich-Ungar«. * Wien, 23. Januar. Der heutige Ball der Stadt Wien nahm einen glänzenden Verlaus. Der Kaiser ver „Gestatten Sie, daß ich Ihnen kurz und bündig und mit derselben Offenheit und mit demselben Anspruch an Ihre freundschaftliche Nachsicht begegne, die Sie seiner Zeit mit selbstverständlichem Erfolg von mir erbaten, verehrter Herr Gras", nahm Graf Adam nun wieder mit vollkommenster Ver bindlichkeit das Wort. „Meine Nichte besitzt nicht die Gefühle sür Sie, die ihr für eine Ehe erforderlich erscheinen. Sie möchte Sie bitten, ohne Aufsehen und bevor Weitere- in die Oeffentlichkeit dringt, Ihre Ansprüche an sie fallen zu lassen. Meine Schwester und mein Schwager waren durchaus für die Partie. Deshalb batte sich Eva aus Pietät gefügt. Sie fühlt aber, daß es nicht geht! Sie kann Sie bei allem höchsten Respect vor Ihren Vorzügen nicht heirathen, Herr Gras." Ein förmliches Zittern bemächtigte sich des Grafen bei dieser Erklärung, und nachdem Jarl geendigt batte, drang ein bisber mühsam unterdrücktes Stöhnen auS des Mannes Brust. Auch fehlten ihm zufolge der ungeheuren Erregung zunächst die Worte. Da lag nun, durch ein paar Wörtlein gefällt, daS ganze stolze Gebäude seiner Hoffnung. So maßlos war die E»t- täuichung, daß sich seine Wangen kreideweiß färbten und die Hände zitternd hin und her flogen. „WaS Sie mir eben eröffnet baden, Herr Graf, ist so sehr gegen alle Erwartung, nach dem bisherigen Verlauf der Dinge so überaus überraschend und schmerzlich, daß ich vergeblich nach Worten suche", bob er, gegenwärtig noch mebr unter dem Eindruck der Enttäuschung stehend, als in Auflehnung gegen den Sprecher, a». „Sie werden begreifen, wie Ihre Erklärungen auf mich wirken müssen. Ick bitte Sie deshalb auch, bevor ick mich äußere, Ihnen eine Frage vorlegen zu dürfen. Kommen Sie, es sei erlaubt, im Aufträge der Eltern, oder auf Ihre eigene Veranlassung? Wissen jene von Ihrem Besuch bei mir? Sendet Sie Comtesse Eva?" Der letzte Satz klang schon zuversichtlicher. Während der Rede batte sich der Mann bereits wieder an seinen Hoff nungen erstarkt. Etwas Eigensinniges machte sich geltend im Ton der letzten Worte. Starker Eigensinn kennzeichnete über haupt seinen Charakter. Ob schon Gras Jarl als Menschenkenner aus Brede'S Haltung die Ueberzcugnng gewonnen batte, daß er entschlossen sei, nur kämpfend da« Schlachtfeld zu verlassen, hielt er es doch für gegeben, noch einen letzten Versuch zu machen. Eine versöhnlichere Stimmung bei dem Grafen durch eine sreimüthig liebenswürdig sich unterordnende Miene einholend, sagte er: „Nein, ich komme obnc Wissen der Eltern, verehrter Herr Graf. Auch bin ich nickt von meiner Nickte abgesandt, sondern ich habe dem armen, grenzenlos geängstigtc» und bedrückten jungen Mädchen vorgeschlagen, mit Ihnen als Mann von Herz und Ehre zu reden. Ich stehe — so habe ich ihr zu gesprochen — unter dem Eindruck, daß ich einem CavaUer Jbres Schlages nur zu erklären nöthig habe, waS ich mir gestattete. Ihnen vorzutragen. Sie würden ein Mädchen, das Sie nicht liebt, das sich nur auS PietätSgründen Ihnen zu eigen zu geben, entschlossen hatte, nicht zwingen wollen! DaS ist meine Antwort auf Ihre Fragen, Herr Graf, und ich bitte Sie herzlich und insländigst, lassen Sie mich in meinen Voraussetzungen nicht täuschen. Meiner Nickt Dank — ich füge das noch hinzu — wird schrankenlos sein!" Jarl dielt inne und beobachtete des Grafen abgewandte Mienen. Er kämpfte sichtlich einen gewaltigen Kampf. Dennoch siegte die Leidenschaft und die Unfähigkeit, auf so sehnsüchtig Begehrtes und so siegreich Erstrittenes so rasch, ja überhaupt zu verzichten. Jetzt wieder unsicher sprechend und ohne daS Auge zu er heben, erwiderte er: „Eine bindende Antwort vermag ich Jbnen nicht jetzt zu geben, Herr Graf. Unmöglich. Ich muß erst noch einmal mit den Betbeiligten selbst sprechen! DaS ist mir nicht nur natür liches Bedürsniß, sondern ich erachte es als eine selbstverständliche Rücksicht, die ich nicht nur mir, sondern auch Ihren Ver wandten schuldig bin. Ich werde prüfen und so entscheiden, wie ich es aus den sich mir aufdrängenden Eindrücken und vor meinem Gewissen zu verantworten vermag. Also ich bedauere, Ihren Wünschen nicht willfahren zu können, Graf Jarl! Dinge so ernster Natur bedürfen doch der tieferen Klärung. Mädchenherzen sind veränderlich, wie die Himmelsdecke über unS —! äch muß selbst mich über zeugen —" „Eben daS, Herr Graf, eS sei mir erlaubt einzuwenden, babe ick durch meinen Vortrag verhindern wollen. Ich bitte Sie ans daS Dringenste, davon abzusteben. WaS beute noch Len vornehmsten Charakter trägt, wird durch weitere Erklärungen nicht nur einen äußerst peinlichen Inhalt gewinnen, sondern sicher zu einer Entfremdung führen, die meine Nickte, bei der Achtung, die sie sür Sie empfindet, unter allen Umständen verhindern möchte. Sie wünscht sich daS schöne Bild von Ihnen ungetrübt zu erhalten. Ein nochmaliger Versuch von Ihrer Seite trotz meiner Erklärungen würde in ihr vernichten, was sie Gutes für Sie in ihrem Herzen trägt. Und es sei gesagt, eS muß jetzt gesagt werden, Herr Graf: Jeder Schritt ist vergeblich. Meine Nichte ist seit gestern ent schlossen, lieber zu dem Aeußersten zu greifen, als Ihre Ge mahlin zu werden. Sie wird Ihnen unter keinen Umständen die Hand reichen! Vielleicht werden Sie mir jetzt die erbetene Erklärung geben. Ich bedaure tief, Herr Gras, daß ich Ihnen wehe thue, daß ich Ihnen eine so ungeheure Enttäuschung bereiten muß Aber eine verlorene Sacke verfolgen wollen, gar eine so delicate, heißt sich nur noch mehr Qual bereiten. Ich spreche also nicht minder in Ihrem Interesse. Ich bitte, seien Sie ein Mann, fügen Sie sich den Umständen!" Brede batte den Kopf bewegt und immer wieder bewegt bei dieser Rede, wie Jemand, der Wohl hört, aber längst ent schlossen ist. Gründe nicht mehr auf sich wirken zu lassen. Ein Neigen de« Hauptes, äußerlich halb zustimmend, aber innerlich völlig unempfindlich. „Ich bin Ihnen verbunden, daß Sie mir nichts verhehlen, Graf Jarl", entgegnete er spröde sich windend. „Jndeß bitte ick dock, auS den schon entwickelten Gründen mit den Ihrigen mich selbst aussprechen zu dürfen, gleichviel, mit welchem Resultat! Es gelangt meine Erklärung ja auch so an die eigentliche Adresse! Ich entbinde Sie der Mühe weiterer mühevoller Vermittelung." Diese letzten, gereizt und abweisend gesprochenen Worte trieben Graf Adam daS Blut in die Schläfen. Nach seinen Auffassungen mußte der Mann jetzt bedingungs los sich fügen. Ueberbaupt war in seinen Augen irgend ein Schwanken ausgeschlossen! Etwas von tiefster Verachtung regte sich in ihm bei solcher egoistischen Hartnäckigkeit und Unvornehmbeit. Und ein Mann solchen Schlages sollte eine- solchen Engels Gatte werden? Zu ekelbaft gab sich die Welt, die er bisher mit voller Seele geliebt halte. Ja, grau war alle Theorie! Nichts kannte ein Mensch auf den Grund, WaS er mcht selbst an sich erfahren! Er erhob sich und sagte mit eisiger Kälte: „Nun wohlan, Herr Graf, so mögen Sie e- denn wissen, Comtesse Eva ist nicht mehr in Berlin. Sir hat auf die Even tualität bin, daß Sie bandeln könnten, wie leider die That» sacke» vorliegen, daS Elternhaus verlassen und sich unter meinen Schutz gestellt. (Fortsetzung fotzt.)
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