Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950206025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895020602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895020602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-02
- Tag 1895-02-06
-
Monat
1895-02
-
Jahr
1895
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Prei- >» Hauptexpeditto» oder de» 1» Gtadt» bezirk und den Lororten errichtete» AuS- »^rstelln, ab,»holt: vtetteljührttch^l».ö<X »ei »weimoliger täglich« Zustellung m« Hau« ^l b.üE Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrtrljSdrlich «ch 8.—. Direkte tägliche Areuzbandirudung 1»s Ausland: monatlich ?.öO. Ase Morgen-Ausgabe erscheint täglich '/,7UH^ di« Abeud-Autgab« Wochentag» v Uhr. Ne-rrtton und Lrveditioa: Z»h»u«e»,afie 8. Dte En»edtti»» ist Wochentag» ununterbroch«» gedffaet »M früh 8 bi» Abend» ? Uhr. /ittalen: Vtt» Me««'» Eortim. (Alfred Haha), UniversitätSstratze 1« Louis Lösche. Kothariuknstr. 14, pari, und Sönlg-platz?» Abend-Ausgabe. UchMtrIllMalt Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr^^ «»zeig ^le S gespaltene Peti -teclameu unter dem Re^ spalte») S04. vor den Fa. (6 gespalten) «0 Größer» Schriften laut uusi »erzetchaiß. Tabellarischer u, »ach höherem Tarif. Srtr«-Beilagen (gesalzt), aur mir t» Morgen.Ausgabe, ohne PoslbesörderulG Ä.—, m,t Postbeforderuug 7V.—. Amralsmeschluk siir Anzeige»-. Abend-Au-gabr: Bormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags »Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» j« ei»a halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Gg»editt»n zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig ^°K8. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. Februar. Kurz nach Schluß der gestrigen Plenarsitzung deS Reichstags, über die bereits im Moraenblatte zur Genüge berichtet worden ist, trat die Geschästsordnungö- Commission zu einer Sitzung zusammen, deren Berlause man mit gespannter Erwartung, aber auch mit der Hoffnung entgegensah, die Commission werde die Frage der Erwei terung der Disciplinargewalt im Reichstage zu einer befriedigenden Lösung bringen und dadurch nicht nur die drohende Präsidenten-Krisis beseitigen, sondern auch die Gefahr erneuter staatsanwaltschaftlicher Versuche, in das Disciplinarrecht der Volksvertretung über ihre eigenen Mit glieder emzugreifen, beseitigen. Unmittelbar vor Beginn der Commissions-Sitzung schrieb die „Nat.-Lib. Corr.": „lieber die Erweiterung der Disciplinargewalt im Reichstag scheint eine Verständigung nunmehr gesichert zu sein. Wie erinnerlich, war in der Geschäftsordnuligs.Commission des Reichstags von nationalliberaler Seite vorgeschlage», ein Mittel zu schaffen, daß Unruhestifter von der Sitzung aus geschlossen werden könnten. Durch die ablehnende Haltung des Eentrums war diefer Vorschlag zunächst zu Fall gekommen. Doch bemerkten wir damals bereits, daß diese Entscheidung als end- gütige nicht angesehen werden könne. Auf Seiten des Centrums war ja der Gedanke des Ausschließens von Störenfrieden a» sich nicht -zurückgewiesen worden, nur wollte man in einige» Nebenbezichungen hinreichende Sicherheit haben, daß den Wühlern des ausgeschlossenen Abgeordneten keiner ihrer Ansprüche verkümmert werden könnte. Die Formulirung eines Ersatzvorschlags an Stelle des abgelehnten nationalliberalen Antrags blieb Vorbehalten und liegt nun für die heute Abend anberaumte Sitzung der Commission vor. Darnach will das Centrum nicht durch Beschluß des Hauses, sondern einfach durch den Präsidenten den Aus- schluß geschehen lassen. In dieser Hinsicht scheint der nationalliberale Antrag sogar verschärft zu sein. Doch soll der Ausschluß nicht für den Tag der Sitzung gelten. Nach dem älteren Anträge konnte der Präsident die Sitzung schließen, wenn der Ausgewiesene sich weigerte, freiwillig den Saal zu verlassen, und bald darauf eine neue Sitzung abhalten, für welche der Ausschluß fortgegolten hätte. Nach dem Centrumsantrage soll der Ausschluß nur für die Tauer der Sitzung zulässig sein, und während ein Mitglied ausgeschlossen ist, soll keine Ab stimmung vorgenominen werben, außer über die Erledigung der ordent lichen Geschäfte des Hauses selbst. Mit diesen Bürgschaften für die Wähler und mit der Einschränkung betreffs der Dauer des Ausschlusses wird nun die ganze Frage wohl ihre positive Lösung finden. Als end- giltige braucht man sie nicht anzusehen. Es mag aber einstweilen genügen, daß die principielle Entscheidung betreffs der Ausweisung von Störenfrieden aus dem Saale getroffen wird. Der praktischen Erfahrung taun cö dann onheimgrstellt bleiben, ob die Ausweisung als Disciplinarmittel so, wie sie vorgesehen ist, sich wirksam hand haben läßt. Am besten natürlich, wenn diese Frage überhaupt nie mals aufgeworfen zu werden braucht". Aber leider hat der Verlauf der Sitzung diese Hoffnnng zu nichte gemacht. Die Beratbung ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Nicht nur die auf die Erweiterung der Disciplinargewalt gerichteten Anträge wurden ab gelehnt, sondern auch die Anträge des Präsidenten v. Levetzow auf Herabsetzung der Beschlußfähigkeits ziffer, sowie auf Verlesung der bei namentlichen Ab stimmungen oder bei Namensaufruf fehlenden Mitglieder. Die letztere Ablehnung ist von nebensächlicher Bedeutung; von um so größerer der Widerstand der Hälfte der Com mission gegen eine Erweiterung der Disciplinargewalt des Reichstags, denn diese Ablehnung stellt nicht nur den Rücktritt des Präsidenten v. Levetzow, sondern auch neue staatsanwaltschaftliche Versuche in Aussicht, parla mentarische Ausschreitungen vor das Forum der Gerichte zu ziehen. Zu welchen Folgen jener Rücktritt und solche Ver suche führen können, läßt sich kaum übersehen. Die Möglich Mittwoch den 6. Februar 1895. 88. Jahrgang. keit ist daher auch noch nicht völlig ausgeschloffen, daß daS Plenum seine Commission beschämt unv über einen neuen Antrag sich verständigt. Aber bei der immer deutlicher hervor tretenden Sorge der CenlrumSabgeordneten vor dem Groll des demokratischen Theiles ihrer Anhänger ist die Aussicht auf eine Verständigung im Plenum nur gering. Und das ist um so bedauerlicher, je wahrscheinlicher es ist, daß die Haltung des Centrums in der Frage der Disciplinargewalt des Reichstags nur ein Vorbote der Haltung dieser Partei bei den Schlußabstimmungen über die Umsturzvorlage ist Das Ergebniß der Land tags Wahlen in Württemberg wird von der particularistischen und demokratischen Presse unter deftigen Ausfällen auf die Unterlegenen bejubelt. Das ist herkömmlich und unschädlich. Ueberaus bedenklich aber ist ein Versuch der „Nvrdd. Allgem. Ztg." die Dinge, die zu dem bedauerlichen Resultate gerührt haben, geradezu auf den Kopf zu stellen. Das Blatt schreibt: „Fragt man »ach den Gründen, weshalb die bisherige Rechte der würtleinbergischen Kammer so schlecht bei diesen Wahlen ab- geschnitten bat, so wird man kaum der Meinung zuneigen können, daß die Wählerschaften dort plötzlich ein erhebliches Stück demokra tischer geworden seien, als sie bisher waren. Bei ernstlicher Prü fung dürfte sich vielmehr ergebe», daß es Fehler besonderer Art der Rechte» waren, welche die Stimmung der Wähler ungünsiig beein flußten. Machte die letztere demokratischen Tendenzen allerlei Cv»- ceisionen, glaubte man der sogenannten „Mißstimmung im Süden" am besten dadurch Rechnung zu tragen, daß man sich eben die „kritischen Gedanken" aneignete, welche die particularistische Demo kratie ihrerseits zum Ausgangspunkte des Wahlfeldzuges nahm, ließ man sich eine nicht in Tbatsachen begründete, sondern auf Fictionen beruhende Oppositionsstellung ausnöthigen, so war es nicht unbegreiflich, wenn die Wähler glaubten, daß, sosern die Dinge wirklich so lägen, sie am besten thäten, lieber gleich der principiellen Opposition ihre Stimme zu geben. Daß es sich bei dieser unüberlegten Pflege von „Belstimmungen" wesentlich um Reichsangelegenheiten handelte, fiel sür die Wirkung nicht ins Gewicht. Mit biejer Stelluiignahme hat der siaatserbaltende Theil der württrmbergischen Wähler sich natürlich nicht für immer zu demokratisch-particularistijchen Zielen bekennen wollen. Immerhin aber sind diese Wahlen ein lehrreiches Beisviel dafür, wohin es führt, wenn Parteien, die auf dem Boden der Reichstreue und antidemokratischer Auffassungen stehen, in der Meinung, gewissen thatsächlichen oder vermeintlichen „Miß stimmungen" Rechnung tragen zu müssen, sich zu einer Haltung drängen lassen, die ihrem Grundcharakter und ihrer allgemeinen Stellung im öffentlichen Leben nicht entspricht." Die „Nordv. Allg. Ztg." wird unverkennbar noch von einzelnen Ressorts zu vfficiöser Darstellung benutzt, ob auch seitens deS politischen Departements, ist nicht recht klar. Wir hoffen jedoch, daß die Berliner Regierung an der wieder gegebenen Auslassung gänzlich unbetheiligt ist. ES wäre geradezu verhängnißvoll, wenn die nationalen Parteien — und nicht nur in Württemberg — gezwungen würden, Verunglimpfungen, wie die vorstehenden, abzuwehren und die Mißstimmung in den Bundesstaaten, sowie ihre wahren Gründe öffentlich zu erörtern So tauge man glauben darf, es mit privaten Eiw gedungen eines wenig geachteten Blattes zu tbun zu haben ist jene Nothwendigkeit nicht vorhanden und genügt es, im Allgemeinen festzustellen, daß die deutsche Partei in Württem berg sich ihre Mißerfolge zugezogen hat, weil sie Alles daS nicht getban, was ihr die „Norbd. Allg. Ztg." zum Vorwur* macht. Wir wiederholen den Ausdruck der dringenden Er Wartung, die Negierung möge nickt die Nötbigung herbei führen, sür diese Behauptung den Beweis zu erbringen. In Frankreich mehren sich die Anzeichen, daß eine Erstarkung der konservativen Richtung im Gange ist Vielleicht werden schon die nächsten oder übernächsten Wahlen der conservativen Partei die Führung verschaffen. B-rb-r,uu»g Si«u»S-n m?. L V-h-d.i. 2-- "°» erreicht worden war. und dieser Der eine Bedeutung durch die Tendenz des Votums. Der Redner der Radikalen. Prudent-Derv.llerS, hatte es diesmal nicht sür nötbiz gehalten, seinen Antrag m.t den gewöhn,°n Redensarten zu begründen, Er sagte offen, daß bm^un den Seiniaen weder um die Ersparnis noch um me .cuv ickkeit sondern hauptsächlich um eine Manifestation tbun se , daß !r Einspruch gegen die Verleugnung des repubt. an.sch-n Gedankens unv die Einmischung ves fremden Klerikatism in die inneren Angelegenbeiten des Landes "heben woll - Der republikanische Gedanke und das Land blieben ihn die Antwort nicht schuldig, und zusammengehalien mit dem drei Tage vorher gefaßten Beschlüsse, den btsciplinarisch ge straften ^Geistlichen die gesperrten Gehälter °u^ubezahlen, bekundet diese Antwort de» festen Willen, die Ruhe im Innern durch religiöse Streitigkeiten nicht zu gefährden und den Einfluß der Kirche auf die Bevölkerung nicht berabzu- drücken. Eine solche Jnconsequenz batte der repubUkanische Gedanke zu Jules Ferry's Zeiten sich nicht ^ Schulden kommen lasten, und ebenso wenig würde er b'S M Glorificirung Canrobert's, w,e sie d,e gegenwärtige Re gierungsmehrheit der Kammer ferug gebracht hat, »entehrt haben. AlS am l2. Januar 1877 Cassagnac aus der Tribüne e.ne Berherrlichung des Staatsstreiches vom Zaune brach, schnitt ihm unter dem Beifall der Kammer der Präsident Grvvy, ein eingefleischter BouraeoiS, das Wort m.t der Bemerkung ab. daß Alle, auch die Soldaten, die an diesem Verbrechen Tbeit haben, dem Hasse der Nation sür immer verfallen seien. Dem republikanischen Mißtrauen in die Armee ist das höchste Vertrauen in dieselbe gefolgt; heule treibt man mit der selben einen förmliche» Cultus. Wobin führt nun diese Strömung am letzten Ende? Soweit sie der Kirche zu Guie kommt, ist eine Weiterentwickelung in absehbarer Zeit kaum denkbar; sie wird sich vorerst mit der B hauptung der eroberten Positionen begnügen müssen. Der CuttuS der Armee jedoch wird durch chauvinistische Einflüsse verstärkt; er kan» ohne dieselben nicht lebendig erkalten werden, und seine Steigerung zeigt uns als letzte unabwendbare Phase — den Krieg. -t.aS ist eine Folgerung, welche Jene, dir diesen Cultus fördern, gewis nicht beabsichtigen. Sie zwingt sich nichtsdestoweniger auf Um die Gefahr im Innern zu beschwören, bereuet man, un bewußt und obne es zu wollen, eine äußere Gefahr vor. Aber diese Gefahr liegt hoffentlich noch so weit unter dem wolkenlosen Horizont, daß wir ihr für den Augenblick ruhic ins Auge zu sehen vermögen. Die marpkkanische Politik Spaniens ist augenblicklich durch Verbandlungen mit dem in Madrid weilenden Special gesandten Marokkos sehr in Anspruch genommen. Marokko wünscht Stundung der von Martine; Campos stipulirten Kriegsentschädigung, und daS Madrider Cadinet ist nickt abgeneigt, diesem Wunsche zu willfahren, vorausgesetzt, daß es dafür in anderer Weise binreich nde Compensation erhält. In welcher Richtung die Interessen Spaniens auf marokkanischem Boden sich erstrecken, ist kein Gebeimniß. Wenn Spanien von einer Erweiterung seiner eigenen v-is-lkst l-icks ^ " er»-::-«..- auch für jetzt Abstand nimmt, so läßt ihm doch die Sorge eine Ruhe, daß rivalifirende Bestrebungen anderer Mächte hm den Rang ablausen könnten, und das zu verhindern, erscheint um so eher möglich, je freundschaftlicher die Be ziehungen zwischen Madrid und Fez sind. Wenn es gelänge, wischen Spanien und Marokko eine Art Jnteressensolidarität ,erzustellen, welche französischen oder englischen Hegemonie- elüsten in Marokko einen kräftigen Riegel vorschöbe, o wäre damit den Bedürfnissen der spanischen Marokko- wlilik auf lange Zeit hinaus Genüge geleistet. Es ist nickt ausgeschlossen, daß sich das Madrider Cabinet mir Absichten trägt, welche aus eine Verengerung der spanisch- marokkanischen Beziehungen abzielen unv insonderheit be zwecken, die Wiederkehr einer Situation, wie die, welche zur Melitta-Expedition führte, thunlichst zu erschweren. Jedenfalls .ucht man in Madrid den marokkanischen Specialvertreter nack Kräften warm zu halten, und so begreift eS sich, wenn das Attentat des Generals Fuentes auf den Gesandten ,n ganz Spanien eine absonderliche Aufregung hervorgerufen )at. Den Madrider Politikern ist Alles daran gelegen, ,» verhindern, daß der ärgerliche Zwischenfall eine un- zünftige Rückwirkung auf den Stand der spanisch-marok- anischen Beziehungen übe. Tie amtlichen Kreise erschöpfen sich in Entschuldigungen sowohl bei dem Gesandten als bei seinen Auftraggebern in Tanger bezw. in Fe;, und der Telegraph rat mit allem Nachdruck erklären müssen, daß der Angreifer General Fuentes geistesgestört sei, mithin für die von ihm begangene Handlung nicht verantwortlich gemacht werden könne. Aus dem von der spanischen Regierung bei dieser Gelegenheit entwickelten Eifer wird man wohl den Schluß ziehen dürfen, daß es sich in der That um die Erreichung wich tiger Ziele bei der Mission des marokkanischen Vertreters nach Madrid handelt. Deutsches Reich. K. Berlin. U. Februar. Der „Vorwärts" schreibt: „Französiiche Bourgeoisblättrr, z. B. „Siöcle" und „Temps", wiederholen anläßlich der Debatten über die Diktatur in Elsaß- Lothringen die alte Gemeinheit, die deutschen Socialisten seien im Grunde ebenso chalivinistlsch wie die deutsche Regierung, deren Eroderungs- und Anuexionspotilik sie unterstützten. Die Gemein heit der betreffenden Scribente» wird höchstens von ihrer Dummheit übenrofsen. Und die französischen Arbeiter, die man gegen uns aufhctzen will, lachen die Herren nur aus." Dieser Fall ist der erste, in dem sich der „Vorwärts" mit Recht über Verleumdung beklagt. Indem er die Behauptung von der Eroberungspolitik der deutschen Socialisten ohne den leisesten Widerspruch wiederholt, sammelt er in der That feurige Kohlen auf dem Haupte der französischen Presse. * Berlin, 5. Februar. Einer von Heidelberg ausgehenden Anregung Folge gebend, haben bekanntlich die größeren Städte des Großherzogthums Baden beschlossen, den Fürsten Bismarck anläßlich dessen achtzigsten GeburtSsesteS zum Ehrenbürger zu ernennen, hierüber eine gemeinsame Urkunde außzustellen und diese durch eine Deputation überreichen zu lassen. Der Bürgeransschuß der betreffenden Städte hat diesen Beschluß nicht überall einhellig und ohne Kampsvedatten gefaßt, es machten vielmehr die Freisinnigen, die CentrumS- leute und die Socialisten sehr heftige Anstrengungen, die Sache zu hintertreiben. WaS beweisen sie damit? Etwa, daß Fürst Bismarck sich nicht um das ganze Deutsche Reich und um alle seine Bewohner obne Unterschied Der Mei nungen und Bestrebungen hochverdient gemacht habe? Be wiesen sie durch ihr ablehnendes Verhalten etwa, der Fürst sei im Grunde genommen nur eine mehr oder minder bedeu tende Parteigröße und habe daher von den anderen Parteien FritiHrtoir. Graf Jarl. 81s Roman von Hermann Helberg. Nachdruck verbot««. (Schluß.) Früher hatte Graf Jarl über alle solche Vorfälle sich souverän lächelnd hinweggesetzt. Er stand auch heute mit seinem Selbst gefühl über so nebensächlichen Dingen. Aber seit seiner Ver lobung mit Tcssa schoben sich ihre Person, ibre Ansprüche nnd die Wünsche für sie in seine Gedanken. Sie sollte den Unterschied nicht empfinden, sie sollte von den Demüthigungen nicht berührt werden, die mit jeder und auch mit dieser abhängigen Stellung verbunden waren. Und deshalb berührten ihn des Portiersobns Worte und reizten ibn, deSbalb trat er mit einer starken inneren Auf lehnung in die Wohnräume der Familie. In der That wartete auch seiner bier Verschiedenes, was sein Blut in Wallung versetzte. Der Diener öffnete nach lässig, wie man einem Supplicanten begegnet, die Thür und erklärte stark von oben herab, daß er Nachsehen werde, wo das Fräulein sei. Das Zimmer, in das Jarl, mübsam sich bezwingend, eintrat, war trotz der vorgerückten Jahreszeit nicht geheizt, und als endlich nach sehr langem Warten Mutter und Tochter erschienen, wurde nach steifer Begrüßung nicht einmal eine Entschuldigung wegen des kalten Raumes und der Verspätung ausgesprochen. Auch die Unterrichtsstunde vollzog sich nicht obne Dazwischen reden der Dame des Hauses, und als die Stunde endlich dem Ende sich näherte, entfernte sich die Mama, die einem Zuruf von draußen Foige^leistete, ohne sich von Jarl zu verabschieden. „Sie, Helsen Sie mal", herrschte Jarl dem sich durch den Flur flegelnden und zu keiner Hilfeleistung sich regenden Diener zu. Und als dieser dem Geheiß beim Anziehen des Uebcrrocks zwar nachkam, aber dabei ein äußerst unbeikommcndcS Be nehmen an den Tag legte, richtete sich Jarl souverän vor ihm empor und sagte näselnd: „Bestellen Sie Ihrer Herrschaft, daß ick nicht gewillt sei, in ungeheizten Räumen Unterricht zu ertheilen, und ferner: daß ich ihnen anempsehlc, sich für gebildete Leute mit höf lichem Dienstpersonal zu umgeben." Diesen Worten rin ürzes Adieu folgen lastend, ließ er den verdutzten Livrirten tehen. Bedrückt, finster, gesenkten Hauptes schritt Jarl einher. Er verstand sich selbst nicht und verstand sich doch! Ja, es war um ibret- um Tessa's willen, daß er Alles heute so schwer empfand, daß ihn zum ersten Mal der furchtbare Unterschied zwischen »inst und jetzt in solcher Weise sich auf drängte. Was er ihr jüngst gesagt, war aus tiefster Seele hervorgequollen, sür sie Härte er alle Schätze der Welt herbei holen mögen, für sie die Wonnen des Herrschen-, des Reich- tbums, der Lebensbequemlichkeiten berbeisckaffen mögen! Jeder Mensch, der erhabenste, ist der Diener der Verhältnisse, unv die stärkste Natur wird einmal zagbaft werden, wenn trotz aller Energie, alles Willens und Könnens das Schicksal nicht dem ehrlichen Streben nachzuhelfen die Laune bat. Man mußte, um in die Wohnung des Grafen von Barede zu gelangen, zwei mit schweren Läufern belegte Treppen emporsteiqen. Das ganze Haus war erfüllt von einem sehr scharfen Räucherwerkduft, und überall geschlossene Fenster be förderten eine dumpf schwere, den Herzschlag beorückende Lust. Als Jarl die Glocke zog, erschien derselbe Diener, der ihn am Morgen besucht hatte, und bat mit gedämpft ehrerbietiger Stimme, zunächst in ein zu denGesellschastsgemächern führendes Vorzimmer treten zu wollen. Und dann nichts mehr! Niemand ließ sich sehen, auch die Gräfin^ erschien nicht. Und auch vier war eine Luft sckier zum Ersticken, während die vielen, auf bunten Teppichen stehenden und durch dichte Vorhänge lichtgedämpften Möbel dem Gemach ohnehin etwas schwer Beengendes, SckwüleS, verliehen. Eine lange Zeit, fast fünfzehn Minuten, die ver gingen, bezwana sich Graf Avam, dann aber verließen ihn Ruhe und Nachsicht völlig. In seiner ohnehin krankhaften, durch die verschiedenen Vorfälle erhöht-reizbaren^ Gemüthsverfassung fand er sein Selbstgefühl und seinen Siolz von Neuem verletzt. Er, dem man in diesem Hause ein kleines Vermögen verdankte, stand bier wie ein Snpplicant, der Zeit zum Warten haben mußte. Schon war er im Begriff, die Hand auf den Drücker zu legen und sich ohne Abschied wieder zu entfernen, als nun endlich der Diener sich nahte und ibn unter vielen Ent schuldigungen über den Corridor in die dem Grafen ge hörenden Hinteren Gemächer geleitete. Es s-i der Arzt gerade dazcwesen. erklärte er. Eben hätten sich die Familien-Mit- glieder zurückgezogen, um ihm, dem Grafen Jarl, Platz zu machen. Graf Barüde lag, hektisch und abgezehrt, mit den grausigen Vorboten des nahen Todes in den Zügen, in einem von «denen Gardinen umschatteten hoben Himmelbett, in einem teppichb-legten, mit zahlreichen Bequemlichkeitsgegenständen angefüllten. zweifenstrigen Raum. Ueberall standen auf den Tischen Sckackteln, Büchsen und Medicinflaschen umher, und ein stark gedämpftes Licht und die auch hier herrschende dumpfe Lust verliehen dem Zimmer um so mehr den Charakter eines Sterbegemaches. Nachdem sich Graf Adam an dem Bette Barvde's nieder gelassen hatte, griff dieser zunächst mit allen Anzeichen einer tiefempfundenen Verpflichtung nach besten Hand. Und dann richtete er sich mübsam höher, guckte ängstlich um sich, als ob er sich vor Späbern fürchte, und sprach, wiederbolt durch schwere Athemnoth unterbrochen, die folgenden Worte mit berabgesenkter, tief bewegter, krank-heiserer Stimme: „Nack diesem, meinem innigsten Dank für Ihr gütiges Er scheinen lassen Sie mich gleich Ihnen im tiefsten Vertrauen sagen, was ich auf dem Herzen habe, mein tbeurer Graf Jarlk Es muß beute geschehen, da wir uns nicht Wiedersehen werden. Ich fühle, ich kann nicht leben. Sollte aber dennoch der Himmel mir gnädig sein, so werde ich dock nie Ihre Hand wieder fasten. Sie werden nicht einmal die Finger spitzen Dessen berühren wollen, der — erschrecken Sie nicht und erschweren Sie mir nicht allzu sehr die furchtbare Beichte — einen so ungeheuren Vertrauensbruch, ja, der ein solches Verbrechen an Ihnen beging. Hören Sie Alles, waö ich von meiner gefolterten Seele adlösen muß, und schenken Sie mir Ihr nachsichtiges Herz!" Er machte eine kurze Pause, warf dem unruhig auf- borchenden Jarl einen flehenden Blick zu und fuhr dann fort, wie folgt: „Sie wissen, daß ich mich in schier verzweifelten Geld verlegenheiten befand. Ich sprach mit Ihnen darüber häufia vertraulich. Nun, die Hilfe, die ich bei meinem Schwieaer- vater zu finden hoffte, fand ich nicht. Wir Zwei waren nie NN,"« ^ ^ ein Mann, der sein Geld über Alles liebte. Er war ein unerträglicher GeizbalS. Sv Voraussetzungen. Gedrängt von meinen Gläubigern, ,n meiner Ehre und Stellung bedroht, näherte mir "rum^ Horben und rielh 7 'Ult falschen Karten —. ..nv ^ Gewandtheit mir angeeignet. N '4 «ach Berlin zurück. Das Opfer dieses Betruges waren vornehmlich Sie, Gras Jarl! Nun d°» nur scheinbar. Gleich nach der That ergrisf mich d» Reue, die neben schwerer körperlicher Krankbeit, der ick gleichsam als Sülme unterlag, so anhielt, daß ich nicht einmal den Muth besaß, die mir von Ihnen zugesandten Gelder anzugreifen, viel weniger mich zum An tritt des Besitzes zu verstehen. Sobald ich mich zu einem Entschluß ausraffen wollte, packten mich eine wahnsinnige Angst und Unruhe, und so verschob ich von Tag zu Tag, von Monat zu Monat die Ausführung. Bestärkt wurde ich in meinem Schwanken, so frevelhaft ErwvrbeneS mir an- meignen, durch immer tiefere Einkehr in mein besseres Ich; zu völliger Umkebr gelangte ich aber erst — traurig, zu ge stehen —, als vierzehn Tage später mein Schwiegervater starb und ich nun nicht nur in die Lage gerietb, mich mit meinen Gläubigern zu vergleichen, sondern der Zukunft ohne jegliche Sorgen cntgegenzusehen. Noch mebr! Mein Schwieger vater ist als mehrfacher Millionair gestorben und meine Frau, mit der ich in dem zärtlichsten Verhältnis; stehe, seine einzige Erbin geworden. Ich bin am Ende mit diesem furchtbaren Bekeiintiiiß, mein hochverehrter Graf Jarl! Sie haben nun auch eine Erklärung für meine damaligen Wünsche. Nur Eins fehlt noch in dieser feierlich ernsten Stunde, — im An gesicht des Todes. Eins fehlt, während ich Ihnen hiermit Ihren Verzicht auf die Herrschaft Horst mit zitternden Händen zurück gebe — Ihre Verzeihung. Jst's denkbar, ist's möglich, daß Sie so Ungeheures zu vergeben vermögen —" ^ Er stockte. Ein plötzlicher, grauenbaster Blutstur;, der f»ch über die seivengebtümie Decke ergoß, unterbrach seine Rede. Blutend, ächzend und ringend siel er zurück, die Augen in dem zerstörten Gesicht schlossen sich wie zum Sterben, und nur mit der größten Anstrengung vermochte Gras Jart den Unglücklichen zur Erleichterung des Kampfes eniporzurichten. „Ich — bitte — rufen Sie den — Diener —> die Schwester! Klin —geln Sic — gütigst — Mir ist sehr — sebr schlecht —" hauchte Barüde. „Vorher aber", ein sehn süchtig-stehender Blick traf Gras Adam, — „sa — gen — Sie — mir — ich siebe Sie an, daß Sie mir — verzeihen können —" „Ja!" sprach Jarl kurz mit ernster Feierlichkeit. Ich verzeihe Ihnen, Graf Baröde!" Auch ergriff er die flucht fiebernde Hand des Schwer kranken, drückte sie, sah ibni noch einmal mit sanfter Milde in die Augen, empfing einen, eine Welt von Seelenqual ab streifenden Blick und eilte sodann, der aufgeregt herbeieilendrn Dienerschaft Platz machend, wie betäubt vcn Allem, WaS er erlebt, die Treppen binab. Als ob er u« ein neues, herrlich prangendes Dasein trete
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite