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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950910022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-09
- Tag 1895-09-10
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Monat
1895-09
-
Jahr
1895
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6386 Grund großer Sachkenntniß und statistischer Unterlagen, wieder einmal gezeigt wurde, daß die evangelische Mission in China so gut wie ohne Erfolg arbeite, während dagegen die römische Mission ganz stattliche Erfolge zu verzeichnen habe. In dem neuesten Heft seiner „Allgemeinen Missions zeitschrift" beleuchtet nun der bekannte MifsionSkenner v. Warneck diese unbillige Kritik an der Hand wirklicher Thatsachen und auf Grund eines zuverlässigen Zahlenmaterials. WaS zunächst die Zahlen anlangt, so soll China bereits über 1 200 000 Katholiken zählen. In dem amtlichen Bericht der römischen Propaganda aber, welcher wohl als völlig zu verlässig betrachtet werden kann, werden im Jahre 1895 für China und Tibet nur 581 755 Katholiken angegeben, wozu dann noch etwa 1000 Missionare kommen. Die amtliche Quelle gicbt also kaum halb so viel Bekehrte an, als jener Zeitungsartikel. Der ungeheure Unterschied zwischen beiden Angaben erklärt sich jedenfalls daher, daß bei den 1200 000 Katholiken auch die Missionen in Siam und Tonkin eingerechnet sind und man dann nach der bekannten Gewohnheit der römischen Statistiker etwas nach oben ab gerundet bat. Tie Behauptung, daß es in China über eine Million Katholiken zieht, ist also eine starke Unrichtig keit. Daß die evangelische Mission 40 000 bekehrte Chinesen zählt, ist allerdings richtig. Doch muß man bedenke», daß die protestantischen Missionen in der Regel nur die Com- municanten, d. h. die zum Abendmahl berechtigten, erwach senen, selbstständigen Christen in Anrechnung bringen. Die Katholiken geben dagegen nicht blos die Getauften mit Einschluß der Kinder (selbst von heidnischen Eltern), sondern auch die für die Taufe erst vorbereiteten Katechumenen au. Damit kann man natürlich zu ganz anderen Zahlenergeb nissen kommen. Wollte man für die Berechnung der chinesischen Protestanten dieselbe Methode anwenden, also Getaufte und Katechumenen mit in Anrechnung bringen, dann würde sich die Zahl von 100 000 evangelischen Christen in China ergeben, d. h.: in einem halben Jahrhundert (seit 1841) hat die evangelische Mission einen größeren Erfolg erzielt als die römische Mission in drei Jahrhunderten. Und dabei gingen und gehen bekanntlich die Jesuiten bei ihren Bekehrungen nicht sebr gewissenhaft zu Werke. Auch liegt es auf der Hand, daß eine Mission, die eine dreihuntertjährige Ge schichte hinter sich hat, erheblich im Bortheil ist gegen eine andere, die erst eine halbhundertjährige aufweist. Es ist auch eine thörichte Rechnung, daß die Erfolge einer Mission in dem bisherigen Tempo fortschreiten sollen. Die Erfahrung zeigt vielmehr, daß das Tempo von Jahr zu Jahr zunimml. So gab es in China evangelische Communicanten 1853: 351; 1863: 1974; 1868: 5743; 1877: 13 035; 1889: 26 287; 1894: 40060. Als Autorität für die römische und gegen die evangelische Mission wird schließlich ein bis dahin ganz unbekannter Reisender, der englische „Protestant" 4>r. Morrison ins Feld geführt. Wenn er wirklich durch China gereist ist, so befähigt ihn doch das bloße Reisen durch China noch nicht zur Kritik der dortigen Mission. Dies beweist schon seine Behauptung, daß die chinesischen Christen eine „Handvoll von Strolchen, Reischristen und Dieben" sind. Wären seine Forschungen elwas tiefer ge gangen, dann Härte er genug chinesische Christen kennen lernen können, an deren Christenthum sich sogar mancher europäische Reisende ein Borbild nehmen kann. Mit hämischen Uebertreibungen aber erbringt Niemand seine Be rechtigung zur Kritik der Mission und ihrer Erfolge. Deutsches Reich. * Leipzig, 10. September. In Nürnberg wurde, wie wir gemeldet haben, die Beschlagnahme einer Nummer der socialdemokratischen „Fürther Bürgerzeitung" („Fränkische Tagespost") wegen eines Artikels über die Kaiserrede vom Amtsgericht Fürth bestätigt. Die betr. Stelle des Artikels war der „Leipziger Volkszeitung" entnommen. Auch gegen den „verantwortlichen" Redacteur der „Leipz. VolkSztg ", R. Illge, ist nunmehr die Anklage wegen Majestätsbeleidigung erhoben worden. * Berlin, 9. September. Die mi nisterielle „Berl. Corr." schreibt: „Trotz der von der „Berliner Correspondenz" ge brachten Klarstellung deS Sachverhalts fahren einige Zeitungen fort, die der Firma Cohn L Rosenberg in Berlin für vom AuSlande bezogenes Getreide angeblich gewährten Zollvergünstigungen zum Gegenstand mehr oder minder unzutreffender Erörterungen zu macken. Die hierbei zu Tage geforderten Behauptungen im Einzelnen zu wiederlegen, ist unnöthig. Ebensowenig läßt sich dem Wunsche entsprechen, daß von Amts wegen ziffernmäßig angegeben werde, wie viel Getreide die genannte Firma in den letzten Monaten verzollt hat, und wie viel Getreide auf das Zollconto der Humboldt mühle angeschrieben worden ist, da derartige Mittheilungen über den Geschäftsbetrieb einzelner Gewerbetreibenden den amtlichen Gepflogenheiten zuwiderlaufen. Im Anschluß an das früher Gesagte sei jedoch noch Folgendes bemerkt: 1) ES wird behauptet, daß schon in dem Bezüge von Getreide auf Begleitschein I thatsächlich ein Zollcredit liege, indem bei dieser Abfei tigungsweise der Zoll nicht schon bei Ueberschreitung der Grenze, sondern erst »ach der Ausladung am Bestimmungsorte und zwar von „Die Heimath! DaS mag sein. Die Liebe deS BaterS aber nicht. Ich bin 20 Jabre lang nur Kind gewesen und zwar ein Kind, das sich um so inniger an den Vater anschloß, weil eS seine Mutter kaum kannte. Sie starb, als ich 4 Jahre alt war. Wenn auck scheinbar für Ihre süddeutsche Anschauung zwischen meinem Vater und mir ein steifes, wie Sie glauben, sogar kaltes Verhältniß besteht, so hänge ich doch so innig an ihm, daß nach meiner festen Ueberzeugung keine Macht der Erde, auch nicht die Liebe zu einem Gatten mir den Verlust des VaterS, ehe ihn mir der Tod raubt, ersetzen kann." Sie sprach dies immer ruhiger, immer klarer, immer selbstverständlicher, so daß ihre Worte dem armen Osficier wie Dolchstiche ins Herz drangen. Zum ersten Male trat in ihm der Gedanke auf: „Sie liebt Dick nicht so, wie Du es Dir eingebildet. Sie liebt Dich lange, lange nicht so, wie Du sie. In diesem düsteren Sinnen übersah er ganz, ibr etwas zu antworten. Daher fuhr sie selbst fort: „Sehen Sie, mein Freund, alle« Auflehnen, alles Sträuben hilft unS nichts. Die Verhältnisse sind stärker als wir. Gegen die Mächte des Geschicke- können wir nicht ankämpfen. ES nützt unS auch nichts, vergebliche Versuche zu unternehmen; denn ohne die Zustimmung meines BaterS können wir ja schon auS materiellen Gründen an keine Verheirathung denken." Hierauf entgegnete er schnell: „DaS wäre das geringste Hinderniß. Es ist ja überhaupt nicht vorhanden. Ihr Bruder hat mir mitgetheilt, daß Sie ein mütterliches Vermögen besitzen, über welches Sie nach sechs Monaten frei verfügen können, daS größer ist, als wir eS überhaupt brauchen." „Da müssen Sie ihn falsch verstanden haben. Ich be sitze nicht 15 000 Thaler Rente, sondern im Ganzen nur 15 000 Thaler Vermögen." „So habe ich eS auch aufgefaßt. Mehr brauchen wir aber nicht, denn die dem Staate einzuzahlende Caution be trägt nur 11 500 Thaler. Bon den Zinsen einer solchen Caution und ihrer Gage leben viele verheirathete Kameraden von mir. Warum sollten wir also nicht von den Zinsen von 15 000 Thalern und meiner Gage leben können?" „DaS ist nicht möglich. Für ein so bescheidenes Leben bin ich so wenig geeignet, daß ich, wenn ich mich auch noch so «inschränken und noch so sparen würde, Sie doch in kurzer Zeit zum Bankerott brächteI" „Glauben Sie denn gar nicht an die Macht der Liebe?" DaS klang schon wie der verzweifelte Aufschrei eine- zu Lode verwundete» Herzens. Si« hört« uicht den tiefeu Schmerz in seinen Worten. da ab noch mit dreimonatiger Frist zu zahlen sei. Diese Behauptung trifft im Wesentlichen nicht zu. Begleitscheine l haben den Zweck, die zoll amtliche Schlußadiertigung von der Grenze nach dem Bestimmungsort im Innern des Zollgebiets zu verlegen. Bis zu der Schlußabfertigung ist dir Waare unter Zollcontrole und der Zoll noch nicht fällig, also auch ein eigentlicher Zollcredit gar nicht möglich. Durch die Verlegung der Schlußab'ertiguug nach dem Innern des Zollgebiets wird aller- dings die Zahlung des Zolls vorerst hinausgeschobrn. Die Ausnutzung dieses Umstandes zur Erlangung eines thatsächlichen längeren Credits ist aber dadurch verhindert, daß bei der Bestimmung der Frist, binnen welcher die zum Begleitschein gehörige Waare am Empsangsorte zur Revision und weiteren Abfertigung zu gestellen ist, nach ausdrücklicher Vorschrift des Begleitschein-Regulativs nicht über das Maß deS Bedürfnisses hinausgegangen werden darf, und namentlich bei dem Transport mittels der Eisenbahnen und bei Benutzung anderer regelmäßiger Trausportgelegenheiten die TranSportsrist der regle- mentsmäßigen Lieserungszcit anzupassen ist. Am Bestimmungsorte wird sodann von den zur Eingangsverzollung bestimmten Waaren der Zoll sofort — ohne weitere Frist — erhoben, sofern nicht ein besonderer Zollcredit bewilligt ist. Daß die Firma Cohn L Rosen« berg einen solchen Zollcredit nicht genießt, ist schon früher constatirt worden. 2) Das zur Anschreibung auf Mühlenconto abgefertigte Getreide darf, wie ebenfalls schon in dem früheren Artikel bemerkt ist, in unver- arbeiteten! Zustande nur mit Genehmigung des Hauptamtes ver äußert werden, die nur ausnahmsweise und aus besonderer Ver anlassung zu ertheilen ist. Solches Getreide ist daher außer Ver kehr und zu spekulativer Ausnutzung nicht verwendbar. Eine Genehmigung zur Veräußerung von unverarbeitetem Getreide ist aber von der Humboldtiuühle im laufenden Jahre nicht uachgesucht worden. Uebrigens sind die Abschreibungen auf dem Conto dieser Mühle in den letzten beiden Quartalen hinter dem von verschiedenen Zeitungen auf 19 500 Tonnen angegebenen Jahreebedarf erheblich zurückgeblieben. Hiernach kann nur wiederholt festgestellt werden, daß die Behauptung, die genannte Firma fei in ihren Spekulationen, über welche selbst übrigens an dieser Stelle ein Urtbcil auszusprechen, keine Veranlassung vorlicgt, durch Zoll begünstigungen amtlich unterstützt worden, jeder thatsächlichen Unterlage entbehrt." * Berlin, 9. September. Dem „Vorwärts" sind nach stehende Angaben entnommen: Die Nummern, in denen das „Volksblatt für Teltow" ans dem „Vorwärts" die Artikel „Ein dynastisch-militairisches Fest", „Sedan und kein Ende" und eine Notiz über die Einweihung einer Kirche entnommen batte (Nr. 98 und 104), sind wegen Verstoßes gegen §. 95 und tz. 185 St.-G.-B. auf Grund der Strafproceß-Ordnung vom Gericht beschlagnahmt. Ferner ist wegen des der „Germania" und dem „Vorwärts" entnommenen ersteren Ariikels „Genosse" Nautmann, Redacteur deS „VolkSblatts", verbastet worden. Es ist das derselbe Artikel, dessenthalben „Genosse" Pfund verhaftet ist. Die Beschwerde gegen die Verhaftung des Genossen Pfund hat keinen Erfolg gehabt. Der Antrag, gegen Caution Pfund auS der Untersuchungshaft zu entlassen, ist von der V. Ferien-Straf- kammer abgelehnt. Die Beschlagnahme der Nr. 19l (vom 17.Augnst) ist bestätigt. Hingegen ist die Beschlagnahme des Hanpt- blattes der Nr. 204 („Sedan und kein Ende") aufgehoben. Die vom Amtsgericht wegen Beleidigung der Erbauer der Kirche und der Veranstalter der Kircheneinweihung aus gesprochene Beschlagnahme des „Kameel"-Beiblattes Nr. 204 ist, da die Inschrift sortgemeißelt, aber ihre Existenz er wiesen ist, aufgehoben. Indeß hatte die Staatsanwalt schaft Beschwerde dagegen erhoben, daß in diesen „Kamee!"-Artikeln der Amtsrichter keinen Verstoß gegen tz. 95 (Majestätsbeleidigung) zu erblicken vermochte. Dieser Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Gericht statt- gegeben und die Beschlagnahme des „Kamee!" - Beiblattes ausgesprochen. Endlich hat das Landgericht die von der Staatsanwaltschaft aufgestellte, vom Amtsgericht znrück- gewiesene Ansicht, daß auch der Artikel „Eine Kaiserrede" in Nr. 206, Hauptblatt, einen Verstoß gegen tz 95 des Str.-G.-B. enthalte und daß auch deshalb gegen „Genossen" Pfund wegen Majestätsbeleidigung die Untersuchungshaft und die Beschlagnahme der Nr. 206 des „Vorwärts" auszusprechen sei, gebilligt. — Zur Feier deS 70. Geburtstages des Großherzogs von Baden hatte der hiesige Verein der Badenser gestern im Deutschen Hof ein patriotisches Fest veranstaltet, dem etwa 200 Damen und Herren beiwohnten. — Tie „Köln. Ztg." fordert die conservative Partei auf, zwischen sich und denk Catilinariern, namentlich Stöcker, das Tischtuch zu zerschneiden, damit, wenn auch kein Cartel zu Stande käme, immerhin doch Beziehungen zwischen der conservative» und anderen Parteien auf dem Fuße achtungsvollen Verkehrs angeknüpft werden könnten. Die Conservative» sollten eine reinliche Scheidung vornehmen, mit der conservative» Partei ohne Catilinarier seien normale Beziehungen wünschenswerth. — DieAnsicht Moltke'S über die Sedanfeier ist, so schreibt man den „Berl. N. N.", in den auf früheren mündlichen Aeußerungen des Feldmarschalls beruhenden Dar stellungen des Königs von Sachsen und des General-Lieutenants v. Boguslawski zweifellos richtig wiedergegeben. Moltke aber hat seiner Ansicht auch in seiner klassischen, präcisen Weise schriftlichen Ausdruck gegeben. In der „Geschichte des deutsch- französischen Krieges von 1870/71" sagt er auf Seite 98: „Schwer zu verstehen, weshalb wir Deutschen den zweiten September feiern, an welchem nichts Denkwürdiges geschah, als Ihre Gedanken überlegten nüchtern, ob ein Leben, wie er eS vorgeschlazen, denn überhaupt möglich sei. Es schien ihr undenkbar. Darum erwiderte sie ruhig: „Ich glaube, daß die Macht der Liebe vermag, Menschen in ihrem Innern sehr umzuwandeln. Ich glaube, daß sie aus einem selbst ständig erzogenen Mädchen ein gefngsames Weib, auS einem im tollsten VergnügungStaumel ausgewachsenen Mann einen häuslichen, zufriedenen Ebemann macken kann. Solche Bei spiele habe ich schon erlebt. Daß sie aber eiu Leben lang gepflogene Gewohnheiten zu ändern vermag, halte ich für unmöglich. Sie können eine Tropenpflanze aus einem Treib haus in ein anderes versetzen, und bei sorgsamer Pflege gedeiht sie auch dort. Wenn Sie sie aber einem andern, ihr fremden Klima aussetzen, wenn Sie sie hier, wo eS unS doch noch so warm und schön erscheint, in den Garten stellen, so stirbt sie, weil sie eben ihre Gewohnheiten, ihre LebenS- bedingungen nicht vermissen kann." „DaS ist wahr. Denn dieser Tropenpflanze fehlt eben das, was nöthig ist, um einen solchen Wechsel durchmachen zn können; eS fehlt ibr die Empfindung, die Leidenschaft, die echte, wahre Liebe. WaS ich für solche hielt und darum es wagte, die schöne stolze Tropenpflanze in meinen bescheidenen Garten versetzen zu wollen, waren eben nur äußere kleine, in unserem Klima entstandene Triebe, die rasch wieder ver gehen werden, da ja die Tropenpflanze in das heimische Treibhaus zurückversetzt ist. Sie gestatten Wohl jetzt, daß ich Ihren Herrn Bruder herbeirufe. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen." Damit erhob er sich, grüßte sehr respektvoll, ohne sie noch einmal anzusehen, und wandte sich nach dem Lese zimmer. Das hatte sie nicht erwartet. DaS wollte sie nicht. So sollte er ihr zufällig gewählte« Beispiel gar nicht auffassen. Sie wollte ja nur noch einige Vernunftgründe anführen, um eS ihm zu erleichtern, daß sie nicht im Stande war, ihm zu Lieb den Vater aufzugeben. In ihrem Innern dachte sie gar nicht so materiell. Im Gegentheil. DaS bescheidene Leben bei ihrer Tante in München hatte ihr ganz gut zuzesagt. Und nun verstand er sie falsch. Gern hätte sie ihn zurück gerufen, um ihm noch ein freundliches Wort zu sagen, damit er nur nicht in Unmuth von ihr schied. Aber er entfernte sich so rasch. Sie hatte schon den Namen „Ludwig" aus den Lippen. Da blickte sie zufällig einem Kellner inS Gesicht. Der meinte, sie wünsche etwas, eilte herbei und fragte nach ihrem Befehl. Sie konnte nicht mehr rufen. In ihrer Ver wa» unausbleibliche Folge war deS wirkliche» RuhmeStagrS der Armee, des ersten September." Wie will nun Herr Auer seine am 4. September auf gestellte Behauptung, daß Moltke ein Gegner der Sedanfeier gewesen sei, beweisen? — Eine Anzahl Schulkinder hatte am 2. September vom Niederwalde aus ein Begrüßungstelegramm an den Kronprinzen abgesandt. Hierauf ist zu Händen de« PfarrerS Wenzel in WaldalgeSoeim folgende Antwort ein- gegangen: „Neues Palais, 2. September 1895. Ew. Hoch- ebrwürden beehre ich mich im Namen Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen für den jubelnden Gruß der Schulkinder am herrlichen Denkmal für deutsche Einigkeit und Kraft bestens zu danken. Möge den jungen Herzen die Begeisterung von heute ein bleibender Mahnruf sein zur Gottesfurcht, zur Liebe zum Könige und Kaiser und für deS Vaterlandes Größe und Einheit, v. Deines, Oberst und Flügel-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs." — Die Beseitigung der K a m e e l - In schrif t in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnißkirche ist, wie die „Freis. Ztg" erfährt, für die Berliner Stadtverordneten Veranlassung gewesen, am Donnerstag aus die beabsichtigte Erörterung des Vorfalls in der Stadtverordneten - Versammlung zu verzichten. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Auszeichnungen, welche aus Anlaß der Anwesenheit des Kaisers in der Provinz Pom mern erfolgt sind. Der Vorsitzende des Provinzial-LandtageS von Köller hat das Großkreuz des Rothen Adlerordens, der Ober- bürgkrineister von Stettin, Geh. Reg-R. Haken, die Krone zum Rothen Adlec-Lrden zweiter Ciasse mit Eichenlaub erhalten; dem Regierungs-Präsidenten von Sommerfeld zu Stettin wurde der Charakter als Wirklicher Geheimer Ober-RegierungSrath mit dem Range der Rälhe erster Elaste verliehen. — Ter preußische Landwirthjchafts-Minister hat an die General- Commissionen eincn Erlaß gerichtet, wonach bei Begründung von Rentengütern die Comiuistare der Regel nach über alle die wicthschastlichen Bestände der Rentengüter bestimmenden Ver hältnisse sich desBeiraths derjenigen Personen zn bedienen haben, welche der Generalcommission vom Vorsitzenden deS Kreisausschustes als hierzu geeignet bezeichnet sind. — Der italienische Botschafter Graf Lanza ist von seinem Ur laube zurückgekehrt. — Ter Präsident des evangelischen Lber-Kirchenraths, Wirkliche Geheime Rath 0. l)r. Bark Hausen, ist »ach dem Nordseebad Langeoog abgereist. * Stettin, 9. September. Bei dem Diner im Schlosse trank der Kaiser seinen erlauchten Gästen, dem Kaiser von Oesterreich und dem Könige von Sachsen, still zu. Ein Trintspruch wurde nicht ausgebracht. Die Oderfahrt ist auf das Glänzendste verlaufen. Herrliche Uferbeleuchtung und SchifsSillumiliation, an den großen Etablissements vater ländische Lichtinschriften und bei der „Vulkan"-Werft ein Wikingerschiff mit waffenschwingender Besatzung boten einen prächtigen Anblick. * (Sothli, 8. September. DaS Vorgehen deS fürstlichen Consistoriums in Greiz anläßlich der Sedan-Feier ist Überbolen worden durch das Verhalten des Pfarrers Holz apfel in Großalmerode (Reg.-Bez. Kassel), der am 18. August es für angezcigt hielt, die Gemeinde von der Kanzel herab zu warnen, sich an dieser patriotischen Kundgebung zu betheiligen. In Folge dieses mehr als be fremdlichen Auftretens haben sich die Mitglieder des Land- wehr-Kriegervereins und des Turnvereins, sowie eine Anzahl Patrioten Großalmerodes am 1. September nach dem benachbarten Wickerode begeben, um dem daselbst durch Pfarrer Ziegler aus Helsa abzehaltenen Festgotlesdienst anzuwohnen. Pfarrer Holzapfel wird ohne Frage zur Ver antwortung gezogen worden. (Allg. Z.) * Coburg, 9. September. Der Großherzog und die Groß- Herzogin von Hessen sind heule mit dem Großfürsten Sergci nach Dormstadt abgereist. * Nürnberg, 8. September. Von der hiesigen Straf kammer wurde ein Arbeiter zu 5 Monaten Gefängniß unter sofortiger Verhaftung verurtbeilt, weil er einen anderen Arbeiter, der sich an einer Arbeitseinstellung nicht be theiligt hatte, auf offener Straße an der Gurgel gepackt und unter Drohungen mißhandelt halte. * Tnrmstadt» 9. September. Die Prinzessin Heinrich von Preußen ist mit dem Prinzen Waldemar heute Vormittag auf Schloß Heiligenberg eingetrosten. * Karlsruhe, 9. September. Der Geburtstag des Grobherzogs wurde heute überall im Lande festlich begangen. Beim Festmahl in der Residenz betonte Staatsminister I)r. Nokk insbesondere die nationale Mitarbeit des Groß- herzozs an dem Ausbau des Reiches und toastete auf den unermüdlichen Kämpfer für die Sache deS inneren Friedens. — An der Feier des badischen Landes nimmt daS gesammte deutsche Volk herzlichen Antheil. Ist doch Badens Fürst nicht nur der weise Regent seines blühenden Staates, sondern auch ein nationaler Fürst im schönsten Sinne deS Wortes. Das deutsche Volk weiß dem Großherzog innigen Dank da für, daß er stets, in bösen, wie in guten Tagen, der uner müdliche Vorkämpfer für Deutschlands Einheit und Größe war, ein getreuer Eckardt, der die Nation immer wieder mahnt, an den hohen Gütern festzuhalten, die sie in so schweren Kämpfen errungen, und der nicht nachläßt, vor den Gefahren des Umsturzes zu warnen, die sie bedrohen. legenheit verlangte sie ein Glas Waffer. Als sich der Kellner entfernt hatte, war Horn bereits im Lesezimmer verschwunden. In großer Aufregung sah sie nach der Thür. Es verging eine ziemliche Weile. Dann kam ihr Bruder allein heraus und schritt langsam auf sie zu. Kaum trat er an den Tisch, so rief sie ihm entgegen: „Gustav, sieh, ob Du Herrn Horn nochmals rufen kannst. Ich möchte ihm nur noch wenige Worte sagen." „ES ist nicht mehr möglich. Er sprach mit mir nur kurz, zahlte den Kellner und verließ auf der andern Seite das Local, während ich die Zeitung an ihren Platz zurücklegte und dann hierher ging." Sie seufzte tief auf, senkte den Kopf und sann einige Momente nach. Dann klang eS leise von ihren Lippen: „Vielleicht ist eS so besser. Er wird nun schneller vergessen." Ihr Bruder überließ sie einige Zeit sich selbst. Dann fragte er theilnehmend: „Hast Du mir nichts zu sagen, meine liebe Renate?" Zwei Thränen liefen über ihre Wangen, als sie mit zitternder Stimme erwiderte: „Ich danke Dir, lieber Bruder, für Deine herrliche Tbeilnahme. ES ist Alles auS. Wir werden unS nicht mehr sehen." „Arme Renate!" Einige Bekannte der Familie Thorstraten traten in die Halle, schritten auf die Geschwister zu, begrüßten sie und baten, bei ihnen Platz nehmen zu dürfen. Renate hatte sich im Moment wieder in der Gewalt. Sie war im Nu die höfliche Gesellschaftsdame, erschien aber noch ruhiger und zurückhaltender als gewöhnlich. Nach einiger Zeit bemerkte sie zu ihrem Bruder, ihr Kopfweh habe zu genommen, sie bitte ihn, sie nach Hause zu begleiten. Unter dem Bedauern ihrer Bekannten verabschiedete sie sich, ging, von ihrem Bruder am Arm geführt, durch den Garten nach ihrem Wagen und stieg rasch eia. Ihr Bruder folgte. „Nach Hause!" Ohne ein Wort zu sprechen, fuhren die Geschwister zurück. Renate eilte rasch in ihr Zimmer. Dort nahm sie nur Hut und Schleier ab, dann warf sie sich in ibren Fauteuil, und Renate, die stolze, steife, scheinbar so kalte Renate Thorstraten weinte und fand gar kein Ende. Es schien ihr da» Herz zu brechen. 4. Zufälligerweise hielt gerade, als Horn da» Uhlenborster FährbauS-Restaurant verlassen hatte, ein nach der Binnen- alstrr fahrender Dampfer am Landungssteg. 20 Minuten Frankreich. * Paris, S. September. Präsident Faure kam beute in Bourbonne leS BainS an und wurde von der Bevölkerung warm begrüßt. Bei seiner Abfahrt von LangreS drängte sich ein anscheinend Geistesgestörter an den Wagen und schrie: „Hoch Portsmouth! Hoch Carnot l Hoch Faure!" Die Gendarmen entfernten ihn schnell. * Parts, 9. September. Das Verhör der Angeklagten in der Südbahn-Angelegenheit verlief ohne Zwischen fall; der Direktor Felix Martin bekennt sich unschuldig und bleibt dabei, daß Baron Rein ach für die begangenen Unterschlagungen verantwortlich sei. — Der Urheber de« Attentat« gegen Rothschild ist, wie die Blätter mrlden, entdeckt. Derselbe ist ein gewssser Victor B. Er stammt aus sehr guter Familie, ist Schüler der höheren Gewerbe schule zu CHLlonS gewesen und vordem angeblich Maschinist bei der Nordbahn. Er wollte sich an Rothschild rächen (?), weil er auS dieser Stellung entlassen worden sei. * Bordeaux, 9. September. Der Lordmayor Sir Joseph Rena lS traf heute hier rin und wurde vom Publicum beifällig begrüßt. Der Stadtrath gab ihm rin Festesten im Stadthause, aus welchem der Lordmayor in seinem Trink spruche Frankreich und den Präsidenten Felix Faure feierte, indem er ausführte, wenn Faure nach England käme, würde seine Aufnahme die Franzosen von den freundschaftlichen Ge fühlen der Engländer überzeugen. Er führte ferner aus, wenn eine Rivalität zwischen den beiden Ländern bestehen müßte, so könnte sie nur friedlich und ehrlich sein und einen kommerziellen Charakter haben. Er feierte daS Princip der Freiheit, welches die Grundlage deS constitutionellen Eng lands und deS republikanischen Frankreichs sei. Er hoffe, die Nationen würden die Wahrnehmung der Interessen aller Stände an Stelle eines zweifelhaften KriegSruhmS zu er streben suchen. Luxemburg. * Luxemburg, 9. September. Eine echt deutsche Sedan feier ist auch hier in einem patriotischen Kreise begangen worden. Seit 1886 besteht hier ein „Verein der Deutschen in Luxemburg", in dem vaterländische Gesinnung und Sitte, Liebe zu Kaiser und Reich gepflegt wird. Am 18. August machte der Verein fast vollzählig eine Wanderung zu den Schlachtfeldern von St. Privat und Gravelotte, wobei zwei Kränze auf die Grabstätten gelegt wurden, und am Abend des 2. September war bas VereinSlocal dicht besetzt, wobei auch die hiesige deutsche Verwaltung in Zoll- und Eisenbahn wesen nicht fehlte. Die tief ergreifende Festrede hielt Herr Tröller; bas Hoch auf den Kaiser wurde mit Begeisterung ausgenommen. Italien. * Turin, 9. September. Der Herzog von Aosta ist vollständig wieder hergestellt. Er begab sich Abends nach Mailand. — Der dreizehnte Congreß der italienischen Katholiken ist stark besucht. Derselbe wurde Nachmittags mit einer Rede des Erzbischofs von Turin eröffnet. An wesend sind 20 Erzbischöfe und Bischöfe und 40 EpiscopatS- delegirte. Spanien. * Aerrol, 9. September. Infolge einer Aufregung in der Stadt wurde der Belagerungszustand proclamirt. Bisher ist kein Zwischenfall vorgekommen. Die Aufregung wurde hervorgerusen durch einen Beschluß des Marinenunislers, den in der Nähe von Ferrol erlittenen Seeschaden eines Kreuzers in Bilbao reparirrn zu lassen. Asien. * London, 9. September. Die neuesten Zugeständnisse der Pforte in der Frage der armenische» Reformen werden von der hiesigen Tagespresse als völlig unzulänglich bezeichnet. Wenn dies — sagt der „Daily Chron." — daS letzte Wort des Sultans und der Pforte sei, dann bleibe nichts Anderes übrig, als die Durchfahrt durch die Dardanellen zu erzwingen. England liege eine Pflicht ob, vor deren Er füllung cs nickt zurückschrecken dürfe. Es sei zu lange geduldig, vielleicht gelähmt gewesen. Wenn der Sultan nicht auf die Stimme der Vernunft hören wolle, werde er der Anwendung der Gewalt weichen müssen. Die Würfel seien gefallen; es verlaute, daS britische Geschwader habe Befehl erhalten, in die Besikabai einzulaufen. (Auch russische Blätter treten dafür ein, daß Rußland an einer derartigen Demonstration thrilnehme, aber aus dem bezeich nenden Grunde, um England nicht allein operiren zu lassen. D. Red.) Militair und Marine. * Der „N.- u. St.-A." veröffentlicht folgenden inhaltlich schon von uns mttgetheilten Erlaß des Kaisers und Königs an den Reichskanzler vom 2. September d. I.: „Ich will tm Verfolg Meiner Ordre vom 18. August 1895 ausnahmsweise auch denjenigen Besitzern der Kriegsdenkmünze von 1870/71, welche an dem Treffen bei Weißeuburg oder der Einschließung von Metz theilgrnommen haben, die Berechtigung verleihen, auf dem Bande dieser Denkmünze eine Spange mit der entsprechenden Inschrift zu tragen. Sie haben wegen Bekannt- später befand sich der Officier wieder in seinem Zimmer im Hotel. Aeußerlich ruhig, aber bleich und mit so abgespannten Zügen, wie wenn er sich nach langem schweren Leiden erst kurz vom Krankenlager erhoben hätte, stand er einige Augen blicke vor dem großen Spiegel und sah stumm sein Bild an. Dann sprach er halblaut, merkwürdig ruhig vor sich bin: „So sieht also ein Mensch auS, der vor wenigen Minuten Alles verloren hat, für den Alles, Alles aus ist!" Hierauf schnallte er bedächtig den Säbel ab, legte langsam die Mütze auf den Tisch und setzte sich ohne jede Hast auf daS Sopha. Vorgebeugt, die Unterarme auf die Kniee gelegt, die Hände gefallen saß er da und starrte in eine Ecke. Nach einiger Zeit klang eS düster aus seinem Munde: „Ja, es ist Alles aus, Alles! Ich habe mich getäuscht. — Wo waren nur meine Augen? Wo waren meine Sinne? — AuS, vollständig auS! — Sie liebt mich nicht! — Ich habe ihr einfach gefallen und Sie — nein, nein! — Nein, daS ist nicht wahr. Gespielt hat sie nicht mit mir. Dazu ist sie zu edel, zu groß. Aber sie liebt mich eben nickt so, wie sie mich lieben mußte, um Vater und Vaterhaus zu verlassen, um das üppige Leben der verwöhnten Tochter eines der reichste» Kaufhäuser aufgeben und dafür die bescheidene Existenz einer Lieutenantsfrau übernehmen zu können. — WaS kann sie dafür? Die Liebe kommt, ohne daß man sie einladet, so wie sie will. Mir hat sie sich inS Herz gesetzt und blieb darinnen. Ihr hat sie nur die Augen geküßt und flog weiter. Der Kuß ist wieder verweht. Der LuxuS des väterlichen Hauses und der Wille deS VaterS haben ihn verwischt. — Wie klug, wie gescheidt sie ist. — Ja, ja, sie ist wirklich eine Tropenpflanze, die man nicht auS dem üppigen Treibhaus« entfernen kann. In meinem dürren, armen Garten wäre sie verkümmert und eingegangen. — Besser so. Sie wird sich immer reicher entfalten, immer schöner, immer duftender, immer farbenprächtiger werden. So etwa» darf unsereiner nur bewundern und anstaunea. Wahnsinn war eS, daß ich daran dachte, sie zu besitzen. — Es war der reinste Wahnsinn. — Aber ich büßte dafür. — Der Duft der herrlichen Tropenpflanze hat mich betäubt; er hat mich ver giftet. — Ja, er hat mich vergiftet. — Ich werde nicht mehr genesen. — WaS wohl meine arme Mutter dazu sagt! E« trifft sie schwer. Und doch kann ich eS ihr nicht verheimlich n. Sie würde eS mir auch nicht glauben, wollte ich ibr vormachen, eS berühre mich nicht sebr. — WaS nun thun? — Wie thöricht k Zunächst muß ich doch nach Hause. — Also in Gotte« Name» nach München." (Fortsetzung folgt.!
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