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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930801023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893080102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-08
- Tag 1893-08-01
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Monat
1893-08
-
Jahr
1893
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-41S denkenden Katholiken in Irland jeder Einmischung der Priester i« politifche Angelegenheiten abhold: für den Fall der Verwirklichung der Houierule-Vorlaze besorgt er jedoch da« offene Hervorlrele» ausgesprochen aotikirchlicher Tendenzen. ,,E» ist Thalsache" — meint er — »daß der dominirrnde The»! der Geistlichkeit eine Stellung in der Politik eingenommen bat, von der er ohne Ver lust feiner Würde sich nicht zurückzieben und in her er nicht beharren kann, ohne Gefahr zu lause», de» geistlichen Einflusses verlustig zu gehen. Bleibt die Union bestehen, so könnte der Streit zwilchen den neuen Ideen von uersöntichrr Freiheit und der allen Geltendmachung geistlicher Autorität in friedlicher Weise geschlichtet werden. Wirb jedoch der Kampf innerhalb Irlands allein anSgefochte», so dürften dir Priester für immer jenen Platz im Herzen des irischen Volke» verlieren, den sie dort Jahrhunderte hindurch aus- gefüllt haben." Wie zu erwarten war, haben die Wahlen zur dulsartschcu ordentlichen Tobranje mit einem glänzenden Siege der Negierung geendet. Da» ist um so brmerkenSwerther, als Stambulow in einem Rundschreiben an die Präsecten verfügt hatte, daß der Bevölkerung in Betreff der Wahl feiten» der OrtSbrhörden und der Polizei die vollste Frei heit gelassen werden sollte. Wenn aber selbst diese Wahlen Nutzlaad »och nicht gezeigt haben sollten, daß die Bulgaren von ihrer früheren Schwärmerei für Rutzland mit ganz ge ringe» Ausnahmen gründlich geheilt siud, so wird der Lar, wenn er die von der bulgarischen Opposition Tontschew- Radoslawo in Sofia begründete Leitung „Svobodno Slovo" liest, sich überzeugen könne«, dag er Bulgarien durch die Bulgaren selber unter keinen Umständen «ehr zu erobern vermag. Die heutige bulgarische Odvositlon gegen Stambulow ist grundverschieden von der früheren, die immer ihr Heil im Anschluß an Rußland Und in dessen Hilfe suchte. Die jetzige Opposition verlangt Bulgarien für die Bulgaren! Sie betrachtet den Fürsten Ferdinand als gesetzmäßiges Staatsoberhaupt, ste sucht sich durch womöglich noch schärfere Ausfälle gegen Rußland, als diejenigen der RegierunaSpresse, bei dem Volk« zu empfehlen und verfolgt mit ihrer Feindschaft lediglich die Person Stambulow'». Obgleich die Führer - der Oppo sition in der Sobranje gegen die Aenderuna der Ver fassung stimmten und hier also den Plänen de» Fürsten feindlich aegenüberstanden, trägt ihre Zeitung jetzt eine ganz besondere Ergebenheit für die Person des Fürsten zur Schau. Stambulow wird als der alleinige Regent des Landes dargestellt, der über den Gesetzen stehe, dem sich der Fürst füge wie das Volk. Seine Verdienste um daS Land, die von ganz unparteiischen Fremden ohne Einschränkung anerkannt wurden, sind für die Oppo sition nicht vorhanden. Der Zufall habe Stambulow steigen taffen, ein Jeder auf seinem Posten würde dasselbe gethan baden, denn die eigentliche treibende Kraft fei daS Volk. Dies habe so viele Beweise seiner Reife gegeben, daß eS ver brecherisch sei, eine Schreckensherrschaft aulrecht zu erhalten, die der so gut begonnenen verfassungsmäßigen Ent wicklung des Volkes Abbruch thue. Im Lande sei man der ganz überflüssigen strengen Bevormundung und deS Götzen dienste», der mit Stambulow getrieben werde, müde. Man wünsche und verlange, daß dem Fürsten mehr Einfluß ein- geräumt werde. DaS ist der Grundton der OpposilionSstimme, ein neuer Beweis, wie schwer cS ist, in seinem Lande ein Prophet zu sein. Außerhalb de» Landes erkennt man daS Geschick, die Thalkraft und die Erfolge Stambulow'S nicht ohne Er staunen an. und im Lande selbst arbeiten Mißgunst und grund lose Verdächtigung, um zwischen dem Fürsten und seinem ersten Rathgeder einen Zwist herbeizusühren, von dem dann die Führer der Opposition Nutzen zu ziehen hoffen. Bulgarien gleicht einem Schiffe, da» mit schwellenden Segeln im richtigen Fahrwasser zieht. Nun erscheinen Tontschew und sein Anhang in ihren kleinen RrttungSkähnen, erheben ein furchtbare» Geschrei, daß ha» Schiff leck sei und sinken müsse, und prahlen mit ihrem RettungSzeug und mit ihrem Lootsen- aeschick. DeS Generals Nicola;ew und Anderer nehmen sie sich mit Menschenfreundlichkeit an, Und manche lasten sich von ihnen retten. DaS Schiff fährt indessen vorüber, und Retter und Gerettete bleiben hinter ihm. Deutsches Reich. Q Berlin, 3l. Juli. Man schreibt uns aus Süd west - Deutschland: In den nächsten Tagen werden nun die Fiuanzminister der größeren Bundesstaaten in Frankfurt zusammentrelen, um über eine Ausbesserung der Finanz- Verhältnisse im Reich zu berathen. Wie wir hören, wird die Cvnserenz formell unter der Leitung de» Schatz- secrrtair- v. Maltzahn stehen, freilich wird aber der geistige Leiter Herr Miquel sein. E« sollen eine ganze Reihe, etwa zwölf, Struerprojecte zur LnSwahl auSgeardeitet sein. Den Negierungen der süddeutschen Staaten wird vermöge der verhältnißmaßigen Größe der letzteren und ihrer Bedeutung im ReichSorganiSmuS, eine wichtige Nolle bei den bevorstehenden Eonferenzen zufallcn. Der Plan einer systematischen und organischen Reform der ReickSsteuern, der m den allgemeine» Umrissen bekannt geworden, hat in vaterländisch ge sinnten Kreisen wegen seiner großen nationalpolitischen Bedeutung und feiner finanzpolitischen Zweckmäßigkeit viel Beifall gefunden, aber allerdings muß man ein bestimmtes Urthril auffparen, bis etwa» Nähere» über dir Steuerobjccte bekannt geworden ist, die zur Durchführung jenes Plane» dienen sollen. Der Entscheidung hierüber sieht man mit einiger Spannung und Unruh« entgegen, zumal in den weilen wirib- jchastlichen Kreisen, die ihren Erwerb aui Tabak und Wein gründen. Man glaubt Grund zu der Annahme zu haben, daß bei der geplante» Steucrresorm auch diese beiden Producte nicht ganz leer auSgehen werden. Es ist indessen müßig, jetzt darüber Erörterungen anzustellrn, da noch Nie mand voranSzusehen vermag, waS bei Leu Franksurtcr Evn- serenzen herauskommt. * Brrli», 3l. Juli. Die „Nordd. Allg. Ztg" schreibt in einer Polemik gegen die „Hamb. Nachr": „Die „Ham burger Nachrichten" benutzen die amtliche Feststellung, daß die Mindereinnahme von Zöllen im ersten Viertel des lausenden ElatSjahreS sich auf lk Millionen Mark beläuft, zu einem erneuten Angriff auf die Handelsverträge, indem sie auSsührcn, daß diese Mindereinnahme für das ganze Jahr berechnet 64 Millionen Mark betragen werde, „die Handels verträge Deutschland also zu einer Zeit, wo eS nölhiger alS je Geld gebraucht, um eine sichere Einnabme von «0 Millionen gebracht haben". Bei diesem Versuche, die Mindereinnahme an Zöllen im erste» Viertel des EtalS- jahreS 1893,94 kurzweg den Handelsverträgen zur Last zu legen, passirl dem Hamburger Blatte daS Mißgeschick, daß r» sich selbst widerlegt; denn eS stützt seine Angriffe auf den Vergleich zweier Perioden, welche beide nach Inkraft treten der Handelsverträge liegen, nämlich April bis Ende Juni 1832 und 1833. DaS Ueberseben ist um so charakteristischer, weil die .Hamburger Nachrichten", als im vorigen Jahre eine Steigerung der Einfuhr und damit eine Vermehrung der Zolleinnahmen gegenüber l831 ciutrat, die .Verschlechterung der Handelsbilanz" als Sturmbvck gegen die Handelsverträge benutzten, während in diesem Jahre die Verminderung der Zvllcinnahmcn kritiklos zu demselben Zwecke dienstbar gemacht wird, obgleich dieselbe nachweisbar von einem Rückgänge der Einfuhr, demnach einer.Verbesse rung der Handelsbilanz" herrührt. Entscheidend in beiden Jahren war die Getreideeinfuhr, die im Jahre 1832 in Folge der schlechten Ernte deS Jahres 183l eine außer gewöhnliche Steigerung aufwieS. während dieselbe im Jahre 1893 in Folge unserer guten Ernte deS Vorjahres sehr be deutend gesunken ist. Beide Erscheinungen die Steigerung im Vorjahre und der Rückgang in diesem Jahre, haben mit den Handelsverträgen nicht- zu thnn und die Minder-Ein nahmen, die sich auS den niedrigeren Bertragösätzen gegenüber den Sätzen des Gencraltariss ergeben, sind minimal gegenüber den finanziellen Wirkungen, welche die enormen Schwankungen im Importe selbst Hervorrufen. Deutschland hat eiogeführt: l. an Weizen tm 1. Quartal des ElatSjahreS 1892/93 3 246 473 Doppelceuluer s. 3,SO 82 428 . LS - - zus. 3 328 901 Doppelccntner. Der Zollbelrag hierfür ist 11774 800 Dagegen im I. Quartal deS EtatSjahreS 1893/94 1323 732 Doppelcentuer S 3.S0 41 446 - L 5 zus. 1 365 178 Doppelcentuer. Der Zollbetrog hierfür ist 4840292 II. Roggen. Im 1. Quartal deS ElatSjahreS 1892/93 2148 302 Doppelcentuer ü, 3,50 144 838 . L 5 zus. 2 293 140 Doppclcentner. Der Zollbetrag hierfür war 8243 247 Im I. Quartal deS EtatSjahreS 1893/94 417 495 Doppelcentuer L 3,50 162 279 . 4 5 zus. 579 774 Doppelcentuer. Der Zollbetrag hierfür ist 2274 627 Jo dem bezeichnetcn Zeitabschnitte de« Jahres 1893 hat also allein der Rückgang der Einfubr an Weizen um circa 2 Millionen Doppelcentuer und deS RozgenS um l.7 Millionen Doppclcentner einen ZollauSfall von circa 13 Millionen Mark gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres zur Folge gehabt. Damit ist der Versuch, diese Mindereinnahme den Handelsverträgen aufzubürden, genugsam gekennzeichnet. Natürlich wirv dies die .Hamburger Nachrichten" nicht ab- halteo, im nächsten Jahre, für welche» aller Wahrscheinlichkeit nach von Neuem eine Steigerung de« Gelrcide-JmportS in Aussicht sieht, wieder dir umgekehrte Taktik zu befolgen und wieder die Verschlechterung der Handelsbilanz gegen die Handelsverträge ins Feld zu führen." — Die Reise deS Königs Karl von Rumänien gilt lediglich dem Besuche seiner Gemahlin in Schloß SegcnhauS bei Neuwied. DaS Befinden der Königin Elisabeth hat sich nicht verschlimmert, eö ist aber auch keine Wendung zum Bessern cingetreten. — WaS die Frage der LoSlösiing der StaalSsecretairS im NeichSjustizamt von der Verpflichtung, beu Vorsitz in der Commission für die AuSarbeilung eines bürgerlichen Gesetzbuchs zu führen, betrifft, so dürste nach der .Post" b,s anf Weiteres solgenve Praxis Geltung gewinnen: Der StaatS- sccrekair im Reichsjustizami bleibt allerdings io Zukunft von der Verpflichtung entbunden, die Geschäfte der GesetzbuchS- Eommission zu leiten und den Vorsitz in den Sitzungen der selben zu führen. Er behält dagegen da» Recht, den Schlingen der Commission deiznwohncn, und dann auch den Vorsitz ui derselben zu übernehmen. — Der Geheime RegierungS-Rath und Vortragende Rath im Ministerium jür Handel und Gewerbe vr. Gustav Adolph Koenigs ist zum Geheimen Ober-RegiernugS-Rath er- nannt worden. — Bei den neu zu errichtenben vierten Bataillonen wird, wie die „Voss. Ztg" meidet, eine neue Trommel zur Einiührung gelangen. Eie hat einen elwos breitere» Nessel und jchinalcre Reisen als die bisherige, hat au «teile der EteUichrauben verzinnte, nicht rostend« Schrauben, die sich mit der Hand leicht anziehen lassen, und einen breiten, ans starkem Blech gefertigten Ausleger. Ihr Gewicht betrügt 1 lczs weniger al» da» der allen Trommel, die all- mälig überall durch die neue ersetzt werden soll. — Der Handelsmiuister hat angeordnet, daß die bisher am 1. Octobcr erstatteten Berichte über die Lage der Industrie im Interesse der Nutzbarmachung dieser Bericht« für die Beurtheilung der Klagen über Arbeits losigkeit von den Lberpräsidentcn nunmehr am 1. Januar zu erstatten sind. — Im März d. I. war eine Anzahl von Sachver ständigen auS Len Kreisen der Schisffahrttreibenden, dcö HantelSstandeS und deL VersicherungSgcwerbcS einberusen, um über die im Reichs-Juslizamt auSgearbeitetc» Grund- zügc eines Gesetzes, betreffend die privatrechtiichen Verhältnisseder Binnen schiffsahrt, gehört zu werben. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Sachvcrsländigen- Consercnz ist nunmehr der im „Reichs-Anzeiger" abgedruckte Gesetzentwurf ausgestellt und den Bundesregierungen mil- gcthcilt worden. — Dem verstorbenen ReichStagSabgeorduelen vr. Witte widmet die „Weser-Ztg." folgenden Nachruf: „Witte gehörte zu den bedeutendsten Persönlichkeiten deS heutige» Mecklenburg und hatte sich auch im Reichstage eine hervorragende Stellung geschaffen. Namentlich galt sei» sirtheil in winhschnsl- lichen Fragen etwa«. Witte war gelernter Apotheker, ging dann aber zum Drogistenfache über und war ziilept Inhaber einer Fabrik, die weite Kreise Deutschland-, Rußlands und Amerika- mit ihren Erzeugnisse» versorgte. In seiner Heimathstadt Rostock stand er mit an der Spitze der Comiiittiialangelegtnbctlcn, der Thätigkeit von gemeinnützigen Vereinen lieh er gern seine starke Kraft. Seine überzengungsvvlle Rhetorik war überall geschützt. Im Reichstage vertrat er den Kreis Saalseld und war ein würdiger Nachfolger Laikcr'S, der bi- zu seinem Tode dort gewählt wurde. Während der jüngsten Wahlbewegung weilte er in Chicago und lehnt« eine Wiederwahl ab. Periönlich loar Witte eine Erscheinung voll Frische uud Liebenswürdigkeit, die um so eindringlicher wirkte, als er gewohnt war, sie in etwas rauhe Form zu kleiden. * Helgoland, 31. Juli. Der Kaiser trifft mit einem Theil der Flotte in der zweiten Woche deS August, voraus sichtlich am 7. August, vor Helgoland ein. * Posen, 30. Juli, lieber die polnische Wähker-Ver- sammlung in Posen, von der wir bereit- kurz berichteten, ent- nehmen wir dortigen Blätter» noch Folgende-: Tie Versammlung war von 600 bis 700 Wählern besucht, so daß der Saal überfüllt war. Nachdem der Vorsitzende des allen WnhlcomitSs, Chesredacteur TobromolSki, die Versammlung nach 8 Uhr AbcudS eröffnet hatte uud au dem Vorslandstische außer den Mitgliedern des LomiteS ' auch 7 Beisitzer, darunter der Geistliche Or. SkczydlcwSki, Platz ! genommen, ergriff Herr Zo'olocki zu der vom Vorsitzenden ve» ! iejenen Tagesordnung daS Wort und verlangte, daß nicht der Vor- sitzende des ComitSS die Versommlniig leite, sondern ein besonderer ! Vorsitzender der Versammlung gewählt werde, als solchen schlage er Herrn KnapowSki vor. Dagegen erklärte Herr Dobrowolski, er werde dem Statut deS Äahlreglements gemäß so lange den Vorsitz iühren, bis ein neue« Wahlcomitö gewählt sei. Während des Streites, der sich hierüber entspann, malmte der Geistliche Vr. SkrzyLlewSki zur Ruh« und äußerte ironisch unter Andcrm: ,Es leben Diejenigen hoch, di« die Versammlungen zersplittern!" Als nun die Versammlung einen immer stürmischeren Charakter annahm, löste der anwesende Polizei-Jnjpeclor dieselbe aus, woraus der Vorsitzende die Versammelten aussorderte, ruhig den Saal zu verlassen. Während dies nun langsam und zögernd geschah, wurde vo» einigen Anwesende» den Mitgliedern des allen ComiltS, besonders dem Vorsitzenden, Herrn Dobrowolski, mit Fäusten gedroht und gegen denselben beschimpfende Worte ausgestoßen. Als dann auch der Geistliche vr. Skrzyd- lcwski sprechen wollte, wurde ihm zugerufcn: „Halt' daS Maul". Vor der EingangSthür schlug ihn einer der Wähler mit der Faust aus den Kops, indem er laut auSries: „Wir brauchen hier keinen Popen! Zur Kirche, aber nicht in die Versammlungl" Mehrere der Anwesenden fielen zwar über den Wähler her, prügelten ihn gehörig durch und zerrissen ihm dabei die Kleidung, aber der Geistliche — etwa- bei den Polen ganz Unerhörtes — hatte gleichfalls seine Prügel weg — ein Beweis, daß eS sür die Würke der polnisch-katholischen Geistlichen denn doch sehr gefährlich ist. an derartigen weltlichen Versa mm- langen theilzunehmen und die Versammelten unnöthigcr Weise zu reizen. * A»S Westfalen, 3l. Juli. An den Brief, den der Bischof von Münster an den Frhrn. von Schorlemer- Alst richtete (vcrgl. das heutige Morgenblatt. Red.), knüpft vrr früher Schorlemer'sche. jetzt uttramonlan-sraclionSfromme „Weftsäl. Merk " folgend« Bemerkungen: 1) Der „Brief" ist em Anlworiichrriben, dessen Sinn und Be- deulung erst in da« richtig« Licht treten würden, wenn zugleich bi» Beschwerde de« Fihrn von Schorlemer gegen den Herrn Piorrcr Huesker zu Leer vom 15. Juni l. I. bekannt gemacht wäre. Weshalb wird das Antwortschreiben vorgeschoben uud die Be schwerde zurückbehalten? 2) Soweit der „Briefs' erkennen läßt, muß Herr von Schortemer beim Herrn Bischoie sich gegen settien Pfarrer über Mißoeisländuisse beschwert haben, die betreffs seiner Stellung zur Kirche rücksichtlich de« Glaubens und kirchlichen Siuuks erregt sein sollten. Dies« Mißverständnisse werden durch eine spätere Erkläiung des Pfarrer« Huesker all an-geglichen de- zeichnet. Der „Brief" handelt daher nur über die Beurtheilung des Freiherrn von Schortemer durch den Pfarrer Huesker, der Bijchos selbst spricht sich darin in keiner Weise über Herrn von Schortemer aus. 3) Der Brief beklagt, daß der Pfarrer Huesker „unter der vor dein letzten Wahltage herbcigesüdrte» Auslegung und Verwirrung" sich habe verleiten taffen, de» Psarrelngejeffene» gegen über (zu denen bekanntlich Herr von Schortemer gehör,) sich über kircheiivotttische Verba»,usse und Wahtangelegriiheiten in der Kirche ausziilassen. Dies« Klage ist wohlberechligt. Aber wer hat diese Aufregung und Verwirrung veranlaßt und trägt insoweit Mitschuld an dem Mißgriffe? Das Schreiben de« Oberhtrien legt e« dem Frhrn. v. Echorleinrr nahe, dies zu erwägen. Früher hat mau de» Frhr». v. Schortemer oft belobt wegen der Offenheit seiner Rede und der Geradheit seines Auftretens. Hat er aber, wie sich kaum anders denke» läßt, die Publikation de- bischöflichen Antwortschreiben» bet den Krammarkt besuchern zu Burgsteiiifurt veranlaßt, so schüttcl» wir bedenklich den Kops. Diese Art des Vorgehens macht uns den Eindruck einer unzarten Jndiscretion gegen den Hochw. Herrn Bischof und eines verdeckten Spieles, und schmeckt uns nach — Bauernfang. Herr v. Schortemer dürfte dem CenirumSorgan die Ant wort hierauf kaum schuldig bleiben. Die Berhällnisse zwischen den CentrumSfractionellen und den Abgefalleucn spitzen sich in Westfalen allem Anschein nach ebenso zu, wie in Schlesien. Wenn erst dir neue Schorlrmer'sche Zeitung erscheint, dürste eS noch besser kommen. *>* Weimar, 31. Juli. Unser Srbgroßherzog Ear August tritt heute in sein fünfzigstes Lebensjahr. * Alssrl», 30. Juli. Die freisinnige Vereinigung bat an die Partei-Anhänger im Kreise AlSseld-Lauterback die Wahlparole auSgegeden, in der Stichwahl für den National- liberalen Backhaus und d/6«n den Antisemiten Binkewald eiiizutrcten. Dagegen veröffentlicht der hiesige freisinnige Wadlverein nachstehende Erklärung: „Bei der am 2. August augesetzten Stichwahl können wir unseren Anhängern keinen der beiden in Betracht kommenden Candidaten empiehlen. Wir wünschen aber, daß kein freisinniger Wähler einem antisemitische» Laudidate» seine Stimme stiebt." Dieser „Wunsch" schließt nach seinem Wortlaute nicht auS, daß der antisemitische Candidar dem nativnallibcralcn gegenüber durch Stimmenthaltung unterstützt wird; und nach anderweitigen Erfahrungen ist anzunehmen, daß cS auch durch Abstimmung sür den Anliicinilc» geschehen wird. Nach wie vor aber wird die freisinniger Volkspauei sich selbst auprciscn als die „entschiedensten Gegner", wie der Socialdcn'.okratie, so auch deS Antisemitismus. * Mainz, 30. Juli. Der unter der Anschuldigiing der Majeftätsbeleidigung verhaftete Capellmeister keru vom Jnfcinterie-Regiment Nr. 118 wird aus seinen Geisteszustand untersucht, der überreizt sein soll. * Metz, 30. Juli. Neber die Empfangsfeierlich keiten bei dem bevorstehenden Besuch des Kaisers in Lothringen verlautet nach der „Kölnischen Zeitung" Fol gendes: Der Kaiser laugt am 3. September um 10 Uhr 45 Min. früh von Trier aus dem kleine» Bahnhof in Devaut- leö-PvntS bei Metz an. Bon dort begießt sich der kaiserliche Zug nach dein Metzer Hauptdahnhof, der Kaiser nebst Gefolge aber zu Wagen nach dem neuen Excrcirplatz vor dem Französischen Thore, wo ein Feldgottcsdienst abgebalten wird. Nach dessen Be endigung erfolgt der feierliche Einzug in die Stadt. Tie städtische Vertretung bat sür diesen Empfang einen Credit von 30 000 oF bewilligt und außerdem dem Kaiser und seinen Gästen ein Frühstück im Sladthause angeboten. lieber die Annahme ist die Entscheidung noch nicht erfolgt. Im Falle der Ablehnung bezieht sich der Kaiser nebst kleinem Gefolge gleich nach dem feierlichen Einzug nach dem großen Bahn hof und fährt nach Urvillc. Dort findet großer Empfang statt. Sämmrliche Staats- und Gemeindebehörde», sowie sämmtliche Schulen Lothringens werden Vertreter senden. Am Morgen deS 4. September kommt der Kaiser zu Wagen von Urville wieder in die Statt und läßt sich die Militair- und Civilbchördcn vorstellen. Hieran schließt sich daö erste Kaisermahl im Allgemeinen Militair-Casino; ein zweites wird später im Bezirkspräsidium veranstaltet; Abends findet festliche Beleuchtung der Stadt und großer Zapfenstreich statt. Darauf kehrt der Kaiser nach Urville zurück und am 5. September beginnen die großen Manöver. * Stuttgart, 31. Juli. Der badische Filiauzpräsiden! Buchen« berger hatte am letzten Sonnabend eine Unterredung mit Finanz- minister v. Riecke. Oekterretlh-Nnaar». * Wien, 30. Juli. Heule feierte Erzherzog Karl Ludwig, der älteste Bruder unseres Kaisers, im engsten Familienkreise und in stillster Zurückgezogenheit seinen 60. Ge burtstag. Vielerlei festliche Veranstaltungen waren vo» Seilen ,,Tokayer — wo sie ihn nur her bat! Längst ist unser Weinkeller leer — aber als bedächtige Hausmutter wird sie irgendwo ein paar Flaschen für erlauchte Gäste versteckt halten. Leider waren in letzter Zeit die Gerichtsvollzieher unsere einzigen Gäste." Graf PodbielSki war mit freundlicher Miene an den Tisch getreten. „Sehr gütig. Fräulein Iuza — ich habe in der Thal einen Wahren Wolsshunger. Aber nur zwei Gedecke? Sie werden uns nicht Gesellschaft leisten?" „Mama bedarf meiner. Sie wünscht dringend. Sie zu sehen, und ich muß die Kranke empsangSfähig machen. Sie verzeihen also wohl, wenn dir Bertrctcrm der Hausfrau am Tische fehlt." LrczynSki hatte bereit» dir Flasche entkorkt und die Gläser gefüllt. „So mußt Du schon mit mir vorlieb nehmen, Xaver. Stoßen wir an — ein frohe» Willkommen meinem HerzenS- und Gesinnungsbruder!" Der Gras berührte sein GlaS noch nicht. „ES war sonst Sitte bei unS, daß die Tochter de» Hauses dem Gast den ersten Trunk kredenzte." „Ah, Du bast Recht, Brüderchen. Iuza, so viel Zeit wirst Du haben müssen, so trinke denn unserem Herzensfreunde zu." Mit lächelnder Ruhe trat da» schöne Mädchen zum Tisch, erhob da» GlaS und neigte e« gegen den Gast. „Mögen Sie Frieden und Glück in der Heimath finden!" sagte sie ernst. Dann trank sie und reichte eS dem Grafen, der r» fast hastig ergriff und leerte. „Ein schöner Wunsch, Fräulein Iuza, und ich danke Ihnen herzlich dafür", sagte er bewegt, griff nach ihrer kleinen, feinen und doch arbeitsbarten Hand und führte sie an seine Lippen. Sie nickte ihm noch freundlich zu und verließ daS Zimmer. „Du bist trotz Deiner mancherlei Sorgen ein benciVenS- werther Mann, Kasimir", kam cS wehuiüthig von deS Grafen Lippen, während er sich niederließ, um einige Bissen zu essen. „Ein Sonnenstrahl verklärt Dein Hau«, wer doch auch so glücklich wäre!" „Ei, Brüderchen", ries LcczynSki mit vieldeutigem Schmunzeln, obne die ihm augenscheinlich sehr wichtige Beschäftigung mit Essen und Trinken zu unterbrechen. ..solltest Du wirklich all die Jahre her einsam gelebt und „Sonnenstrahlen" entbehrt baden? Du warst ein zunaer Mann, als sich die... hm ... al- sich jene einschneidende Veränderung Deines Familienleben» vollzog, und Du gingst nach Pari», da» die entzückendsten Weiber hat." „Du bist leichtfertig geworden, wie ich sehe", unterbrach PodbielSki den Sprecher streng. „Ich sprach von Deiner Tochter." „Nun. nun, eS war nicht bös gemeint, Herzensbruder. Und waS die Tochter betrifft, so dürste Dir dein Sohn bald eine solche zuführen." „Hoffen wir e»", sagte der Graf trübe. Die ganze Sorge um Wladimir siel wieder mit Centnerlast aus seine Seele, aber hier, diesem halbtrunkenen, baltlosen Freunde gegenüber durfte und wollte er davon nickt sprechen. So fand er eS denn gerathen, einen anderen ernste» Gegenstand zu berühren. „Du hast meine Hilfe angerusen, Kasimir, und mein Kommen beweist Dir Wohl ohne vorherige Erörterungen, daß ich bereit bin. Dir zu Helsen. Machen wir es kurz, Leczyce steht zum ZwangSvcrkans angekündigt, und Du siehst keine Möglichkeit, eS zu halten?" LeczynSki hatte eilig Messer und Gabel hingelcgt, nur daS GlaS sielt er gewohnheitsmäßig fest in der Hand. „Wie Du sagst. Brüderchen — kein: Möglichkeit! Es war rin Geniestück. mich überhaupt so lange über Wasser zu halten. Aber jetzt ist'S vorbei — ganz vorbei. Selbst wenn ein sehr hoher Preis für daS Gut gezahlt wird, können die Schulden nicht gedeckt werden. Du weißt ja. wie cs ist. wenn man erst gewissen Geldverleihrrn in die Hände fällt. Uno ich war am Niedergang der Verhältnisse nickt schuld — wirklich nicht! Du weißt nicht, was für Zeiten wir hier durchgcmacht haben; ich erzähle Dir daS ein ander Mal eingehend." LcczynSki hatte die Leidensgeschichte von dem Niedergange der GutSwirthschaft, an dem ganz allein dir „Verhältnisse" schuld gewesen seien, in sehr kläglichem Ton vorgebracht und netzte jetzt die trockene Kehle, indem er den Nest der Flasche in sein GlaS goß und dieses leerte. PodbielSki war, während Liese Eröffnungen gemacht wurden, langsam auf- und nietergesckritten. „Die Ernte ist natürlich bereit- verkauft?" fragte er jetzt. „Du findest cS selbst „natürlich"," entgegnete der andere mit einer Art Galgenhumor. „UebrigenS ward rin großer Tbril derselben bereit» in der Saat vom Gerichtsvollzieher ge pfändet. Ick vermeide eS seitdem, die Felder zu sehen — die fatalen Stanacn erscheinen mir wie Galgen, an denen mein Vermögen aufgekuüpst wird." „Du nimmst die Sache merkwürdig launig", sagte Pod bielSki erost. „DaS einzig Richtige, lieber Freund! Sonst hätte ich mich schon längst selber an diesen Galgen ausknüpsen müssen." „Wie viel betragen deine Verpflichtungen im ganzen?" „Hm — es mögen wohl zweimalhunderttausend Mark sein" „Du weißt eS also nicht ganz genau; weniger dürsten wir also in keinem Fall annchmcn?" „Nein, weniger nicht." „Diese Summe wäre also nöthig, um Leczyce überhaupt loSziilvscn. ES auch crtragSfähig zu machen, dazu gehörte bei der jetzigen Verwahrlosung deS Gutes, von der mich alles bisher Geschaute überzeugt, eine weitere große Summe." „Die Schulden brauchten nicht alle gedeckt zu werden", warf LcczynSki etwas kleinlaut ein. „Mancher Gläubiger wird daS Geld ruhig stehen lassen, wenn ihm die Zinsen pünktlich ge zahlt werken —" „Und in zwei Jahren wärest Du genau so weit wie beute", unterbrach ihn der Graf scharf. „Daran ist nicht zu denken, hier ist ein« Radicalcur von Nöthen. Leczyce ist für Dich ver loren." „Verloren — doch verloren? Ich denke, Du bringst Hilfe!" LeczinSki war aufgesprungen und batte e» mit heiserer Stimme gemurmelt. Die Augen blickten stier, und wuchtig stützte sich die Hand aus den Tisch, der schwere Tokayer hatte seine Schuldigkeit getban. „Hilfe denke ich zu bringen, gewiß", fuhr PodbielSki ruhig fort. „Nur nicht i» dem Sinne, wie Du vielleicht erwartest. Ich wiederhole, daß Leczyce nicht mehr zu halten ist, aber nicht deshalb, weil ich die dazu erforderliche sehr hohe Summe nicht opfern kann, sondern weil Du unfähig wärest, ein so heruntergewirthschasteleS Gut wieder aus eine ersprießliche Höhe zu bringen." „Ich unfähig?" lallte der andere mit schwerer Zunge. „Du selbst kennst mich als tüchtigen Landwirth und nur die Ver hältnisse —" „Gut. geben wir also einzig und allein den Verhältnissen die Schuld. Nur sie haben Tick mit niedergerissen, jedensall- aler bist Du jetzt kein tüchtiger Landwirth mehr. Um Leczyce wieder emporzudriugcn, dazu gehört Iugcndkrast und Jugend- mutb, beide- besitzest Du nicht mehr. Aus einer kleineren, wohlcultivirten Besitzung, deren ersprießlicher Betrieb in ge ordnetem Gange, wärest Du noch am Platze und könntest, unterstützt von einem tüchtigen Iaspector, demen Platz ausjüllen, auf Leczyce nicht mehr!" „Du bist hart, Xaver, bist gransam", murmelte LeczynSki weinerlich, in seine» Stubl zurücksinkend. „Woher willst Du das alle- wisscn? Tu bist mit mir seit einer kalbe» Stunde zusammen und willst mir alle Thalkraft, alle Befähigung absprcchcn —" „Laß daS!" unterbrach ihn PodbielSki herb. „Ich weiß, daß ich klar sehe, und im Grunde weißt Du cS auch. „Höre meinen Plan weiter. Ich bin gern bereit, Dir mein Vorwerk Zilkowo zu überlassen, dessen EnragSfähigkcit Du kennen wirst. Es wird Dick und deine Familie bei einiger Tüchtigkeit und verständiger Wirtbschast redlich näbren, redlich und sorglos. Auch liegt cS nur eine Viertelstunde von I. entfernt, die Knaben könnten auS der tbeuren Pension genommen werden und von Zilkowo auS täglich in- Gymnasium gehen, ebenso die Mädchen die Schule besuchen. DaS wäre zugleich eine wesentliche Erleichterung sü: Iuza, auch zu deiner Frau konnte täglich ein Arzt kommen." „Dein Plan ist ja bereit» bi- in die kleinsten Details auSgcarbeitel", staunte LeczynSki, halb gerührt, halb grimmig. „Leczyce, daS Erbe meiner Väter verlassen —" „ES wird Dir wohl nichts andere- übrig bleiben", warf der Graf lakonisch ein. „Und Zilkowo, eS ist hübsch gelegen, hat fruchtbaren Weizen boden und ist wohl iin Stande, auch daß eS in der Nähe der Stadt liegt, ist rin Vorzug. Aber Zilkowo batte irgend einen Fehler, WaS war eS doch nur? Ach ja, eS hat ja kein Trinl- wasser, das Wasser ist eisen- und salpetcrhaliig und deshalb ungenießbar, gute- Master muß eine yalbc Stunde weil auS dem See herangcfahren werden." „Allerdings Und zwar ist daS ein Uebelstand, unter welchem noch andere Güter dortiger Gegend, ebenso die ganze Stadt I. leidet. Adbelfen kann ich dem nicht, aber ^dcn sonsllgen Borzüzen des Vorwerks gegenüber fällt er kaum ins Gewicht. ES wird Dir ja in Zilkowo nicht an tüchtigen Pferden feblcn, die den Wasserbedarf fürs Haus täglich berbeischaffen. Da« Vieh wird am See getränkt. Man kennt eS dort eben nicht anders, und der Wassermangel wird kaum noch als Unbe quemlichkeit empfunden." „Hm — magst Recht haben, Brüderchen. Und unter welchen Bedingungen würdest Du mir Zilkowo überlasse»?" «Fortsetzung solgt.)
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