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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893113002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893113002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-11
- Tag 1893-11-30
-
Monat
1893-11
-
Jahr
1893
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Tabellarischer und Ziffernjc.tz nach höherem Tarif. (kytra-Beilagen (gefalztl, nur mit der Morgen.Ausgabe. obne Posrdelürderv.ug ^lt W.—, mit Postb-iörderung 70.-^. Tinnatimkschluß für Äuzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag« 10 Ut<r. Morgen-Ausgabe: Nachmrtlags «Uhr. Sonn- and Festtags früh ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und Aanabmcstellcn sc: eine halbe Stunde früher. «»teige» sind stet« an die Expediti«» zu richten. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig. Donnerstag dm 30. November 1893. 87. Jahrgang. Die Anschläge auf den Kaiser und den Kanzler. * Die langen und aufregenden Debatten dcS Reichstags über den Etat und Alles, was zu diesem in irgend welcher Htziebutiz steht, scheinen auf den Tacl und die Umsicht M nur eines TheilcS der Abgeordneten sondern auch des PüftiimS nachtheilig eingewirkt zu haben. Schon am 2>ei«lrg war dem Reichstage der gegen den Reicks- k,,zler verübte Anschlag bekannt, aber nur der Abg. r.ßrege fübllc sich an diesem Tage verpflichtet, dem Abscheu tes Hause« vor dem Bubenstücke und der Freude über die Imitelung desselben Ausdruck zn geben. Erst gestern, nickdem auch der Anschlag gegen den Kaiser zur Kenntniß lei Hause« gekommen war. fand der Präsident die rechten Wecke. Wenn das im Auslände zu cizenibümlichen Eom- menlaren Anlaß giebt, so kann man sich nicht darüber Mutern. Roch befremdender aber ist das Verhalten einer Anzahl von Abgeordneten den Worten gegenüber, die Hm v. Frsge am DienStag sprach. Die „Voss. Zig", der Lech gewiß Niemand eine Voreingenommenheit gegen der ^i»ke' zulrauen wird, berichtet darüber in ihrem Parla- «Asberickte folgendermaßen: Adg. v. Frege (de): Ich habe zunächst das Bedürsniß, den Tank gegen die Vorübung ausznsprechen für die Rettung de« Reichskanzlers von dem infernalische» Attentat (Unruhe links): ich lhue das um so liever. als wir erst kürzlich mit Lein Reichskanzler eine objcctive Auseinandersetzung hatten. Sein Parlament der Welt würde es verstellen, wenn inan darüber stillschweigend hinweggehe. (Widerspruch links) Hosseutlich läßt der stenographische Bericht erkennen, een wem diese Unruhe und dieser Widerspruch auSgegangcn sint, und hoffentlich sinket dann auch ein anderes Mitglied de« Hauses die rechten Worte, um solches Gebühren zu kenn zeichnen. Man würde sich übrigens nicht gerade wundern können, ivenu nicht nur im Reichstage, sondern auch im Lande kein Mensch mehr über die verübten Bubenstücke sich ausregte; erklärt doch beule da« Organ des früheren und de« jetzigen Reichskanzlers, die „Nordd. Allgcm. Zlg.", im An schluß an eine Pariser Depesche: „Es wird hier nickt verstanden, weSbalb inan sich >» Frankreick so außerordentliche Milbe "iobt, die Ber- „twortlichkeitsür die in Orleans auS^e heckte» Buben- Me re» den französische» Anarchisten weg auf anarchistische Ausländer zu schieben. Es erscheint dies hier um so weniger verständlich, je geringeres Ge richt »irr aterüaupt jener Bcrdrccherthal brigemesfe» mir»." Es wirb jedoch hoffentlich jeder balbwegS Vernünftige diese inigiialigcirbare Aenßcrung weder auf de» Reichskanzler, noch gar ans eine neck höhere Ouelte zurnckfübren, sondern sie lekiglich aus das Eonto der „Nordd. Allg. Ztg." schreiben, deren großartiges Ungeschick sich schon oftmals glänzend offen bart hat. Hoffentlich wird man sich auch in Frankreich nickt davon abkalten taffen, die begonnenen 'Nachforschungen mit dem größten Eifer sortzusctzen trotz der „Nordd. Allg. Ztg." und ibrer Gleichzilligleit gegen die fluchwürdige» Anschläge. Venn aber diese Nachforschungen von Erfolg sein sollen, so muß uian in Frankreich vor Altem den Versuch aufgeben müffen.tie Schuld von Franzosen ausAuSläiidcr abzuschieben. ?aß dieser Versuch wenigstens von einem Tbcilc der Presse gemackl wird, gebt auS der schon erwähnten Pariser Depesche der „Nordd. Allg. Ztg." hervor, die folgendermaßen lautel: „Tie „Agence Havas" meldet aus Orleans, es exislirc dort laue „Rue Boutlong", von welcher auS der Brief an den tlntschen Neichekanzler Grafen Eavrivi gerichtet worden sein sollte: cixiiio wenig findet sich unter den Einwohnern von Orleans ein sicher Namens Dechanteau. Bisher hätten die angeslellten polizeilichen Recherchen nicht dazu gerührt, eine Spur ein^r ans der Eisenbaiin oder anderwärts aufgegebenen, an de» Grase,. Caprivi adrcssirten Sendung ausfindig zu machendie Anarchisten, weiche zuerst Plakate revolntionairen Inhalts angeschlagen hoben, hätten Orleans verlasse», ohne das; es möglich gewesen wäre, ihre Persönlichkeiten sestzustelle». Gewisse Anzeichen liehen daraus schließen, daß die Urheber der doppelten Sendung Ausländer von der Internationale seien, die, von London gekommen, sich in Paris aufgehalten hätten »nd später einige Zeit in Orleans verweilten." Noch charakteristischer ist folgendes Pariser Telegramm der „Nat.-Ztg": „In einem Artikel des „Figaro", der über die Attentats- versuche in Berlin bandelt, wird erklärt, es fände sich gewiss kein einziger Franzose, der die so niederträchtige und feige Thal b:ll,gen würde. Ter Verdacht, daß ein Franzose der Urheber LeS Attentates sei, wirb zurückgewiescn. Man beginne wieder, im Ausland« glauben machen zu wollen, daß die Franzosen die Welt bedrohten, man versuche neue Prchmiktcl aus den Zaren ('?). Der Artikel weist aus dic letzte Rede Bebel'S hm, welche deutscher seits genau beachtet wttden möge, che man von einem französischen Cvinvlvt spreche." In Deutschland kann cS, wie die „Nat.-Zlg." hierzu mit Recht bemerkt, nur Erstaunen erregen, daß von französischer Seile die Verantwortlichkeit des französischen Volkes für dic von Orleans auS geplanten Attentate '.mit besonderem Nach drucke abgelebut wird. Hat doch iu Deutschland Niemand daran gedacht, den Franzosen in ihrer Gcsammtkeil eine solche Verantwortlichkeit aufzubürkcn. Eine andere Frage ist, ob die beständige Revanche-Hetzerei nicht i» einzelnen Köpfen verbrecherische Anschläge Hervorrufen kann. Jedenfalls ist diese Angelegenheit in Deutschland mös vollständiger Rnbe behandelt worden. Aus welche Tbaliacken' sich die sranzösischen Blätter stützen, wenn sie ohne Weiteres „deutsche Anarchisten" als die Schuldigen bezeichnen, muß ab- gewartet werden. Wenn in diesem Zusammenhang- die Idee einer internationalen Abwehr der anarchistischen Ver brechen von Neuem auf'taucbt, so würbe sich die deutsche Regierung gegenüber bezüglichen Vorschlägen permuthlis. nicht ablehnend verhallen, sallö diese von irgend «iuer Seite an sie hcrantrelcn sollten. Dagegen muß die Annahme d«S „Figaro", daß ans Grund der füngstcn Attentate neuePreß- mittcl (!) ans den Zaren auögcübl werden sollen, aller Entschiedenheit zurückgcwiesen werden. DaS Blatt ist offnioar seinerseits in Sorge, daß die auS Orleans in Berlin und Potsdam cingetroffeiien Sendungen möglicherweise in Peters b»rg Bedenken betreffs des „Blindes gen offen" Hervor rufen könnten. Wie die telegraphisch signalisirtc» Acußerungen doS „Journal de St. PüterSbourg" ergeben, denkt man i» Petersburg Angesichts der in Rede stehenden Vorgänge an gemeinsame Maßregeln gegen die Anarchisten. Es bleibt abzuwarten, wie man in Paris diesen Gcdanlen aus- nehmen wird. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. November. Zur E»»b»rgischen Angelegenheit geht der „Tägl. Rundsch." nachstehende Miltbcilnng zu. welche „dic Ansicht der maßgebenden Kreise in Berlin wiedergicblj: „ Daß diese Angelegenheit nickt allein unter englische» Gcsichks- punctcn zn betrachten ist. versteht sich von selbst, und cs war ganz begreiflich, daß deutsche Blätter eine fremde Staats angehörigkeit mit der Stellung eines deutschen Fürsten unver einbar fanden und vollends a» einer eidlichen Verpflichtung lebhaften Anstoß nahmen. Läge eine solche Verpflichtung oor, so wäre eS, wie wir glauben, nickt zu umgeben, dies von Reicks wegen in Erwägung zu nehmen. Inwieweit die englische GcheimrathSwürrc an und für sich vom deutschen Standpuncte auS zn Bedenken Anlaß geben müßte, kaffe» wir da hingestellt, da uns die genau e Kenntnis; ikrer Beten tung ab gebt In der englische» klnrerhansrcbattc vom >3. t. mciniceinNc iiernngsrcl kreier, die ErceutivgeschäsledesGebe, inen Ratbcs ständen unter der Leitung des Eabincts. Die Tbeil- nabme eines sonveraine» deutschen Fürste» an solchen fremden Untki thanengcsckästcn dürste allseitig als ausgeschlossen gellen." Hoffentlich unterrichtet man sich i» Berlin recht bald über die Bedeutung der englischen GcheimralhSwürtc; cS hätte schon früher gcfchehcn können. Während bei »nS das Eentrum alle Minen springcn läßt, das Reich durch die Wicderzulassung tcr Jesuiten zn beglücken, regl sich in Rußland lebhaft die Sorge vor diese» „Beglückern". So bringt die „Moskowskiia Wjckomosü" unter tcr Ucbcrschrisi nvvniit om»ulo5" cincn Artikel, der vor den Intrignen der sranzösischen Jesuiten warnt, die n.ick Ansicht dcS Blattes sicv dazu an'chicken, tic neue russisck- französffcke Freundschaft für ilirc Zwecke auszimutzcii, nm in Rußland im Trüben zu fischen. Es heißt in diesem Artikel: „Tic kitllioliiche Propaganda in Rußland ist i» voller Tkätlgleit. Sie beschränkt sich nickt aus die Grenzen des westlichen Rußlands, wo sie, im Bnnde mit den Pole», seit MO Iakrc» die Orthodoxie kckämvsi nid kenniich und widergesetzlich ikre Wirksamkeit enlsaliet. In Wisinißland, wo mau den Eharaklcr der kalhonichen Geistlich keit sclir wohl kennt, sind die Berireter und Lerthcidiger der Ortho doxie allezeit aui der Wacht. Aber der lateinische Proictitismiis bei »rankt sich nicht ans de» Weiten des Reiche«. Er hat gegen wärtig sogar auch i» Petersburg seihst sich sein Nest gebaut und sich, i» Ausnutzung der jüngste» Aeußernngen der Annäherung Rlitziands an Frankreich, zu einem unerhörten und noch nickt da gewesenen Vorgehen entschlossen und hocherhobcncn ffauptes eine öfsenlilchc Temoiistratio» in Scene geictzl." Wie beute aus Frankreich gemeldet wird, bat der Präsident der Revublit Herrn Spullcr mit der Ne» bildung dcS Ministeriums beauftragt; Spullcr > machte gestern bis spat Nachts Besuche bei den regicrungS- I srenndlichcn Politikern. Raynat und Bnrdean sollen »Portefeuilles angcnomnicn haben, crsrercr taS für das I Innere, letzterer das tcr Finanzen. Die Blätter be- :-ichnkn serucr den früheren Bolickafler >n Petersburg, Labvnlayc, als ILnsrigcn Minister deS Aeußcrn, Merlin sür die Justiz, Eavaignac für daS Kriegs- ministeriuin, Barthelot für den Unterricht und Eticnnc sür ösfcnilichc Arbeiten. Falls beute die Bildung des MinistcrinmS nickt vollständig sein sollte, wird indcß Spnllcr seine Bemühungen ausgebcn, zuinal da die Presse ihm den Vorwurf macht, nicht rutscn- sreundlich genug zn sein. So spricht angesichts der Möglichkeit eines Ministeriums Spullcr dic „Eocarde" die Befürchtung aus, es würden hierdurch die guten Be ziehungen zu Rußland oomprountlirt, Baron Mobrenhein, tcr russische Botschafter, hätte gestern, als retlauicle, Spullcr würde mit der Bildung des Ministeriums bclrant werde», erklärt, er könne nicht in Paris bkciben, wen» Spullcr Ministerpräsident würbe. Letztere Nachricht bedarf' indcß noch der Bestätigung. Der in Aussicht genommene neue Ministerpräsident Eugöne Spnllcr ist am 8. Tcccmbcr 183.', zu Scurre »n Departement Cöic t'Or als Sobn aus Baden cinaewandcrtcr Ellern geboren, ließ fick >8.',9 j» Paris al» Atvocat cinscbrciben, widmete sich jedoch seil 1803 ausschließlich tcr dcmokratlschcn Journalistik, war 1870—71 Sccretair Gambctta'S während der Dictaiur desselben, wurde 1872 Nctactciir der „Nöpubliguc srantzaisc" und >870 auch Mitglied der Tcpulirtenkammcr, in der er sick zum Rcvubli- kanischen Verein kielt und Gambctta'S Politik unterstützte. Im Ministerium Gambctta war er von, November 188t bis Fannar 1882 UnterstaatSsecretair dcS Auswärtigen. 188k ward er zum Viccpräsikenlcir der Deputirtcnkammcr gewählt und war vom Mai bis Deecmber 1887 im Ministerium Nouvier klntcrrichtSminister. Im März 1889 ward er Minister des Aeußcrn, trat aber am l-i. März 1890 mit dem ganzen Ministerium Tirard zurück. Die britische Regierung bat der russischen einen Wink mit dein Zannpsabl gegeben. Im Untcrkause erklärte, wie bereits gemeldet Worten ist. der ParlamentSsccretair des Auswärtige», Gren, dic Regierung beabsichtige nickt den Ankauf der türkischen Insel LcmnoS; eine derartige Absicht würde nickt nur mit der Türkei, sondern auch mit den euro päischen Großmächten ernste Fragen aufwersen. Ernstbast ist von keiner Seite davon gesprochen worden, daß Großbritannien sich mit dem Gedanken trage, die gegenüber tcr Westpsorte der Dardanellen gelegene und darum strategisch hochwichtige Insel LcmnöS von der Türkei zu erwerbe». Die Erklärung Grey'S ist denn auch nickt« Anderes, als eine mittelbare Warnung an Rußland, dessen Unterhandlungen mit der griechischen Regierung Wege» Erwerbung einer der griechischen Inseln zwar wiederholt geleugnet worden sind, aber trotzdem sortzu- rancrn scheine». Ersetzt man in der Antwort dcS britischen Staatsmannes die Name» England, Türkei, LeninoS durch Rußland, Griechenland, Paros, dann erkennt man sofort ihren wahren Sinn. In Petersburg scheint nian diese gesprochenen Elsiffrcn und die dahinter verborgene Drobung alöbald ver standen zn haben, wenigstens meldet heute daS „Hirsch'schc Bureau" über cm a»S sl o n st am inopc l stammendes, aber zweifellos ans r nss i ich c O.uellcn zurnckzusührendeS Telegramm rer „Zöln, Ztg." Folgendes: ,.T>". .sionuantinopeler Eorcetpondent der „Kölnischen Zeitung" -be- zeicknet die Meldung iibck die Errichtung einer russischen Flölten- Itation im Miitelmeer als eine französische Erfindung, welcher Rußland fern stehe Erste divlomalüche Persönlichkeiten in der Türkei bestätigten, dnß Rußland an die Pforte kein Ansinnen »in Ucberiaiuing einer Intel oder einer >tol>Iensta»ion gestellt habe und auch Nickt stellen werde. Tie russische Polink sei frei von jenem, die irniizoiiichr Politik ckaroktcrisirenden Uebereiser. »ainrnillck kalte der ramsche Bolichaster Nelidoiv sich von Aus wertung solcher Fragen fern, aus deren Lösung im rnssitcken Sinne er nickt mit Besinn,»wen reckpirn könne. Resibow kenne die Stim mungen dcS Lull zu genau, «in nicht Hu misten, daß dieser nimmermehr das Rnlirgen Rußlands erfülle, nachdem ein ähnliches von den Mächte» zweiien oder dritten Ranges zurnckgewiescn worden sei." Bo» der Errichtung einer russischen Flottcnstation im Miitclniecr wird alio vorläufig nickt mehr dic Rede sein, wenigstens so lange nicht, als Franlrcich noch in EabinetS-- nötben sich befindet. Deutsches Reich. O. Ik. Berlin, 30. November. Der Kanzler batte heute eine längere Audienz beim Kaise r. Wir geben wob! nickt fehl, wenn wir behaupten, daß in derselben das Vorgehen gegen dic Anarchisten zur Sprache gekommen ist. Ein Zusammenwirken der Mächte gegen die Anarchisten bat sich biS jetzt nickt erzielen lassen, aber die fortgesetzten Schandtbaten der Anarchisten haben den Widerstand einzelner Regierungen gegen den gemeinsame» Feind beseitigt. iLpeciell in London ist man ganz anderer Meinung als früher geworden; auch in Oesterreich, wo die Anarchisten in der letzten Zeit große Fortfchrilte gemacht baden sollen, würde man fick nickt nictir so ablehnend >r»e trüber gegen ein gemeinsames Vorgehen gegen die Anarchisten verhalten; in Spanien ist man dafür und dic Stellung der deutschen Regierung ist eine gegebene; dic Nothwend'igkcit eines geschlossenen Vorgehens gegen die Dynamitarken und Feullleton. Leben um Leben. Llj Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. N»»tru« »erboten. (Fortsetzung.) „Mag sein, aber schreiben mußt Du, Oskar — oder ich lkuc cs." „Meinetwegen, so schreibe ick. ES ist keine schöne Aufgabe." Hildegard warf sich, in Tbräncn auSbreckcnd, an des Bruder« Brust. „Ach, Gott, cS ist zu — zu fürchterlich! Äcnn der arme Vater davon erfährt." Lskar zuckte stumm mit herbem Ausdruck die Achseln. Er war nickt geneigt, mit seinem Vater in diesem Fall Mitleid zu fühlen. H ^ H Trei Tage später, am Ostersonntag, sagte Antonie Mittags ;u ihrem Mann, der trotz dcS widrigen Wetters einen weiten Weg vor die Tkorc gemacht batte: „Tie beiden MarkwalkS lasten sich Dir angelegentlich cmpsehlen. Sie waren vor einer Etundc hier, sich zu verabschieden, tonnten z» ihrem großen Bedauern Deine Rückkehr nicht abwartcn, weil sie noch zn packen hatten." „L, cS bat nichts ans sich", versetzte Roloff kühl. Der schablonenhafte AbschiedSgruß verdroß ,hn. Aber was konnte er anders erwarten ? Nach Hanse reffen sie? Heut' am Feier- tag?" „Nickt wahr? Wie nnrerstäutig, das; sie nickt Donnerstag fuhren und da« ganze Fest mit den Ihrigen verlebten. Wendeln, kam. als sie gingen, er läßt T ick vielmals grüßen. Vielleicht ssthü Tu in den nächsten Tagen nach ibm, Alfred, er ist nicht frisch, sein Buch scheint ihm Sorgen zu macken. Tu wirst es günstig bcurlbeilcn, nicht wahr?" ..Da« Günstigste sür ibn wird sein, wenn ich darüber schweige" „O — Tn wirst ihn doch nickt io bitter kränken." Roloff zuckle gleichgiltig die Ackseln. Zu Tisck sanken sich, wie seil Weihnachten regelmäßig an den Sonntage». Gäste ein. beule ei» paar junge unbe mittelte Studirende auS der Provinz, welche die Stadt trotz der Ferien nickt verlassen hatten. Eine politische iKeuigkeit bildete den Gesprächsstoff. AIS eS dämmerig wurde, brachte Antonie selbst ihrem Gatten die angezünkcte Lampe in sei» Studirzimmer, wohin er sich gleich nach ausgehohcner Tafel zurückgezogen kalte. Er saß a» seinem Schreibtisch, den Kops m beide Hände ge stützt und richtete fick mit müdem verschleierten Blick auf, ihr für den Liebesdienst zu danken. „WaS fehlt Dir, Alfred", fragte Antonie besorgt. „Hast Du Kopfweh?" „Ja, ein wenig." Sie legte ibre weiche Hand ans seine brennende Stirn und bat: „Arbeite heute nickt mckr!" Er schob ihre Hand sanft zurück. „Wie kam taS so plötzlich mit Hildegard'S Abreise? Oder hatten Du früher schon davon gewußt? „Nein, gewiß nicht." — Tic Frage kam unerwartet und Antonie zögevte mit der Antwort. „Die Mutter rief Hilde gard nach Hause. Ihr Vater ist erkrankt." „Ab — das ist e« also! Ernstlich?" „Ek scheint so. Ein Schlaganfall." „Und daS verschwiegst Tu mir?" Fliegende Rölbe auf der Stirn, stieß Roloff seinen Stuhl so heftig zurück, das; er polternd zu Boten siel. „Wann geht der Zug? um sechs Ubr. nicht?" „Tn kommst zu spät, geliebter Mann. Es thnt mir schrecklich leid — hättest Du dock gleich gefragt." Roloff, der schon an der Thür war und sie ausgerinen batte, zog die Uhr heraus und starrte wie abwefenden GeisieS a»s das Zifferblatt, steckte sie dann langsam ein, ging schwankenden Schrittes aus da« Fenster zn, blieb sieben und schlug beide geballte Fäuste vor die Stirn, während ein qual voller Laut, gleich deni Aeckzen eine« verwundeten TbicreS. ans seiner Brust brach. Antonie stand ocbend auf den Schreib tisch gestützt. Einer so erplostvrn Wirkung ihrer Nachricht war sie nicht gewärtig gew«n. „Wann kommt sie zurück?" fragte Roloff abgrwandk, un deutlich. „Es war noch nickt bestimmt." „Gar nickt mehr — vermuthlich." „Wie weit die Verhältnisse dort durch Krankheit und Tod deS FamilienhauptcS beeinfluß« werden können, läßt sick na türlich nickt vorauSsehen Hildegard fürchtete, sie würde zu Hause blecken muffen. Schon weil die Großmutter ihre Rückkehr nicht wünscht." Ein unheimliche« dumpfes Lacken war die Antwort. Antonie näherte sich ihrem Manne und legte vie Arme um ihn. „Alfred — Dn zürnst mir — aber" Er trat zurück und bob abwcbicnd die Hand. Er war todtcnbleich b>S >n die Lippen, die Zuge entstellt, die Augen ficberglübend. „Du weißt, daß sie mir lieb ist und gönntest mir nickt, ibr in so schwerer Stunde Lebewo l zu sagen, wa« hattest Tu zu fürchten? Bin ich nickt länger ein Ehrenmann?" „Alfred, vcrgieb mir! Ich sehe ein, ich babc gefehlt — aber — o Gott »n Hiniinel — was sprichst Du! Witerruse Tcine schrecklichen Worte! Es ist nickt möglich, nickt möglich, daß Du mir die Treue gebrochen, daß Dn eine Andere liebst!" In Tkräncn aufgelöst, sank Antonie aus ihre Knie nieder. Alfred schritt aus und nieder — in stlimmcni. gewaltsamem inneren Kamps, der ihm kalte Schweißtropfen auf die Stirn trieb. „Steb ans, ich bitte Dich, Antonie, laß mich allein", bat er endlich mit heiserer Stimme, reichte ibr die Hand und bob sie empor. „Ich weiß, WaS meine Pflicht ist. — Aber Lüge und Diplomatie sind schleckte Waffen zur Vertbeitigung von Herzcnvrechtcn. Zweischneidige Waffe»! Dn hast nicht wohl gclhan, sie gegen mich zu gebrauchen." Zweiter Band. — Erstes Eapitel. An einem warmen Iuiiitage bewegte sich ein Ponhsuhrwerk, in welchem zwei junge Mädchen saßen, der Dannenberger Grenzmark zn. Bon dorther nahte ein Reiter, und ungefähr an der Stelle, wo Waldemar von Gotz vor mehr als zwei Jahren aus Hildegard'S Verlangen seinen Schlitte» hatte wenden lasten, begrüßte er heute feine jungen Schwägerinnen Die zügelsührende Nelly brachte ikre grauen Pferdcken zum Stehen, und Götz hielt zur Seite des Wägelchens Vor sich im Sattel batte er ein NrineS weißgekleidetes Bürschlrin, da« er jetzt den autgcstrecklen Händen Hildegard'S übergab. „Er süblt sich ganz zu Hause in, Sattel, der Strolch", sagte er vergnügt und rückte dem Kinde daS Hütchen aus dein blonden Lockenhaar zurecht. „Nur al- Auszeichnung sollst Du ibn haben, Hilde. Und ich hoffe, eS macht Dir den gehörigen Eindruck, daß wir beide Dich riicholrn, wie eine regierende Königin. Wir wissen e» zu schätzen, daß Du Dich endlich herabläßt, unsere demüthigr Schwelle zu überschreiten." „Nun, ist die Rede zu Ende, Herr Schwager?" rief Nelly übcrmülbig. „Vorwärts also, ihr StaatSrofle!" Hildegard herzte da- Kind, da» dem neben dem Wagen reitenden Götz lebhaft zujauchzte. Ein prächtiger kleiner Bub', rund und rosig, mit den großen klauen Augen seiner Mutter »nd dein seinen kräftigen Glicdcrbau seines Vaters. Dieser ritt voran und empfing die Gäste vor der Thür seines stattlichen WobnbanseS Bcriba erwartete die Schwestern aus der Veranda, wo sie auf ihrem Fanllcnzcr auSgestrcckt, in einem Roman blätterte. Sie trug einen eleganten fpitzciibcsctzlen Morgenanzug von elsenbeinfarbigeiu Kaschmir und sah blühend auS, aber matt um dic Augen und apathisch im Ausdruck. „Wo kommt das Kind der?" rief sic, als sie den Kleinen gewährte, den dic beiten Märchen zwischen sich führten. „Alto hat uns zu Pferde eingcbvlt", berichtete Nelly, woraus Bcrtba ganz blaß wurde »nd erregt rief: „Aus dein Rappen ? Hatte Waldemar den Rappen?" „Nein, nein, tcn Braunen, und er kielt daS Kind vorficbltg im Arm", bcrubigte Hildegard. „Gleichviel! Waldemar weiß, daß ick mich tobt ängstige — aber nun gerate, mir zum Trotz! — Der Junge ninß ,» Pserdestall eingebürgert werten, er riecht schon jetzt von Weitem darnach. Er muß Bier und Wein trinken, was tcr Doctov streng verboten bat, nur weil ick Waldemar jedeSuial flchc»»- Uch bitte, solche Tborbeiten zu lassen." „Er will ihn bei Zeilen zuin Manne machen", meinte Hildegard. Und Nelly warf unzufrieden dazwischen, indem sie ihren Hut abnahm: „Eigentlich könntest Du »nS guten Tag sagen, Frau Schwester!" Bertha erhob sick und bot den Beiden die Hand. „Ihr bleibt jetzt länger, ordentlich lange, nickt wabr?" „Eine von unS bleibt", gab die vorlaute Nelly Besckcik. „Beite sind wir zu Hanse nicht abkömmlich. Du Haft die Wahl." „Ja? Dann werde ich wobl bescheidentlick auf Dick ver zichten. Nelly. Alma wäre mir an, liebsten gewesen, die nimmt mir auch dic Wirtkscbafl ab Nun — ich freue mick doch. Tick einmal hier zu haben, Hilda." Nelly war beleidigt, nahm ihren Hut und lief in den Garten. Bertha erkundigte sich nach dem Ergehen des Vater«. „Er fährt setzt täglich aus» Feld, gebt ganz gut an seinem Stock und ill überhaupt frischer a!« diese ganze Zeit her", gab Hildegard freudig Auskunft. „Daher kann ich'S wagen, ikn e»n paar Wochen allein zn lassen." .Find Mutter ninin» keine Wirtbschafterin! Ick habe so in sie gedrungen. Es ist so verkehrt! Eine HauSfrau bat doch andere Dinge zn thuo, als in der Küche zn stehen."
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