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Vezugs-Pret» d« tzasptrMdition ode» den im Stadt, beztrt und d«i Vororten errichteten Au«- qadniellen abgeholt: viertrlfahrstch^ll.50. bet zweimaliqrr täglicher Zustellung ins HauS ^l öchv. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierleliahrUch 6.—. Tirecte täglich« ldrenzbnndienLung in- Ausland: monatlich ^ 7.50. DieMorgen-AuSgabe erscheint täglich '/."Uhr, die Abeud-NuSgabe Wochentags 5 Uhr. Nedaclion uud Lrueditioa: AohanneSgastc 8. Di« Expedition ist Wochentags ununterbroche» geöffnet von srüh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: ktl« »leuiul'a Sortim. (Alfrk* Hahn). UniversitätSslratze 1, Louis Lösche, latharinenstr. iS, Part, und Löiiig-vla- 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter demRedaclionSstrich (4ae- ioalten) öv^z, vor den Familienaachricht«» (6 gespalten) 40 Größere Schritten laut unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Zisternsap nach höherem Tarif. tszstra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbesördermig 60.-, mit Postbesorderung 70.—. Tinnahmeschlaß für Anzeigen: Abend«Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Margea-AuSgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn» und Festtags früh 0,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Ertzedttimi zu richte». Druck und Verlag von F. Polz in Leipzig. ^-62«. Dienstag den 5. Deccmber 1893. politische Lagesschau. * Leipzig, 5. Tecember. Der stenographische Bericht über die Jesuiten sitzung des Reichstags liegt jetzt vor. lieber die Ab stimmung cnliichiiieu wir demselben folgende Angaben. Loa Len 172 mit Ja Stimmenden waren l03 CeiiirliniS- uiirglieder, Welsen, elsaß-lothringische Proteslniäuncr und Mitglieder des bäuerischen Bauernbundes. 'Auch der selbst protestantische und in einem fast ganz protestantischen Wabl- kreis (Rothenburg ob der Tauber) gewählte Bauernbüntler Hilpert bat sich als Icsuilcnfrcund erwiesen. 30 Mann zur Mehrheit stellten die Soeialdeinokraten, 17 die Polen, 13 die Freisinnige BolkSpartei sBuddcderg, Casselmann, ls-öllner, Or. Herme-, Müller-Saga», Munckel, Vstügcr- VLden.v.Rcibnitz.Schmidt-Elbcrfclk, Schmierer, Or. Schneider, Tracger. Weist), l die Fee,sinnige Bereinigung lVarlb), t die süddeutschen Temokraien, einzelne Mitglieder andere Parteien (die Conservativcn den Abg. Prinz Hobcnloke- Oebringcn und den fraclionslosen Abg. v. BnLdenbrock, die Antisemiten den Abg. Hirsche«, dazu der Däne Johann,en). — Zu der Minderheit von 130 Manu stellten die Ranonalliberaleu 49, die Consclvativen 39 (darunter von Hammerstein. Graf Kauitz, Gras Limbnrg-Stiru»,. v, Levetzow, v. Manteusscl, v. Plötz), die ReichSparlei 22, die Freisinnige Bereinigung 9, die Freisinnige BolkSpartei 10 iAnckcr, Beckb, Bodm, Herzog, Kaufsniann, Lanzerhan-, LüderS, vr. Pachnicke, Richter, Ritters, die Antisemiten 5 «Gräfe, Hänichen, Klemm-DreSven, Lotze, Zimmermaiin. alle aus dem Königreich Sachsen), außerdem Gras Bismarck und Fürst von Fürstenberg. — Bei der Abstimiuung fehlten mit und ebne Entschuldigung 3l Conscrvative, 5 von der Reicheparlei, ll LNitglieter des Ccnlrums nebst Anbang, 2 Polen, 5 "Nationallibcralc, 3 Freisinnige, 7 Mitglieder der süddeutsche» BolkSpartei, 0 Antisemiten, I i Socialcemokrateii. Diejenigen Mitglieder, die den Gegnern dcS Antrags zuzu rechnen sind, waren sonach erbeblich zahlreicher abwesend als die Freunde. Bei größerem Ciser aus jener Seite hätte die Mehrheit der Iesnilcnfrcunoe mindestens abgeschwächt werden kennen. Herr von Hamm erste in nnd Herr Eugen Richter begegnen sich in dem Bestreben, für den gegenwärtigen parla mentarischen Kamps das Losungswort .. Bcrsckilcppung " zur Verwirklichung zu bringen: der Erslere mit Bezug auf die Handelsverträge, der Letztere hinsichtlich der Sicuergesetz- entwürfe. Herr von Haminersteiu ist in diesem Sinne in der Eommission tkälig, Herr Richter wünscht, im Plenum LcS Reichs tags entsprechend tbälig sein zu lönnen. Demgemäß soll eine all gemeine Erörterung über jeden einzelnen Stcncrgesev- cn twurs ulid erst »ach Abschluß derselbe» die erste Lesung des Entwurfs des allgemein en Finan zgesctzeS statlfinde». ES leuchtet ein, das; das die Tinge gerade auf de» Kopf stellen heißt. Die Begründung, daß man zuerst wissen müsse, wie viel Geld mau bewilligen wolle, ehe man beschließen könne, was damit aiigesangen werden solle, erweist sich schon um deswillen als Trugschluß, weil bei den ersten Lesungen Abstimmungen überhaupt nicht stattfindcn, der Reichstag rli'o in ihnen überhaupt nicht beschließen kann, wie viel er bewilligen will. Wir pflichten vielmehr der „Köln. Ztg." darin bei, das; der einzig richtige Weg der sei, zunächst ein mal die Steuerpläne als Ganzes zu erörtern und dann an der Hand ringekender Co mm lssionSver Handlungen zu nächst zu beschließen, wie weit der Reichstag sich die Reformvorschläge zu eigen machen will, m welcher Höhe mau also die zu deckenden Mehrausgaben ein schließlich der Ucbcrireisungcn an die Staaten und der Tilglmg-summcn sestsetzen will, nnd erst hierauf zu beschließen, welche Steuerobjecte und in welcherWeise sie zur Deckung dieser Mehrausgaben berangezogen werden sollen. Diesen Weg zu beschreileu, erscheint nnS für den Reichstag »m so dringender erforderlich, weil die Bcrtrctcr der verbündeten Regierungen es ohne Weiteres in der Hand haben, jederzeit den ganzen Resormplan als solchen vor dem Reichstage zur Sprache zu bringen. Tie ungarische Presse spiegelt de» gewaltigen Eindruck wider, welchen die Einbringung der Ebe Vorlage und die einleitende Rede dcS IustizininisterS Szilagni auf die össcntlichc Meinung gemack'i baden. Die oppositionellen Blätter sind cs in erster Linie, welche hcrvorhebe», daß die Regierung mit der Ausarbeitung der knchenpolilischen Vor lagen eine große und ehrliche Arbeit geleistet bade, welche die Unterstützung der Opposition beanspruchen dürfe. Auch der ausgezeichneten, gerade durch ihren maßvollen Ton so stark wirtenden Rede Szilagyi'S wird allgemeine Anerkennung zu Tbeil. und nicht minderes Lob wirb der Gcsetzestechnik der Ebevorlagc gezollt. Allem Anschein zufolge wird daS un garische Abgeordnetenhaus sofort »ach der Bubzctberalhunz an die Verhandlung über daS Ebegesetz schreiten, und man nimmt au, daß dasselbe Ende Februar die Beralhunz des Abgeordnetenhauses passirt haben werde. Taö neue französische Ministerium Casimir Perier ist gestern mit seinem Programm vor Leu Senat und die Depntirteukammer getreten. DaS Programm, besten Inhalt der Telegraph bereits mitgethcilt bat. entspricht in allem Wesentlichen der Erklärung, die Herr Dupuy am 22. November abgab: keine BersassungSturckisicht, keine eigent liche abgestufle Einkommensteuer. aber doch eine etwas schärfere Heranziedungdcr Reichste», keine Trennung von Kirche und Staat, Festhalten des demokratischen Programms, socialrcsorniatorischc Maßnahmen, zunächst Einführung der ArbcitcralterSversorzung, Kamps gegen denSocialiömuS. DaSPrograinmvom 22.November ist also geblieben, nur seine Träger habe» gewechselt. D»ß diese Träger aber populärer sind als ihre Vorgänger, bewic kle Aufnahme der Ertärung in der Leplltirtcnlauimer und daS Schicksal dcS sofort von den Socialdemokralcn cinzebrackten Antrages aus Erlaß einer allgemeinen Amnestie, in testen Specialbcratlmng nicht cinzulreteu die Kammer mit 257 gegen 220 Stimmen beschloß. Allzugros; ist die Majorität, die daS neue Cabinet vci seinem ersten Auftreten erzielte, allerdings nicht: immerhin ist es eine Majorität, die de» erste» Ansturm der Gegner dcS CabinctS abgeschlagen bat. Die letzteren werten »unmchr voranösichtlicki eine Anfrage über die allgemeine Politik stellen; das Ergcbniß der an diese Anfrage sich knüpfenden Erörterungen wirk wohl volle Klarheit über die parlamentarische Stärke deS EabinctS Perier verbreiten. DaS neue italienische Ca bi net wird — so meldet u»S ein Telegramm dcS Hirsch'schen BureauS — nunmebr heute dem König Humberl den Eid leisten. Tie Minisierliste setzt sich, wie bereits berichtet, also zusammen: Inneres und Präsidium: Zanardelli; öffentliche Arbeiten: FortiS; AeußereS: Baratieri; Justiz: Jnghillcri. Krieg: San Marzano; Marine: Rachra: Handel: Coeeo-Ortn; Post: Blasio Ingbilleri. Diese Liste weist nur leider eine bedenkliche Lücke ans. Es fehlt darin noch der Finanz- minister» für dessen Posten bisher Boselli in Au-sicht genommen war. Nun meldet nnS aber gleichzeitig ein römisches Telegramm deS Wolff'schen BureauS: „DaS neue Ministerium hat sich constituirt, nur die Besetzung LcS wichtigen FinanzrcssortS ist wieder zweifelhaft ge worden, da Boselli die Annahme de-FinanzportefeuiUeS ab gelehnt hak. In Folge dessen ist da- Portefeuille aus telegrarbischem Wege dem Deputiere» Gnieciartini. der sich zur Zeit in Florenz auskält, angeboren worden. Guicciardini wird für beute in Rom erwartet." Da die Person dcS FinanzininistcrS Lei der jetzigen Lage Italiens dem ganze» Cabinet ein bestimmtes Gepräge gilbt, so wäre cS voreilig. Betrachtungen über daS Cabinet anzustcllcn, bevor die Ent scheidung über den neuen Finanznnnrsicr gefallen ist. Vor läufig meint man. die Kammer werde zum Donncr-tag oder Sounabcnd ciiibcruscii werden und fick nach Beratbung der dringenden Vorlagen wieder vertagen. Nack dem Wieter- zusammeutrill soll alsdann die Wahl deS neuen Präsidenten erfolgen. Der „Tribuns" zufolge würde Eriüpi von der liberalen Partei als Eantitat für den Präsikentcnpoften auf- gfftelll werden. Nach de» letzten Meldungen, die in Spanien auS Melilla cingetroffen sind, haben die spanischen Truppen die gcsammte Grenzlinie dcsetzt und dort drei Schanzen errichtet. Tie Kabylen beschränken sich aus eine aufmerksame Beobachtung der Spanier »nd überschreiten die Grenze nicht. Mulci Araas, der Bruder dcS Sultans, weilt immer »och in der Umgebung Melilla« : Abends, wenn die spanische» Truppen, nachdem sie tagsüber an den Befestigungen dcS FortS Guariach gearbeitet haben, in daS Lager vor Melilla abmarschircn, läßt Mulci Araas die SullanSsoltaic» als Posten an Leu Befestigungsarbeiten aufziehen. Er soll den Nisteten zugcsagt haben, das; der Sultan ibncu für den in der Nabe deS neuen FortS gelegenen Fried hof eine neue Stelle auweisen und dort auch die zerstörte Moschee ans seine Kosten neu ausbauen werde. Ter un befangene Beurtbcilcr muß zuzestebeu, daß der Sultan bis jetzt fick redlich bemüht hat, den Frieden zu erkalten. Man bars daher wokl erwarten, daß Spanien diese Bcmübungen nicht seinerseits durch übertrieben bemessene Entschädigung-» sordcrungeu in Frage stellt und daß e« Lei dieser Lag« der Dinge auch daraus verzichtet, die Ucbelthätcr am Rif persönlich zu ri»ch igcu. Tie von den serbischen Ossiciöscn mit greßer Beharrlich keit abgelcugncte M in istcrkrisc ist nun offen auSgebroche»; der K önig hat die von dem Ministerpräsidenten Or. Do kitsch wegen schwerer Krankheit erbetene Entlassung an genommen, worauf daS gcsammte Cabinct seine Entlassung gab. Der Eachwerpunct der Lage ist die Forderung der Radikalen, ein crtrein-radicalcS Ministerium zu bilden »nd Pasch itsch, der sich als Gesandter >» Petersburg befindet, a» die Spitze zu berufen. Ta u scheint aber der König leine Lust zu haben, von dem bereits gemeldet worden ist. daß er die Bildung eines auS MilitairS zusammengesetzten EabinctS ins Auge gefaßt babe. Jedenfalls ist die Lage eine ziemlich verworrene, auch wenn der König jenen Plan vorläufig anfgcgcbcn bat. Den Münchener „Neuest. Nachr." schreibt man über diese Lage auS Belgrad vom 2. d. M.: „Die in ausländischen Blättern ausgetauchte» Gerüchte, nach welchen der König die Besetzung der Minislerposlen mit MilitairS beabsichtigen soll, haben hier große« Aussehen erregt. Man hatte in Belgrad bis zu dem Tage des Bekannlwerden« jener Gerüchte absolut nichts von solchen Pläne» gehört. Ru» ging inan der Sache »ach und dabei kam man zu dem Ergebnisse, daß der König, wie inan behauptet, thotsächlich in vertraulichen Gesprächen jene Eventualität berührte. Tie betreffende» Unterredungen dürste» aber schon vor mehreren Woche» stattgesunden habe» und es scheint, daß die ganze Angelegenheit nicht mehr actuell war, a!Z die Eorrespoudenten der auswärtigen Blätter davon erfuhren. Tie 87. Jahrgang. Möglichkeit, daß der König iin Nothsalle aus de» einmal Sn Betracht gezogenen Plan zuruckgreist, ist aber nicht oukge- schlossen. Tie Bestellung zwischen dem Monarchen und der radikale» Regicrimqspariei lasse» Manches zu wünschen übrig: an die Bc> rusting eines rein radicalen CabineiS ist überhaupt derzeit nicht zu denken: die Fortschrittler endlich wären heute noch nicht in der Lage, wieder in den Vordergrund zu treten, wenn ihnen auch das Wohlwollen des Königs zu Tbeil würde oder etwa schon jetzt in eichränkiem Maße zugewendei wäre. Demnach konnte inan leicht aus abnorme Auskunftsmittel Versalien, wen» der finanzielle »»d politische Zusammenbruch der gegenwärtigen Aera erfolgen sollte. Vorläufig aber wird die Reconstruction deS EubinetS wohl aus Grund der parlamentarischen Verhältnisse, d. h. mit Rücksicht aus die ausschlaggebende Mehrheit der Radicalen in der Volk« Vertretung siattiuide». Ob dabei die energische» Dementi« der allgemein verbreiteten Gerüchte vom Rücktritt de« Ministers des Aeußcln, Nikol itsch. nicht Lurch die Lhalsachen wieder selbst Lemenlirt werden, in»ß die Zukunst erweisen." Wie der „Kreuzztz." au« der bulgarischen Hauptstadt berichtet wird, stellt sich heraus, daß cs sich bei dem Atteutatsplane Iwanvw'S nicht bloS um einen An schlag -zegcn den Fürsten, sondern »in einen solchen auch gegen Stambulow und andere Minister gebandelt bat und daß in der Tbal eine seit langer Hand vorbereitete Ver schwörung entdeckt worden ist. DaS Bedenkliche bei der Sack'c ist, daß sich überhaupt wieder russische Söldlinge hervorwagen, was beweist, daß inan in den russischen Kreisen, bezw. in denen der bulgarischen Emigranten neuerdings auf die Absicht, durch ein Verbrechen eine Umwälzung in Bulgarien herbcizusührcn, zurückgclommcn ist. Jedenfalls ist die- ge schehen. weil man ciiigcsekcn hat, daß die Hoffnungen, die »ian aus ein Zerwürsniß zwischen dem Fürsten und Stam bnlow gesetzt hatte, trügerische waren. Mau ersteht hieran«, daß sich a» der Haltung der russischen Kreise Bulgarien gegenüber nichts geändert bat und daß weder die Zeit neck da« ruhige, dem AuSlande zu keinerlei Klagen Anlaß bietende Walten der bulgarischen Regierung mildernd auf die Feind seligkeit der russischen Kreise gegen Bulgarien eingcwirkt bat. Deutsches Reich. Berlin, 4. Tecember. Tie bei der Bcrathun^ von „kleinen Sachen" im Reichstage, nanicntlH gegen Schluß der Sitzung burschende Unruhe ist am vcrrken ^onnabeud der Regierung scbr zu statten gekommen. Man überhörte ans der rechte» Seite dcS Hause«, wie auch ans der Ioiiriialisientribüli: die sehr ernste Mahnung, welche der volkSparlcilicke Abgeortnele Schmidt-Elbcrscld an die Regierung bezüglich wirtk > ckafllicher Abinachungen mik fremden Staaten richtete. Nur die „Frcis. Ztg", in diesem Falle gewiß eine unverdächtige Zeugin, Weilt mit, daß ikr Parteigenosse bei der Vcrkanklung über den Marken schutz-Vertrag mit Serbien an die verbündeten Regie riingen die Bitte richtete, „daß sic bei weiteren Verband- lungcn Rücksicht daraus nehmen mögen, möglichst große Vortheile zu erzielen." Die freisinnige Dolr»- partei ist iin Piincle wirlhschafllicher Verträge Regierung? Partei, und deshalb ist eS sehr interessant, daß auch ein Sachkimdigcr au« ibrcn Reihen die Unterband l»ngS-Tcck'nik der Regierung bemängelt. Die Pflicht, „mög lich» viele Vortkcilc" für da« eigene Land zu erzielen, ist eine so selbstverständliche, daß ihre Einschärsung durch einen grundsätzlich mit der Regierung übereinstimmenden Politiker eine scharfe Kritik bckeurcl. Tic Regierung hat bisher immer eine sehr gekränkte M»e»e angenommen, wenn ihr vo» Agrariern oder den „Hamb. Nachrichten" vorgekaltcn wurde, daß sie c« bei Verhandlungen mit fremden Staalcir an Zäkig» Feuilletsn. j.'eben um Lebe». 2»! Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. RiiStruik rerboim. (Fortsetzung.) „Ohne Ihre Briese wäre cs manchmal über meine Kräfte gegangen, Herr Professor", gestand Hildegard nach kurzem Schweigen treuherzig und bewegt. „Ist eö nicht mcrlwürdig, daß der Mensch so in zwei Welten lebt? Uebcr Alles das, wa- mir drückend und lästig und langweilig ist. kann ich mich auffchwingcn, jederzeit, ohne Mübc Und tritt eS dann wieder an mich heran, so Hab' ick Mutk und Kraft, und manchmal eine wahre Freude am Kampf mit de» widerlichsten Dingen." Roloff ließ die weißen Dolden einer hohen Staude, die am Wcgrande wuchs, durch seine Hand laufen. „Wie kommt'-, daß Ikr Bruder nicht für den kranken Vater cintritl?" fragte er. „Heinz?" Ein Schatten flog über das Antlitz des Mäd chens. „v'a. früher war cS bestimmt, daß er einmal Besitzer von Graveliscktcn werten sollte, aber seitdem sind die Ver hältnisse so ganz verändert — und was sollte er jetzt zu Hause? Er :st an ein flottes Leben gewöhnt und bei uns müßte er tüchtig arbeiten und sich Vieles versagen." „Er hat wohl ein bi-cken Furcht vor Ibne», wie?" fragie Roloff lächelnd. Aber Hilkcgark's Antwcrtlächcln war etwa- ickwermüthig. „Ich wollte» es wäre so. Aber cS ist wabr, zu Hause würden wir noch schlechter mit einander anskommen, als er mit Götz anSkommt. Denken Sie nur. die große Verant wortlichkeit für Heinz. Er würde doch selbstständig dirigiren wollen. Und Vater — der würde sich dann ganz über flüssig Vorkommen. Jetzt wirtbschaftet er mit unierm alten Herrn Sckwcndig, rck bin nur so das vermittelnde Glied. Önlel Siewert und Waldemar sebcn zuweilen nach und ick merke mir, was dir sagen, nnd bringe e» meinen Herren in Erinnerung." „TtaatSsecretair ohne Portefeuille. Uud leine Aussicht, daß Sir wieder nach Königsberg kommen?" Hildegard schüttelte betrübt den Kopf. „Daran ist gar picht zu denken. Ich hätte so gern meine Seminarstudien beendigt und mein Examen gemacht. Ich werde cs wohl eines Tage- brauchen. Aber für jetzt bin ich zu Hause unentbebrlick. Und kann will Großmutter mich auch nickt wieder ausncbmen. DaS ist schon ein Grund zu viel!" fügte sie mit beklommenem Lacken hinzu. Sie waren inzwischen umgekehrt und batten den Wegrain wieder erreicht. Der kleine Ltto kam ihnen von der Locomobile her ent gegen gelaufen, der große folgte langsamer. „Wir müssen fahren, Alfred", sagte er, „sonst giebt'S zu Hause Schelte. Hilde, ich bab' noch ein paar Worte mit Dir zu reden, mein Kind." Rolon ging mit seinem Neffen voran und Siewert »ukr fort: „Der Vater wünscht Gravclischken zu verkaufen, Hilde, ick soll ibm behilflich sein, will auch gern thun. was ich kann, die Zeit ist gut gewählt und vielleicht glückt'-. Aber der Vater muß fest blctben." Hildegard war znsammcngezuckt wie unter einer schmerz- basten Berührung. „Also der Verkauf ist unvermeidlich, Tnkel?" „Es ist jedenfalls eine weise — ja, und wenn ick die Ver hältnisse richtig bcurthcile, eine dringend notbwendige Maß regel, mein Kind", verletzte Siewert ernsthaft. „Nur muß sie jetzt ohne Aufschub auSgcsübrl werden. Vater bat schon einmal Anstalten getroffen, und Mutter nachher Alles wieder rückgängig gemacht. Da« darf nickt wieder Vorkommen. Dafür mack!' ich Dick verantwortlich, Hilde." „Mutter bat gewünscht, nach Königsberg überzusicdrlii, und als cS sich herausstellte, daß da« nicht möglich sein würde —" „Wollte sic lieber in Gravelischlen bleiben. Mutter soll sich dar überlegen. Wenn ick etwas in der Sache thun soll, darf sie nickt wieder hineinredrn. Verstanden? —" Siewert trat ;n Herrn Markwald, der mit dem Professor plauderte. „Auf Wicderseben Herr Nachbar! — Unsere Frauen planen einen Ucbcrsall in Gravelisckken und ick hoffe, sie nebmen uns mit. Was wird Alma dazu sagen, das VicehauSfrauchen? Wir wollen sie 'mal reckt in Verlegenheit setzen, daher be stimmen wir keinen Tag." Hildegard batte ibrcn Platz »eben ihrem Vater eingenommen, man reichte einander die Hände und beite Gefährte entfernten sich »ach verschiedenen Richtungen. „Braves Mädel", sagte Siewert, einen Blick über die Schulter zurückwersend. „Ter Alte sieht sich selbst wieder ähnlich, aber die Maschine hat doch einen Knack« weg, da« Begriffsvermögen hinkt, so gut wie die Beine. Ist die Hilde dabei, so merkt man'S nicht. Ick glaube, ohne sie würde er zusaiiiinenklappen wie ein leerer Handschuh." „DaS hättest Tu erleben sollen, Alfred, wie sie damals nach dem Ansall den Alten gepflegt und gewartet bat — »nd getröstet und ausgehcilert. l-:ie baden eS Alle ihr überlasten, weil sic die Einzige war, die nicht müde wurde. Er war wie ein kleine« Kind, mußte wieder gehe» und spreche» lernen, langsam, langsam. DaS hat sic ihm Alles beigebrackt. Und wenn ich denke, was daS noch vor ein paar Jahren ein ge dankenloser Diltsang war." Roloff hatte seine Cigarrentasche hcrauSgczogcn und zündete eine Cigarre a». „Ist cö eigentlich in der Trdnung, daß ein aufblübcndeS Leben einem verfallenden so geopfert wird?" fragte er, die Brauen zusammenziehend. „Daß die Allen sich auf die Jungen stützen, die sic in die Welt gesetzt und groß gezogen haben, daS sollte nicht in der Ordnung sein? Hättest Du Kinder, so wäre Dir da- keinen Augenblick fraglich. Ucberbaupt — wie sollten wir Menschen miteinander lebe», wenn sich nicht solche Leistungen, die an Kopf und Kragen gehen, freiwillige oder unfreiwillige, in irgend einer Weise wieder au-glicken? Darauf beruht dock McS: Familien leben, Staat und Gesellschaft, Christcntbnni." „Ja", sagte Roloff in Gedanken, „Leben um Leben —" „Na. wie ein Schlacktcpser sieht die Hilde zum Glück nicht auS, im Gcgenkhcil, sie hat sich zu einem forschen Frauen zimmer herauSgewackscu. Ick weiß nicht, ist sic eigentlich kübsch?" Alfred lächelte. „Hübsch! DaS klingt so puppenhaft, davon bat Hildegard nickt die Spur. Alle« an ihr ist groß an gelegt, uri'priinglichc feurige Iugenvkrast. Da- Acußcre ver körpert vollkommen da« Innere. DaS ist Schönheit, meines Erachtens." „Mag sein. Mein Geschmack ist sic eigentlich nicht, aber darauf kommt's auch nickt an. Unter uns, die Hildegard Kat einen Verehrer, der « ernstlich meint. Und da« ist ein wahre« Glück, denn der Alte kann sich ans Gravclischken nickt halten, cS wäre schon jetzt zu Ende, gäbe ihm die Landschaft nickt noch Frist." Roloff'S Blick ging über die Stoppelfelder, Diesenstreisen und Gebölze, zwischen welchen die Landstraße mit ibrcn vom letzten Regen her stehen gebliebenen Wafferpsützen sich kinzog. Zur Linken tauchte der schmale Wasserspiegel deS Rautenburger See» auf. Ein mit goldbraunen Korngarben hochbcladener Wage» schwanlte auf der Straße hin und wurde von den raschen Grauschimmeln überholt. „So, sie bat einen Vercbrer?" wicdcrhckle Roloff, warf seinen Cigarrcnsiuinincl fort und bolle die Tasche auf- Neu« heraus. „Der ist'S denn?" „Hin, ich darf nicht drüber reden — Idr ist seine Ver traute", erwiderte Siewert, die Stirn kraus ziehend. „Holla! — Wenn man Leu Wolf nennt —" Er faßte ein mit ein paar friedlichen Gäulen bespannte-, offenes Wägelchen iuS Auge, daS auf einem Feldweg von der Seeseite bcrankani Ter schwarz gekleidete Herr auf dem Rücksitz grüßte, sobald man sich cinandcr ans Sehweite ge nähert. Siewert i >cf niit gewaltiger Stimme hinüber: „Guten Tag, Richard! Wohin »nd woher dcS Weges?" Bald hielten beite Gefährte einander gegenüber . Richard Lassen stieg auS, kam heran und reichte beiten Herren die Hand, denl Professor nicht ohne eine gewisse befangene Zurück haltung. „Ich tommc aus Dannenberg, war sehr erfreut, Frau von Götz auf dem Wege der Genesung zu finden. Wie geht es Ihne», Herr Professor? Wie brsindct sich Ihre Frau Gemahlin?" „Da- sollen Sie baldiast selber feststekle», wir beballcn die Geschwister jetzt eine Weile bei uns, nahm Siewert die Antwort vorweg. Den Pastorrngäulen tkut c» gut, cmmal auSzntraben, sie werden zu tick." „Wie, Sie sind bereits in Amt und Würden?" fragte Roloff rasch. „Nicht doch, vorläufig nur Stellvertreter meine« Vater« ^ „Nun, was nicht ist, kam» sehr schnell werden", meinte Siewert. „ES verlautet da so wa« von Kreuzstavt —" „Ist »och ganz ungewiß. Onkel Siewert." „Lasten Sie nw nur nicht einstweilen von der Frau Mama allzu sehr verbäti'ckel». sonst bat eS nachher die junge Frnu zu schwer. Also wann, Richard —?" Es wurde über einen beiderseitig gelegene» Besuchstag bc- ralhscklagt. Siewert kraule nachdenklich seinen Bart» ferne Augen zwinlcreten niutbwillig „Wincn Sie wa«, Richard, Sic konnte» eigentlich ein gutes Werk Ilinii. Wir kommen von Gravclischken. da ist die Sorge nm die Kranlc »och immer sehr groß. Wie, wenn Sie hinüber- sübren und Idre guten Dannenbcraer Neuigkeiten brühwarm niittbciltcn. So etwa-, au« dem M>m»e «nies Augenzcuzeu. hat doch eine ganz besonder« tröstliche Kraft." ,Ich — cS wird zu spät — ich käme gerade zur Mittag*-