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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951008027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895100802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895100802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-10
- Tag 1895-10-08
-
Monat
1895-10
-
Jahr
1895
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Bisher ist diese Frage, wie gegenüber anders lautende» Meldungen sestgestellt sei, noch offen. Die Mittbeilung eines bayerische» Blattes, es sei eine Aenderung des preußischen Vereins gesetzes nach dem Muster des bayerischen geplant, ist unzu treffend. Auch für den Fall, daß der Ministerratb sich für eine Berschärfung des Vereinsgesetzes grundsätzlich schlüssig machen sollte, dürfte das bayerische Bereinsgesetz kaum als Muster dienen." Nach unseren Informationen ist es richtig, daß über die Frage, ob in Preußen eine Berschärfung des BereinsgesetzeS in die Wege geleitet werden soll oder nicht, eine Vereinbarung noch nicht stattgefunden hat. Es hat sich dazu bisher auch noch keine Gelegenheit geboten. Nur vertrauliche Unterredungen einzelner Minister könne» stattgefunden haben, und bei diesen soll sich, wie uns vor einigen Tagen >»it- getheilt wurde, heranögestellt haben, daß einige Mitglieder des preußischen Staatsministeriuins von strengeren administrativen Maßregeln sich mehr Erfolg ver sprechen, als von einer Verschärfung des Vcreinsgesetzes. Diese Mittheilungen werben bestätigt durch folgendes Telegramm, das uns soeben von unserem Berliner tztz-Eorresponventen zugeht: Unter dem Vorsitz des Fürsten Hohenlohe findet heilte die erste Sitzung des Staatsministeriuins nach den Sommerscrien statt. In dieser Sitzung soll berathen werde», ob ein weiteres Vor gehen gegen die socialdemokratischen Umsturzbeslre. düngen auf legislativem oder lediglich aus strengerem administrativen Wege in Aussicht zu nehmen sei. Selbstverständlich ist es auch nicht ausgeschlossen, daß im preußische» Ministerrathe heute die Frage erörtert wird, ob ein abermaliger Antrag auf Verschärfung der gesetzlichen Waffen gegen die Umsturzbestrebungen beim Bund esrathe einzubringen sei. Denn ist auch der Meldung nicht wider sprochen worden, der Kaiser und Fürst Hohenlohe seien in einer Unterredung zu der Ansicht gekommen, daß die Ein bringung eines solchen Antrages beim BundeSrathe sich nicht empfehle, so ist es doch nicht unmöglich, wenn auch nicht gerade Wahrscheinlich, daß einer oder der andere preußische Minister sein Amt ohne schärfere reichsgesetzliche Maßregeln gegen die Umstürzler nicht mit Erfolg weiter führen zu können glaubt. In solchem Falle würde eine lheilweise Krisis im preußischen Ministerium nicht ausbleiben können, sofern es den betreffen den Herren nicht gelänge, ihre College» und den Kaiser zu ihrer Ansicht zu bekehren. Wahrscheinlich aber wird man den Erörterungen über die Frage eines reichsgesetzlichen Vor gehens so lange auSweichen, bis man Gelegenheit gehabt haben wird, die Slimmling im Bundesrathe kennen zu lernen. Eine neue Unverschämtheit res Herrn Henry M. Ttnnicy gegen Deutsche, speciell aber gegen die deutschen Unlerofficiere, die sich im afrikanischen Colonialdienst be finden, wird vom Herrn Consul a. D. Ernst Vohsen mit der gebührenden Entschiedenheit im Ansdruck zurückgewiesen. Stanley, dem man einst in Berlin Ovationen dar- gebrachl bat, bei deren Erinnerung man sich des Gefühls einer starken Beschämung nicht erwehren kann, ist bekannt lich nichts weniger, denn den Deutsche» wohlgesinnt. Neuer dings aber hat sich sein stiller Jingo-Groll zu offener Feind seligkeit gesteigert, denn er schreibt im Octoberheft des britischen „Geographica!-Journal" bezüglich des Nordendes des Tanganyika-Sces, nachdem er daran erinnert bat, daß hier die deutsche Herrschaft beginnt und britische Ossiciere mit ihre» Transporten darauf Rücksicht zu nehmen haben würden, Folgendes: „Sollten Sie dann Ihre britischen Ossiciere zur Aufsicht der Güter hinsetzen wollen, jo würde» Sir unler dem Befehl eines deutschen Unlerosficiers sein, und dieser deutsche ttnterofficier im Innern von Afrika „mit einer Banane den Tay und Frei wasser (an a Uanuna a üa> amt ^vater-allovanoo) wird von irgend einer oder der anderen Art von Verrücktheit befallen sein. Er ist nicht immer frei von Fieber, und die Lage des armen britischen Ofsiciers würde ich nicht beneidenswerth finden, und wenn Sie nicht wissen, was ein Deutjcher ist. wenn er Fieber hat, so würde ich Ihnen rathen, daß Sie nach dem Congo gehen, damit Sie cs dort lernen können." Die „Bert. N. N." erinnern Herrn Stanley daran, daß man auch schon in Berlin studire» könne, wie das deutsche Fieber sich gelegentlich gegenüber den Engländern geltend macke. Der deutsche Uiitervfsicier von heule ist »och immer derselbe, der bei Belle-Alliance die Engländer vor einer verhängniß- volle» Niederlage errettete. Aber das ist ja schon viel zu lange her. Herr Vohsen dient ihm für seine Flegelei mit der daiikenswerthen Abfertigung, daß unsere Truppen und Ossiciere in Afrika den britischen mindestens gleichbcsolbet dastäliden. Die Gehälter schwanken zwischen 7200 und 9600, außer den Expeditionszulagen, beziehungsweise Neise- gebühren, für die Ossiciere und 2400 bis 3600 für die Unterofficiere jährlich. „Ihre Behauptung, Herr Stanley, ist daher eine Unwahrheit", fügt Herr Vohsen dieser Richtig stellung hinzu. Uebrigens hat Stanley als „Afrikaner" auf gehört, irgend welche Bedeutung für die Welt zu haben. Nachdem sein schmähliches Verfahren gegenüber Emin und seine brutalen Gewaltthätigkeiten gegen seine ExpeditionS- truppen und Ossiciere der Welt bekannt geworden sind, gilt er allerwärts als abgethaner Mann. Er wird den deutschen Colonialbestrebungen also hoffentlich nicht mehr schaden. Von dem deutschen Generalkonsul in Shanghai ist bekanntlich mit den chinesischen Behörden ein Abkommen wegen Errichtung einer deutschen Niederlassung, einer sogenannten Kron-Cvncession, in der chinesischen Hafen stadt Han kow unterzeichnet worden. Derartige Erwerbungen, zu welchen die Engländer, Franzosen und Amerikaner gleich bei der Eröffnung der Vertragshäfen gelangte.«, sind sffdn vor längerer Zeit in Aussicht gestellt worden, nur war, wie erinnerlick, damals in erster Linie von Tientsin, der Hauptstadt von Petschili und Hafenstadt von Peking, die Rede. Nunmehr hat Deutschland sein erstes chinesisches „Settlement" in Hankow erworben, dein wichtigsten Handelsplätze des mittleren China, an der Mündung des Han-kia»g in den Iang-tse-kiang gelegen. Hankow, das in Folge der Verträge von 1858 seit 186l dem fremden Handel geöffnet ist, vor dem Taiping- Kriege mit Len anstoßenden Städten eine Bevölkerung von mehreren Millionen gehabt haben und auch jetzt wieder mehr als 800,000 Einwohner zählen soll, ist der commerzielle Mittelpunkt der Provinzen Hn-pe, Hu-nan, Sze-tschwan und Kwei-tschou und seit Jahren Sitz eines ViceconsulS; die dortige deutsche Niederlassung — wie unlängst dargelegr, versteht man unter einer solchen eine Art völkerrechtlicher Servitut; der Gebietstheil bleibt chinesisches Territorium, aber da« deutsche Reich hat das ausschließliche und selbst ständige Nutzungsrecht — wird somit ohne Zweifel für die Entwickelung und Befestigung unseres Handel« von großer Bedeutung sein, allein was auch von jeder unmittelbar an der Küste gelegene» Kronconcession hätte gesagt werden müssen, gilt, wie die „M. A. Ztg." zutreffend hervorhebt, noch viel mehr und noch viel selbstverständlicher von dieser binnen- ländischen, daß sie nämlich durchaus nicht geeignet ist und auch gar nicht berufen sei» kann, unserer Kriegsflotte bei der Erfüllung ihrer Aufgabe Dienste zu leisten und ihrem Auftreten den in kritischen Zeiten geradezu unentbehrlichen festen Rückhalt zu gewähren. Sv freudig man also den Er folg der von dem tculschen Generalconsul Or. Stuebel mit den chinesischen Behörde» geführten Verhandlungen begrüßen darf, so entschieden muß betont werde», daß die Aufgabe, unserer Flotte einen Stützpunkt i» Ostasien zu schaffen, ihrer Lösung iminer noch harrt. Mit wachsender Unruhe legen sich englische Politiker die Frage vor, ob die britische Machtstellung in Pacific den militairischen und maritimen Anforderungen sich gewachsen zeigen wirb, welche der Gang der Ereignisse in einer vielleicht nicht mehr sehr fernen Zukunft an dieselbe stellen dürfte. Man denkt dabei namentlich an die Möglichkeit, daß der zwischen Japan und China geführte Krieg den Ausgangs punkt zu weiteren Machtverschiebungen im fernen Osten bilden kann und es erscheint bemerkenswertb, daß, so oft jene Frage zur Aufwerfung gelangt, alsbald die Sorge vor den russi schen Vorbereitungen sich zum Wort meldet und den Nachweis führt, daß noch sehr Vieles zu thun bleibt, ehe Großbritannien wegen seiner pacisischcn Interessen beruhigt aufatbmen kann. Als Hauptslützpnncte der britischen Machtstellung im Pacific gelten den englischenStrategen die an der Westküste des britischen Rord- amerika gelegenen Plätze Vancouver und ESquimalt. Denn der Besitz dieser Plätze sichert zugleich die Beherrschung der canadischen Ueberlandbahn von Ouebeck nach der pacisischen Küste unv damit die Möglichkeit einer unbeschränkten Heran führung von Mannschaften und Kriegsbedarf aller Art nach dem etwaigen Kriegsschauplätze un fernen Osten. Der strategische Werib dieser Route ist um deswillen ein so hervorragender, weil dieselbe ganz und gar im Machtbereiche Großbritanniens gelegen ist, was auch nur annähernd nicht von dem Weg durch den Suezcanal ober um die Südspitze Afrikas herum gesagt werden kann. Jene Straßen bieten einem unter nehmenden und seemächtigen Gegner viel zu viel Angriffs- puncte, als daß in KnegSzeitc» auf sie ein unbedingter Verlaß wäre, wogegen die Canadian Pacific Eisenbahn nur in dem von praktischen Politikern nicht in ernste Erwägung gezogenen Falle gefährdet wäre, daß Großbritannien in kriegerische Ver wickelungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ge- riethe. Mit der uiibcschränkteil Beherrschung vyn Vaiffouver unv ESquimalt nun wäre England im Pacific gleichsam wie zu Haus, während jede andere europäische Macht, Rußland ausgenommen, bei Conflicten im Pacific den großen Nach theil in den Kauf nehmen müßte, wegen der großen Entfernung von ihrer natürlichen Operationöbasis nur vereinzelte, zn- sammenhangslose Actione» riskiren zu können. Ein Fehlschlag, und der ganze Feldzug wäre cvmpromittirt, während britische Flotten selbst im Falle einer Niederlage sich auf ihre paci sischen Stützpunkte zurückziehen und dort binnen kürzester Frist wieder völlig kampffähig ausrüslen könnten. Nur Rußland befindet sich Dank seinem vortreffliche» Kriegshasen von Wladiwostok in einer ähnlichen vortheilhasten Lage, ja in einer bedeutend vorteilhafteren, denn Wladiwostok ist stark befestigt, während Vancouver und ESquimalt in dieser Hinsicht absolut vernachlässigt sind. Es stehen dort einige Pioniere und Freiwilligen-Organisationen mit gänzlich veralteten Waffen und Munition, die höchstens für einige Stunden ausreichen würden. Eine fliegende Colonne von 1000 oder 1500 Mann, mit modernen Waffen ausgerüstet, könnte ESquimalt oder Vancouver mittels Hand streichs nehmen und sich dort beliebig lange Zeit behaupten. Sie brauchte zu diesem Behuse nur einige Erdwerke auszuwerfen, unv könnte dann nur mit ganz uiiverbältnißmäßigeiil Aufwands von Opfern an Mensche», Geld und Zeit von dort vertrieben werden. Allerdings ist das nordpacifische Geschwader in ESquimalt stationirt, dock könnte es nach Ausbruch eines Krieges dort unmöglich wie festgenagelt liege» bleiben, ohne andere wichtige Puncte schutzlos zu lassen. Die Meinung der Sachverständigen geht deshalb dahin, jene Punkte ohne Zeitverlust zu festen Plätzen auszubanen, ehe die sibirische Bahn vollendet ist, d. b. bis spätestens Ende des laufenden Jahrbunderts. Nachher dürste eS leicht zu spät sein. Infolge der armenischen Demonstration vor der Hohen Pforte und des entsetzlichen Blutbades, welches dieselbe hervor gerufen hat, ist die Lage in Konstantinopel noch immer ernst und kritisch. Am bezeichnendsten für den guten Willen der Pforte, die Schuldigen zu bestrafen, Vorkehrungen zur Ver hütung ähnlicher Vorkommnisse zu treffen und für die öffent liche Sicherheit in Konstanlinopel Sorge zu tragen, ist der Umstand, daß die Vertreter der Mächte es für nötbig befunden haben, eine Verbalnote an die Pforte zu richten, in welcher dieselbe an die ibr obliegenden Pflichten gemalmt wird. Der Text der vom 2. October datirten Note lautet: „Der Doyen der Botschafter und seine Collegcn erhielten theilweise von Augenzeugen Nachrichten über die gestrigen und vorgestrigen Vorfälle in Stambul, aus denen hervorgeht, 1) daß Privat personen von Polizeiagenten geführte Gefangene geschlagen und getödtet haben, ohne daß die Polizeiagentelk sich olchem Vorhaben widersetzten; 2) daß Privatpersonen vollständig ruhige Leute angegriffen haben; 3) daß ver wundete Gefangene in den Höfen der Polizeistationcn und Gefängnisse kalten Blutes getödtet worden sind. Da die Botschafter befürchten, daß eine Fortdauer derartiger Excesse zu einer Geiahr für die öffentliche Sicherheit und für die ihnen anvertrauien Interessen werden könnt«, glauben sie die ernsteste Aufmerksamkeit der kaiserlichen Negierung auf diese Zustände lenken zu müssen und ihr, da es ausschließlich Sache der Behörden ist, Unruhen zu unterdrücken, zu rathen, Privatpersonen die Theilnahme an der Unterdrückung von Ruhestörungen und an Massenexcessen zu verbieten, sowie die nothwendigen Maß- regeln zu ergreifen, um so rasch als möglich die Ordnung wieder herzustellen, damit unnützes Blutvergießen vermieden werde." Auf diese in sebrernstem vnd dringendem Tone gehaltene Note erhielten, wie unö heute auS Konstanlinopel gemeldet wird, die Botschafter die Zusicherung, daß die Herbeisübrung einer „baldigen" Beruhigung mit ernsten Mitteln „angestrebt" werde» wird. Zur Verstärkung der Polizei, welche sich in wieder holten Fällen als zu schwach erwies, um Ausschreitungen der Bevölkerung zu verhindern, werden seit zwei Tagen Truppen- abtheilungen herangezogen. Diese „Zusicherung" macht nicht den Eindruck, als ob sie ernst gemeint sei, und offenbar glauben auch die Botschafter nickst an einen baldigen und nachhaltigenErfolg ihres Schrittes, denn sie haben, wie aus Wien berichtet wird, die im Bosporus ankernden StationSschisse ihrer Staaten zum Schutze ihrer Nationalen nach denStadtankerplätzen von Konstantinopel beordert. Das Einzige, was bis jetzt erfolgt ist, ist die Entlassung zahlreicher unschuldig verhasle:er und bereits verurtheilter (!) armenischer Passanten, eine Maß reget, welche die noch immer in den Kirchen und den Hospi tälern sich verborgen haltenden Flüchtlinge endlich veranlassen dürste, ibre Asyle zu verlassen. Fast alle von den aus der Haft Entlassenen beklagen sich über Mißhandlungen, welche sie bei ihrer Arretirung oder im Arrest erlitten hätten; auch ist sestgestellt, daß Sofias und Pöbel in verschiedenen armenischen Vierteln geraubt haben. — Fenilletsir. Schwere Kämpfe. Roman ans dem großen Kriege. 32) Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) In der regnerischen Lust mußten die Franzosen die kleine Schaar übersehen haben, denn keine Granate gab ihnen das Geleite. Dagegen entwickelten sich die Masten der französischen Division Peytavin gegen la Nenadiöre. Von Pr^sort auS konnte man dies gut beobachten. Die Herren des Brigadestabcs dielten vor einer Mauer, hinter der die Bataillone der Brigade verdeckt standen. Die Feld stecher kamen nicht von den Augen. „Das sind mindestens 6 Bataillone." „Ja, ja, die 1. Brigade bekommt heute einen harten Stand. Sie ist ja nur drei Bataillone stark, weil das ganze Leibregiment noch in Orleans steht. Aha, jetzt geht's los." Auö den äußersten Höfen des für eine Vertheidigung sehr ungünstig gelegenen Dorfes krachten die Schüße der 2. baye rischen Jäger. Ihnen gegenüber spie eine Linie von mindestens vier französischen Bataillonen ein ununterbrochenes Schnell feuer auS. ^ „So kommen dir nicht vom Fleck. AuS den Hausern lasten sich die Jäger und die Einser doch nicht herausschießen. Da müssen die Herren Franzosen schon kräftiger anbeißen." „Sie tbun es auch. Sehen der Herr General die Höhe nördlich Baccon. Dort kommt eine neue feindliche Brigade herauf. Jetzt kann man dir einzelnen Bataillone unter scheiden, 2, 4, 5, 6, «S sind richtig 6, mit den vorderen zu sammen also 12. Da« wird zu viel für die arme I. Brigade. Wer weiß, ob die überdies von dem tief gelegenen Renadiörr aus sehen kbnnen, was ihnen droht." „Reiten Sir hinüber und melden Sir es dem General Dittl. Im Nvthsalle könnte ich ihm auch ein Bataillon abgeben." Oberlieutenant Horn jagt« davon. Es ging trotz deS weichen Bodens noch ziemlich gut, denn daS Pserd war nicht ermüdet. Beim Hof Viard stieß er auf eine Seitenpatrouille der Vertheidiarr VeS Dorfes. „Wo ist Euer General?" „Grad' is' er nach der Spitz' von Renadiöre sürigrilt'n, Herr Oberleitnant." Horn gab seinem „Orleans" die Sporen. Von nun an war der Ritt wahrhaftig keine VergnügungStour. Vor und hinter ihm schlugen Granaten ein, und oft genug vernahm er das unheimliche Zischen, welches Jnfanteriegeschosse verrieth. „Rechts rum, Herr Oberleitnant, sunst brechen S' durch." Er hörte den Zuruf nicht, weil in diesem Augenblick ein allgemeiner Vorstoß der französischen Infanterie begann und seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Mit einem Male brach das Pferd mit den beiden Vorderhufen durch den weichen Moorboden durch, stürzte auf die Knie, siel zur Seite und schleuderte seinen Reiter weit weg in den Sumpf. Dieser sprang sofort wieder auf, da er sich nickt verletzt, nur sehr beschmutzt hatte, und sah nach seinem Thier. Es mühte sich mit größter Anstrengung ab» um sich aus dem immer wieder durchbrechenden Moorboden herauszuarbeiten. Die Franzosen rannten unaufhörlich vor. Horn erkannte deutlich, mit dem Pferde werde er nicht mehr weiter kommen. Jbn allein trug aber der Moorboden. Daher lief er zu Fuß nach dem nächsten Hof von la Renadiörr. Eine Tbur wurde aufgerissen, um ihn einzulassen, und dann schnell wieder zugeschlagen. Jetzt sah er sich um. Er stand m einer ziemlich geräumigen Stube, in der 10 Jäger des 2. Bataillon- an den Fenstern vertheilt waren und unausbörlich hinan» schossen. „Hat si' grad no' thua", meinte ein Gefreiter, der hier den Befehl führte. Zu einer ausführlichen Meldung fand er keine Zeit mehr, da in diesem Augenblick ein vieltausendfaches Geschrei: „vivo In b'nrnov" erscholl und die ganze feindliche Division im Sturmlauf angerückt kam. Der Gefreite und seine Leute feuerten, was sie konnten. Horn suchte sich dir Lage klar zn machen. „Wohin habt Ihr denn Verbindung?" Er mußte sürckter« lieh schreien, weil man wegen de« Lärm« der bayerischen Schliffe und de« Schreien- der Franzosen kaum da« eigen« Wort verstand. „Nach rückwärts, Herr Oberleitnant. Wir san die äußerst' Spitz!" „Feuer I Feuer! — Herrgott, dort kommt auch eine feind- liche Compagnie. — Jäger, wir werden ringrschlossen! Wir müssen uns durchschlagen. Zu welcher Thür können wir hinaus." „Durch die hinter'. Von dort is' der nächst' Weg zum Hof» in dem d' viert' Kumpani« steht." „Stopfen!" Sie hörten auf zu schießen. Die Franzosen glaubten, sie wollten sich ergeben, und drangen jubelnd gegen den Hof vor. Horn rief den Jägern zu: „Wir sind um zingelt. Jeder von Euch ladet jetzt. Ich spring voraus. Ihr folgt mir. So trachten wir uns durchzuschlagen. Macht Euch bereit. Wenn ich — Donnerwetter, Kerl, was soll das heißen?" Der Gefreite hatte nämlich sein Gewehr bei Fuß gestellt und sckien cS nicht mehr sturmbereit aufnebmen zu wollen. „Herr Oberleitnant, wer mir in Weg kimmt, den derstich i' mit d'm Knicker. War' um mein Kotb'n schad, wann i'n an 'in Franzosenschädel aschlag'n that." Dabei zog der Mann einen Knicker auS der Tasche und machte ein Gesicht, daß Horn leicht erkannte, der war alles Andere eher als mutblos. Er gab ihm die Hand und rief: „Ver zeihen Sie. Ich kannte Sie ja nicht. Also Jäger, jetzt gilts!" Damit stieß er die Tbür auf, und gegen die kaum noch 20 Schritt entfernten Franzosen stürzten nun die II Jäger mit einem solchen Ungestüm und unter so drohenden Hurrahrusen los, daß ibre überraschten Gegner gar nicht mehr an ein Schießen denken konnten, sondern nur eilten, vor diesen blauen Teufeln Platz zu machen. Und doch erhielt einer einen Säbelhieb deS Ofsiciers und ein anderer brach unter dem Knickerstich des Gefreiten sterbend zusammen. Nun waren sie durch. Aber etwa 100 Schritte fehlten bis zum nächsten, Noch von den Kameraden besetzten Hof. „Um dir link« Mauerecke herum! Nennt, wa« Ihr rennen könnt." Sie thaten es auch. Aber bei Len Franzosen hatten sich nunmehr doch viele von der Ueberraschung erholt und feuerten, freilich übereilt und darum fast nicht gezielt, den wie Gemsen davoneilenden Jägern nach. Horn und 8 Mann erreichten dir schützende Ecke. Einer stürzte nieder. Ein Chassepotgeschoß hatte ibm den Fuß zerschmettert. „Donnerwetter, haben dir Kerls erbärmlich geschossen! Dir hätten uns alle zusannnrnknallrn können. Fehlt einer Ihrer Jäger?" „Jesses, wo iS' denn der Hirn?" Mit diesem Rufe lief der Gefreite an die Mauerecke zurück und sah nach der durch laufenen Strecke. „Dort liegt er. Er lebt no'; den hol i'. Im Nu warf er Tornister, Mantel und Gewehr ab und rannte, nur den Knicker bochhaltend, mitten in da- feindliche Feuer zurück. „Sakra! Der iS' hin!" Er meinte den Knicker und seinen kleinen Finger. Beide riß da- Geschoß weg. Der brave Gefreite lief aber doch weiter. Run war er bei dem Verwundeten. „Hirn, lebst no ?" „Ja, aba n«ri Fuß iS bin." „Nicht Di' auf. I' hilf Dir." Es ging. Mit einem Fuß aus den Gefreiten gelehnt, der ihn fest umfaßte und ihn halb trug, bald zog, hüpfte der Verwundete mit, und un gefährdet kamen Beide hinter der Mauerecke an. Sogar sein Gewehr batte Hirn mitgebracht, indem er eS wie einen Berg stock benützte. Der Oberlieutcnant batte sie genau beobachtet. Dienstgemäß meldete ihm der Gefreite: „Jetzt san' s' alli da, Herr Oberleitnant. Aber mi bamm s' aa no' angekratzt. Un' mei' Knicker is aa bin." Damit zeigte er seine blutende Hand. Da riß den Ofsicier die Begeisterung über das Ver halten dieses einfachen Mannes so bin, daß er gar nickt wußte, was er sage» sollte, sondern ihn umarmte und küßte. Dann rief er: „Sie sind ein Held. Wie beißen Sie?" „Laulwein, Herr Oberleitnant!" „Welche Compagnie?" „Dritte." „Wenn ich gut durchkomme, sollen Sie noch von mir hören. Meldet Euch jetzt bei dem in diesem Hofe commanvirenden Ofsicier. Ich muß weiter." Mit einem Taschentuch verband der Gefreite flüchtig seine and. Den Jager Hirn legten seine Kameraden an der kauer nieder, dann eilten sie in den Hof, auS dem ein so heftiges Feuer gegen die Franzosen loSkrackte, daß diese vor läufig nicht mehr vorzugchen wagten. Horn lief nach einem rückwärtigen Hot und konnte von dort auS ziemlich sicher den Ausgang von La Renadiöre erreichen. Bald fand er den Stab deS Generals Dietel und sab bei diesem von einem der Chevaulegers gehalten seinen „Orleans". Er erstattete seine Meldung und bemerkte dann, er wolle gleich seinem General die Antwort bringen, denn dieser Rappe sei sein Pserd. Das gute Thier hatte sich herausgearbeitet, war wegen des Schreiens der Franzosen nach rückwärts durchgebrannt und anfgefangcn worden. Horn fühlte sich überaus glücklich, als er wieder im Sattel saß. und jagte zu seiner Brigade zurück, um zu melden, die 1. Brigade bitte um umgebende Unter stützung. Es war nicht mehr rechtzeitig möglich, eine solche abzusenden, denn che das Bataillon bei Renadiöre eintreffen konnte, hatten die 3 Bataillone deS Generals Dietel vor den >2 französischen weichen, da« Dorf räumen und bis in den Wald von Dlontplpeau znrückgehen müsse». Dort setzten sie sich so fest, daß nunmehr daS feindliche Vorgehen hier völlig zum Stocken kam. Horn benutzte die kurze Ruhepause, die ihm jetzt vergönnt war, um sich schnell Namen, Compagnie und Bataillon des Gefreiten Lautwein anszuschreiben, damit er ihn bei nächster Gelegenheit seinem Conipagnicchef zur Einreichung eincS AuS- zeichnungsvorschlages melden konnte.
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