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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950620010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895062001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895062001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-06
- Tag 1895-06-20
-
Monat
1895-06
-
Jahr
1895
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Leipzig, am 19. Juni 1895. Die Königliche Der Rath «mtShau-tmannschaft. der Stadt Leipzig, vr. Platzmann. vr. Georgi. Id. 2729. vr. Just- Bekanntmachung. „ Es wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die städtische Markthalle mit Rücksicht auf das in diesem Jahre auf den Montag fallende Johannisfest am Sonntag, den 23. dieses MonatS, von Vormittags 11 Uhr ab ununterbrochen bis Abends 9 Uhr zum Ein» und Verkauf von Blumen und Kränzen an den Eingängen I. am Roßplatz (Ausfahrt), HI. an der Markthallenstratze, IV. am Thurm und V. in der Brüderstraße (Einfahrt) geöffnet sein wird. Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß der Markt- verkehr an diesem Tage nur für die Gärtnerstände gestattet und das Betreten des übrigen Theiles der Markthalle, soweit er abgesperrt wird, verboten ist. Das Einbringen von Maaren mittels Fuhrwerke ist nur in der Stunde von 11—12 Uhr Vormittags, das Wcgfahren von 9 bis 9'/« Uhr Abends statthaft. Um letztere Zeit muß die Halle von den Verkäufern und ihrem Personal geräumt sein. Das Stehenlassen der Wagen auf den Straßen an der Markthalle ist untersagt. Leipzig, am 15. Juni 1895. In. 2754. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Lindner Bekanntmachung. Nachdem die nachstehend bezeichneten Arbeiten zu den Easernett- blttlten in Möckern: 1) die Erdarbeiten, 2) die Herstellung der Ballplanke, 3) die Herstellung des Bauweges, 4) des Wafferrohrnetzes, 5) die Erd- und Maurerarbeiten für die Officierspeiseanstalt, 6) die Steinmetzarbeiten, 7) die Eisenarbeiten, 8) die Dachdecker» und Asphaltarbeiten, 9) die Zimmer- und 10) die Klempnerarbeiten für die Officierspeiseanstalt vergeben sind, werden die nicht berücksichtigten Bewerber ihres An< gebotes hiermit entlassen. Leipzig, am 17. Juni 1895. »7!,7 Der Rath der Stadt Leipzig. I». - vr. Georgi. Lindner. 871 Bekanntmachung. Die Herstellung einer ca. 1020 m langen Schleuste 2. Classe, sowie die Herstellung einer ca. 135 m langen Schleuste 3. Elassc in der Philipp- und in der Linden-Strätze und einer ca. 140 m langen Schleuste 3. Elasse in der Kaiser Wilhelm-Strahe in Leipztg-Lindcnau soll an einen Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau- Verwaltung, Rathhaus, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23 aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 50 -H, die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Vorfluthschleutze tu Leipzig-Lindenau" versehen in dem obenbezeichneten Geschäftszimmer bis zum 3. Juli dieses Jahres 5 Uhr Nachmittags einzureichen. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote ab- zulehnen. Leipzig, den 19. Juni 1895. Des RatheS der Stadt Leipzig Io. 2731. Stratzenbaudeputation. Bekanntmachung. In den Momaten Mai und Juni d. I. empfing der Samariter- Verein von Herrn königl. Friedensrichter Earl Muudt 30 Sühne in Sachen A. Sch. '/. P. Tü., 20 20 10 10 5 3 M. B. V. M. G., E. R. '/. C. K„ M. W. '/. Cl. W„ C. Gr. /. M. St.. A. L. V- P- St.. «. F. /. H. D.. Sa. 98, worüber hiermit dankend quittirt wird. Leipzig. 18. Juni 1895. Der varstand des Samariter-Vereins. Anton Siebert, Schatzmeister. Schuhmannsstelle offen. Die hiesige pensionsberechtigte NachtschutzmannSstelle soll bis 15. September dsS. Jhrs. neu besetzt werden. Gehalt: 600 ^>, Bekleidungsgeld 30 >k, frei Wohnung, Be leuchtung und Beheizung, Garten- und Grasnutzung. Dienstleistung: Nachtschutzdienst und wenn nöthig, zeitweilig TagoSpolizridienst, Reinigung, Beleuchtung, sowie Besorgung der H«i»ungSanlage im Lentralschnlgebäude rc. Verheirathete» sittlich gut beleumundete Bewerber, iedach nur solche, wollen ihre selbstgeschriebenen Gesuche nebst Zeugniß abschriften, welche nicht zurückgegeben werden, hier einreichen. Die jenigen Bewerber, welche bis 1. August dss. JhrS. eine Anfertigung nicht erhalten haben, sind nicht berücksichtigt worden. Meldefrist bt» 1b. Juli er. Gediente Militair» mit Charge und nicht über 8b Jahre alt, werden bevorzugt. Lrebsen, am 19. Juni 189b. Der Stadtrath. Berger. Die aus das Winterhalbjahr 1895/96 für das Königliche Amts gericht hier zu liefernden ca. 4 500 Ctr. gute schlackensreie Pechslückkohle, ca. 1000 « böhmische Braunkohle, beste Qualität, ca. 200 - Anthracitkohle und ca. 3 000 Petroleum sind unter den bei der Unterzeichneten Cassenstelle einzusehenden Bedingungen zu vergeben. Angebote sind bis zum 29. Juni d I. schriftlich anher ein zureichen. Auswahl unter den Offerten bleibt Vorbehalten. Leipzig, am 19. Juni 1895. Eafscnverwaltung des Königl. Amtsgerichts. Zimmer 194. Was lehrt uns das Kloster Mariaberg? Rückblicke auf den Procetz Mellage und Genossen. VI. (Schluß.) WaS muß geschehen? ?. Leipzig, 19. Iuni^ Das Ministerium hat sich beeilt, das Alexianerkloster zu schließen, und der Orken hat angeb lich die Gebäude der Regierung zur Verfügung gestellt; die frommen Brüder und die Anstaltsärzte sind ihrer Functionen enthoben, der Geh. Regierungs- und Medicinalratb vr. Trost ist beurlaubt und seine Pensionirung steht bevor. Eine strenge Untersuchung der Vorgänge ist angeordnet und Verhaftungen einzelner Brüder wegen Meineidsverdachtes sind bereits erfolgt. WaS thut jetzt Noth? Mit der Bestrafung der Schuldigen ist allein nichts gethan. Die erste Pflicht der preußischen Regierung besteht in der Schaffung von Pro- bibitivmaßregeln, welche die Wiederkehr solcher Erscheinungen unmöglich machen. Es muß vor Allem eine centralisirte, straffe staatliche Aufsicht über die Irrenpflege, besonders über die private geschaffen, eine cen trale besondere Staatsbehörde für Jrrenpflege eingesetzt werden. Daß die Provinzial - Medicinalver waltung ihrer Aufgabe nicht immer gewachsen ist, hat der Proceß Mellage und Genossen zur Genüge gezeigt. Eng damit zusammen hängt die Fürsorge für eine noch bessere praktische Ausbildung der Medicinalbeamten in der Psychiatrie. Im Gegensatz zu fast sämmtlichen europäischen und einer Reihe von außereuropäischen Staaten entbehrt Deutschland und ebenso die meisten seiner Bundesstaaten eines umfassenden Irrengesetzes. Nur die Concessionspflicht der Privatirren anstalten und das Entmündigungsverfahren ist durch Reichs gesetz (Z.30 der Gewerbeordnung, tz. 593 ff der Civilproceß- ordnung) geregelt. Im Uebrigen gelten in den Einzelstaaten eine Menge partikularrechtlicher Gesetze, Verordnungen, Er lasse, Verfügungen, Mandate rc., kein Staat aber hat alle in Frage kommenden grundlegenden Bestimmungen in einem umfassenden Gesetze niederbelegt. Das ist entschieden ein fühlbarer Mangel, dem in den Einzelstaaten abgeholfen werden muß. Für die von verschiedenen Seiten geforderte Schaffung eines Reichsirrengesetzes vermögen wir uns aus hier nicht näher zu erörternden Gründen nicht zu erwärmen. In der Gesetzgebung muß nun vor Allem eine strenge Scheidung von Staats- und Privat-Jrrenanstalten beobachtet werden. Der Ruf nach Beseitigung der letzteren ist ungerecht fertigt, aber es müssen gesetzliche Bestimmungen existiren, welche Mißstände in ihnen, wie Mariaberg sie gezeigt hat, unmöglich machen. Bei öffentlichen Staatsanstalten werden alle wichtigen Functionen von staatlichen, fest besoldeten Beamten ver sehen, deren Vergehen im 28. Abschnitt des Reichsstrafgesetz buches mit besonders schweren Strafen belegt sind; bei Privatanstalten entbehren die Leiter und Angestellten der Beamtenqualification. Der Leiter steht immer vor der Gefahr, kaufmännischer Speculant zu werden. Er hat keine festen Einkünfte und seine Existenz hängt von der Zahl seiner Pfleglinge ab. Darum bedarf eine Privat-Irren anstalt einer ganz anderen Ueberwachung als eine staatliche Das französische Gesetz vom 30. Juni 1838 unterstellt die öffentlichen Irrenanstalten in dieser Erwägung der „äireotiou", die privaten der „Lurvöillaucö" der Regierung und verpflichtet den Staatsanwalt, unvorhergesehen die ersteren ein Mal, die letzteren aber zwei Mal alle Halbjahre zu visitiren. Diese Revisionen müssen auch in der deutschen Irren gesetzgebung der Einzelstaaten für die öffentlichen wie für die privaten Anstalten in entsprechender Weise geregelt werden. Sie müssen von Organen der Rechtspflege in Gemeinschaft mit psychiatrisch gebildeten Aerzten in vorgeschriebener An zahl, aber unvorhergesehen, unregelmäßig erfolgen, so daß die Leiter der Anstalten nicht eher Kenntniß von ihnen erlangen, als bis sie vor sich gehen. Vor Allem aber muß durch Gesetz die geistliche Irrenpflege aufgehoben werden. Sie hat sich nach allen Sachverständigen-Gutachten nicht bewährt und muß als ein Hohn auf den Stand der Wissenschaft am Ende des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. Die Kirche hat für das Armen- und Krankenwcsen Großes geleistet in einer Zeit, da der Staat sich seiner Aufgabe in dieser Beziehung noch nicht bewußt geworden war. Die geistliche Jrrenpflege paßt aber heute nicht mehr in den Rahmen unserer staatlichen Organisationen. Kein vernünftiger Mensch wird die Mit wirkung des Geistlichen im Irrenbause, wenn sie im richtigen Sinne erfaßt l»nd geübt wird, entbehren wollen, aber ihm die Leitung solcher Anstalten anzuvertrauen, ist nicht mehr angängig und besonders in katholischen Gegenden eine schwere Gefahr für daS Wohl der Erkrankten. Wir haben ja gezeigt, welchen Terrorismus die katholischen Brüder selbst aus die Aerzte ausüben. Ein vr. Capellinann stellt die Medicin völlig unter die Herrschaft der Theologie. Man glaubt mit Gebeten, Bußegürteltragen, Mcsselesen rc. den Teufel aus dem Leibe des Irren zu treiben. Und auch einige evangelische Pastoren wie Bodelschwingh und Hafner glauben, daß der Geisteskranke „satanisch" oder „dämonisch" krank sei. Mit Recht protestirte gegen solche überwundene Anschauungen der Verein deutscher Irrenärzte in seiner Ver sammlung vom 25. Mai 1893 in Frankfurt a. M. (Allg. Zeitschrift für Psychiatrie, Bd. 50, S. 335). Eine Irrenpflege, die auf solchen Anschauungen aufgebaut ist, ist ein Unding, das obne Zweifel beseitigt werden muß. Eine „Nervenlehre nach ultramontaner Weisung", eine „katholische Psychiatrie'' bat im Kloster Mariaberg Zustande ge,map wiederholen dürfen, wenn Deutschlands Ansehen nicht Sr /-bk > Alles zum Wohle der unglücklichen Irren geschieht, wa Zii ibrer SeUuna oder zur Erleichterung ihres traurigen Schicksals notbw-nd^ Ueber.ragung dogmatisch-orthodoxer Vorstellungen auf das Gebiet der Irrenpsl-ge d.e n.cht aus- bleiben kann, gereicht den Kranken niemals ,ilin Heile. Z-m Recht hat die oben erwähnte Versammlung der Irrenarz erklärt? „Das Irresein ist ein- Krankheit des Gehirns und des Nervensystems; der Irre ist e»i Kranker, der sur sein Thun und Lassen verantwortlich nicht gemacht werden kanm Der Standpunct, welcher die dem Irresein zu Grunde liegende Krankbeit auf den Begriff der Sünde und d-s Besefsensems zurückführen, den Irren als „dämonisch krank geworden un für sein Thun und Lassen verantwortlich erklären will, steht in, Widerspruch mit den durch Wissenschaft und Erfahrung unanfechtbar sichergcstellten Thatsachen und , in schroftem Gegensatz zur Rechtspflege, Gesetzgebung und öffentlichen Mei nung aller Culturstaaten der Welt. "- Diese ^ebre^ prak isch bethätigt, würde nothwendlg zur- Verkehrung des Ebarakters der Irrenanstalten in den von Strafanstalten, zur Bestrafung der Geisteskranken, zum Exorcismus und schließlich zu den Herenprocessen des 16. und 17. Jahrhunderts fuhren. Nicht unter ärztlicher Leitung und Verantwortung stehende Anstalten für Geisteskranke — einerlei, ob dieselben heilbar oder unheilbar sind -, für Epileptische und für Idioten ent sprechen nickt den Anforderungen der Wissenschaft, Erfahrung und Humanität und können deshalb als „zur Bewahrung, Cur und Pflege" dieser Kranken geeignete Anstalten, auch ,m Sinne des preußischen Gesetzes vom 1l. Juli 18,91, nicht be trachtet werden. Unheilbare Geisteskranke bedürfen ber ärzt lichen Fürsorge nicht minder als die heilbaren. — Es ist deshalb Pflicht des Staates, der Provinzial- und Kreis- verbände, die hilfsbedürftigen Geisteskranken, Epileptischen und Idioten in eigenen, unter ärztlicher Leitung und Verantwortung stehenden Anstalten zu bewahren, zu be handeln und zu verpflegen. — Alle im Besitz von Privaten oder religiösen Genossenschaften befindlichen Anstalten der genannten Art müssen unter verantwortliche ärztliche Leitung und unter besondere Aufsicht der Staatsbehörde ge stellt werden. — Als leitende und für die Leitung verant wortliche Aerzte dürfen nur psychiatrisch theoretisch und praktisch vorgebildete Aerzte angestellt werden. Ihre An stellung an im Besitz von Privaten oder von religiösen Ge nossenschaften befindlichen Anstalten bedarf, wie ihre Dienst anweisung, der Genehmigung der Staatsbehörde. Die deutschen Irrenärzte erkennen es als ihre Pflicht an, das religiöse Bedürsniß ihrer Kranken befriedigen zu lassen, sie sind einmüthig der Ueberzeugung und handeln demgemäß, baß an Irrenanstalten den Kranken eine ausreichende Seel sorge nicht fehlen dürfe, daß aber der Umfang und die Art derselben von der Weisung des leitenden Arztes abhängen müsse und nur im Einvernehmen mit demselben erfolgen könne, daß dieselbe aber überall da zu gestatten sei, wo ein Nachtheil für den Kranken nach pflichtgemäßem Ermessen des Arztes nicht zu befürchten ist." In diesem notbgedrunaenen Protest ist Alles enthalten, was gegen die geistliche Jrrenpflege inS Feld zu führen ist Bei Besprechung der angekündigtcn nationalliberalen Inter pellation im preußischen Abgeordnetenhause wird vom Centrum angeblich die Erklärung abgegeben werden, daß bereits bei den zuständigen kirchlichen Behörden eine Reorganisation der Statuten der Alexianerbrüdersckaft insoweit angeregt worden sei, daß künftighin an die Spitze dieser Laienbrüderschaft akademisch gebildete Männer Hu treten haben. Damit ist nichts getban, keine Garantie sur eine vernunftgemäße, dem wissenschaftlichen Standpunkte der Gegenwart entsprechende Jrrenpflege geboten. Den Brüdern muß überhaupt auf Grund von tz. 53 und 54 der Gewerbe ordnung die ertheilte Concession zur Unterhaltung von Irrenanstalten in Aachen und anderwärts entzogen werden. Zwei Puncte müssen im Weiteren in der Gesetzgebung ausreichend geregelt werden: Die Aufnahme in eine Irrenanstalt und die Behandlung in derselben. Als Voraussetzung für die Aufnahme ist überall durch das Landesrecht die Feststellung der Geisteskrankheit und, soweit eS sich um eine zwangsweise Unterbringung handelt, der Gemeingefährlichkeit vorgeschriebe«. Aber wie wird diese Feststellung bewirkt!! Herr Or. Kribben und dieHerren vr. Capellinann und Chantraine haben den Beweis erbracht, daß diese Feststellung mit einer nur ,u verhängnißvollen Leichtfertigkeit erfolgen kann. Es müssen also Garantien durch das Gesetz geschaffen werden, welche diese leichtfertigen Feststellungen in Zukunft ausschließen. Angesichts der Vorkommnisse in Mariaberg kann die Forderung der Aerzte, daß allein das sachverständige Gutachten der Aerzte den Ausschlag geben soll, nicht erfüllt werden. Mußte doch der Sachverständige Geheimrath Prof. vr. Finkelnburg im Verlaufe des ProceffeS erklären, daß er über die Gutachten der Aerzte sehr betroffen gewesen sei, die sich als sehr unzuverlässig h e r a u s g e st e l l t batten. Kennt doch ein Kreiswundarzt wie vr. Rose ,m Gegensatz zur psychiatrischen Wissenschaft noch einen „moralischen Irrsinn". Wurde doch der gemaßregelte Caplan Schröder in zwei Entmünoigungszeuzniffen einmal für geisteskrank und einmal für intact erklärt! Eine an gemessene Betheiligung des Laienclementes, insbesondere der Iustrzbeantten, darf nicht ausgeschlossen werden, wo rS sich um die Aufnahme in eine Irrenanstalt handelt. Und wo es sich um eine Entmündigung handelt, wird nicht minder, wie in anderen Zweigen der Rechtspflege, dem Laien eine Mit wirkung am Verfahren neben Richter und Arzt gestattet werden müssen. Erst dann werden wir dabin kommen wo wir schon seit Jahrzehnten angelaugt sein würden, wenn die Presse - Fachpresse und TagesPreffe - nicht mit ihren Mahnungen und Warnungen den Prediger in der Wüste aesp.elt hätte. Hinsichtlich ver Behandlung der Zwiespalt, der sich vielfach noch zwischen ^Eone und Praxis vorfindet/ durch gesetzliche Bestimmungen aus der Welt zu schaffen. Nickst 5°"dern auch anderwärts, besonders in Bayern und Württemberg, haben sich Mißstände in ver geben zu denken, und nachdem eine Flugschrift erschienen ist: „Vergewaltigung eines württembergischen Kaufmannes und Reserveofficiers", sind aus der Irrenanstalt in Winnenden zwei Personen entlassen worden, welche als geisteskrank dort estgehalten wurden. Die württembergische Regierung hat -ereits Reformvorschläge geschaffen, die auch von Aerzten gebilligt (Deutsche medicinische Wochenschrift, XX. Iahr- zaug, Nr. 52, S. 978 ff.) und von unS im „Leipziger Tageblatt" bereits früher (89. Jahrgang, Nr. 36.) ein gehend erörtert worden sind. Danach kann die Einweisung 'n eine Staatsirrenanstalt gegen den Willen der Angehörigen ünstig von der Kreisregierung nur verfügt werden bei Ge- meingefährlichkeit oder besonderer Pflegebebürftigkeit. Ein Gutachten darüber hat der OberamtSarzt zu erftatten, ein weiteres ist vom Hausarzt beizufügen und obendrein hat der Gemeinderath ein Zeugniß beizusügen, daß der Kranke nicht außerhalb der Irrenanstalt unlergebracht werden kann. Die Angehörigen sind zu hören. Die Einweisung erfolgt zunächst nur provisorisch. Der Kranke wird sechs Wochen lang be obachtet, worauf dann die endgiltige Entscheidung erfolgt. Tritt während des Aufenthaltes eine Besserung ein, so hat die Direktion der Anstalt wegen Entlassung oder Beurlaubung der Kreisregierung alsbald Mittheilung zu machen. Unab hängig davon hat die Kreisregierung in Zwischenräumen von je einem Jahre ein Gutachten der Direktion der Anstalt über die Fortdauer der Gefährlichkeit oder Pflegebedürstigkeit des eingewiesenen Kranken einznziehen. Das sind gewiß Reformvorschläge, welche Beachtung verdienen, aber sie sind nicht umfassend genug. Wo bleiben Bestimmungen für die Privatirrenanstalten, gegen welche das Mißtrauen des Publicnms am größten ist? Professor Medem in Greiss- walde will besondere „Fürsorgeämter" gebildet wissen, die aus höheren Justiz-, Verwaltungs- und Medicinalbeamten zusammengesetzt sein sollen und über jede Unterbringung in Anstalten, auch Privatirrenanstalten, sowie über Fortdauer und Aushebung der Unterbringung sowohl auf den Antrag Beteiligter, wie von Amts wegen zu entscheiden batten. Auch dieser Vorschlag ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu Weisen. Darüber ist man sich in allen betheiligten Kreisen klar, daß Etwas geschehen muß. Äöge man auch dafür sorgen, daß die lange Bank, auf die so viel geschoben zu werden pflegt, bei Seite gerückt wird. WaS geschehen muß, geschehe bald. Der Proceß, der einer großen Anzahl von unglücklichen Kranken die Erlösung aus wahrhaft scheußlicher Gefangen schaft gebracht hat, wird, wie ein reinigendes Gewitter wirken und mindestens den Nutzen stiften, daß fortan alle Privatanstalten geistlicher und weltlicher Art mit verschärfter Aufmerksamkeit controlirt werden und daß die Gesetzgebung sich endlich in iulensiverer Weise als bisher der Jrrenpflege erbarmen wird. So sind die Angeklagten im Proceß Mellage und Ge nossen zu Wohlthätcrn der Menschheit geworben, die Neben kläger aber standen als arme Sünder vor dem Gerichtshöfe, der die eigentlich Schuldigen als „Zeugen" zu vernehmen batte. DaS lehrt uns, daß auch hinsichtlich der Justiz im Staate — Dänemark manches faul ist und auch auf diesem Gebiete Reformen nicht zu den überflüssigen Dingen gehören. Deutsches Reich. * Berlin, 19. Juni. Ein Berliner Berichterstatter der „Neuen Zürcher Ztg." drückt sein Erstaunen darüber aus, daß heute behauptet werde, es sei niemals die Frage einer Regen t- schast für Kaiser Friedrich ernsthaft zur Verhandlung gekommen. Er behauptet, der Iustiminister Friedberg sei „neben anderen Autoritäten" von der Kaiserin Friedrich um sein Gutachten angegangen worden; Herr Gneist scheine sogar „von beiden Seiten" in Anspruch ge nommen worden zu sein. Die Kaiserin Friedrich sei Willens gewesen, selbst die Regentschaft zu übernehmen, während Fürst Bismarck sie dem jetzigen Kaiser zuge sprochen habe. Es heißt in dem Briefe weiter: „Wie man weiß, kam sofort nach dem Tode Wilhelms I. eine Verständigung zwischen Bismarck und dem Kaffer Friedrich zuwege, die nur erschwert worden war durch die bekannten ersten Erlasse von San Remo aus, die ohne Bismarcks Zuthun entstanden waren. Durch die Verlesung der Erklärung vom Regierungsantritte Friedrichs III. in den Parlamenten hatte Bismarck die einstweilige Regierungsfähigkeit des Kaisers und Königs rückhaltlos anerkannt und damit war die beseitigt geglaubte Frage der Regent- schaft in einer neuen Form wieder aufgelebt. Wie, wenn der Monarch selber etwa unter Gegenzeichnung des Ministers Fried- berg seine Frau, die Königin, zur Regentin etnietzt«? Diese Frage bestand jetzt, wie Bismarck sehr bald inne wurde, nicht nur theoretisch, sondern war mehrere Tage acut, und selbst Professor Gneist mußte zugeben, daß ein solcher Act des Königs vom historischen Gesichtspunkte zwar bedenklich, rechtlich aber wirksam sein würde. Die schwerste, vielleicht die einzige Krise, die, abgesehen von der Ministerschaft Puttkamers, wäh. rend der 99 Tage bestand, wurzelte in dieser Frage. In der Battenberg'schen HeirathS»Angelegenheit siegte Bismarck sofort, als ihm bekannt geworden war, daß der Hattenberger eine Ein ladung an den Hof erhalten Hobe. Er setzte seine Stellung an diese Frage, und eh« noch die Koffer des bulgarischen Exfürsten in Jugenheim gepackt waren, wurde die eben ergangene Einladung telegraphisch widerrufen. Auch in der erneuerten Frage der Regent- schalt siegte Bismarck und der Erlaß deS Kaisers vom 21. März 1888 ist eben nicht« andere«, als der Süßere Ausdruck dieses Siege-, denn er besagt mit anderen Worten, daß. falls es nöthig werden sollte, der Kronprin» die Geschäfte für seinen Vater zu führen haben werde. Wie aus oem Mitgetheilten hervorgeht, ist es eitel Spiegelfechterei, wenn jetzt zu verstehen gegeben wird, die Frage einer Regentschaft für Kaiser Friedrich habe für den letzteren gar nie bestanden." Der Berichterstatter behauptet ferner, daß an der Verhand lung auf dem Landgut de» Herrn v. Stosch neben Roggen bach, Friedberg und Geffcken auch Herr von Bennigsen und einige Süddeutsche, auch Journalisten, so der Ehefredac- teur und der Verleger eine« großen rheinischen Blatte-, Tbcil genommen und die Haltung gegenüber dem Fürsten Bismarck für den Fall deS Thronwechsel- erörtert hätten. — In allen bisherigen Berichten über jenen Vorgang ist von Herr» von Bennigsen mit keiner Silbe die Rede gewesen. Und WaS die Negentschastsfrage anlangt, so drehte sich die vublicistische ' Erörterung bisher nur um die unrickttiae Beba„v»,»nn
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