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Lasst mich ruhen. Lasst mich ruhen, lasst mich träumen, Wo die Abendwinde linde Säuseln in den Blüthenbäumen, Wo der Nachtigallen Lieder wieder In der Zweige Dämm’rung schallen. Wie des Mondes Silberhelle Auf des Baches dunkler Welle, • Spielt in dieser lichten Stunde ! Auf des Lebens dunklem Grunde • Der vergang’nen Tage Freud’ und Klage, Der Erinn’rung Lust und Schmerzen Flimmern auf in meinem Herzen. Lasst mich ruhen, lasst mich träumen Bei der Nachtigallen Sange Unter vollen Blüthenbäumen! Lange! Lange! Hoffmann von Fallersleben. Nur wer die Sehnsucht kennt. Nur wer die Sehnsucht kennt, weiss, was ich leide Allein und abgetrennt von jeder Freude’, Seh’ ich an’s Firmament nach jener Seite. Ach, der mich liebt und kennt, ist in der Weite; Es schwindelt mir, es brennt mein Eingeweide; Nur wer die Sehnsucht kennt, weiss, was ich leide. Ooetke. Erste Liebe. So hat noch Niemand mit mir gethan, So hat noch Niemand mich gefragt! An beiden Händen fasst’ er mich an Was ich gejubelt, was ich geklagt, Und schaute mir in die Seele Das ruht nun in seinem Herzen. So unwiderstehlich, so tief hinein, > Die ganze Welt wird mir zum Traum; Als wollt’ er schau’n, ob ein Fältelein , Bin ich es selbst noch, ich weiss es kaum, Ihm etwas noch verhehle. Mich blendet’s wie Weihnachtskerzen. So hat noch Niemand mich geküsst, Nicht Vater noch Mutter beim heil’gen Christ Nach all' den bunten Geschenken! Doch alle nun gäb ich mit Lächeln hin, So fröhlich ist mir, so selig zu Sinn, Darf ich an ihn nur denken. j Grosse. Die Waldblume. Im Föhrenwald alleine Steht eine Blume dort, Die blüht im Sternenscheine An einem düstern Ort. Dahin will ich mich setzen, Zur Blume heimlich hin, Will sie mit Thränen netzen, Weil ich verlassen bin. Ihr will ich Alles sagen, Was meine Seele quält, Und will ihr alles klagen, Was Allen ich verhehlt. Und muss sie einst erbleichen Zu einer schlimmen Zeit, So will ich gerne schweigen Zum Todesschlaf bereit. Doch tönt des Lenzes Weise Uns wieder an das Ohr, So brechen froh und leise Wir als zwei Blumen vor. Zwei Blumen an der Stelle In grosser Lenzespracht, Die blühen’gar so helle Um jede Mitternacht. Das Mädchen und der Schmetterling. Lustwandelnd schritt ein Mädchen in kühlem Waldesgrund, Und als sie dort sich bückte, Zum Strauss sich Blumen pflückte, Da kam ein bunter Falter und küsste ihren Mund. „Verzeih’ mir“, sprach der Falter, „verzeih’ mir mein Vergeh’n, „Ich wollte Honig nippen „Und hatte deine Lippen, „Dein rothes Mündchen für Rosen angeseh’n.“ Da sprach zu ihm das Mädchen: „Für diesmal, kleines Ding, „Will ich dir gern vergeben; „Doch merke dir daneben: „Nicht blühen diese Rosen für jeden Schmetterling.“ B. E. Wegener.